Ètvrtek 9. listopadu 1933

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 299. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 9. listopadu 1933.

1. Øeè posl. dr Bachera (viz str. 9 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Für einen Demokraten ist es immer außerordentlich schwer, seine Zustimmung zu einem Gesetz zu geben, das mehr oder weniger die Ausschaltung der Volksvertretung zum Zwecke hat. Das uns vorliegende prolongierende Ermächtigungsgesetz dient dem Zwecke, dem früher im alten Österreich die sogenannten Notverordnungen gedient haben. Es muß zugegeben werden, daß von dem Ermächtigungsgesetz unter seiner bisherigen Herrschaft im Interesse des Rufes der Demokratie nur sparsam Gebrauch gemacht worden ist. Das war gut so, denn wenn man soviel vom Schutz der Demokratie spricht, so hat man auch die Aufgabe, die demokratischen Einrichtungen so stark und kräftig als nur möglich zu erhalten, und dies geschieht nicht, wenn sich das Parlament irgendwie seines Rechtes begibt, ständig an der Gesetzgebung und an der Kontrolle der Verwaltung mitzuarbeiten. Es war auch ganz richtig, daß der Verfassungsausschuß in seiner gestrigen Sitzung einem Versuch entgegengetreten ist, den Umfang des Ermächtigungsgesetzes und damit den Umfang der Verordnungsgewalt der Regierung auszudehnen, sondern bemüht war, die Verordnungsgewalt der Regierung, die in diesem Ermächtigungsgesetz vorgesehen ist, lediglich in den bisherigen Grenzen zu erhalten. Nichtsdestoweniger müssen wir uns fragen, ob denn dieses Ermächtigungsgesetz überhaupt notwendig ist. Ich glaube, daß, solange das Parlament tagt, ein solches Gesetz keine unmittelbare Notwendigkeit ist, und in diesem letzten Halbjahr hat sich auch das bisherige Ermächtigungsgesetz keineswegs als eine unvermeidbare und unumgängliche Notwendigkeit erwiesen.

Die Frage einer erweiterten Verordnungsgewalt der Regierung wirft immer gleichzeitig auch die Frage des Verhältnisses zwischen Gesetzgebung und Verwaltung auf. Es ist ganz klar, daß für die meisten Gesetze Durchführungsverordnungen erlassen werden müssen, in dem Sinne, als für gewisse Details den Behörden Anweisungen zum Vollzuge gegeben werden müssen. Dieses Parlament allerdings faßt meiner Ansicht nach die Grenzen zwischen Gesetzgebungs- und Regierungsgewalt nicht immer mit der notwendigen Strenge auf. Daher geschieht es, daß in die Verordnungen oft Bestimmungen hineinkommen, welche eigentlich in das Gesetz gehören, so daß die Gesetzgebung des Parlamentes darauf hinausläuft oder wenigstens in sehr vielen Fällen den Eindruck erwecken muß, daß das Parlament einigermaßen bequem ist, im Gesetze alles das vorzusorgen, was nicht der mittelbaren Vollziehung durch die Regierung, durch die Behörden unterworfen werden soll, sondern was unmittelbar im Text des Gesetzes bereits geregelt werden sollte. Und so komt es auch, daß die Durchführungsverordnungen - um deutlich zu sein - ganze Abschnitte aus den Gesetzen, zu deren Exekutive sie bestimmt sind, wiederholen. Daß Gesetze bisweilen auch ohne die nötige Voraussicht gemacht werden, scheint mir aus dem letzten Parteiengesetze deutlich hervorzugehen. Dieses Gesetz wurde gewiß in großer Eile gemacht und es sstellt sich jetzt heraus, daß die Durchführung des Gesetzes außerordentlich schwer sein wird, weil man eine ganze Reihe von Folgen gar nicht bedacht hat, die man hätte bedenken sollen und weil man es unterlassen hat, das Gesetz, wenn man es schon für notwendig erachtet hat, genügend elastisch zu gestalten.

