Hohes Haus! Ich habe in meinen Ausführungen zu zwei Fragen
Stellung zu nehmen, zum ersten zum Budget und zum zweiten zu den
Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža,
in denen er sich gestern im besonderen mit seiner Stellung zur
sudetendeutschen Partei befaßt hat. Ehe ich unsere Stellung
zum Budget darlege, halte ich es gerade deswegen, weil man es
immer für notwendig hält, uns Vorlesungen über
Demokratie und ihre Vorzüge, nicht nur für die Koalition,
sondern auch für die Oppositionsparteien, zu halten, gerade
unter Beziehung auf die Behandlung des Budgets darauf hinzuweisen,
daß man es in der Budgetbehandlung zweifellos verabsäumt
hat, diese außerordentlich günstige Gelegenheit, uns
die Vorzüge der Demokratie zu demonstrieren, auch wirklich
zu benützen. Denn ich stelle fest: Die Art und Weise, in
der in diesem Jahre das Budget behandelt wurde, hat weder uns,
noch anderen Oppositionsparteien, ja nicht einmal den Parteien
der Koalition die Gelegenheit gegeben, zum Staatsvoranschlag so
gründlich und so ausführlich Stellung zu nehmen, wie
es wohl gerade im Sinne unserer demokratischen Verfassung notwendig
und wünschenswert gewesen wäre.
Der Herr Finanzminister hat wiederholt drei Grundsätze betont:
Heuer, daß ein geordneter Staatshaushalt die Voraussetzung
einer Wirtschaftspolitik sei, die zum besseren führen könne.
Im Vorjahre, daß die Staatsverwaltung im Sinne äußerster
Sparsamkeit wirtschaften müsse, und daß sie nicht mehr
ausgeben könne, als sie einnehme, und vor zwei Jahren, daß
die Deflationspolitik beendet werde. Wir müssen zu unserem
Bedauern feststellen: erstens, der Staatshaushalt ist nicht ausgeglichen,
denn die Finanzverwaltung rechnet mit Einnahmen, die sich - und
das mußte der Generalberichterstatter zum Budget selbst
feststellen - tatsächlich nicht erzielen lassen werden. Das
Budget basiert auf einem Ertrag der öffentlichen Abgaben
von 6.3 Milliarden, während heuer der tatsächliche Ertrag
der Abgaben 5 Milliarden nicht überschreiten wird. Die vorgesehenen
neuen Steuerquellen beziffert das Finanzministerium selbst lediglich
mit 90 Millionen, der Ertrag der im Finanzexposé erwähnten
Steuererhöhungen, bezw. die Neueinführungen entziehen
sich insoferne jeder Schätzung, als es evident ist, daß
die Wirtschaft neue Belastungen auf der einen Seite mit geringeren
Steuerleistungen auf der anderen Seite beantworten wird und muß.
Selbst wenn man annehmen wollte, daß insgesamt 200 bis 300
Millionen zusätzliche Gelder aus dem erschöpften Wirtschaftsorganismus
herausgepreßt werden könnten, bleibt immer noch ein
Manko von einer Milliarde Rest, um das die Einnahmen zu hoch veranschlagt
sind. Schließlich werden die Staatsunternehmungen keineswegs
jene Milliarde abwerfen, mit der der Finanzminister rechnet. Denn
der Finanzminister weiß sehr genau, ebenso gut wie wir,
daß die Tabakregie z. B. im kommenden Jahre nicht, wie man
annimmt, 1.280, sondern höchstens 1.100 Millionen der Staatskassa
abwerfen wird, daß die Forste nicht, wie man annimmt, 33
Millionen Überschuß, sondern vielmehr vielleicht ebenso
viel Defizit haben werden, und daß vor allem die Bahnen
nicht 700 Millionen, wie man annimmt, sondern mehr als eine Milliarde
als Staatszuschuß beanspruchen werden. Das Ergebnis ist
also, daß das Budget nicht ausgeglichen, sondern mit vielleicht
1 1/2 Milliarden passiv sein wird.
