Hohes Haus! Die Vorlage, die uns heute hier beschäftigt,
betrachten wir als einen Fortschritt, und zwar absolut und relativ:
Relativ als einen Fortschritt in Bezug auf das geltende Gesetz
und auch auf den Entwurf, den uns die Regierung vorgelegt hat,
absolut als einen Fortschritt deshalb, weil das Parlament sowohl
in der Arbeit des verfassungsrechtlichen Ausschusses, als auch
in der Aussprache, die hier abgeführt wurde, den klaren Willen
zum Ausdruck gebracht hat, auf der Linie der Rechtsstaatlichkeit
fortzuschreiten, und dabei bekannt hat, daß es die vornehmste
Aufgabe hat, für die Rechtsstaatlichkeit auf allen Gebieten
des politischen Lebens Sorge zu tragen.
Ich will gar nicht untersuchen, was die Regierung veranlaßt
hat, einen Entwurf vorzulegen, den der Verfassungsausschuß
in so wesentlichen Punkten abändern mußte. Ich will
nicht untersuchen, ob es ihr Wille war, das Oberste Verwaltungsgericht
zu entlasten oder bewußt eine große Machtverschiebung
zugunsten der Verwaltung, zu Ungunsten des Bürgers durchzuführen.
Ich betrachte es als Fortschritt, daß das Parlament den
richtigen Weg gegangen ist, in diesem Falle sogar gegen die Regierung,
und den Entwurf nunmehr in einer Fassung vorlegt, in der ihn anzunehmen
auch wir in der Lage sind. Aber lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit
eine ganze Reihe politischer Fragen behandeln, welche mit der
Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhange stehen.
Zunächst müssen wir feststellen, daß wir auf Grund
sehr schlimmer Erfahrungen, die das Sudetendeutschtum im Laufe
der 18 Jahre in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit gesammelt hat,
eigentlich sehr starke Bedenken gehabt haben, ob die Entwicklung
in der Linie der Rechtsstaatlichkeit geht. Es wird in der Regel
übersehen, daß die Entwicklung nach dem Nationalstaat
viele Tatbestände in der Verwaltung und in der Ausübung
der Hoheitsrechte der Regierung gesetzt hat, welche die Rechtsstaatlichkeit
auf das tiefste verletzen. Es kann ja geschehen, daß, wenn
der Grundsatz der nationalstaatlichen Expansion über die
Rechtsstaatlichkeit gesetzt wird, die Voraussetzungen der demokratischen
Staatsform und die Sicherungen in ihr auch für die nationalen
Minderheiten via facti aufgehoben werden. Wenn die Verwaltung
auf diesem Gebiete solche Tatbestände gesetzt hat, so ist
fraglos mit daran das Parlament schuld, welches einerseits bei
der Formulierung und Ausarbeitung der Gesetze eine viel zu große
Lässigkeit gezeigt hat etwas, was übrigens auch hier
während der Aussprache festgestellt wurde - und andererseits
in den Gesetzen von Ermächtigungen an Regierung und Verwaltung
in einem ungesunden Maße Gebrauch gemacht hat, so daß
sich eigentlich die Verantwortung für die Rechtsordnung von
dem Hüter der Verfassung und der verfassungsmäßigen
Rechte, nämlich dem Parlamente, in die Verwaltung verschiebt.
Und wenn nun bei der Durcharbeitung dieser Vorlage - sowohl in
dem Berichte des Verfassungsausschusses an das Haus als auch durch
die Rede des Herrn Referenten und die Reden der anderen Herren,
vor allem aus der Koalition - der Wille des Parlaments, also des
Gesetzgebers zur Rechtsstaatlichkeit ganz klar ausgesprochen worden
ist, so hätten wir nur den dringenden Wunsch, daß sich
dieser Wille jedermann, also auch der Regierung gegenüber
durchsetze! Denn wir haben von solchen Berichten und Reden praktischrechtlich
nichts, wenn sie eben nur aus der augenblicklichen Situation entsprungene
Verschönerungen des an sich nicht schönen parlamentarischen
Lebens sind und keine rechtspolitischen Realitäten bringen.
