Senát Národního shromáždìní R. È. r. 1930.

III. volební období.

3. zasedání.

Tisk 372.

Pùvodní znìní.

Antrag

der Senatoren Jarolim, Dr. Holitscher und Genossen

auf Erlassung eines Gesetzes zum Schutze der in Radiumbetrieben beschäftigten Personen.

Die Gefertigten stellen folgenden Antrag:

Der Senat wolle beschließen:

Gesetz

vom.......................................................,

betreffend Maßnahmen zum Schutze der Personen in Betrieben und Anstalten, in denen Radium gewonnen, verarbeitet oder verwendet wird (Radiumschutzgesetz).

Die Nationalversammlung der Èechoslovakischen Republik hat folgendes Gesetz beschlossen:

Geltungsgebiet des Gesetzes, Bewilligungs- und Haftpflicht.

§ 1.

(1) Dieses Gesetz bezieht sich auf alle Betriebe und Anstalten, in denen Radium oder radioaktive Stoffe gewonnen, erzeugt, verarbeitet oder verwendet werden.

(2) Alle Betriebe und Anstalten, welche unter die Bestimmung des vorstehenden Gesetzes fallen, bedürfen der Genehmigung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und unterliegen der in diesem Gesetze angeordneten Aufsicht.

(3) Für alle Schäden, welche aus der Nichtbeachtung der in diesem Gesetze, bezw. auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften entstehen, ist das Unternehmen (die Anstalt) dem Geschädigten ersatzpflichtig.

(4) Wo dieses Gesetz ohne nähere Bezeichnung von Betrieben und Anstalten spricht, sind darunter die im Abs. (1) angeführten Betriebe und Anstalten zu verstehen. Unter Beschäftigte sind alle in den im Absatz (1) angeführten Betriebe und Anstalten gegen Entgelt beschäftigten Personen zu verstehen, mögen sie Arbeiten oder Dienste welcher Art immer verrichten.

Aufsicht.

§ 2.

(1) Die oberste Aufsicht über die im § 1 angeführten Betriebe und Anstalten hinsichtlich der Durchführung und Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes führt der Minister für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit den Ministern für soziale Fürsorge, für öffentliches Gesundheitswesen und für Handel-, Industrie und Gewerbe.

(2) Beim Ministerium für öffentliche Arbeiten wird eine Kommission zur Überwachung der Durchführung dieses Gesetzes im Folgenden kurz Kommission genannt - eingesetzt, welcher außer den in diesem Gesetze besonders angeführten Aufgaben obliegt:

a) Die periodische Untersuchung und fortlaufende Überwachung der Betriebe und Anstalten,

b) die Sammlung und Verarbeitung der Beobachtungen, bezw. der einlaufenden Berichte, die Herausgabe entsprechender Publikationen,

c) die Erstattung von Gutachten und Stellung von Anträgen über Aufforderung der Zentralbehörden oder aus eigener Initiative.

Die Kommission erstattet dem Ministerium für öffentliche Arbeiten über ihre Tätigkeit alljährlich einen Bericht, welcher der Nationalversammlung vorzulegen ist.

(3) Die Kommission besteht:

a) aus je einem Vertreter des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, für soziale Fürsorge, für öffentliches Gesundheitswesen und für Handel, Industrie und Gewerbe, welche von dem zuständigen Minister ernannt werden,

b) aus drei Ärzten, welche über Vorschlag des Ministers für öffentliches Gesundheitswesen vom Minister für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit dem Minister für soziale Fürsorge und für Handel, Industrie und Gewerbe ernannt werden,

c) aus zwei Vertretern der in den Betrieben und Anstalten beschäftigten Arbeiter, einem Vertreter der dort beschäftigten Angestellten und zwei Vertretern der Arbeitgeber. Diese Vertreter werden über Vorschlag der zuständigen Interessenkorporationen, bezw. des Revierrates vom Minister für öffentliche Arbeiten ernannt, wobei der Minister an die Vorschläge gebunden ist,

d) aus einem Zentralgewerbeinspektor und dem Zentralgrubeninspektor, bezw. deren Stellvertreter.

(4) Der Vorsitzende der Kommission wird vom Minister für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit den beteiligten Ministern ernannt. Die Kommission beschließt ihre Geschäftsordnung, welche vom Minister für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit den beteiligten Ministern genehmigt wird.

(5) Die Mitgliedschaft in der Kommission ist ein Ehrenamt. Die Mitglieder haben Anspruch auf den Ersatz ihrer Auslagen.

Bestimmungen über die Errichtung der Betriebe und Anstalten.

§ 3.

