Pátek 6. prosince 1935

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 17. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 6. prosince 1935.

1. Øec posl. Sandnera (viz str. 19 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich habe in meinen Ausführungen zu zwei Fragen Stellung zu nehmen, zum ersten zum Budget und zum zweiten zu den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža, in denen er sich gestern im besonderen mit seiner Stellung zur sudetendeutschen Partei befaßt hat. Ehe ich unsere Stellung zum Budget darlege, halte ich es gerade deswegen, weil man es immer für notwendig hält, uns Vorlesungen über Demokratie und ihre Vorzüge, nicht nur für die Koalition, sondern auch für die Oppositionsparteien, zu halten, gerade unter Beziehung auf die Behandlung des Budgets darauf hinzuweisen, daß man es in der Budgetbehandlung zweifellos verabsäumt hat, diese außerordentlich günstige Gelegenheit, uns die Vorzüge der Demokratie zu demonstrieren, auch wirklich zu benützen. Denn ich stelle fest: Die Art und Weise, in der in diesem Jahre das Budget behandelt wurde, hat weder uns, noch anderen Oppositionsparteien, ja nicht einmal den Parteien der Koalition die Gelegenheit gegeben, zum Staatsvoranschlag so gründlich und so ausführlich Stellung zu nehmen, wie es wohl gerade im Sinne unserer demokratischen Verfassung notwendig und wünschenswert gewesen wäre.

Der Herr Finanzminister hat wiederholt drei Grundsätze betont: Heuer, daß ein geordneter Staatshaushalt die Voraussetzung einer Wirtschaftspolitik sei, die zum besseren führen könne. Im Vorjahre, daß die Staatsverwaltung im Sinne äußerster Sparsamkeit wirtschaften müsse, und daß sie nicht mehr ausgeben könne, als sie einnehme, und vor zwei Jahren, daß die Deflationspolitik beendet werde. Wir müssen zu unserem Bedauern feststellen: erstens, der Staatshaushalt ist nicht ausgeglichen, denn die Finanzverwaltung rechnet mit Einnahmen, die sich - und das mußte der Generalberichterstatter zum Budget selbst feststellen - tatsächlich nicht erzielen lassen werden. Das Budget basiert auf einem Ertrag der öffentlichen Abgaben von 6.3 Milliarden, während heuer der tatsächliche Ertrag der Abgaben 5 Milliarden nicht überschreiten wird. Die vorgesehenen neuen Steuerquellen beziffert das Finanzministerium selbst lediglich mit 90 Millionen, der Ertrag der im Finanzexposé erwähnten Steuererhöhungen, bezw. die Neueinführungen entziehen sich insoferne jeder Schätzung, als es evident ist, daß die Wirtschaft neue Belastungen auf der einen Seite mit geringeren Steuerleistungen auf der anderen Seite beantworten wird und muß. Selbst wenn man annehmen wollte, daß insgesamt 200 bis 300 Millionen zusätzliche Gelder aus dem erschöpften Wirtschaftsorganismus herausgepreßt werden könnten, bleibt immer noch ein Manko von einer Milliarde Rest, um das die Einnahmen zu hoch veranschlagt sind. Schließlich werden die Staatsunternehmungen keineswegs jene Milliarde abwerfen, mit der der Finanzminister rechnet. Denn der Finanzminister weiß sehr genau, ebenso gut wie wir, daß die Tabakregie z. B. im kommenden Jahre nicht, wie man annimmt, 1.280, sondern höchstens 1.100 Millionen der Staatskassa abwerfen wird, daß die Forste nicht, wie man annimmt, 33 Millionen Überschuß, sondern vielmehr vielleicht ebenso viel Defizit haben werden, und daß vor allem die Bahnen nicht 700 Millionen, wie man annimmt, sondern mehr als eine Milliarde als Staatszuschuß beanspruchen werden. Das Ergebnis ist also, daß das Budget nicht ausgeglichen, sondern mit vielleicht 1 1/2 Milliarden passiv sein wird.