So sehr ich also das Vorgehen des Ausschusses und des Hauses bei
dieser Vorlage anerkenne und auch dem Referate des Herrn Berichterstatters
beipflichte, möchte ich doch mit einem von ihm geäußerten
Gedanken polemisieren, der in gewissem Sinne die guten Absichten,
welche bei dieser Novelle zum Ausdrucke kommen, aufheben oder
zumindest in einem Maß schmälern kann, daß alle
Vorteile dieser Vorlage aufgehoben werden. Dr. Meissner
hat sich nämlich auch in seinem Referate mit dem Verhältnis
von Koalition und Opposition, von Mehrheit und Minderheit beschäftigt.
An sich ist es begreiflich, daß die Mehrheit die Verantwortung
übernimmt, aber sie übernimmt sie nicht nur machtpolitisch,
sondern auf allen Gebieten, daher auch auf dem Gebiete des Rechtes.
Wenn aber die Minderheit oder Opposition die Stellung einer Gruppe
minderen Rechtes, was praktisch und via facti speziell in der
Verwaltung geschieht, innehat, wird nicht nur das demokratische
Prinzip der Gleichheit verletzt, sondern es müssen sich im
ganzen staatlichen Leben Kräfteverhältnisse zur Geltung
bringen, welche letzten Endes die Rechtssicherheit untergraben
müssen. (Souhlas poslancù sudetskonìmecké
strany.) Und ich will speziell bei der Anwendung dieser These
darauf hinweisen, daß eine Volksgruppe, also auch unsere
sudetendeutsche, durch eine solche Teilung nicht nur der Macht,
sondern auch des Rechtes zerrissen und zersetzt wird, so daß
letzten Endes auch innerhalb dieser Volksgruppe Mehrheit und Minderheit
geschaffen werden, wobei die Mehrheit sozusagen extra legem gesetzt
wird, während die Minderheit gewissermaßen in eine
weiche Hülle von Protektion gewickelt wird. (Souhlas a
potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)
Wir müssen sagen, daß diese Auffassung von Koalition
und Opposition, die Dr. Meissner hier vertreten hat, von
uns abgelehnt werden muß, weil es in der Demokratie nicht
ein doppeltes Recht geben kann, ein Recht der Mehrheit und ein
Recht der Minderheit, der Koalition und der Opposition. Wenn die
Regierung glaubt, daß sie diesen Grundsatz auch anwenden
kann, um das nationale Problem dieses Staates zu lösen, müssen
wir mit aller Deutlichkeit sagen, daß sie sich in einem
katastrophalen Irrtum befindet, weil auf diesem Wege der Teilung
von Macht und Recht niemals eine Lösung des nationalen Problems
möglich ist. (Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.)
Die Regierung wird sich auch überzeugen müssen,
daß das heutige, oft unmoralische Verhältnis zwischen
Mehrheit und Minderheit, zwischen Koalition und Opposition, gerade
das Gegenteil von dem erzielen wird, was die Regierung beabsichtigt,
nämlich die volle innere Geschlossenheit der deutschen Volksgruppe
in der Opposition, weil dieses doppelte Recht und diese doppelte
Moral kein davon betroffener Bürger verstehen kann.
Ich muß auch im Zusammenhang mit der Vorlage sagen, daß
die guten Absichten, die in der nun vorliegenden Formulierung
der Novelle enthalten sind, nicht erreicht werden können,
wenn sich diese Auffassung von Mehrheit und Minderheit, Koalition
und Opposition nicht ändert. Nicht nur der Herr Referent,
sondern auch andere Sprecher der Koalition haben das größte
Gewicht darauf gelegt, daß diese Novelle den Zweck der Festigung
der Rechtsstaatlichkeit verfolgt. Wir stimmen hier restlos zu;
wir anerkennen, daß die Novelle, wie sie jetzt vorliegt,
die Garantie dafür gibt, daß konkrete Verwaltungsakte
vom Obersten Verwaltungsgericht überprüft und Ungesetzlichkeiten
aus dem Wege geschafft werden können. Wir müssen aber
feststellen, daß das Parlament leichtfertig handelt, wenn
es glaubt, daß die Rechtsstaatlichkeit und die Verhinderung
von Ungesetzlichkeiten allein dem Obersten Verwaltungsgericht
überlassen werden können. Richtig ist vielmehr, daß
die Überprüfung der konkreten Tatbestände doch
nur in einem relativ begrenzten Umfang dem Obersten Verwaltungsgericht
offensteht, während doch als erste Garantie für eine
Rechtsstaatlichkeit und für eine Gesetzmäßigkeit
in der Verwaltung die Gesetze entscheidend sind, und zwar die
Gesetze und in ihnen auch die sittlichen und rechtlichen Normen,
die vom Parlamente beschlossen werden. Und es wäre ein bösartiger
circulus vitiosus, wenn das Parlament und die Koalition glauben
würden, daß sie mit der Änderung und Besserung
des geltenden Gesetzes über den Obersten Verwaltungsgerichtshof
schon alles getan haben, um die Rechtsstaatlichkeit zu festigen.