Ich will jetzt nicht die Frage aufwerfen, inwieweit dieses Gesetz notwendig war. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, daß die Demokratie Mittel haben muß, um sich gegen Angriffe von links und rechts zu schützen und daß prinzipiell nichts einzuwenden ist, wenn Mittel zum Schutze der Demokratie ergriffen werden Aber in dem erwähnten Parteienauflösungsgesetz, meine Herren, zeigt sich jetzt beispielsweise Folgendes: Es gibt eine ganze Reihe von Männern, die sich einer Partei anschließen aus ihrem Milieu heraus, aus verschiedenen Gründen, ohne sich recht über die Prinzipien der Partei klar zu werden, ohne sich im Detail mit dem Programm der Partei zu beschäftigen, die der Partei einfach beitreten, um einer Gemeinschaft anzugehören, die im großen und ganzen ihrer Weltanschauung Ausdruck gibt. Und nun zeigt es sich, daß durch das neue Parteiengesetz speziell in den Gemeinden draußen eine sehr erhebliche Anz ahl von Männern von der zukünftigen Mitarbeit ausgeschlossen werden, und zwar auf lange Zeit, nur weil in dem Gesetz der Begriff der Zugehörigkeit zu einer Partei sehr weit gezogen wurde. Es gibt sehr viele, bewährte Mitarbeiter an den Aufgaben der Selbstverwaltung der Gemeinden, die sich eigentlich um ihre Partei, in deren Listen sie eingeschrieben waren, herzlich wenig gekümmert haben. Es war ihnen ziemlich gleichgültig, was die Partei als solche gemacht hat, sie wurden in den Listen der Partei geführt, im großen ganzen gehörte aber ihre Seele, ihre Arbeit, soweit sie neben ihrer Berufsarbeit einen Pflichtenkreis kannten, der Gemeinde als dem Kreis von Menschen, dem sie sich zugehörig fühlten. Sie haben gute Arbeit geleistet, positiv und konkret konnte politisch gegen sie nichts vorgebracht werden, und nur durch die bloße Tatsache, daß sie 6 Monate vor Erlassung dieses Gesetzes einer bestimmten Partei angehört haben, scheiden sie nun aus der fruchtbaren Arbeit aus, einer Arbeit, die von allen übrigen Parteien als ersprießlich anerkannt wurde. Im Gesetze wurde die Durchführung vollständig der Regierung überlassen. Das Gesetz ist derartig, daß es ohne Durchführungsverordnungen überhaupt nicht angewendet werden kann, und es ergeben sich nun draußen in den Gemeinden infolge der Auflösung der beiden radikalen Parteien und der daran geknüpften Folgen außerordentlich große Schwierigkeiten, sodaß man heute noch nicht weiß, wie man diese arbeitsamen und fleißigen Menschen, die niemals gegen den Staat etwas unternommen haben - Personen, die sich gegen den Staat vergangen haben, zu schützen, fühle ich mich durchaus nicht berufen, im Gegenteil - rechtzeitig durch andere Menschen ersetzen wird, die sich allen diesen Aufgaben in den Gemeinden und in den den Gemeinden angegliederten Betrieben mit Erfolg und mit dem guten Willen, das Beste zu leisten, unterziehen wollen.

Ich will mit diesen Bemerkungen nur darauf hinweisen, wie wichtig es wäre, bei der Fassung der Gesetze auf die verschiedenen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen und es sich als Parlament nicht so bequem zu machen und zu sagen, daß sich das Justizministerium oder das Innenministerium oder das Ministerium X oder Y schon darum kümmern werden, daß in den Verordnungen das zurechtgebogen wird, was durch eine nicht genug voraussehende Arbeit der Kammer am Gesetze von vornherein verbogen worden ist. Es ist dann kein Wunder, wenn die Durchführungsverordnungen oft Formen suchen, die eigentlich etwas ganz anderes zum Ausdruck bringen, als aus dem ursprünglichen, danebengreifenden Text des Gesetzes hervorgeht.

