Nun lassen Sie mich diese Vorlage auch vom Standpunkte der Nationalpolitik
beurteilen. Ich erkläre unumwunden, daß ich diese Vorlage
als eine sehr wertvolle nationalpolitische Realität ansehe,
und ich füge gleich hinzu, als eine viel größere
und bedeutungsvollere nationalpolitische Realität als die
sogenannte Regierungserklärung vom 18. Feber 1937. Und warum?
Diese Novelle regelt ein sehr wichtiges Rechtsgebiet, u. zw. in
der Form eines Gesetzes. Sie ist also eine brauchbare rechtliche
Realität, während die angeführte Erklärung
der Regierung nichts anderes als eine Wiederholung schon alter
Zusagen ist, von denen wir bisher, wenn wir noch so objektiv sind,
feststellen können, daß sie am Papier geblieben sind.
(Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.)
Diese Novelle führt den generellen Schutz jeden Bürgers
gegenüber der Staatsverwaltung ein. Die Erklärung verschanzt
sich aber hinter dem rechtlichen und politisch unbrauchbaren Vorbehalt
der individuellen Loyalität, den die deutschen Regierungsparteien
in sehr durchsichtiger Selbstsucht so interpretieren, daß
wer nicht mit ihnen geht und demonstriert, staatsfeindlich ist.
(Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.)
Weiters normiert die Novelle Rechtsgrundlagen für jedermann,
die Erklärung der Regierung vom 18. Feber will aber einer
opportunistischen Protektion Tür und Angeln öffnen,
wofür ja die deutschen Regierungsparteien ganze Bureaus errichten
und Rundschreiben an die Bevölkerung herausgeben, von denen
sie selber wissen müssen, daß sie eine Erfüllung
nicht finden können.
Die Novelle dient schließlich 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen,
d. h. theoretisch kann sich durch sie jeder gegen die Verwaltung
schützen, indem er gegen Verwaltungsakte, die ihn verletzen,
vor dem Obersten Verwaltungsgericht klagen kann. Die Erklärung
aber streicht gewissermaßen zwei Millionen Sudetendeutsche
aus und behandelt gewisse Regelungen als Anspruch nur einer Million,
von der die deutschen Regierungsparteien behaupten, daß
sie hinter ihnen stehe. Und deshalb können wir neuerdings
nur feststellen, daß uns solche rechtliche Regelungen wie
die Novelle vom Standpunkte unseres Volkstums hundertmal wertvoller
sind als manifestative Erklärungen der Regierung. Ich kann
sagen, daß wir eine solche mit der Novelle angebahnte Entwicklung
begrüßen und daß wir volles Verständnis
entgegenbringen, sobald Rechtsmaterien geordnet und geregelt werden
und die Zukunft des Sudetendeutschtums nicht auf irgendwelche
Zusagen aufgebaut wird.
Aber wir müssen auch der Regierung eindeutig sagen, daß
sie am 18. Feber eine Methode zur Anwendung gebracht hat, die
an sich schon falsch ist, aber auch falsch ist mit Rücksicht
auf diese Novelle, die wir hier verhandeln. Denn es ist doch so,
daß diese Novelle gleiches Recht schützen und gleiches
Recht geben will, während die Erklärung sehr nahe daran
ist, ungleiches Recht sozusagen aus den Vollmachten der Regierung
heraus in die Verwaltung hineinzupumpen, d. h. also, Unrechtsakte
zu ermöglichen, die der Rechtsstaatlichkeit entgegenwirken.
(Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.)
Und wir müssen weiter feststellen, daß wir hierin
einen tragischen Irrtum auf Seite der Regierungsparteien erkennen,
daß sie gerade mit Rücksicht auf die Notwendigkeit,
doch die Rechtsstaatlichkeit hochzuhalten, nicht sehen, wie enge
Grenzen dieser Politik gesetzt sein müssen, die auf der Protektion
des einen Teiles des Sudetendeutschtums gegenüber dem andern
aufgebaut ist. Wir bedauern diesen Irrtum! Wir werden weiterhin
die Linie vertreten, daß durch rechtliche und - Sie müssen
sich auch dazu entschließen! durch verfassungsrechtliche
Sicherungen dem Sudetendeutschtum jene innere Sicherheit gegeben
wird, die es braucht, einerseits um sich in seinem volklichen
Bestande zu erhalten, andererseits um mit ruhigen Nerven die politische
Entwicklung zu gestalten. Urteilt es nach Ihrer Presse, nach dieser
oder jener hetzerischen Rede auch von dieser Tribune aus, so müssen
Sie es verstehen, daß diese Sicherheit in unserem Sudetendeutschtum
nicht geschaffen werden kann, weil ja auch die Verwaltung in hunderten
und tausenden Akten beweist, daß es erlaubt und sogar im
èechischen Lager oft mit Beifalll belohnt wird, wenn aus
Recht Unrecht gemacht wird, aus gesetzmäßiger Verpflichtung
eine Ungesetzlichkeit.