Das sprechen wir mit aller Deutlichkeit aus, Wenn wir die Reden,
die hier gehalten wurden, ernstlich beachten und auch die Resolutionen,
die der Verfassungsausschuß beschlossen hat, richtig einschätzen,
so glauben wir, daß sich das Parlament bei einigem guten
Willen dazu ermannen wird, über die Rechtsstaatlichkeit selbst
zu wachen, und es nicht nur dem Verwaltungsgerichtshof überlassen
wird, konkrete Verwaltungsakte zu kontrollieren.
Aufgabe und Sinn des Parlamentes gerade in der Demokratie muß
es sein, auf dem Gebiete der Gesetzgebung nicht nur einzelne Übergriffe
der Verwaltung und Ungesetzlichkeiten der Verwa tungsorgane zu
verhindern, sondern solche gesetzliche Normen zu schaffen, daß
Ungesetzlichkeiten an sich schon unmöglich gemacht werden.
Ich bin mir darüber vollkommen im klaren, daß es bei
der bisherigen Entwicklung, vor allem im Bereiche der nationalen
Politik unmöglich ist, den Weg der Festigung der Rechtsstaatlichkeit
zu gehen, wenn Sie auf èechischer Seite sich nicht entschließen,
für diese Rechtsstaatlichkeit große Opfer materieller
und ideeller Art darzubringen, weil man sich leider daran gewöhnt
hat, politische, wirtschaftliche, ja auch soziale Expansion nationaler
Art auf Kosten der nationalen Minderheiten zu betreiben. Hier
handelt es sich also um klare Verzichte, um die Wiedereinsetzung
der politischen Moral in das ganze politische Leben und in die
Verwaltung im besonderen.
Ich stellte schon fest, daß sich bei dieser Novelle das
Parlament stärker erwiesen hat als die Regierung. Es hat,
glaube ich, die richtige Wahl getroffen zwischen Verwaltungsund
Staatsnotwendigkeiten. Die Regierung manipulierte mit der Notwendigkeit
einer bloß administrativen Regelung beim Obersten Verwaltungsgericht,
wobei natürlich die Verwaltung im breitesten Rahmen der Gewinner
dieser Etwicklung geworden wäre. Das Parlament, der Verfassungsausschuß
und der Referent haben sich auf den richtigen politischen und
moralischen Standpunkt gestellt, daß die Rechtsstaatlichkeit
wertvoller ist als irgendwelche verwaltungstechnischen Maßnahmen,
die letzten Endes, ob gewollt oder nicht gewollt, die Rechtsstaatlichkeit
untergraben würden. Und wenn wir leider sehr oft feststellen
müssen, daß diese Selbstkritik und das Selbstbewußtsein
des Parlamentes, auch die Regierung zu korrigieren, zu den Ausnahmen
unseres politischen Lebens gehört, so wollen wir doch die
eine Aussnahme anerkennen, daß gerade an dieser kritischen
Novelle sich die politische Selbstkritik und der politische Wille
des Parlamentes entzündet haben. Es sind hier Worte der Selbstkritik
über das Parlament und das parlamentarische Leben gefallen;
wir sind leider gewöhnt, Reden nicht allzu sehr zu überschätzen,
weil in der Regel den Reden keine Taten folgen; wir stellen also
auch hier fest, daß die beste Absicht des verfassungsrechtlichen
Ausschusses nicht verwirklicht werden kann, wenn nicht in konsequenter
Weise der Weg der Rechtsstaatlichkeit vom Parlamente weitergegangen
wird.
