Nach Absatz 7, Zahl 1, der Kundmachung des
Finanzministers im Einvernehmen mit dem Handelsminister vom 25./XI.
1925 S. d. G. u. V. Nr. 247 unterliegen nicht der pauschalierten
Umsatzsteuer jene Schlachtungen, die ein Viehhälter, der
kein Fleischhauer oder Viehhändler ist, oder die ein Privater
ausschließlich für den Bedarf seines Haushaltes vornimmt
oder vornehmen lässt. Wenn der Viehhälter nicht das
ganze geschlachtete Stück für den Bedarf seines Haushaltes
verwendet, sondern einen Teil des Fleisches abgekauft, ist er
nach dieser Kundmachung verpflichtet, von der Schlachtung neben
der Fleischsteuer auch die pauschalierte Umsatzsteuer zu bezahlen.
Wenn daher die Kundmachung der Gefällskontrollamtes
in Arnau bestimmt, dass "Privatschlachtungen (auch Notschlachtungen)
des Viehes aller Art, wenn ein Teil des Fleisches an eine andere
Person verkauft wird, der pauschalierten Umsatzsteuer unterliegen",
so widerspricht ihr Wortlaut nicht der oben angeführten Kundmachung
über die Pauschalierung der Umsatzsteuer.
Insoweit die Interpellation die Unrichtigkeit
der Steuerbeträge beanständet, die von den Schlachtungen
nach der Kundmachung des Gefällskontrollamt in Arnau zu zahlen
sind, so übersieht sie, dass in diesen Beträgen neben
der pauschalierten Umsatzsteuer auch die Fleischsteuer enthalten
ist.
Ich bemerke, dass das Gefällskontrollamt
in Arnau die in der Interpellation angeführte Kundmachung
zu erlassen genötigt war, weil in seinem Sprengel zahlreiche
Fälle vorkamen, in denen Viehhälter und Private Vieh
schlachteten und einem Teil des Fleisches und in mehreren Fällen
sogar alles Fleisch des geschlagenen Stückes im Detail verkauft
haben, ohne die pauschalierte Umsatzsteuer von Fleisch zu bezahlen.
In keinem Falle hat jedoch das Gefällskontrollamt die Bezahlung
der pauschalierten Umsatzsteuer von Viehhältern verlangt,
die nicht Fleischer oder Viehhändler waren und die Schlachtung
ausschließlich für den Bedarf ihres Haushaltes vorgenommen
haben.
Prag, den
9. August 1926.
Die Bezirksorganisation der kommunistischen
Partei in Falkenau a. e. hat für den 21. Feber 1926 (nicht
für den 20. Feber) eine öffentliche Volksversammlung
mit dem Programm angemeldet: "Das Diktat der Staatssprache
und der Steuerraub." Die politische Bezirksverwaltung in
Falkenau hat die Abhaltung dieser Versammlung verboten, weil nach
der Ansicht der erwähnten Behörde ihr Programm den Bestimmungen
des allgemeinen Strafgesetzes (§ 300) und des Gesetzes zum
Schutze der Republik (§ 14 und § 15) widersprach und
weil durch die Abhaltung der Versammlung die öffentliche
Sicherheit und das öffentliche Wohl gefährdet worden
wären.
Als hierauf die Bezirksorganisation der kommunistischen
Partei zwei Versammlungen für dieselbe Zeit und am selben
Tage anmeldete, um das Verbot der ersten Versammlung zu umgehen,
verbot die politische Bezirksverwaltung auch diese Versammlungen.
Für den 28. Feber 1926 meldete der kommunistische
Bezirksverein in Drahowitz bei dem Polizeikommissariat in Karlsbad
eine Versammlung mit dem Programm an: "Steuerraubzug, Pfaffengeschenke
und Sprachenverordnung". Die Anmeldung der Versammlung nahm
das Polizeikommissariat in Karlsbad nicht zur Kenntnis, weil dieselbe
verspätet eingebracht wurde.
In keinem Falle bracht die Partei gegen die
Entscheidung der politischen Behörde I. Instanz ein Rechtsmittel
ein und begab sich so der Möglichkeit, dass die übergeordneten
Behörden die Verfügung der I. Instanz überprüfen.
Von den vorgesetzten Behürden wurde in den angeführten
Fällen keinerlei Weisung hinausgegeben.
Prag, am 27.
Juli 1926.
Um ein korrektes Vorgehen in der Frage der
Stempelpflicht doppelsprachiger Urkunden zu erzielen, hat das
Finanzministerium an die Ihm unterstellten Behörden den Erlaß
vom 5. März 1926, Z. 79.670/25-V-16 nachfolgenden Inhalts
hinausgegeben: "Amtliche Ausfertigungen und Zeugnisse, die
in mehreren Sprachen hinausgegeben werden, unterliegen als ein
Ganzes nur einem einfachen Stempel, nicht aber soviel Stempeln,
als Sprachen bei der Hinausgabe der Urkunde angewendet werden."