Ich darf zum Schlusse kommen! Wir nehmen die Novelle in der vorstehenden
Fassung und auch die Resolutionen an und werden für sie stimmen.
Wir erwarten allerdings, daß das Parlament seinen Willen
als Gesetzgeber nicht nur gegenüber der Verwaltung, sondern
auch im Rahmen dieser Novelle auch gegenüber den Judikaten
des Obersten Verwaltungsgerichtes durchsetzt. Vom Obersten Verwaltungsgericht
erwarten wir, daß es seiner Tradition treu bleibt. Wir hätten
allerdings diesen oder jenen Vorwurf zu erheben, im großen
und ganzen hat es sich aber als Hüter des Rechtes erwiesen,
soweit es zu entscheiden berechtigt ist. Aber es handelt sich
auch darum, daß es anerkennt, daß die strikte Applikationspraxis
der Gesetze durch die Verwaltung nicht dort so dringend ist, wo
es sich darum handelt, daß die zu fällende Entscheidung
gleichkommt dem mathematischen Axiom: zwei mal zwei ist gleich
vier. Darauf hat Prof. Weyr hingewiesen und hat es als
widersinnig bezeichnet, daß die Applikationspraxis weniger
der Kontrolle unterliegt, wo es sich um nicht so evidente Tatbestände
handelt, als dort, wo es sich um evidente Tatbestände handelt.
Und er führte ein Beispiel an, das uns außerordentlich
interessieren muß, nämlich den Fall der Entscheidung,
ob jemand verläßlich ist oder nicht. Er sagt da: Gerade
bei solchen Ermessensentscheidungen müßte dafür
gesorgt werden, daß der Instanzenzug und die Überprüfung
durch das Oberste Verwaltungsgericht viel strenger ist als bei
den evidenten Stritten. Wir stimmen zu, müssen aber feststellen,
daß uns gerade hier Bedenken gegen den § 26, Abs. 2
und 3 dieser Novelle aufkommen, weil in diesen Bestimmungen die
Geheimhaltung geheimer Akten auch vor dem Obersten Verwaltungsgericht
festgesetzt wird.
Wir geben zu, daß bei der heutigen politischen Situation,
bei der nervösen Art der Verwaltung, gerade über politische
Fragen zu entscheiden, der Verfassungsausschuß in die Bestimmungen
des § 26, Abs. 2 und 3 das Maximum dessen hereingebracht
hat, was augenblicklich zu erreichen ist. Auch hier war die Regierung
viel engherziger als der Ausschuß, und wir finden uns daher
auch mit dieser Bestimmung ab, müssen jedoch erwarten, daß
bei den Entscheidungen über die Geheimhaltung von Akten das
Oberste Verwaltungsgericht sehr großherzig vorgeht und z.
B. nicht wegen irgendeiner Relation eines untergeordneten, zu
politischen Feststellungen absolut ungeeigneten Organes den realen
Anspruch auf Änderung eines Verwaltungsaktes nicht nur in
den Instanzen der inneren Verwaltung, sondern auch vor dem Obersten
Verwaltungsgericht aufhebt.
Es sind schließlich auch Bedenken über die Rechtsverbindlichkeit
der Entscheidungen des Obersten Verwaltungsgerichtes entstanden.
Ich stelle fest, daß Bedenken wenigstens an mich gerade
von jenen Stellen oder Interessenten gekommen sind, die sie immer
verlangt haben. Wir halten auch diese Entscheidung des verfassungsrechtlichen
Ausschusses wenigstens als Versuch für brauchbar, weil nur
auf diiesem Wege erzielt werden kann, daß sich die Verwaltungsorgane
über das Oberste Verwaltungsgericht nicht lustig machen.