Wenn der Herr Finanzminister recht hat, daß die Voraussetzung einer Besserung ein gesunder Staatshaushalt ist, müssen wir feststellen, daß mit diesem Budget, wie es uns heuer bekanntgegeben wurde, jene Voraussetzungen keineswegs geschaffen sind.

Wir müssen zweitens feststellen, daß die Staatsverwaltung keineswegs im Sinne äußerster Sparsamkeit wirtschaftet, vielmehr wurden die Ausgaben der Ressorts um 300 Millionen erhöht, wobei die Hälfte dieser Summe für Militär, Gendarmerie und Polizei Verwendung findet, statt zur Linderung des Elends und der Not in den Notstandsgebieten. Der Staat gibt dauernd mehr aus, als er einnimmt, demgemäß nimmt die Verschuldung beängstigend zu. Sie erreicht 1933 38.7 Milliarden, Ende 1934 39.4, Ende 1935 40.9 und wird infolge des passiven Budgets Ende 1936 wahrscheinlich 42 Milliarden erreichen.

Drittens und schließlich ist die Versprechung des Herrn Finanzministers nicht erfüllt worden, der vor 2 Jahren erklärt hat, es werde Schluß gemacht mit der Deflationspolitik. Was bedeutet eigentlich Deflation? Wir haben in den ersten Nachkriegsjahren die Inflation erlebt: eine Schraube ohne Ende, die das in Geld und Arbeit angelegte Nationalvermögen fast vernichtet hat. Jetzt erleben wir seit 1929 die endlose Schraube der Deflation, die das in Gütern oder in Arbeit ruhende Nationalvermögen ebenfalls zertrümmert. Die Entwertung des sachlichen Nationalvermögens und der Arbeitskraft durch die staatliche Wirtschaftspolitik ist in den beiden letzten Jahren unerträglich weit vorgetrieben worden. Man hat die Schraube der Deflation endlos weitergedreht, obwohl das Gegenteil seinerzeit vom Herrn Finanzminister angekündigt worden ist. Ständig erhöht der Staat seine Ansprüche an die Steuerleistungsfähigkeit, immer gewaltsamer wurden die Eintreibungsmethoden. Die Folge davon war eine anhaltende Flucht vor den Sachwerten in die dem staatlichen Zugriff leicht entziehbaren Geldwerte. Hieraus mußte sich ein Überangebot an Sachwerten und Arbeit, also an Grundstücken, Häusern, Fabriken, gewerblichen Betriebsstätten und allen Produktionsmittel schlechtweg ergeben, andererseits aber auch ein Sinken der Nachfrage, da die Besitzer von Geld ständig an der Aufwertung des Geldes verdienen und daher nicht eine Anlage eingehen wollen, die der Entwertungsgefahr durch die Deflationspolitik ausgesetzt ist. Als Beispiel möge genügen, daß die gesamte Ackerfläche der Republik im Jahre 1929 noch 70 bis 80 Milliarden wert war, heute aker kaum mehr 30 bis 40 Milliarden wert ist. Ähnliche, vielleicht noch schärfere Entwertung hat das in Häusern, Werkstätten und sonstigen Sachgütern angelegte Kapital erfahren. Insgesamt handelt es sich dabei um Entwertungen, die in die Hunderte von Milliarden gehen.