Wenn es zur Anwendung der neuen Regierungsermächtigung kommt, die heute hier beschlossen werden soll, so glaube ich, werden es wie im Sommer vornehmlich wirtschaftliche Fragen sein, die die Regierung beschäftigen werden. Ich will gleich der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Parlament auch gerade bei diesen wichtigen wirtschaftlichen Fragen, die sich vor uns aufhäufen, nicht umgangen werden wird. Die Fülle der wirtschaftlichen Fragen, die zu erledigen sind, ist außerordentlich groß. Der Herr Außenminister und der Herr Finanzminister haben in ihren Expos@ees betont, wie wichtig eine Regelung der handelspolitischen Probleme für die Èechoslovakei ist und die beiden Herren haben mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß die Regelung der handelspolitischen Probleme eine Lebensfrage nicht nur etwa der Industrie, sondern der Èechoslovakei überhaupt und der ganzen Position des Staates in Europa, die er sich errungen hat, bildet. Der Herr Außenminister hat ein Programm vorgeschlagen, wo er in erster Reihe die Kleine Entente zur Grundlage der Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen nimmt und er hat das Programm dieses Ausbaues der wirtschaftlichen Beziehungen in zwei Teile gegliedert, indem er zuerst ein Programm auf kurze Sicht und dann ein Programm auf lange Sicht aufgestellt hat. Bei dem Programm auf kurze Sicht sieht er Maßnahmen vor, die die Rechtsangleichung betreffen, die die Erleichterung, Vereinfachung und Vereinheitlichung des Transportwesens betreffen, die das Zollwesen, das Nachrichtenwesen usw., zum Gegenstand haben. Er hat aber auch davon gesprochen, wie er sich die Verwirklichung der Aufgaben dieses neuen Wirtschaftsblocks auf eine längere Sicht vorstellt und hat hiebei nicht nur an die Landwirtschaft, sondern auch an die Industrie appelliert. Die Frage des Verkehrs der Èechoslovakei mit den Donaustaaten im Sinne einer Rekonvaleszenz der so kranken, mitteleuropäischen Wirtschaft, ist außerordentlich schwer und wird für die Èechoslovakei von Jahr zu Jahr schwerer. Denn wenn die uns vorliegenden Schätzungen richtig sind, so steht die Èechoslovakei in ihrer landwirtschaftlichen Entwicklung in der Linie der Selbstgenügsamkeit heute bereits so weit, daß wir von den großen landwirtschaftlichen Artikeln eigentlich nur mehr Kukuruz aufnehmen. Wir sind - heuer ist die Weizenernte ungewöhnlich groß - bereits in der Lage, immer vorausgesetzt, daß die Schätzungen nicht Unrichtigkeiten enthalten, daß wir Weizen nicht nur nicht importieren, sondern daß wir in der Lage wären, Weizen zu exportieren. Was das Korn anbelangt, hatten wir in einigen der letzten Jahre bereits einen Ausfuhrüberschuß. Daß wir ein Gersteausfuhrland sind, ist bekannt, und auch in Hafer haben wir mehr erzeugt, als wir im Inlande aufbrauchen konnten Wenn daher auch die Weizenkultur soweit getrieben wurde, daß wir uns nun in Weizen nicht nur selbst versorgen, sondern Weizen auch noch ausführen können, so bleibt, wenn wir berücksichtigen, daß durch den zurückgehen den Konsum die Einfuhr von Rindvieh und Schweinen, mit Ausnahme von Fettschweinen, vollständig aufgehört hat, von den großagrarischen Artikeln nur Kukuruz übrig, den wir zu Futterzwecken importieren. Und wenn wir nun daran gehen, einen Teil der Weizenfläche umzustellen, uns wirtschaftlich umzuorientieren in dem Sinne, daß wir auch Futterpflanzen in weiterem Maße kultivieren, so wird auch die Einfuhr von Mais vielleicht in den nächsten Jahren zurückgehen. Je mehr aber diese Einfuhren rückgängig sind, desto weniger Wert besitzen wir für jene Staaten, deren Existenz auf den Export von Agrarprodukten ausgebaut ist und desto geringeren Wert hat dann die Èechoslovakei als wirtschaftlicher Bundesgenosse für Südslavien und Rumänien, auf die sich das Programm des Herrn Außenministers in erster Linie stützt.