(1) Alle jene Räume, in denen Radium oder radioaktive Stoffe gewonnen, verarbeitet oder verwendet werden, sind mit Ventilationseinrichtungen zu versehen, die einen so regen Luftwechsel hervorrufen, daß die Radioaktivität der Luft an keiner Stelle den Höchstbetrag von 25 M. E. überschreitet. Die Radioaktivität der Luft und der in den Betrieben (Schächten) vorkommenden Gewässer ist in regelmäßigen Zeitabständen, die im Verordnungswege festgesetzt werden, zu messen. Desgleichen ist der Staubgehalt der Luft in den Betrieben, sowie die chemische und physikalische Beschaffenheit des Staubes durch regelmäßig vorgenommene Untersuchungen in einem entsprechend ausgestatteten Laboratorium zu messen und zu kontrollieren. Hierüber sind genaue Vormerkungen zu führen und den Kontrollorganen jederzeit auf Verlangen vorzuzeigen.

(2) Überschreitet die Radioaktivität der Luft die Höchstgrenze von 25 M. E. oder der Staubgehalt der Luft, sowie der Gehalt des Staubes an radioaktiver Substanz das von der Kommission festzusetzende Höchstmaß, so sind umgehend die Lüftungsvorrichtungen zu verbessern oder zu erneuern.

§ 4.

(1) Jede Erneuerung in den Betrieben und Anstalten, jede Anschaffung neuer Maschinen und Instrumente, jede Änderung in den Arbeitsbedingungen und Methoden sind vor ihrer Einführung oder Anschaffung durch die Kommission inbezug auf ihre Einwirkung auf die Gesundheit zu prüfen und nur mit Zustimmung der Kommission zuzulassen.

(2) Die Kommission ist berechtigt, die Verwendung von bereits im Betriebe befindlichen Maschinen und Einrichtungen zu untersagen, die infolge übermäßiger und unvermeidlicher Staubentwicklung gesundheitsschädlich sind.

(3) Die Kommission erläßt auch Vorschriften über die Schutzmaßnahmen, die bei der Lagerung und dem Transport von Radium anzuwenden sind.

Maßnahmen zum Schutz der beschäftigten Personen.

§ 5.

In allen Betrieben und Anstalten sind hinreichende Baderäume zur Verfügung zu stellen, alle im Betriebe (in der Anstalt) beschäftigten Personen müssen beim Verlassen der Räume, in denen Emanation ist oder sein kann, ein Voll- oder Brausebad nehmen. Die hiezu erforderliche Zeit ist im die Arbeitszeit einzurechnen. Die Strassenkleidung ist vor Betreten der mit Emanation erfüllten Räume abzulegen, zum Umkleiden sind entsprechende Räume zur Verfügung zu stellen.

§ 6.

(1) Mindestens zweimal jährlich, in der Regel nach jedem Urlaub, ist eine ärztliche Untersuchung aller im Betriebe (in der Anstalt) beschäftigten Personen vorzunehmen. Diese Untersuchung muß sich insbesonders auf die Untersuchung des Blutes und des Blutdruckes, sowie auf die röntgenologische Untersuchung der Lunge erstrecken.

(2) Wenn das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung es erheischt, sind die betreffenden Personen durch angemessene Zeit von der Beschäftigung an gesundheitsgefährlichen Stellen fernzuhalten und an ungefährlichen Stellen zu beschäftigen, bezw. ist ihnen eine Verlängerung des bezahlten Urlaubes zu gewähren.

(3) Über den Gesundheitszustand aller in den Betrieben und Anstalten Beschäftigten Personen sind fortlaufendeAufzeichnungen zu führen und Gesundheitsblätter anzulegen, die in einer eigenen Kartothek aufzubewahren sind. Den Mitgliedern der Kommission muß jederzeit Einsicht in diese Aufzeichnungen gewährt und der Kommission fortlaufend übersichtliche Berichte erstattet werden.

(4) Nähere Anordnungen über die Durchführung der ärztlichen Untersuchungen und über die Bestellung der Ärzte trifft die Kommission.

§ 7.

In den Betrieben und Anstalten sind in allen Räumen, in denen Staubgehalt, Radioaktivität der Luft, Feuchtigkeit und Nässe es notwendig erscheinen lassen, den dort beschäftigten Personen Masken, Respiratoren, Brillen und Schutzkleider auf Kosten des Unternehmens (der Anstalt) beizustellen.

Die Kommission erläßt nähere Anordnungen über den Umfang und die Art der Erfüllung dieser Verpflichtung.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen.

§ 8.