Zusammenfassend begrüßen wir es, daß das Parlament
die Novelle in dem nun vorliegenden Sinne umgearbeitet hat, wodurch
wir in die Lage versetzt werden, dieser guten Vorlage zuzustimmen
und auch für sie unsere Stimme abzugeben. (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, für den
vorliegenden Ausschußbericht vom Standpunkte einer Partei
als solcher Stellung zu nehmen noch überhaupt bei dieser
Gelegenheit politische Probleme oder Aktualitäten zu besprechen;
es liegt mir vielmehr daran, als Mitglied des Verfassungsausschusses
zu dem Entwurf des neuen Gesetzes über das Oberste Verwaltungsgericht
Stellung zu nehmen und dadurch einem alten Brauch des Parlamentarismus
Genüge zu tun, wichtige Vorlagen auch im Plenum des Hauses
zu besprechen, dies umsomehr, als dieser Vorlage die größte
Bedeutung zukommt. Diese Bedeutung wurde auch vom Ausschuß
richtig gewürdigt durch eine äußerst intensive
Bearbeitung der ursprünglichen Regierungsvorlage, die zu
dem jetzigen Ausschußbericht geführt hat, überdies
durch eine volle Hingabe an das Ziel dieser Vorlage, den Rechtsschutz
der Bevölkerung, der nicht zuletzt gerade in die Hände
des Obersten Verwaltungsgerichts gelegt ist, auf das möglichste
zu vervollkommnen.
Sosehr der Ausschuß und insbesondere das Subkomité
durch ihre vielwöchige Arbeitsleistung gezeigt haben, daß
sie diesem Gegenstand das größte Interesse entgegenbringen,
so wenig - das muß ich bedauerlicherweise konstatieren -
herrscht ein solches Interesse bei der Plenarverhandlung der Vorlage:
Vor mir leere Bänke, insbesondere die Regierungsvertreter
scheinen es für überflüssig zu halten, die Ansichten
der Gesetzgeber über die Motive und Durchführungstendenzen,
die zugrundeliegen bzw. zur Ausführung kommen sollen, des
näheren kennen zu lernen. Ich bedauere das, weil es ein Zeichen
für die Erschlaffung des Parlamentarismus und kein Zeichen
dafür ist, daß die parlamentarische Demokratie bei
uns tatsächlich jenen Elan findet, den sie braucht, um draußen
bei der Bevölkerung auch volkstümlich zu bleiben.
Die Bedeutung des Obersten Verwaltungsgerichtes wird dadurch allerdings
nicht beeinträchtigt und wer sich halbwegs darüber im
klaren ist, was diese Vorlage für das zukünftige Rechtsleben
im Staate bedeutet, wird sicherlich daran festhalten, daß
man über alle Hindernisse hinweg alles tun muß, um
der Bevölkerung darüber die richtige Aufklärung
zu geben. Und auch aus diesem Grund habe ich mich trotzdem entschlossen,
beim Worte zu bleiben, wenn auch puncto Zuhörerschaft und
Interesse sicherlich nicht das Wünschenswerte zu finden ist.
Die Bedeutung des Obersten Verwaltungsgerichtes ist in der ursprünglichen
Vorlage leider unterschätzt worden, da die Absicht, das bestehende
Rechtsmaterial zu unifizieren, durch die Regierungsvorlage eigentlich
nur in der Richtung verfolgt wurde, daß die Vorlage eine
Entlastung des Obersten Verwaltungsgerichtes hauptsächlich
hinsichtlich seiner Rückstände bringen sollte. Es ist
eine Tatsache, daß eine Entlastung wünschenswert ist,
da nicht zuletzt die Ziffer der aufgelaufenen Rückstände
mit Ende 1935 - die Zahl der unerledigten Beschwerden betrug 17.431
- Zeugnis davon gibt, daß der bisherige Apparat nicht ausgereicht
hat, um diesem Bedürfnis eines Rechtsstaates nach einer raschen
Erledigung der Gerichtsbarkeit des Obersten Verwaltungsgerichtes
nachkommen zu können. Die Aufarbeitung von 5.500 Rückständen
per Jahr reichte nicht aus, um diese Rückstände bisher
zu beseitigen. Das soll und kann als ein begründetes Motiv
zur Vorlage einer Novelle anerkannt werden. Es ist aber auffallend,
daß bei dieser Gelegenheit die ursprüngliche Regierungsvorlage
Änderungen in Vorschlag brachte, die nicht darauf abzielten,
eine Verbesserung der Einrichtung selbst herbeizuführen,
sondern eher die Zuständigkeit des Obersten Verwaltungsgerichtes
einzuschränken und so den Rechtsschutz der Bevölkerung
gegenüber gesetzwidrigen Entscheidungen und Verfügungen
der Verwaltungsbehörden zu schwächen.