Allerdings hat der Herr Außenminister auch einen Umstand angeführt, der jedenfalls größere Beachtung verlangt. Er hat gesagt, daß auch die Industrie, nachdem wir heute vornehmlich oder fast ausschließlich auf die Südoststaaten angewiesen sind, eine Politik betreiben müsse, die in dieser Richtung neue Wege sucht. Und er meinte, daß es sich empfehlen werde, gewisse Naturprodukte, die wir bisher aus dem Westen bezogen haben, aus diesen Ländern zu beschaffen, damit wir Gegenposten für die Ausfuhr von Industrieartikeln in diese Länder schaffen und so den Zahlungsverkehr erleichtern, der ja heute auch eine der Hauptursachen ist, weshalb unser Export nach diesen so wichtigen Staaten erlahmt ist. Er hat dabei wohl daran gedacht, daß wir in viel größerem Maße, als es bisher der Fall ist, rumänisches Erdöl verwenden und daß wir Mineralien aus dem mineralreichen Südslavien beziehen könnten.

Ich glaube, daß es wert wäre, tatsächlich die Bedingungen einer solchen Orientierung zu erforschen, wobei es allerdings wesentlich sein wird, ob die von diesen Ländern erzeugten Produkte gleichwertig sind, oder durch technische, nicht allzu kostspielige Vorkehrungen gleichwertig zu machen sind jenen Produkten, die wir als Roh- und Hilfsstoffe für unsere Industrie derzeit aus anderen Ländern beziehen. Jedenfalls wird aber hier die Industrie ihre Elastizität zu erweisen haben, und es wird, auf alle Fälle wünschenswert sein, daß Anstrengungen gemacht werden, um auch in dieser Hinsicht den Boden im Südosten für eine gemeinsame Wirtschaft zu ebnen.

Der Herr Landwirtschaftsminister Dr. Hodža geht in seinen Plänen insoweit weiter, als der Herr Außenminister, als er sich eine Intensivierung des Verkehrs mit dem Westen in der Weise vorstellt, daß bei dem Block der Südoststaaten oder wenigstens vorerst bei dem Block der Kleinen Entente nicht stehen bleibt, sondern ihn als eine einheitliche, wirtschaftliche Organisation dem Westen gegenüberstellt, und nun sagt: Wenn diese Westländer, also vo rnehmlich England und Holland, auch nur einen Bruchteil des Weizens, den sie bisher aus Übersee bezogen haben, von den Staaten der Kleinen Entente beziehen, so wird dadurch auch Luft geschaffen und es kann nun ein gewisser Kompensationsverkehr zwischen der Èechoslovakei und den Agrarstaaten in der Weise eintreten, als die Èechoslovakei beispielsweise aus England gewisse Industrieartikel bezieht, England von Rumänien oder Südslavien sich Getreide liefern läßt und die Èechoslovakei als Entgelt für diese Mittlertätigkeit die Möglichkeit bekommt, ihre Industrieerzeugnisse nach Rumänien oder Südslavien zu liefern. Theoretisch ist dieser Gedanke gewiß ausgezeichnet. Die Frage ist nur, wie weit andere Bindungen der Weststaaten, denken wir beispielsweise an die Bindungen der Konferenz von Ottawa und spezielle Interessen der Weststaaten dieser Lösung gegenüberstehen. Jedenfalls wird auch hier die Initiative ergriffen werden müssen, wie es sich denn überhaupt bei der Regelung all dieser schweren Wirtschaftsfragen darum handelt, den Mut zur Initiative zu zeigen und solange und unermüdlich neue Wege zu suchen, bis der oder jener Weg wenigstens zu einer leichten Besserung führt. Der Herr Außenminister hat sich allerdings, und mit Recht, auch bei seiner Südostpolitik, auch bei seiner Politik der Organisierung des Donauraumes, nicht darauf beschränkt, die Kleine Entente als einen abgeschlossenen Block zu betrachten, sondern er hat sich auch dafür eingesetzt, daß die übrigen Südoststaaten in eine Verbindung zu diesem System treten sollen. Mir scheint es selbstverständlich, daß man eine Donaupolitik, eine Politik des Donauraumes nicht treiben kann, ohne mit Österreich und ohne mit Ungarn, ja ohne auch mit Bulgarien in ein gewisses Verhältnis zu treten. Die Lage scheint sich mir nun folgendermaßen zu gestalten: Die Èechoslovakei arbeitet in erster Linie auf den Ausbau der Kleinen Entente zu einem Wirtschaftsblock hin, ohne sich einem Zweifel darüber hinzugeben, daß dieser Ausbau auf außerordentliche Schwierigkeiten stößt infolge der agrarischen Struktur dieses Landes, das in Agrarartikeln immer autarkischer wird, während es in Industrieartikeln zum Export drängt. Die Schwierigkeit liegt natürlich auch in der Qualität unserer Industrieartikel, denn wir haben unsere Industrie im Laufe der Jahrzehnte zu einer hochwertigen Qualitätsindustrie ausgebaut, die die Konkurrenz, was die Qualität der Produkte anlangt, mit den feinsten Waren auf der ganzen Welt, wenigstens in gewissen Zweigen, aufnimmt.