Wenn der Herr Finanzminister recht hat, daß die Voraussetzung
einer Besserung ein gesunder Staatshaushalt ist, müssen wir
feststellen, daß mit diesem Budget, wie es uns heuer bekanntgegeben
wurde, jene Voraussetzungen keineswegs geschaffen sind.
Wir müssen zweitens feststellen, daß die Staatsverwaltung
keineswegs im Sinne äußerster Sparsamkeit wirtschaftet,
vielmehr wurden die Ausgaben der Ressorts um 300 Millionen erhöht,
wobei die Hälfte dieser Summe für Militär, Gendarmerie
und Polizei Verwendung findet, statt zur Linderung des Elends
und der Not in den Notstandsgebieten. Der Staat gibt dauernd mehr
aus, als er einnimmt, demgemäß nimmt die Verschuldung
beängstigend zu. Sie erreicht 1933 38.7 Milliarden, Ende
1934 39.4, Ende 1935 40.9 und wird infolge des passiven Budgets
Ende 1936 wahrscheinlich 42 Milliarden erreichen.
Drittens und schließlich ist die Versprechung des Herrn
Finanzministers nicht erfüllt worden, der vor 2 Jahren erklärt
hat, es werde Schluß gemacht mit der Deflationspolitik.
Was bedeutet eigentlich Deflation? Wir haben in den ersten Nachkriegsjahren
die Inflation erlebt: eine Schraube ohne Ende, die das in Geld
und Arbeit angelegte Nationalvermögen fast vernichtet hat.
Jetzt erleben wir seit 1929 die endlose Schraube der Deflation,
die das in Gütern oder in Arbeit ruhende Nationalvermögen
ebenfalls zertrümmert. Die Entwertung des sachlichen Nationalvermögens
und der Arbeitskraft durch die staatliche Wirtschaftspolitik ist
in den beiden letzten Jahren unerträglich weit vorgetrieben
worden. Man hat die Schraube der Deflation endlos weitergedreht,
obwohl das Gegenteil seinerzeit vom Herrn Finanzminister angekündigt
worden ist. Ständig erhöht der Staat seine Ansprüche
an die Steuerleistungsfähigkeit, immer gewaltsamer wurden
die Eintreibungsmethoden. Die Folge davon war eine anhaltende
Flucht vor den Sachwerten in die dem staatlichen Zugriff leicht
entziehbaren Geldwerte. Hieraus mußte sich ein Überangebot
an Sachwerten und Arbeit, also an Grundstücken, Häusern,
Fabriken, gewerblichen Betriebsstätten und allen Produktionsmittel
schlechtweg ergeben, andererseits aber auch ein Sinken der Nachfrage,
da die Besitzer von Geld ständig an der Aufwertung des Geldes
verdienen und daher nicht eine Anlage eingehen wollen, die der
Entwertungsgefahr durch die Deflationspolitik ausgesetzt ist.
Als Beispiel möge genügen, daß die gesamte Ackerfläche
der Republik im Jahre 1929 noch 70 bis 80 Milliarden wert war,
heute aker kaum mehr 30 bis 40 Milliarden wert ist. Ähnliche,
vielleicht noch schärfere Entwertung hat das in Häusern,
Werkstätten und sonstigen Sachgütern angelegte Kapital
erfahren. Insgesamt handelt es sich dabei um Entwertungen, die
in die Hunderte von Milliarden gehen.
Im Zusammenhang mit dieser Entwertung der Sachwerte steht auch
die Entwertung der menschlichen Arbeit, die zu Hungerlöhnen
und Massenarbeitslosigkeit geführt hat. Dieser Entwertungsprozeß
ist durch unsere Finanzpolitik bis in die jüngste Vergangenheit
hinein weiter getrieben worden, und das Budget läßt
längst schon erkennen, daß man diese Linie auch im
Jahre 1936 nicht zu verlassen gedenkt. Denn man wird mehr denn
je die schaffende Wirtschaft unter Druck setzen müssen, selbst
wenn man nur die tat-. sächliche Abgabensumme von 1935 wieder
erreichen will, geschweige denn die um 300 Millionen höher
veranschlagte Abgabensumme von 1936. Damit ist der Beweis erbracht,
daß die deflationistische Finanzpolitik keineswegs beendet
ist, sondern ungehemmt, ja sogar gesteigert weitergeführt
wird. Wir stehen nicht an zu erklären, daß wir für
das Budget stimmen würden, wenn es auf den drei eingangs
erwähnten Grundsätzen des Herrn Finanzministers aufgebaut
wäre. Da aber der Staatshaushalt weder geordnet ist noch
die Deflation aufgegeben wurde, müssen wir feststellen, daß
die theoretischen Grundsätze des Herrn Finanzministers durch
die Tatsachen seiner Politik und durch die erzielte Wirkung desavouiert
wird. Wir müssen deshalb das Budget ebenso wie das Finanzexposée
des Herrn Finanzministers ablehnen.