Wenn Herr Dr. Meissner von der Schwäche des Parlamentes
gesprochen hat, so möchten wir feststellen, daß diese
Schwäche nicht zu überwinden ist, wenn dieses Haus si
ch nicht dazu entschließt, initiativer und kritischer zu
sein, wenn sich dieses Haus nicht dazu entschließt, die
ganze Praxis parlamentarischer Arbeit zu ändern. Denn es
gibt nicht immer bei den wichtigen Vorlagen Referenten, die aus
eigenem Wissen, aus eigener Erfahrung und eigener Verantwortlichkeit
handeln, sondern sich eigentlich als Vollzugsorgane des betreffenden
Ministeriums oder der betreffenden Verwaltungsgruppe ansehen,
für welche sie hier zu referieren und das durchzusetzen haben,
was die Verwaltung will; ein unhaltbarer Zustand bei jeder Vorlage,
vielleicht am ungünstigten zum Ausdruck gebracht bei den
poolitischen Vorlagen. Hier muß von Ihnen das System der
Bequemlichkeit und Unverantwortlichkeit behoben werden, weil die
Besserung der politischen Verhältnisse nicht durch Zusammenlegung
der gesetzgeberischen und der vollziehenden Gewalt, sondern nur
durch die rasante Trennung beider Gewalten erfolgen kann, wobei
ganz eindeutig feststeht, daß die Verantwortung für
den Staat und für den Geist des politischen Geschehens niemals
bei der vollziehenden, sondern immer bei der gesetzgebenden Gewalt
liegen muß. Unnd wenn Annäherungen und Bindungen zwischen
diesen Gewalten nicht bei jeder Vorlage so unterbrochen und verhindert
werden wie bei dieser Vorlage, dann zweifle ich, ob nicht derjenige
recht behalten wird, der behauptet, daß hier über Nacht
das autoritäre und, wenn sie wollen, das diktatorische Regime
vom Staat Besitz ergreifen kann.
In den Resolutionen des verfassungsrechtlichen Ausschusses werden
an die Regierung sehr ernste Forderungen in Bezug auf die legislatorische
Initiative gestellt. Ich stelle fest, daß wir auch diesen
Resolutionen zus timmen, wenn auch, wie ich noch ausführen
werde, die Zahl und der Inhalt dieser Resolutionen noch ganz wesentlich
hätte erweitert werden sollen, weil es sich ja gerade bei
dieser Vorlage darum gehandelt hat, den Willen des Gesetzgebers
in Bezug auf die Ordnung in der Verwaltung klarzustellen.
Wenn nun in den Resolutionen zwar nur angedeutet wird, daß
auch die rechtliche Kontrolle genereller Verwaltungsakte, also
der Verordnungen, in die Wege geleitet werden soll, so ist das
von allergrößtem Werte, weil die rechtliche Kontrolle
der konkreten Verwaltungsakte letzten Endes Ordnung in die Verwaltung
nicht bringen kann, wenn nicht auch die rechtliche Kontrolle der
generellen Verwaltungsakte in Ordnung gebracht wird. Und hier
glaube ich, wäre es notwendig gewesen, auch auf die Reformbedürftigkeit
unserer Verfassungsgerichtsbarkeit hinzuweisen, weil ja unser
Gesetz über das Verfassungsgericht am Papier steht und am
Papier stehen bleiben wird, solange nicht die Möglichkeit
geschaffen wird, daß sich nicht nur drei Körperschaften
an das Oberste Verfassungsgericht wenden können, sondern
im Grunde genommen jeder.
Auf der anderen Seite wünscht eine der Resolutionen des Verfassungsausschusses
die Haftung des Staates für seine Beamten eine alte Forderung,
die schon in einem Antrag der vorigen Wahlperiode enthalten war.
Dieser Antrag Kafka wurde im großen und ganzen als
gut anerkannt, ohne daß jedoch das Parlament die Initiative
aufgenommen und tatsächlich diese sehr wichtige Gesetzesvorlage,
die übrigens im § 92 der Verfassungsurkunde dem Parlament
als Pflicht auferlegt ist, verabschiedet hätte.