(1) Die Löhne der Arbeiter und Angestellten in den im § 1, Abs. 1 bezeichneten Betrieben und Anstalten müssen wenigstens um ein Drittel höher sein, als die Bezüge von Arbeitern und Angestellten gleicher Kategorie in den anderen Betrieben und Anstalten.

(2) Die Einhaltung dieser Bestimmungen überwacht die Berg- (Gewerbe-) Behörde.

§ 9.

Die Arbeitszeit in den Betrieben und Anstalten darf 35 Stunden in der Woche nicht überschreiten, wovon auf einen Tag nicht mehr als 7 Stunden entfallen dürfen. Zwei Tage in der Woche sind arbeitsfrei.

§ 10.

(1) Den in den Betrieben und Anstalten beschäftigten Personen gebührt, sofern sie auf Grund von Gesetzen oder Verträgen nicht weitergehende Ansprüche besitzen, zweimal im Jahre ein bezahlter Urlaub von je 14 Tagen. Zwischen je zwei Urlaubsperioden muß ein Zeitraum von wenigstens 4 Monaten liegen.

(2) Dieser Anspruch gebührt allen Personen, welche mindestens 6 Monate im Betriebe (in der Anstalt) beschäftigt sind.

(3) Die Urlaubsentschädigung ist so zu berechnen, daß gegenüber den im Durchschnitt des letzten Halbjahres vor Urlaubsantritt empfangenen Geld- und Naturalbezügen keine Kürzung eintritt.

(4) Der Arbeitnehmer kann auf den Urlaub nicht verzichten. Eine Ablösung des Urlaubsanspruches durch Geld- oder Naturalentschädigung ist unstatthaft.

§ 11.

In den Betrieben und Anstalten dürfen nur Personen beschäftigt werden, welche das 18. Lebensjahrvollendet haben.

Sie sind vor Antritt ihrer Beschäftigung ärztlich zu untersuchen, wobei sich die Untersuchung auf die körperliche Widerstandsfähigkeit gegen die schädlichen Einwirkungen des Radiums zu erstrecken hat. Personen, die bei dieser Untersuchung als zur Arbeit in den Betrieben und Anstalten ungeeignet befunden werden, dürfen nicht beschäftigt werden.

Bestimmungen über die Sozialversicherung.

§ 12.

Die durch die Radiumemanation entstandene Berufsunfähigkeit ist als Betriebsunfall nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umfallversicherung der Arbeiter zu entschädigen.

§ 13.

(1) Den nach dem Gesetze vom 11. Juli 1922, Nr. 242 Slg. d. G. u. V. versicherten Personen, welche unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen, gebühren die im Gesetze Nr. 242/1922 festgesetzten Versicherungsleistungen in zweifacher Höhe. Die zur Deckung dieser Mehrleistungen erforderlichen Beiträge (Zusatzbeiträge) trägt der Arbeitgeber zur Gänze.

(2) Wenn ein nach dem Gesetze 242/1922 Versicherter in eine andere versicherungspflitige Beschäftigung übertritt, so ist die um die zusätzlichen Beiträge erhöhte Prämienreserve an den neuen Versicherungsträger zu überweisen.

(3) Die nach dem Gesetze vom 9. Oktober 1924, Nr. 221 Slg. d. G. u. V. in der Fassung des Gesetzes vom 8. November 1928, Nr. 184 Slg. d. G. u. V. versicherten Personen sind, solange sie in den im § 1, Abs. (1) angeführten Betrieben und Anstalten beschäftigt sind, bei der Zentralsozialversicherungsanstalt auf die in den §§ 106-122 des zitierten Gesetzes angeführten Leistungen im doppelten Ausmaße versichert. Die Zentralsozialversicherungsanstalt setzt die besonderen Versicherungsbedingungen und die Tarife der Versicherungsbeiträge fest, sie kann zur Durchführung dieser Versicherung eine besondere Abteilung errichten. Alle diese Maßnahmen bedürfen der Genehmigung des Ministeriums für soziale Fürsorge. Soweit die Beiträge das im § 158 des Gesetzes festgesetzte Maß übersteigen (zusätzliche Beiträge), trägt sie der Arbeitgeber zur Gänze. Der Staatsbeitrag wird in dem Verhältnisse erhöht, in welchem die Leistungen nach dieser Bestimmung die Leistungen nach dem Gesetze Nr. 221/1924 in der Fassung des Gesetzes Nr. 184/1928 übersteigen.

(4) Die nach dem Gesetze vom 21. Februar 1929, Nr. 26 Slg. d. G. u. V. versicherten Personen sind gemäß § 122 dieses Gesetzes auf die Versicherungsleistungen im doppelten Ausmaße versichert. Die zusätzlichen Beiträge trägt der Arbeitgeber zur Gänze.