Keineswegs wollen wir jedoch aus dieser Ablehnung einen Verzicht
auf Aufbauarbeit ableiten. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß
es die Interessen von Staat und Bewohnerschaft erfordern, grundsätzlich
neue finanzpolitische Wege einzuschlagen. Wir sind uns alle darüber
klar, daß die jetzig.e Stabilisierung des Elends unerträglich
ist, einerseits aus menschlichen Gründen, weil niemand es
verantworten kann, daß in den Notstandsgebieten die Hungersnot
Verhältnisse schafft, wie sie in Kulturstaaten ganz einfach
undenkbar sein müßten, andererseits aus politischen
Gründen, weil die Not alle Völker dieses Staates ergre
ift und in einer Weise demoralisiert, die jeden Glauben an den
Staat auch auf der èechischen Seite mit der Zeit untergraben
muß. Wir sind uns auch darüber klar, daß sich
keine Wunder ereignen werden, welche plötzlich dieses ganze
Existenzproblem des Staates lösen könnten. Bisher hat
es sich die Regierung bequem gemacht und auf diese Wunder gewartet.
Wir appellieren an die Regierung, das gewaltige Maß an Verantwortung
zu erkennen, welches durch ihre passive Haltung hinsichtlich der
Not von Hunderttausenden ja vielleicht Millionen gekennzeichnet
ist. Wir appellieren vor allem an den Herrn Ministerpräsidenten
und ersuchen ihn zu veranlassen, daß die Anhänger der
Deflationspolitik einmal Gelegenheit finden, dem grauenhaften
Elend in den Notstandsgebieten ins Angesicht zu blicken und angesichts
der Wucht der erschütternden Tatsachen sich darüber
klar zu werden, welches Verderben die Deflationspolitik über
diesen Staat gebracht hat. Vielleicht wird dann den kalten Finanzkapitalisten
doch noch ein Funken menschlichen Gefühls die Frage beantworten,
ob eine währungspolitische Doktrin es wert ist, daß
ihretwegen tausende von Menschen in Schmutz, Hunger und Elend
zugrunde gehen. (Potlesk sudetskonìmeckých poslancù.)
Wir fordern, daß die Regierung in Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit
für die jetzige Not endlich einmal eine aktive Krisenbekämpfungspolitik
beginne, wie sie in anderen Ländern bereits mit Erfolg eingeleitet
worden ist. In den im jetzigen Budget vorgesehenen Investitionen
sehen wir keine Maßnahmen von entscheidender Bedeutung,
da es sich ja hiebei lediglich darum handelt, Geld aus der einen
Tasche in eine andere Tasche zu praktizieren, nicht aber, wie
es sein sollte, die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes zu erhöhen
oder neue Kaufkraft zu schöpfen. Wir stellen fest, daß
die Erfahrungen jener Länder, von denen wir als Insel des
Elends zu lernen haben, eindeutig bewiesen haben, daß jede
durchgreifende Krisenbekämpfung in nichts anderem als in
der Beschleunigung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, in der
Neuschöpfung vou Kaufkraft bestehen muß.
Von dieser Erfahrungstatsache ausgehend, stellen wir erneut den
bereits im sozialpolitischen Ausschuß vorgebrachten Antrag
auf Einführung von Arbeitsbeschaffungswechseln zur Diskussion,
welch letztere die Nationalbank zu diskontieren hätte. Wir
stellen schließlich fest, daß die ablehnende Antwort
des Finanzministeriums auf diesen unseren Antrag durch keinerlei
beweiskräftiges Argument gestützt ist, sondern lediglich
durch Hinweise auf währungspolitische Doktrinen, die heute
bereits als längst überholt angesehen werden können.