Es wird auch in den Resolutionen die sogenannte unechte Verwaltungsgerichtsbarkeit,
die Gerichtsbarkeit a priori, verlangt. Auch hier liegt in der
Verfassung ein Auftrag und in zwei Gesetzen sogar schon diesen
Verfassungspunkt ausführende Bestimmungen vor, aber wir sind
nicht im Besitze dieser unechten Verwaltungsgerichtsbarkeit, obzwar
sich jeder darüber im Klaren sein muß, daß der
Ermessenswillkür ganz wesentlich entgegengewirkt werden würde,
wenn nicht ein Einzelner, sondern ein Kollegium Entscheidungen
treffen würde.
Wir hätten überdies gewünscht, daß in den
Resolutionen sich auch Forderungen in Bezug auf die so dringliche
Verwaltungsreform befinden; denn heute ist man sich darüber
im Klaren, daß nicht mit einem Herumdoktoren einmal bei
dem, einmal bei jenem Ressort die Verwaltungsreform an Haupt und
Gliedern durchgeführt werden kann, sondern durch ein großes
Werk, wenn wir zu einer klaglosen, einwandfreien und elastischen
Verwaltung gelangen sollen. Auch die Absicht der strengen Kontrolle,
die in der Novelle zum Ausdruck kommt, ist meines Erachtens nicht
zu erreichen, wenn nicht der rechtlichen Kontrolle der Verwaltung
ein organisatorischer Umbau der Verwaltung äquivalent ist,
d. h. wenn die Rechtsstaatlichkeit nicht bloß in der Kontrolle,
sondern auch in der Funktion der Verwaltung verfolgt wird, weil
wir immer und immer wieder feststellen können, daß
die Verwaltung die Rechtsstaatlichkeit verletzt, u. zw. sehr bösartig
verletzt, während auf Grund der Beschwerde beim Obersten
Verwaltungsgericht bestenfalls in zwei Jahren festgestellt wird,
daß der Verwaltungsakt ungesetzlich war und daher aufzuheben
ist.
Eine sehr gewichtige Unterlassung des verfassungsrechtlichen Ausschusses
bei der Regelung dieser die Verwaltung betreffenden Fragen sehen
wir darin, daß weder in den Reden noch in dem Bericht noch
in den Verhandlungen des verfassungsrechtlichen Ausschusses auf
die Notwendigkeit einer viel strengeren und zweckdienlicheren
politischen Kontrolle der Verwaltung hingewiesen wurde. Ich glaube,
daß die Mehrheit sich bereits des Rechtes auf diese politische
Kontrolle der Verwaltung und der Regierung begeben hat und sich
kaum noch bewußt ist, daß es eine solche politische
Kontrolle gibt, die sowohl in der Verfassung als auch in der Geschäftsordnung
dieses Hauses verankert ist. Diese politische Kontrolle besteht
darin, daß jede Gruppe oder jeder einzelne Abgeordnete das
Recht hat, Interpellationen und Anfragen an die Minister zu richten,
daß der Ausschuß oder das Haus das Recht hat, zu beschließen,
daß der Minister über diesen oder jenen Vorfall in
seinem Ressort Aufklärung zu geben hat, daß die Resolutionen
des Parlaments beachtet und den jedem freistehenden Petitionen
jene Bedeutung gegeben wird, die das Ansehen der gesetzgebenden
Körperschaften vor der Öffentlichkeit einfach verlangt.
Ich stelle zunächst fest, daß die Mehrheit scheinbar
auf diese politische Kontrolle überhaupt verzichtet hat oder
so tut, als ob sie keinen Grund zu Interpellationen an die Regierung
oder an einzelne Minister hätte. Das ist ein sehr grober
Fehler, einfach aus dem Grunde, weil das Recht auf politische
Kontrolle sozusagen zwangsläufig der Opposition überantwortet
wird, mit dem Effekt, daß sich um dieses große, uns
allen zukommende Recht bloß die Opposition kümmert
und nicht mehr die Mehrheit, das Parlament und sein Präsidium.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
Langr.) Es ist ebenfalls ein sehr grober Fehler von Ihrer
Seite, meine Herren auf den Regierungsbänken, daß Sie
der Beantwortung der Interpellationen überhaupt kein Interesse
mehr entgegenbringen, was den Effekt hat, daß dieses verfassungsmäßig
und geschäftsordnungsmäßig festgelegte Recht des
Parlaments allmählich zu einer Farce wird, die zwar die Opposition
trifft, aber auch das Ansehen des Parlaments ganz wesentlich schwächt
und der Öffentlichkeit gewissermaßen die Überzeugung
beibringt, daß das Parlament gar kein Recht hat, an die
Regierung zu appellieren oder die einzelnen Mitglieder der Regierung
zu interpellieren, geschweige denn die Verwaltung zu kontrollieren.