Im Zusammenhang mit dieser Entwertung der Sachwerte steht auch die Entwertung der menschlichen Arbeit, die zu Hungerlöhnen und Massenarbeitslosigkeit geführt hat. Dieser Entwertungsprozeß ist durch unsere Finanzpolitik bis in die jüngste Vergangenheit hinein weiter getrieben worden, und das Budget läßt längst schon erkennen, daß man diese Linie auch im Jahre 1936 nicht zu verlassen gedenkt. Denn man wird mehr denn je die schaffende Wirtschaft unter Druck setzen müssen, selbst wenn man nur die tat-. sächliche Abgabensumme von 1935 wieder erreichen will, geschweige denn die um 300 Millionen höher veranschlagte Abgabensumme von 1936. Damit ist der Beweis erbracht, daß die deflationistische Finanzpolitik keineswegs beendet ist, sondern ungehemmt, ja sogar gesteigert weitergeführt wird. Wir stehen nicht an zu erklären, daß wir für das Budget stimmen würden, wenn es auf den drei eingangs erwähnten Grundsätzen des Herrn Finanzministers aufgebaut wäre. Da aber der Staatshaushalt weder geordnet ist noch die Deflation aufgegeben wurde, müssen wir feststellen, daß die theoretischen Grundsätze des Herrn Finanzministers durch die Tatsachen seiner Politik und durch die erzielte Wirkung desavouiert wird. Wir müssen deshalb das Budget ebenso wie das Finanzexposée des Herrn Finanzministers ablehnen.

Keineswegs wollen wir jedoch aus dieser Ablehnung einen Verzicht auf Aufbauarbeit ableiten. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß es die Interessen von Staat und Bewohnerschaft erfordern, grundsätzlich neue finanzpolitische Wege einzuschlagen. Wir sind uns alle darüber klar, daß die jetzig.e Stabilisierung des Elends unerträglich ist, einerseits aus menschlichen Gründen, weil niemand es verantworten kann, daß in den Notstandsgebieten die Hungersnot Verhältnisse schafft, wie sie in Kulturstaaten ganz einfach undenkbar sein müßten, andererseits aus politischen Gründen, weil die Not alle Völker dieses Staates ergre ift und in einer Weise demoralisiert, die jeden Glauben an den Staat auch auf der èechischen Seite mit der Zeit untergraben muß. Wir sind uns auch darüber klar, daß sich keine Wunder ereignen werden, welche plötzlich dieses ganze Existenzproblem des Staates lösen könnten. Bisher hat es sich die Regierung bequem gemacht und auf diese Wunder gewartet. Wir appellieren an die Regierung, das gewaltige Maß an Verantwortung zu erkennen, welches durch ihre passive Haltung hinsichtlich der Not von Hunderttausenden ja vielleicht Millionen gekennzeichnet ist. Wir appellieren vor allem an den Herrn Ministerpräsidenten und ersuchen ihn zu veranlassen, daß die Anhänger der Deflationspolitik einmal Gelegenheit finden, dem grauenhaften Elend in den Notstandsgebieten ins Angesicht zu blicken und angesichts der Wucht der erschütternden Tatsachen sich darüber klar zu werden, welches Verderben die Deflationspolitik über diesen Staat gebracht hat. Vielleicht wird dann den kalten Finanzkapitalisten doch noch ein Funken menschlichen Gefühls die Frage beantworten, ob eine währungspolitische Doktrin es wert ist, daß ihretwegen tausende von Menschen in Schmutz, Hunger und Elend zugrunde gehen. (Potlesk sudetskonìmeckých poslancù.)

Wir fordern, daß die Regierung in Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit für die jetzige Not endlich einmal eine aktive Krisenbekämpfungspolitik beginne, wie sie in anderen Ländern bereits mit Erfolg eingeleitet worden ist. In den im jetzigen Budget vorgesehenen Investitionen sehen wir keine Maßnahmen von entscheidender Bedeutung, da es sich ja hiebei lediglich darum handelt, Geld aus der einen Tasche in eine andere Tasche zu praktizieren, nicht aber, wie es sein sollte, die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes zu erhöhen oder neue Kaufkraft zu schöpfen. Wir stellen fest, daß die Erfahrungen jener Länder, von denen wir als Insel des Elends zu lernen haben, eindeutig bewiesen haben, daß jede durchgreifende Krisenbekämpfung in nichts anderem als in der Beschleunigung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, in der Neuschöpfung vou Kaufkraft bestehen muß.