Im Bewußtsein unserer Verantwortung für Volk und Staat
warnen wir die Regierung, in einer Politik fo rtzufahren, die
Jahr um Jahr neue Schulden, neue Lasten aufhäuft, Volksvermögen
zerstört und lediglich das Finanzkapital bereichert. Man
möge endli ch den circulus vitiosus erkennen, in den die
Finanzpolitik von heute in diesem Staate verstrickt ist. Neue
Lasten bringen neue Schwächung der Leistungsfähigkeit,
schaffen neue Defizite und verleiten abermals zu neuen Lasten.
Wir müssen es endlich einmal wagen, den umgekehrten Weg zu
gehen, der Wirtschaft durch zusätzliche Kaufkraft einen neuen
Impuls zu verleihen. Das haben wir grundsätzlich zum Budget
zu sagen. Wie wir schon im Budgetausschuß erklärt haben,
daß die heutige Not und die heutige Lage in der Wirtschaft
und im Volke es ganz einfach nicht mehr gestatten, sich mit der
Diskussion von kleinen Reformen und Rekonstruktion an den vorhandenen
Maßnahmen zu begnügen, so erklären wir auch hier,
daß eine Regierung nur dann imstande sein wird, der heutigen
Not wirksam entgegenzutreten, wenn sie den Mut aufbringt, unter
Umständen auch das Experiment zu wagen. Wer nicht den Mut
hat, das Wagnis einzugehen, wird nie imstande sein, merkbare Erfolge
in der Krisenbekämpfung im Staate zu erzielen. (Potlesk
sudetskonìmeckých poslancù.)
Ich wende mich nun, meine Herren, den Ausführungen des Herrn
Ministerpräsidenten Dr. Hodža zu, in der gestern
abgegebenen Regierungserklärung, u. zw. im besonderen jenem
Teile, in welchem er sich ausführlichst mit der sudetendeutschen
Partei und ihrer Stellung zur Demokratie beschäftigte. Herr
Dr. Hodža hat in einem besonderen Teil seiner Rede
sich auch mit dem nationalen Problem auseinandergesetzt. Er hat
betont, daß die Regierung in der Regelung der nationalen
Frage selbstverständlich eine ihrer ersten Aufgaben sieht.
Er hat sich anschließend an diese Feststellung in besonders
ausführlicher Form vor allem mit dem sudetendeutschen Problem
und unserer Partei beschäftigt. Abgesehen von der Stellungnahme,
die der Herr Ministerpräsident zur sudetendeutschen Frage
bezog, haben wir doch mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß
aus seinen Ausführungen eindeutig zu entnehmen war, daß
auch er bei der heutigen Lage die Identität des gesamten
sudetendeutschen Problems mit der Frage der Einstellung zu unserer
Partei als gegeben anerkennt. Wenn dies auch nicht ausdrücklich
betont wurde, meine Herren, so zeugt doch die ganze Art der Aufrollung
der berührten Fragen von der Richtigkeit unserer Feststellung,
umsomehr, als die Darlegungen des Herrn Ministerpräsidenten
wohl kaum an die Adresse der in der Regierung sitzenden sudetendeutschen
Splitterparteien, sondern eindeutig an die Adresse der sudetendeutschen
Partei gerichtet waren. Der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža
hat in den Mittelpunkt seiner an uns gerichteten Ausführungen
die Frage unserer Stellung zur Demokratie gestellt. Er hat das
Bekenntnis zu den demokratischen Grundsätzen unserer Verfassung
und Staatsführung gewissermaßen als das Kriterium der
Stellung der sudetendeutschen Partei innerhalb dieses Staates
erklärt. Ich stelle fest, daß der Herr Ministerpräsident
Dr. Hodža hiebei von Voraussetzungen vorausgeht, die
durch keinerlei Tatsachen, es sei denn durch eine Reihe summarischer
Pauschalverdächtigungen von Seite unserer parteipolitischen
Gegner erwiesen sind. Darlegungen aber, deren Voraussetzungen