(5) Beim Übertritt der im Absatz (3) und (4) angeführten Personen in eine andere Versicherung gelten sinngemäß die Bestimmungen des Absatzes (2).

Schlußbestimmungen.

§ 14.

Übertretungen dieses Gesetzes werden, sofern sie nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bilden, von der Berg- (Gewerbe-) Behörde mit Geldstrafen bis zu 10.000 Kè oder mit Arrest bis zu drei Monaten bestraft.

§ 15.

Zur Deckung des mit der Durchführung dieses Gesetzes verbundenen Aufwandes ist in den Voranschlag des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, bezw. für soziale Fürsorge (§ 15, Abs. (3)) alljährlich ein entsprechender Betrag einzustellen.

§ 16.

Die Durchführung dieses Gesetzes obliegt den Ministern für öffentliche Arbeiten, für soziale Fürsorge, für öffentliches Gesundheitswesen und für Handel, Industrie und Gewerbe.

§ 17.

Dieses Gesetz tritt zwei Monate nach der Kundmachung in Kräft.

Begründung.

I. Allgemeines.

Die unverhältnismäßig große Sterblichkeit und Krankheitshäufigkeit bei dem staatlichen Uranerzbau in St. Joachimsthal ist eine Erscheinen, an der dis verantwortlichen Faktoren trotz aller Bemühungen seitens der Union der Bergarbeiter, seitens parlamentarischer Faktoren und der Ärzte allzulange untätig gegenüber gestanden sind. Bereits im Jahre 1928 hat die Union der Bergarbeiter den Zentralbehörden eine ausführliche Denkschrift überreicht, welcher wir den größten Teil nachstehender Daten entnehmen:

Bei der Revierbruderlade in Falkenau waren nach dem Stande vom 31. Dezember 1927 im Ganzen 9831 Personen versichert, von denen auf den Bergbaubetrieb in Joachimsthal 309 Personen entfielen. Aus der Krankenstatistik des gleichen Sozialversicherungsinstitutes geht hervor, daß im Jahre 1927 14 Bruderladenmitglieder an Lungenkrankheiten und Tuberkulose gestorben sind, davon 3, also 21.4%, aus den Reihen der Joachimsthaler Bergarbeiter, obwohl diese nur 3.14% der Versicherten stellen.

Im Jahre 1928 starben an Lungenkrebs 2 Joachimsthaler Bergarbeiter nach 16 beziehungsweise 18 Dienstjahren, im Jahre 1929 9 Arbeiter nach 13 bis 22 Dienstjahren, im Jahre 1930 bisher 5 Arbeiter nach 14 bis 24 Dienstjahren.

Im Vergleich zur Sterblichkeit in anderen Bergbaubetrieben, die an und für sich schon zu den besonders gefährlichen Arbeitsstätten gehören, ergibt sich folgendes Bild:

Auf je 100 Mitglieder der Bruderlade entfallen im Jahre 0.49 Todesfälle, in St. Joachimsthal jedoch 1.29 Todesfälle. Das Durchschnittssterbealter beträgt bei allen Bruderladenmitgliedern 43 Jahre, in St. Joachimsthal dagegen 37 Jahre. Die Provisionierung erfolgt bei der Bruderlade im Durchschnitt nach 20 Jahren, 5 Monaten, im St. Joachimsthaler Bergbau aber schon nach 15 Jahren 2 Monaten.

Aber nicht nur die Sterblichkeit und Invalidität ist im Joachimsthaler Bergbau erschreckend hoch, auch die Krankheitshäufigkeit ist weitaus größer, als in anderen Betrieben. Im Jahre 1928 gab es bei 299 Mitgliedern 349 Krankheitsfälle, im Jahre 1929 von 289 Mitgliedern 487 Krankheitsfälle.

Von je 1.000 Mitgliedern der Revierbruderlade in Falkenau waren ständig im Krankenstande:

 

1928

1929

1930

I. Halbjahr

Vom Gesamtstand

42

48

52

in St. Joachimsthal

50

59

94

Aber auch die allgemeine Gesundheitsstatistik führt zu den gleichen Ergebnissen. Im Lande Böhmen entfallen von je 1.000 Todesfällen 16 auf Lungenkrebs im Bezirke Joachimsthal aber 25.