Diesen Erlaß hat das Ministerium des Innern auch den politischen
Behörden durch Rundschreiben vom 8. April 1926, Z. 21.286/14
zur Kenntnis gebracht und ihn in dem Amtsblatt des Ministeriums
des Innern (Nr. 5 ex 1926) veröffentlicht.
Prag, den
20. August 1926.
Zu der Versammlung, die der sozialdemokratische
Verein "Einigkeit" in Iglau für den 27. Feber 1926
veranstaltet hat, wurde durch ein Plakat eingeladen, das die in
der Interpellation angeführten Schlusszeilen enthielt. Diese
Schlusszeilen wurden bei der Pressedurchsicht nicht beschlagnahmt.
Das Polizeikommissariat in Iglau machte jedoch bei der Verhandlung
über das Gesuch um Zulassung des Plakates zum öffentlichen
Anschlag den Vorsitzenden des Vereines darauf aufmerksam, dass
die erwähnten Schlusszeilen des Plakates eventuell einer
günstigen Erledigung des Gesuches im Wege stehen könnten,
worauf der Vorsitzende des Vereines selbst den bezüglichen
Teil des Plakates abschneiden ließ. Der Anschlag des Plakates
wurde sodann anstandslos vom Polizeikommissariate bewilligt.
Der amtliche Vertreter sah die erwähnte
Versammlung irrtümlicherweise für eine öffentliche
Vereinsversammlung an und ließ sich zufolge dieses Irrtums
die Inkorrektheit zuschulden kommen, dass er die Wahl eines Präsidiums
nicht zuließ.
Im Verlaufe der Versammlung machte der amtliche
Vertreter den Vorsitzenden auf eine ungesetzliche Äußerung
aus den kreisen der Teilnehmer aufmerksam und forderte ihn auf,
gegen dieselbe einzuschreiten. Da der Vorsitzende einer Versammlung
nach § 11 des Versammlungsgesetzes und nach § 17 des
Vereinsgesetzes für die Beobachtung des Gesetzes in der Versammlung
verantwortlich ist, war diese Aufmerksammachung nicht ungesetzlich,
und der amtliche Vertreter hat sich auch keine Ungesetzlichkeit
zuschulden kommen lassen, wenn er weiter den Vorsitzenden darauf
aufmerksam machte, dass er wegen Nichterfüllung dieser seiner
Pflicht verfolgt werden könnte; er hat dies übrigens
erst nach der Versammlung getan.
Die Resolution, die in der Versammlung beantragt
wurde, hat der intervenierende Beamte nur zur eigenen Information
sich vorlegen lassen, und es handelte sich hier um keine Zensur.
Der amtliche Vertreter hat die Abstimmung über
Resolution nicht gehindert, aber von der irrigen Voraussetzung
ausgehend, dass die Versammlung als öffentliche Vereinsversammlung
einberufen worden sei, machte er darauf aufmerksam, dass eine
Abstimmung über Resolutionen in öffentlichen Vereinsversammlungen
nicht zulässig sei, weil über dieselbe auch Nichtmitglieder
des Vereines mitstimmen würde, worauf der vorsitzende die
Resolution nicht zur Abstimmung brachte.
Insoweit sich in dem gegebenen vereinzelten
Falle Inkorrektheiten - wenn auch unabsichtlich - ergeben haben,
wurde die entsprechende Maßnahme getroffen. Im übrigen
richten sich die unter der Kontrolle der breiten Öffentlichkeit
und der übergeordneten Behörden stehenden Ämter
sorgfältig nach den gesetzlichen Vorschriften über das
Versammlungsrecht.
Prag, am 28.
Juli 1926
Die "YMCA" ist in der Èechoslovakei
auf Grund des Vereinsgesetzes organisiert. Zwischen ihr und dem
Staate bestehen keinerlei gegenseitigen Verpflichtungen. Das Ministerium
für Gesundheitswesen hat auf das Gesuch derselben lediglich
seine Zustimmung dazu gegeben, dass zwei seiner Beamten au den
Arbeiten im Zentralausschusse der YMCA teilnehmen, insoweit es
sich um hygienische, sportliche und Fragen der Körpererziehung
handelt.