durch keinerlei konkretes Tatsachenmaterial gegeben sind und die
mit nichts anderem gestützt werden können, als jenen
allgemeinen im Ablaufe der parteipolitischen Auseinandersetzungen
gebräuchlichen Umkehrungen und Mißdeutungen unserer
politischen Grundsätze, müssen wir auch dann, wenn sie
aus dem Munde des Vorsitzenden der Regierung kommen, auf das schärfste
ablehnen. (Potlesk.) Eine Polemik gegen unsere Partei,
die sich auf die Unterscheidung zwischen unserer Einstellung zur
Demokratie und der Einstellung unserer politischen Gegner zur
Demokratie bezieht, wird sich immer nur auf jene Basis beschränken
müssen, bei der es lediglich um die Diskussion über
die demokratischen Methoden geht. Sosehr wir bei der Behauptung
bleiben müssen, daß unsere grundsätzliche Einstellung
zur Demokratie auf Grund unserer wiederholten Erklärungen
von keinem unbefangenen Menschen angezweifelt werden kann, geben
wir auf der anderen Seite allerdings offenherzig zu, daß
wir in der Beurteilung der bei uns angewandten Methoden der Demokratie
oft wesentlich anderer Meinung sind als jene, die aus dieser Verschiedenheit
in der Beurteilung der Methoden leichtfertig und oberflächlich
eine Ablehnung der Grundsätze selbst ableiten. Wir haben
seit dem ersten Tage des Bestandes unserer Partei über die
Eindeutigkeit unserer positiven Stellung zur Demokratie an sich
keinen Zweifel gelassen. In allen unseren Reden, Kundgebungen
und Publikationen haben wir die Demokratie grundsätzlich
bejaht, haben allerdings nie ein Hehl daraus gemacht, daß
wir der Überzeugung sind, daß gerade die èechoslovakische
Demokratie einem Zustand der Krise unterworfen ist, der seinen
grotesken Ausdruck vor allem darin findet, daß man die Demokratie
gegen irgendwelche vermeintliche oder eingebildete Feinde mit
Methoden zu verteidigen sucht, die selbst undemokratisch sind
und dadurch jene Argumentation für die Demokratie ad absurdum
führen. (Potlesk.) Es erscheint uns selbstverständlich,
daß unsere parteipolitischen Gegner diese unsere kritische
Stellungnahme zu den Methoden der Demokratie als billigen Anlaß
benutzen, eine Ablehnung der Methoden und die Feststellung einer
Krise der Demokratie einer grundsätzlichen Ablehnung der
demokratischen Haltung überhaupt gleichzustellen. (Výkøiky
posl. Beuera.) Wie sehr wir allerdings berechtigt waren und
auch heute noch berechtigt sind, von einer Krise der Demokratie
zu sprechen, das geht aus einer Äußerung unseres Außenministers
Dr. Beneš hervor, die wir in einem Interview, das
er vor ungefähr 2 Jahren einem Vertreter der französischen
Zeitschrift "Vue" gab, nachlesen können. Es heißt
dort (ète): "Unbestreitbar ist die alte politische
Auffassung der Demokratie mit vollständig liberaler Tendenz
im Sinne des klassischen Liberalismus heute tot. Wenn man heute
rein und klar bei diesem klassischen Liberalismus bleiben wollte,
so wäre das das Ende; es wäre gefährlich dabei
zu bleiben." Wenn Herr Dr. Beneš, dessen grundsätzliche
demokratische Einstellung wohl über alle Zweifel erhaben
ist, in diesen klaren und eindeutigen Worten das Vorhandensein
einer Krise der Demokratie und die Gefahr einer demagogischen
Entwicklung der demokratischen Grundsätze zugibt, dann werden
Sie uns nicht das Recht abstreiten können, unsere Pflicht
als verantwortungsvolle Politiker zu erfüllen und unsere
kritischen Maßstäbe auch an die Demokratie anzulegen,
wenn uns das unsere Pflicht zu gebieten scheint. (Potlesk.)