Diese ungewöhnliche Sterblichkeit und Krankheitshäufigkeit wurde von den Ärzten lange Zeit auf die durch Gesteinstaub verursachte Lungentuberkulose zurückgeführt. Es ist ein Verdienst des Spezialarztes für Radiumtherapie Dr. Max Heiner, durch seine Untersuchungen die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit und der verantwortlichen Faktoren darauf gelenkt zu haben, daß es sich nicht um ausgesprochene Lungentuberkulose, sondern um eine Krankheit ganz eigener Art handelt, welche durch die Radiumemanation hervorgerufen wird. Dr. Heiner hat das Ergebnis seiner Untersuchungen bereits im Februar 1927 in einem wissenschaftlichen Elaborat niedergelegt. Zu änhlichen Schlüssen kam auch der Chefarzt der Falkenauer Bruderlade Dr. Quido Nitzl. Von besonderem Wert für die Erforschung dieser noch nicht ganz aufgeklärten Krankheitserscheinung sind die Arbeiten des Gewerbehygienikers Prof. Dr. Julius Löwy, der in einer Denkschrift vom 1. Mai 1929 aus einer Vergleichung mit den Krankheitserscheinungen in den Gruben von Schneeberg in Sachsen zum Schluß kommt, daß es sich in beiden Fällen um eine krebsartige Erkrankung handelt, welche durch die Radiumemanation hervorgerufen wird. Diese Auffassung fand auch in einer vom Gesundheitsministerium einberufenen Beratung namhafter Ärzte am 16. Jänner 1930 ihre Bestätigung. Bereits auf dem internationalen Kongreß für Berufskrankheiten, der im April 1929 in Lyon stattfand, wunde über Anregung des Prof. Löwy der Joachimsthaler Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt.

Diese wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben also einerseits die Notwendigkeit weiterer Erforschung der mörderischen Krankheit, sie erfordern aber andererseits schon jetzt die Anwendung Besonderer Schutzmaßnahmen, welche geeignet sind, den verheerenden Wirkungen des Lungenkrebs wenigstens eindämmend entgegenzutreten. Auf die Forderungen, welche von den Ärzten auf Grund ihrer Forschungen erhoben werden, sei hier mit ganz besonderem Nachdruck verwiesen.

Dr. Heiner schlug bereits in seinem Elaborat vom Februar 1927 vor:

»In Räumen mit radioaktiver Luft darf sich niemand länger aufhalten, als unbedingt nötig; diese Räume müssen stets gut gelüftet sein, eventuell ist für ausreichende künstliche Ventilation zu sorgen.

Ferner ist zu beachten, daß außer lokalen Schutzmaßnahmen die tägliche Arbeitszeit mit Radium, bezw. in radioaktiver Luft sieben Stunden nicht übersteigen darf, daß die Sonntage und außerdem ein halber Tag in jeder Woche zur Erholung im Freien dienstfrei zu geben und jährlich ein Urlaub von zweimal 14 Tagen oder einem Monat zu gewähren ist. Wo eine derartige Einteilung nicht möglich ist, sollen die mit Radium, bezw. in radioaktiver Luft beschäftligten Personen jeden zweiten, längstens dritten Monat gewechselt werden.

Bei Saisonbetrieben genügen in der Regel die freien Sonntage, wenn nach der Saison mindestens ein einmonatiger Urlaub gegeben und nachher höchstens halbtägig mit Radium, bezw. in radioaktiver Luft gearbeitet wird. Außerdem muß bei den mit Radium, bezw. in radioaktiver Luft beschäftigten Personen dreimal jährlich eine genaue Blutuntersuchung vorgenommen und registriert werden, nach deren Ergebnis beurteilt werden kann, ob die durchgeführten Schutzmaßnahmen genügend waren. Ist trotzdem eine zunehmende Schädigung zu konstatieren, so ist die Tätigkeit der Betreffenden in radioaktiven Betrieben einzustellen.

Wenn auch die dauernde Beschäftigung in radioaktiver Luft zu schweren Schädigungen führt, so läßt sich durch diese Maßnahmen doch erreichen, daß die Schädigungen der Gesundheit nicht in stärkerem Maße auftreten, als bei anderen Berufen, wofür zu sorgen gewiß Pflicht eines jeden Staates ist.

Übrigens bilden sich Radiumschädigungen, die noch nicht zu lange bestehen, allmählich wieder zurück, aber es ist dann nötig, mindestens 4 bis 6 Wochen dem Radium und radioaktiver Luft fernzubleiben.«

In seinem bereits erwähnten Gutachten erklärt Prof. Dr. Löwy:

»Die insbesonders von Dr. Heiner, aber auch von Dr. Nitzl gemachten Vorschläge zur Verhütung von Radiumsschädigungen sind vollständig und decken sich auch mit den Vorschlägen, welche das Internationale Arbeitsamt in Genf in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift »Hygiène du Travail« gemacht hat.«


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