Von dieser Erfahrungstatsache ausgehend, stellen wir erneut den bereits im sozialpolitischen Ausschuß vorgebrachten Antrag auf Einführung von Arbeitsbeschaffungswechseln zur Diskussion, welch letztere die Nationalbank zu diskontieren hätte. Wir stellen schließlich fest, daß die ablehnende Antwort des Finanzministeriums auf diesen unseren Antrag durch keinerlei beweiskräftiges Argument gestützt ist, sondern lediglich durch Hinweise auf währungspolitische Doktrinen, die heute bereits als längst überholt angesehen werden können. Im Bewußtsein unserer Verantwortung für Volk und Staat warnen wir die Regierung, in einer Politik fo rtzufahren, die Jahr um Jahr neue Schulden, neue Lasten aufhäuft, Volksvermögen zerstört und lediglich das Finanzkapital bereichert. Man möge endli ch den circulus vitiosus erkennen, in den die Finanzpolitik von heute in diesem Staate verstrickt ist. Neue Lasten bringen neue Schwächung der Leistungsfähigkeit, schaffen neue Defizite und verleiten abermals zu neuen Lasten. Wir müssen es endlich einmal wagen, den umgekehrten Weg zu gehen, der Wirtschaft durch zusätzliche Kaufkraft einen neuen Impuls zu verleihen. Das haben wir grundsätzlich zum Budget zu sagen. Wie wir schon im Budgetausschuß erklärt haben, daß die heutige Not und die heutige Lage in der Wirtschaft und im Volke es ganz einfach nicht mehr gestatten, sich mit der Diskussion von kleinen Reformen und Rekonstruktion an den vorhandenen Maßnahmen zu begnügen, so erklären wir auch hier, daß eine Regierung nur dann imstande sein wird, der heutigen Not wirksam entgegenzutreten, wenn sie den Mut aufbringt, unter Umständen auch das Experiment zu wagen. Wer nicht den Mut hat, das Wagnis einzugehen, wird nie imstande sein, merkbare Erfolge in der Krisenbekämpfung im Staate zu erzielen. (Potlesk sudetskonìmeckých poslancù.)