Wie eindeutig unsere grundsätzliche Stellungnahme zur
Frage der Demokratie schon vor zwei Jahren festlag, geht aus einem
Artikel hervor, den ich selbst damals aus Anlaß des zitierten
Beneš-Interviews in der "Rundschau" veröffentlicht
habe. (Výkøiky posl. Beuera.) Es heißt
dort (ète): "Auch die starren politischen Formen
der Demokratie, die sich aus dem Zusammenspiel eines entarteten
Liberalismus und einer seelenlos gewordenen rein mechanischen
Anwendung der demokratischen Grundsätze ergeben haben, müssen
überwunden werden. Das unbewegliche Gefüge jenes Apparates,
der heute der politischen Willensbildung des Volkes dient, muß
aufgelockert und das Schwergewicht der politischen Willensbildung
muß aus den politischen Parteien heraus stärker in
das Volk selbst verlegt werden, damit jenen Kräften der Weg
freigemacht wird, die nicht nur dem Egoismus der Partei, sondern
das Ganze des Volkes oder des Staates sehen und schon darum dem
inneren Sinn der Demokratie, Herrschaft des Volkes für das
Volk, auch wirklich nahekommen." Ich habe damals weiter geschrieben:
"Gelingt es, den demokratischen Grundgedanken in diesem Sinne
neu zu fassen und neu zu gestalten, dann wird es jenen reifen
Völkern, die zu einer Neubelebung der Demokratie fähig
sind, erspart bleiben, in ihrer politischen Entwicklung jene Übergangsformen
durchzumachen, durch die einer neuen jungen und gesunden Demokratie
der Weg erst durch gefährliche politische Experimente freigemacht
werden muß." Das war vor 2 Jahren und das ist auch
heute noch der Kernpunkt unserer kritischen Einstellung zur Frag.e
der Demokratie. Damals wie heute stehen wir auf dem Standpunkt,
daß die Demokratie nicht, so wie es heute bei uns der Fall
ist, Mittel zur Durchsetzung der egoistischen Interessen der Parteien
zu sein hat, sondern daß die Parteien Mittel zur Anwendung
der demokratischen Methoden zu sein haben. (Potlesk.)
Wie berechtigt diese unsere Einstellung ist, sollte in dieser
Versammlung erfahrener Politiker weiß Gott nicht notwendig
sein nachzuweisen. Bei einiger Offenherzigkeit werden Sie mir
zugeben müssen, daß wir mit Recht davon sprechen können,
daß die Demokratie und ihre Methoden in diesem Staat gegenwärtig
scheinbar nur dazu da sind, die egoistischen Interessen einzelner
Parteien ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl brutal durchzusetzen.
Wenn der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža in
seinem Lob der Demokratie vor allem davon sprach, daß sie
für die deutschen Parteien in der Vergangenheit den einzigen
Weg darstellte, der zugunsten des Staates zur engsten Zusammenarbeit
führt, dann muß ich mit Erbitterung darauf hinweisen,
sich einmal vor Augen zu führen, wie sich diese als so segensreich
dargestellte Zusammenarbeit draußen in den sudetendeutschen
Notstandsgebieten ausgewirkt hat. Hunger und Elend, politische
Persekution und eine allgemeine Verzweiflungsstimmung nicht nur
in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Beziehung sind
das Resultat dieser zugunsten des Staates so wundervollen Zusammenarbeit.
(Výkøiky na levici.) Oder hat es denn die
so überaus gelobte Zusammenarbeit mit den deutschen Regierungsparteien
vielleicht vermocht, das Absteigen der Entnationalisierungswelle
oder das Anwachsen des Nationalitätenhasses auf èechischer
Seite zu verhindern oder auch nur hintanzuhalten? Glauben Sie,
meine Herren, daß man das Wahlergebnis des 19. und des 26.
Mai und die vernichtende Niederlage der deutschen Regierungsparteien
vielleicht als das Symptom einer, wie es der Herr Ministerpräsident
Dr. Hodža ausdrückte, sich voll zugunsten des
Staates auswirkenden Zusammenarbeit bezeichnen kann?