Wenn es uns demnach auch gelingt, in Rumänien und Südslavien einen erweiterten Absatzmarkt für unsere Artikel zu erlangen, was ich vom ganzen Herzen wünsche, so bleibt noch immer die Tatsache bestehen, daß diese Länder für eine große Reihe unserer Artikel von höchster Qualität für absehbare Zeit keinen rechten Bedarf haben werden. Deshalb müssen wir auch alle möglichen Wege einschlagen und uns nicht etwa lediglich auf die Kleine Entente oder auch nur auf den Südosten beschränken. Gewiß wird es uns leider nie mehr möglich sein, infolge der Gestaltung der Verhältnisse in Europa in den letzten Jahren, jemals wieder jene Industrieposition zu erlangen, wie wir sie vor dem Kriege gehabt haben. Es ist sehr traurig, diese Hoffnung fahren zu lassen, aber wir müssen immer daran denken, daß wir eben nichts unversucht lassen müssen, weil wir mit der Industrie tausende Menschen zu ernähren haben. Ich denke dabei insbesondere an die erwerbsfleißigen Bewohner unserer Randgebiete und speziell unserer sudetendeutschen Gebiete, die sich nur durch gewerbliche, nur durch industrielle Tätigkeit ernähren können, weil der Boden, auf dem sie wohnen, zu karg ist, um ihnen in der Landwirtschaft das liefern zu können, was sie zu ihrer Erhaltung brauchen.

Um nun auf die Politik des Donauraumes zurückzukommen, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich freilich neben dem Block der Kleinen Entente im Donauraum noch ein anderer Block vorzubereiten scheint, u. zw. glaube ich, daß sich ein Block vorzubereiten scheint - wenigstens gehen verschiedene Bemühungen dahin - in der Form, Österreich und Ungarn zusammenzufassen und diesen Block dem Block der Kleinen Entente entgegenzustellen. Es ist auch bekannt, welche Bemühungen speziell Italien macht, um diesen Block seiner Einflußsphäre unterzuordnen und welche Gefahr für die Wirtschaft, für die Industrie und damit auch für die Arbeiterschaft der Èechoslovakei darin gelegen ist, wenn wir nicht rechtzeitig darauf sehen, mit Österreich und Ungarn in ein Verhältnis zu kommen, das uns eine Konkurrenz mit Italien ermöglicht. Wie sich die Verhältnisse mit Deutschland gestalten werden, darüber läßt sich heute nichts sagen. Deutschland treibt einer streng autarkischen Politik zu, wir müssen aber unter allen Umständen damit rechnen, daß Deutschland über kurz oder lang große Anstrengungen machen wird, um im Südosten, im Donauraum vorzudringen. Allen diesen Tatsachen ins Auge zu sehen und rechtzeitig ohne Sentiments und Ressentiments zu versuchen, was zu einer Ausbreitung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Èechoslovakei im Donauraum im Wettbewerb mit Italien und mit Deutschland erforderlich erscheint, ist eine der Hauptaufgaben unserer Handelspolitik und es wäre zu wünschen, daß auch die Volksvertretung diesen Aufgaben ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden möchte.