Wenn Sie diese Dinge einmal durchdenken, werden Sie zu der Überzeugung
kommen, daß Ihre oftmalige Freude über eine unsachliche
oder höhnische Antwort dieses oder jenes Ministers an die
Opposition sehr bösartig auf Sie selbst zurückfällt,
indem nämlich die Verwaltung eigentlich mit vollem Recht
die Überzeugung gewinnt, daß diese politische Kontrolle
aufgehoben ist und die Bürokratie daher machen kann, was
sie will. Sie haben somit selbst das größte Interesse
daran, die Interpellation wieder zu dem zu machen, was sie ist.
Wir könnten, obwohl wir sicher in der Einbringung von Interpellationen
nicht bescheiden sind, diesen Vorrat noch verdoppeln und vielleicht
verdreifachen, wenn wir jede Ungesetzlichkeit, jeden Übergriff
der Regierung interpellieren würden. Wir finden uns weder
als Interpellanten, noch auch als auf Rechtsstaatlichkeit pochende
Bürger befriedigt, wenn die Regierung das Interpellationsrecht
des Parlaments nicht ernst nimmt. Wir sind allerdings nicht gesonnen,
uns dies auf die Dauer gefallen zu lassen.
Schließlich eine kleine Bemerkung über die finanzielle
Kontrolle des Parlaments, zu der es ja auch durch Verfassung und
Geschäftsordnung verpflichtet ist. Es wurde mit vollem Recht
eine Spar- und Kontrollkommission eingesetzt. Aber das Parlament
ist sich selbst in der Reinheit der Kontrolle und der demokratischen
Grundsätze untreu geworden, als es die finanzielle Kontrolle
dem Koalitionsausschuß dieser Spar- und Kontrollkommission
übertrug, also gewissermaßen das Recht auf Kontrolle
durch die Öffentlichkeit und das Parlament auf den übertrug,
der kontrolliert werden soll. Soll die Kontrollkommission wirklich
ihre Aufgabe erfüllen, dann wird es notwendig sein, daß
die Opposition an der Kontrolle beteiligt ist und sich nicht die
Koalition selbst überprüft.
Ich will also damit klargestellt haben, daß zwar diese Novelle
ein sehr wertvoller, von uns anerkannter Schritt auf dem Wege
zur Rechtsstaatlichkeit ist, daß sie aber ihren Zweck verfehlen
muß, wenn nicht das Parlament noch sehr viele Schritte auf
diesem Weg weiter geht. Mit Recht wurde hier hervorgehoben, daß
der Kern der Beamtenschaft an sich gut ist. Ich habe keinen Grund,
diese Behauptung zu bezweifeln, muß jedoch feststellen,
daß dies nicht allgemein gilt und dieser gute Kern eigentlich
konsequent durch die Art der Gesetzgebung, die Behandlung der
dem Parlament vorbehaltenen Kontrollrechte und das ganze politische
Gehaben der Koalitionsparteien verdorben werden muß. Denken
Sie nur - und darauf wurde schon hingewiesen - an die katastrophale
Auswirkung der Tatsache, daß der § 22 der Verfassung
tagtäglich in unzähligen Interventionen ad absurdum
geführt wird. Wenn also der gute Kern der Beamtenschaft erhalten
werden soll, dann muß man meines Erachtens ihren sehnlichsten
Wunsch erfüllen - den sehnlichsten Wunsch selbstverständlich
nur der guten und braven Beamtenschaft - daß die Verwaltung
entpolitisiert und politischen Einflüssen entzogen werde.
(Potlesk poslancù strany sudetskonìmecké.)