Die Filiale der YMCA in Reichenberg begann
am 6. März d. J. in Rochlitz kinematographische Vorführungen
zu veranstalten, bezüglich deren sie der Ansicht war, dass
sie dieselben nach der Ministerialverordnung vom 18. September
1912, R. G. Bl. Nr. 191, deshalb ohne Lizenz veranstalten könne,
weil es sich um Vorführungen handelt, bei denen ein Eintrittsgeld
nicht erhoben wird, sondern nur ein Regiebeitrag. Dieser Ansicht
war auch die Polizeidirektion in Reichenberg, und sie beschränkte
sich daher auf die Besichtigung der Räumlichkeit, sollte,
lediglich nach der Seite der Sicherheit. Es lag also nicht eine
Kollaudierung nach der angeführten Ministerialverordnung
vor, sondern bloß eine Besichtigung, welcher die Polizeidirektion
Räumlichkeiten unterzieht, in denen insbesondere Korporationen
öffentliche belehrende, sportliche und ähnliche Vorträge
mit Lichtbildern veranstalten. Diese Besichtigungen können
die Veranstaltung von Vorträgen nicht aufhalten und müssen
sofort und, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, noch vor
Beginn des Vortrags vorgenommen werden.
Da zu solchen Vorträgen, zu denen die
YMCA und die Polizeidirektion irrtümlicherweise die erwähnten
biographischen Vorstellungen gezählt haben, die Zustimmung
der Gemeinde nicht erforderlich ist, so wurde die Gemeinde nicht
erforderlich ist, so wurde die Gemeinde auch in diesem Falle nicht
darum angegangen.
Als die politische Landesverwaltung von den
biographischen Vorführungen des genannten Vereines in Rochlitz
Kenntnis erhielt, machte sie denselben darauf aufmerksam, daß
er ohne kinematographische Lizenz nicht selbständige kinematographische
Vorstellungen veranstalten darf, da der vermeintliche Regiebeitrag
tatsächlich ein Eintrittsgeld ist.
Prag, am 27.
Juli 1926.
Am 28. Feber 1926 wurde in Wallern im Gasthaus
des Anton Lichtnecker eine Protestversammlung der vereinigen deutschen
Parteien gegen die Sprachenverordnungen abgehalten. Nach Beendigung
der Versammlung ersuchte der Vorsitzende Schraml den intervenierenden
Beamten, Bezirkskommissär Tabach, um die Erlaubnis, daß
die Teilnehmer der Versammlung sich vor dem Gasthause Lichtneckers
gemeinschaftlich photographieren lassen können, und bemerkte,
daß sie nach dem Photographieren sofort auseinandergehen
werden. Die Bewilligung wurde ihnen vom intervenierenden Beamten
unter der Bedingung gegeben, daß die öffentliche Ruhe
und Ordnung gewahrt werde.
Bei diesem gemeinsamen Photographieren haben
jedoch einzelne Teilnehmer Tafeln mit den anstössigen Aufschriften
"Nieder mit den Sprachenunterdrückungen" und "Nieder
mit der Regierung Švehla"
emporgehoben. Diese Tafeln wurden in der Menge verdeckt getragen
und dann plötzlich im kritischen Moment so herausgestreckt,
daß sie auf der photographischen platte fixiert wurden,
derart, daß der intervenierende Beamte die Photographierung
derselben nicht verhindern konnte. Es konnten auch die Personen
nicht sichergestellt werden, welche die Tafeln herausgesteckt
haben, da nach der Photographierung die Teilnehmer sofort auseinander
gingen.
Mit den Erkenntnissen vom 30. April 1926, Z.
19913 verurteilte die politische Bezirksverwaltung in Prachatitz
den Franz Reisinger und Friedrich Schraml wegen Übertretung
des § 11, erster Satz, der Verordnung
vom 30. April 1854, R. G. B. Nr. 96, jeden zu einer Geldstrafe
von 200 Kè, im Falle der Uneinbringlichkeit
zu Arrest in der Dauer von 14 Tagen.
Die den Genannten zur Last gelegte Übertretung
wurde einerseits in der Anfertigung der anstössigen Aufschriften,
andererseits in der Verbreitung der diese Aufschriften enthaltenden
anstössigen Photographien erblickt.
Gegen diese Straferkenntnisse haben die Genannten
Berufung an die politische Landesverwaltung eingelegt, die dieselbe
mit der Entscheidung vom 21. Juli d. J. Z. 229106 ai 1926 verworfen
hat, wobei sie den Verurteilten gegen diese Entscheidung die Berufung
an das Ministerium des Innern vorbehalten hat.
Wenn eine solche Berufung eingereicht und vorgelegt
sein wird, dann wird erst dem Ministerium des Innern möglich
sein, die Sache objektiv zu überprüfen und seine eigene
Entscheidung hinauszugeben. Zur Aufhebung des Erkenntnisses der
politischen Bezirksverwaltung vom 30. April 1926, Z. 19.913 von
Amts wegen liegt keine gesetzliche Voraussetzung vor.
Prag, am 13.
August 1926.