Aber wir haben auch im Innern des Landes viel zu tun. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir im Osten ein Gebiet haben, nämlich Karpathorußland, ein Land, das, wie die Statistik aufzeigt, eine ganz besondere Bevölkerungszunahme aufzuweisen hat. Die stärkste Bevölkerungszunahme der Èechoslovakei ist in Karpathorußland zu verzeichnen. Dieses Land war schon zur Zeit des alten Österreich-Ungarn, was die Bevölkerungsvermehrung anlangt, außerordentlich fruchtbar, aber die wirtschaftlichen Verhältnisse haben es mit sich gebracht, daß aus dem Osten der Monarchie jährlich Hunderttausende abgewandert sind. Derzeit ist eine Auswanderung unmöglich, diese Menschen bleiben auf dem Raume. Sie sind aber kulturell und zivilisatorisch doch noch nicht so weit, um aus sich selbst heraus auf diesem Boden eine Wirtschaft entwickeln zu können, die jene Fortschritte zeigt, die in ihrem Interesse und im Interesse des Staatsganzen wünschenswert wären. Diese Wirtschaft im Osten der Èechoslovakei, die karpathorussische Wirtschaft zu beachten, zu fördern, die Menschen dort konsumfähig zu machen, ist eine der Hauptaufgaben der Èechoslovakei. Wenn ich den Vergleich mit einer Kolonie heranziehe, so bitte ich das durchaus nicht als eine Herabsetzung der karpathorussischen Bevölkerung zu verstehen. Nichts liegt mir ferner als das, aber ich mmöchte mir doch eine entfernte Parallele erlauben und mich fragen, ob nicht, wenn ein anderer Staat, sagen wir, eine Kolonie von dem Umfang, der Bevölkerungszahl und der Bevölkerungsvermehrung Karpathorußlands hätte, nicht die größten Anstrengungen machen würde, um diesen Landesteil konsumfähig zu machen und auf diese Weise ein Absatzgebiet für die in seinen fortgeschritteneren Gebieten erzeugten Artikel zu schaffen? Gewiß ist diese Aufgabe außerordentlich schwer, besonders infolge der Enge der finanziellen Mittel und Hilfsquellen. Aber gerade in derartigen wirtschaftlichen Fragen erweist sich oft das Wort als wahr: Wo ein Wille ist, dort ist auch ein Weg. Da scheint mir die Aufmerksamkeit, die der Entwicklung des Ostens der Republik im Hinblick auf die Bedeutung des inneren Marktes und des Absatzes zugewendet wird, noch immer zu gering zu sein und ich glaube, daß bei größerer Sorgfalt in der Kultivierung und Unterstützung dieser Gegenden für unsere Industrie und unseren Handel mehr zu erzielen wäre.

Auch andere Gebiete des wirtschaftlichen Lebens scheinen mir vernachlässigt zu werden. Ich erinnere daran, daß in anderen Staaten der freiwillige Arbeitsdienst, sei es an sich oder als zusätzlicher Arbeitsdienst, ganz schöne Früchte getragen hat, und das sollte man denn doch versuchen, nachdem jetzt Vorbilder und Experimente mit gewissen Resultaten vorliegen, im Kriege gegen die Arbeitslosigkeit auch dieses Mittel anzuwenden. Was die so dringliche Frage der Arbeitsbeschaffung anlangt, haben allerdings unsere internationalen Tribünen bisher vollständig versagt. Man dachte, daß es doch dazu kommen werde, daß ein Generalangriff auf die internationale Arbeitslosigkeit, wie sich kürzlich ein Schriftsteller ausgedrückt hat, im Wege der internationalen Arbeits- und Kapitalsbeschaffung erfolgen werde, daß man an große internationale Aufgaben, die auf dem Gebiete des Straß enbaues, jedenfalls aber auf dem Gebiete der Verkehrsmittel liegen, herantreten und so durch internationale Zusammenarbeit der Arbeitslosigkeit als dem schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Übel der Zeit entgegenarbeiten würde. In dieser Beziehung hat leider der Völkerbund versagt und wir wissen, daß er heute ohnmächtiger denn je ist, seitdem der wichtigste Teil Mitteleuropas, Deutschland, den Völkerbund verlassen hat. Auf die Dauer wird man nach meiner Ansicht mitteleuropäische Politik nicht treiben können, ohne Deutschland irgendwie in diesen Raum einzubeziehen, aber wie gesagt, die Linien der deutschen Politik, der reichsdeutschen Wirtschaftspolitik sind heute nicht zu übersehen, die Wirtschaft im Reiche ist vollständig der Politik untergeordnet, so daß sich in dieser Richtung in keiner Weise Leitlinien festsetzen lassen.