Das Verdienst des Ausschusses und des Subkomités im besonderen
ist es, daß sie gerade in dieser Hinsicht den ursprünglichen
Entwurf nahezu vollkommen umgearbeitet haben, und - bei der Richtlinie,
das Verwaltungsgericht zu entlasten und eine Beschleunigung des
Verfahrens durch Beseitigung der Rückstände herbeizuführen
- insbesondere sich zum Ziel setzte, die Gerichtsbarkeit des Obersten
Verwaltungsgerichtes auszubauen und im Interesse der Rechtsschutz
suchenden Bevölkerung zu vertiefen. Dieses Verdienst wird
auch von allen Rednern, die bisher zum Gegenstand gesprochen haben,
rundweg anerkannt; ich will mich ihnen anschließen und möchte
deshalb bei der Kritik des Entwurfes nur einige Gedankengänge
herausgreifen, bezw. da die meisten schon vorweggenommen sind,
wiederholen, die mir wichtig erscheinen, um gerade für die
Durchführung, bezw. für die öffentliche Aufklärung
darauf Nachdruck zu legen, daß es bei der Vorlage in erster
Linie Absicht des Gesetzgebers war, der Bevölkerung durch
die Novelle einen besseren Rechtsschutz zu gewähren, als
er bisher gegeben werden konnte.
Die Vorzüge der Vorlage, wie sie im Ausschußbericht
umgearbeitet ist, sind aus einigen Punkten zu erkennen. Vor allem
ist es dem Ausschuß gelungen, daß bei Stritten über
öffentliche Abgaben und Ersätze von Aufwendungen bezüglich
des Wirkungskreises gegenüber dem ministeriellen Antrag ein
günstiges Kompromiß erzielt wurde, und daß bei
der Absicht, für solche Beschwerden weiter die Kompetenz
des Obersten Verwaltungsgerichtes beizubehalten, eine Verbesserung
gefunden wurde, die sich sehr wohltuend von der ursprünglichen
Vorlage abwendet. Ist das schon von Bedeutung, so ist von nicht
geringerer Bedeutung jene Bestimmung des neuen Entwurfes, daß
die materielle Verantwortlichkeit des beklagten Amtes für
Verwaltungsgerichtsbeschwerden zum ersten Male Wirklichkeit geworden
ist, in einer Ausführung der Absichten des § 92 der
Verfassungsurkunde, nach welchem die Behörden bei ungesetzlicher
Ausübung der öffentlichen Gewalt für den dadurch
verursachten Schaden haftbar gemacht werden können. Bei den
gegebenen Verhältnissen bedeutet das viel für die Erhöhung
der Rechtsverbindlichkeit der Rechtsanschauungen des Obersten
Verwaltungsgerichtes, für den Gehorsam der Verwaltungsbehörden
gegenüber den veröffentlichten Rechtsgrundsätzen,
es bedeutet insbesondere auch eine Verbesserung dahin, daß
nunmehr sicherlich die Verwaltungsbehörden mehr denn je darauf
achthaben werden, nicht gegen veröffentlichte oder wiederholte
Rechtsanschauungen des Obersten Verwaltungsgerichtes in den Verwaltungsentscheidungen
zu verstoßen.
Ein schwerer Angriff gegen die Prinzipien, auf denen das Oberste
Verwaltungsgericht überhaupt errichtet ist, war, daß
in der ministeriellen Vorlage die Entscheidungen des freien Ermessens
aus der Kompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes ausgeschlossen
werden sollten. Dagegen hat sich im Ausschuß alles einheitlich
gewendet und es ist gewiß ein Verdienst des Ausschußberichtes,
daß er diese Bestimmung der ursprünglichen Vorlage
fallen gelassen hat und die Entscheidungen des freien Ermessens
vollauf in die Beschwerdekompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes
gelegt hat. Was das bedeutet, das kann jeder ersehen, der nur
einigermaßen über die Vielseitigkeit der Entscheidungen
des freien Ermessens im Bilde ist, die heute gang und gäbe
sind. Selbst das alte österreichische Gesetz vom Jahre 1875
hat es vorgesehen, daß Entscheidungen des freien Ermessens
vor das Oberste Verwaltungsgericht zur Prüfung kommen können,
ob und insoweit die Verwaltungsbehörde nach freiem Ermessen
vorzugehen berechtigt ist.