Ich wende mich nun, meine Herren, den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hodža zu, in der gestern abgegebenen Regierungserklärung, u. zw. im besonderen jenem Teile, in welchem er sich ausführlichst mit der sudetendeutschen Partei und ihrer Stellung zur Demokratie beschäftigte. Herr Dr. Hodža hat in einem besonderen Teil seiner Rede sich auch mit dem nationalen Problem auseinandergesetzt. Er hat betont, daß die Regierung in der Regelung der nationalen Frage selbstverständlich eine ihrer ersten Aufgaben sieht. Er hat sich anschließend an diese Feststellung in besonders ausführlicher Form vor allem mit dem sudetendeutschen Problem und unserer Partei beschäftigt. Abgesehen von der Stellungnahme, die der Herr Ministerpräsident zur sudetendeutschen Frage bezog, haben wir doch mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß aus seinen Ausführungen eindeutig zu entnehmen war, daß auch er bei der heutigen Lage die Identität des gesamten sudetendeutschen Problems mit der Frage der Einstellung zu unserer Partei als gegeben anerkennt. Wenn dies auch nicht ausdrücklich betont wurde, meine Herren, so zeugt doch die ganze Art der Aufrollung der berührten Fragen von der Richtigkeit unserer Feststellung, umsomehr, als die Darlegungen des Herrn Ministerpräsidenten wohl kaum an die Adresse der in der Regierung sitzenden sudetendeutschen Splitterparteien, sondern eindeutig an die Adresse der sudetendeutschen Partei gerichtet waren. Der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža hat in den Mittelpunkt seiner an uns gerichteten Ausführungen die Frage unserer Stellung zur Demokratie gestellt. Er hat das Bekenntnis zu den demokratischen Grundsätzen unserer Verfassung und Staatsführung gewissermaßen als das Kriterium der Stellung der sudetendeutschen Partei innerhalb dieses Staates erklärt. Ich stelle fest, daß der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža hiebei von Voraussetzungen vorausgeht, die durch keinerlei Tatsachen, es sei denn durch eine Reihe summarischer Pauschalverdächtigungen von Seite unserer parteipolitischen Gegner erwiesen sind. Darlegungen aber, deren Voraussetzungen durch keinerlei konkretes Tatsachenmaterial gegeben sind und die mit nichts anderem gestützt werden können, als jenen allgemeinen im Ablaufe der parteipolitischen Auseinandersetzungen gebräuchlichen Umkehrungen und Mißdeutungen unserer politischen Grundsätze, müssen wir auch dann, wenn sie aus dem Munde des Vorsitzenden der Regierung kommen, auf das schärfste ablehnen. (Potlesk.) Eine Polemik gegen unsere Partei, die sich auf die Unterscheidung zwischen unserer Einstellung zur Demokratie und der Einstellung unserer politischen Gegner zur Demokratie bezieht, wird sich immer nur auf jene Basis beschränken müssen, bei der es lediglich um die Diskussion über die demokratischen Methoden geht. Sosehr wir bei der Behauptung bleiben müssen, daß unsere grundsätzliche Einstellung zur Demokratie auf Grund unserer wiederholten Erklärungen von keinem unbefangenen Menschen angezweifelt werden kann, geben wir auf der anderen Seite allerdings offenherzig zu, daß wir in der Beurteilung der bei uns angewandten Methoden der Demokratie oft wesentlich anderer Meinung sind als jene, die aus dieser Verschiedenheit in der Beurteilung der Methoden leichtfertig und oberflächlich eine Ablehnung der Grundsätze selbst ableiten. Wir haben seit dem ersten Tage des Bestandes unserer Partei über die Eindeutigkeit unserer positiven Stellung zur Demokratie an sich keinen Zweifel gelassen. In allen unseren Reden, Kundgebungen und Publikationen haben wir die Demokratie grundsätzlich bejaht, haben allerdings nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir der Überzeugung sind, daß gerade die èechoslovakische Demokratie einem Zustand der Krise unterworfen ist, der seinen grotesken Ausdruck vor allem darin findet, daß man die Demokratie gegen irgendwelche vermeintliche oder eingebildete Feinde mit Methoden zu verteidigen sucht, die selbst undemokratisch sind und dadurch jene Argumentation für die Demokratie ad absurdum führen. (Potlesk.) Es erscheint uns selbstverständlich, daß unsere parteipolitischen Gegner diese unsere kritische Stellungnahme zu den Methoden der Demokratie als billigen Anlaß benutzen, eine Ablehnung der Methoden und die Feststellung einer Krise der Demokratie einer grundsätzlichen Ablehnung der demokratischen Haltung überhaupt gleichzustellen. (Výkøiky posl. Beuera.) Wie sehr wir allerdings berechtigt waren und auch heute noch berechtigt sind, von einer Krise der Demokratie zu sprechen, das geht aus einer Äußerung unseres Außenministers Dr. Beneš hervor, die wir in einem Interview, das er vor ungefähr 2 Jahren einem Vertreter der französischen Zeitschrift "Vue" gab, nachlesen können. Es heißt dort (ète): "Unbestreitbar ist die alte politische Auffassung der Demokratie mit vollständig liberaler Tendenz im Sinne des klassischen Liberalismus heute tot. Wenn man heute rein und klar bei diesem klassischen Liberalismus bleiben wollte, so wäre das das Ende; es wäre gefährlich dabei zu bleiben." Wenn Herr Dr. Beneš, dessen grundsätzliche demokratische Einstellung wohl über alle Zweifel erhaben ist, in diesen klaren und eindeutigen Worten das Vorhandensein einer Krise der Demokratie und die Gefahr einer demagogischen Entwicklung der demokratischen Grundsätze zugibt, dann werden Sie uns nicht das Recht abstreiten können, unsere Pflicht als verantwortungsvolle Politiker zu erfüllen und unsere kritischen Maßstäbe auch an die Demokratie anzulegen, wenn uns das unsere Pflicht zu gebieten scheint. (Potlesk.) Wie eindeutig unsere grundsätzliche Stellungnahme zur Frage der Demokratie schon vor zwei Jahren festlag, geht aus einem Artikel hervor, den ich selbst damals aus Anlaß des zitierten Beneš-Interviews in der "Rundschau" veröffentlicht habe. (Výkøiky posl. Beuera.) Es heißt dort (ète): "Auch die starren politischen Formen der Demokratie, die sich aus dem Zusammenspiel eines entarteten Liberalismus und einer seelenlos gewordenen rein mechanischen Anwendung der demokratischen Grundsätze ergeben haben, müssen überwunden werden. Das unbewegliche Gefüge jenes Apparates, der heute der politischen Willensbildung des Volkes dient, muß aufgelockert und das Schwergewicht der politischen Willensbildung muß aus den politischen Parteien heraus stärker in das Volk selbst verlegt werden, damit jenen Kräften der Weg freigemacht wird, die nicht nur dem Egoismus der Partei, sondern das Ganze des Volkes oder des Staates sehen und schon darum dem inneren Sinn der Demokratie, Herrschaft des Volkes für das Volk, auch wirklich nahekommen." Ich habe damals weiter geschrieben: "Gelingt es, den demokratischen Grundgedanken in diesem Sinne neu zu fassen und neu zu gestalten, dann wird es jenen reifen Völkern, die zu einer Neubelebung der Demokratie fähig sind, erspart bleiben, in ihrer politischen Entwicklung jene Übergangsformen durchzumachen, durch die einer neuen jungen und gesunden Demokratie der Weg erst durch gefährliche politische Experimente freigemacht werden muß." Das war vor 2 Jahren und das ist auch heute noch der Kernpunkt unserer kritischen Einstellung zur Frag.e der Demokratie. Damals wie heute stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Demokratie nicht, so wie es heute bei uns der Fall ist, Mittel zur Durchsetzung der egoistischen Interessen der Parteien zu sein hat, sondern daß die Parteien Mittel zur Anwendung der demokratischen Methoden zu sein haben. (Potlesk.)