In diesem Zusammenhange möchte ich auf eine Frage hinweisen, die der Herr Finanzminister in sein em Exposé gestreift hat. In seiner Betonung der Fortsetzung der Ersparungspolitik hat er auch darauf hingewiesen, daß es notwendig sein wird, nicht nur die Preise gewisser hochgehaltener Artikel zu senken, sondern neben den Löhnen und Gehältern der öffentlichen Angestellten auch die Löhne und Gehälter der privaten Angestellten und Arbeiter einer Revision zu unterziehen. Da möchte ich darauf hinweisen, daß wir lange Zeit nach dem Kriege sehr niedrige Gehälter und Löhne hatten, daß unser Export sogar in den unmittelbaren Nachkriegsjahren und später in den Jahren der guten Konjunktur 1926 bis 1929 darauf basierte, daß wir in der Lage waren, mit billigen Arbeitskräften zu arbeiten. Seitdem sind die Löhne und Gehälter ganz wesentlich herabgesetzt worden, insbesondere bei den Angestellten, und zwar so stark, daß hier eine weitere Minderung kaum tragbar ist. Es wäre verfehlt, mit diesem Faktor einer fortgesetzten Senkung der Löhne und Gehälter der Angestellten weiter zu rechnen, damit ist nichts mehr zu erreichen. Die Konsumfähigkeit weiter Schichten der Angestellten und Arbeiter ist ohnedies auf einem Niveau angelangt, daß sie als Konsumenten auf die niedrigste Stufe gerückt sind und die Wirtschaft würde von einer weiteren Herabdrückung nicht viel profitieren, Allerdings ist hie und da eine größere Elastizität in der Lohnpolitik der Organisationen wünschenswert. Aber auch in dieser Beziehung ist man in den letzten Jahren vorwärtsgekommen.

Eine Hauptaufgabe, der sich der Staat nicht entziehen kann, ist die Förderung des Straßenbaues. Der Straßenbau steht in den Wirtschaftsprogrammen aller Staaten in dem Vordergrund des Interesses, soweit es sich um öffentliche Arbeiten handelt. In der letzten Zeit wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß eine der wichtigsten Adern des Fremdenverkehrs, das Tatragebiet, in Bezug auf die Straßen ungemein vernachlässigt ist und es wäre gewiß wünschenswert, in dieser Beziehung dort alles zu tun, was getan werden kann. Da möchte ich wieder den freiwilligen Arbeitsdienst hervorheben, der sich gerade bei der Verrichtung derartiger Arbeiten als Quelle der Arbeitsbeschaffung der ansässigen Bevölkerung ausgezeichnet bewährt hat. Wenn ich von den Straßen spreche, so kann ich auch nicht umhin, zu betonen, daß wir dem nicht entgehen werden, das im Frühjahre keineswegs glücklich gefaßte Automobilgesetz neu zu regeln, und je früher wir die Mängel dieses Gesetzes durch legislatorische Maßnahmen beheben, desto besser wird es nicht nur für die Autoindustrie und das Transportgewerbe sein, sondern auch für die Wirtschaft des ganzen Staates. Die Nachteile, die dieses Gesetz bisher gebracht hat, überschatten die Vorteile in einer Weise, wie es sich die ärgsten Pessimisten bei seiner Inkraftsetzung nicht schlimmer vorstellen konnten, und es ist mir unbegreiflich, warum hier nicht Remedur geschaffen wird, nachdem schon eine Reihe nützlicher Vorschläge in dieser Richtung vorliegen.