Wie berechtigt diese unsere Einstellung ist, sollte in dieser Versammlung erfahrener Politiker weiß Gott nicht notwendig sein nachzuweisen. Bei einiger Offenherzigkeit werden Sie mir zugeben müssen, daß wir mit Recht davon sprechen können, daß die Demokratie und ihre Methoden in diesem Staat gegenwärtig scheinbar nur dazu da sind, die egoistischen Interessen einzelner Parteien ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl brutal durchzusetzen. Wenn der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža in seinem Lob der Demokratie vor allem davon sprach, daß sie für die deutschen Parteien in der Vergangenheit den einzigen Weg darstellte, der zugunsten des Staates zur engsten Zusammenarbeit führt, dann muß ich mit Erbitterung darauf hinweisen, sich einmal vor Augen zu führen, wie sich diese als so segensreich dargestellte Zusammenarbeit draußen in den sudetendeutschen Notstandsgebieten ausgewirkt hat. Hunger und Elend, politische Persekution und eine allgemeine Verzweiflungsstimmung nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Beziehung sind das Resultat dieser zugunsten des Staates so wundervollen Zusammenarbeit. (Výkøiky na levici.) Oder hat es denn die so überaus gelobte Zusammenarbeit mit den deutschen Regierungsparteien vielleicht vermocht, das Absteigen der Entnationalisierungswelle oder das Anwachsen des Nationalitätenhasses auf èechischer Seite zu verhindern oder auch nur hintanzuhalten? Glauben Sie, meine Herren, daß man das Wahlergebnis des 19. und des 26. Mai und die vernichtende Niederlage der deutschen Regierungsparteien vielleicht als das Symptom einer, wie es der Herr Ministerpräsident Dr. Hodža ausdrückte, sich voll zugunsten des Staates auswirkenden Zusammenarbeit bezeichnen kann?


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