Von weiteren Gesetzgebungswerken in wirtschaftlicher Hinsicht ist insbesondere der Mieterschutz hervorzuheben, dessen Regelung rechtzeitig in Angriff genommen werden muß, wenn nicht wieder Flickarbeit geleistet werden soll, die keinen Teil der Bevölkerung zufrieden stellt. Hier muß ein Gesetz geschaffen werden, das auf eine Reihe von Jahren ausgedehnt ist und es wäre außerordentlich wünschenswert, endlich die beiden Willkürklassen, die der alten und die der neuen Mieter, aufzuheben. Ebenso liegen Gesetzesvorschläge bereit, die nur der Abstimmung bedürfen, so besonders der Entwurf über die Regelung des Angestelltenverhältnisses oder kurz gesagt die Novellierung des Handlunggehilfengesetzes, die eine dringende Notwendigkeit darstellt. Es wird seit Jahren an diesem Gesetz gearbeitet, die Vorschläge sind so gut wie fertig und wir können es nicht erleben, daß der Entwurf endlich auf den Tisch des Hauses gelegt wird, damit diese wichtige Materie endlich in einer unserer Zeit entsprechenden Weise geregelt werde. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die Regierung in Erkenntnis der Wichtigkeit dieser Aufgabe auch diese Frage einer Regelung unterziehen wird, ebenso wie die Frage des Doppelverdienertums, die im Interesse sowohl der öffentlichen wie der Privatangestellten einer Regelung dringend bedarf.

Wenn man heute soviel von der Wichtigkeit der Umstellung der Politik auf eine Politik der Stände spricht, so liegt es zum großen Teile daran, daß sich die Berufsstände mit Recht vernachlässigt fühlen. Wir haben eine Menge berufsständischer Organisationen und sind wenigstens, was den Westen der Republik betrifft, diesbezüglich gewiß nicht unterorganisiert, sondern eher überorganisiert. Dabei kommen die Berufsstände in der Politik doch in keiner Weise in wünschenswertem Maße zur Geltung. Ich erinnere nur daran, wie sehr die Handelskammern Schritt für Schritt zurückgedrängt wurden, wie die wichtigsten wirtschaftspolitischen Gesetze heute gemacht werden, ohne daß diese ausgezeichneten Organisationen, die über vorzüglich geschulte Mitarbeiter verfügen, gehört werden, daß die Gesetze mit Umgehung dieser Körperschaften gemacht werden. Auf die Umgehung der berufsständischen Organisationen führe ich nun den verstärkten Wunsch zurück, durch eine Politisierung der Stände, durch einen Ausbau dieser Stände zu politischen Machtfaktoren den berufsständischen Interessen Geltung zu verschaffen. Im Rahmen der bisherigen Verfassung ist meiner Ansicht nach eine Vollorganisierung des Volkes nach Ständen nicht möglich, wenn nicht ein Stand den anderen majorisieren und nicht im Rahmen des Standes eine Nation die andere majorisieren soll. Wollen wir dennoch dem ständischen Gedanken im Rahmen unserer Verfassung Rechnung tragen, so müssen wir wenigstens einigermaßen den berufsständischen Körperschaften jenes Gehör verschaffen, welches sie ihrer Mission nach verdienen und wozu sie ihrem Ausbau nach in vollstem Sinne berufen erscheinen. Die Allgemeinheit wird da nur Nutzen ziehen, wenn sie hört, was diese in ihrem Fach aufgewachsenen Persönlichkeiten empfehlen und wenn nicht vom grünen Tische aus Gesetze gemacht werden, die eigentlich den gegenteiligen Effekt hervorrufen, als ursprünglich beabsichtigt war.

Eine gute Wirtschaftspolitik, oder wenigstens das sichliche Bestreben, eine gute, d. h. eine gerechte Wirtschaftspolitik zu treiben, wird dazu dienen, die Zufriedenheit der Menschen zu erhöhen und die Unzufriedenheit, die ja die Quelle des sozialen Übels ist, zu bekämpfen; denn wirtschaftlicher Wohlstand ist die Voraussetzung der politischen Zufriedenheit.


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