Heutzutage ist es vielmehr als damals notwendig., dieses freie
Ermessen in die Kompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes zu
stellen und die Änderung, die in diesem Belang vorgekommen
ist, ist sicherlich ein besonderer Vorzug der künftigen Rechtsgrundlage
für das Oberste Verwaltungsgericht. Was freies Ermessen heißt,
kann man ermessen, wenn man sich alle die Staatsbürgerschaftsfälle
vor Augen hält. Hier sind die Verwaltungsbehörden berufen,
nach freiem Ermessen zu entscheiden. Wie vielfach wird es notwendig
sein bei den leider meistenteils gegenüber den nationalen
Minderheiten geübten Abweisungen der Staatsbürgerschaftsansuchen,
es dem Obersten Verwaltungsgericht anheimzustellen, ob tatsächlich
dem Geiste der Verfassung, der Demokratie und Humanität Rechnung
getragen wurde, ob in diesen Fällen nicht vielmehr einseitig
vorgegangen wurde aus Beweggründen, die mit dem Geist der
Verfassung, insbesondere mit den Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages
über die volle Gleichberechtigung in Widerspruch stehen.
Man kann hoffen, daß auch die behördliche Praxis eine
Änderung dahin erfahren wird, daß nunmehr eine gleiche
sachliche Beurteilung aller dieser Staatsbürgerschaftsansuchen
in Übung kommt. Es wäre das ein Erfolg, den wir umsomehr
begrüßen müßten, als da gerade in der Praxis
die ungeheuerlichsten Fälle vorkommen. Menschen, die auf
dem Staatsgebiet geboren sind, ein Menschenleben hier verbracht
haben, dadurch heimatverbunden sind, die ihren Erwerb ihr ganzes
Leben lang auf diesem im Staat gelegenen Gebiet gefunden haben,
werden glatt abgewiesen, können nicht Staatsbürger werden,
wenn sie nicht eine besondere Protektion aufbringen und werden
durch diese fortwährenden Abweisungen nicht selten um ihre
ganze Existenz, um die Existenz ihrer Familien gebracht, eine
Härte, die man nicht genug rügen kann und die jedem
sozialen Empfinden fernsteht. Meist aus kleinlichen parteipolitischen
oder nationalpolitischen Motiven erfolgt die Mitbegutachtung der
gesetzwidrigerweise berufenen Nebenregierungen gegen eine günstige
Entscheidung. Ich hoffe, daß durch die Möglichkeit
der Beschwerdeführung an das Oberste Verwaltungsgericht diese
Praxis eine Änderung erfährt und wir nunmehr tatsächlich
unter gleichen Voraussetzungen für Angehörige unserer
Nationalität die Staatsbürgerschaft werden erreichen
können. Ein Fall, der beim freien Ermessen auch eine große
Rolle spielt und den ich da auch unterstreichen möchte und
der auch häufig vorkommt, ist der, daß bei Entscheidungen
nach freiem Ermessen der Instanzenzug nicht eingehalten wird,
bzw. Vorentscheidungen der höheren Instanz vorkommen, wodurch
dann das Rechtsmittel der Berufung selbst illusorisch wird. Das
ist bei Staatsbürgerschaftsangelegenheiten der Fall, die
von der zuständigen Behörde erst der oberen Instanz
vorgelegt werden müssen, um dann nach deren Weisung von der
unteren Instanz erledigt zu werden. Es ist das aber auch in anderen
Fällen üblich, wobei ich mich nur auf einen berufen
möchte, das ist bei der Verordnung über die Filialen
und Verkaufsstätten der Großunternehmungen vom Jahre
1935, zu welcher das Handelsministerium mit Erlaß vom 7.
November 1934 den Landesämtern ausdrücklich die Weisung
gegeben hat, daß sie vor einer günstigen Entscheidung
für den Gesuchsteller das Gesuch dem Ministerium vorlegen
müssen, um sich dort Direktiven für die Entscheidung
zu holen.
Ich glaube, derartige Vorko mmnisse widersprechen nicht nur dem
Rechtsgefühl, sondern auch den positiven klaren Bestimmungen
des Instanzenzuges, der durch derartige interne Vorschriften in
seiner rechtlichen Bedeutung schwer verletzt wird.
In Hinsicht der Akteneinsicht hat ebenso der Ausschußbericht
eine Besserung gegenüber dem bisherigen Zustande geschaffen,
indem von nun an nicht wie früher Aktenteile im öffentlichen
Interesse einfach aus der Akteneinsicht beim Obersten Verwaltungsgericht
ausgenommen werden können, sondern nur jene, welche - unabhängig,
von den übli chen Einsichtsmöglichkeiten beim Verwaltungsverfahren
selbst, die offen bleiben- aus der Akteneinsicht ausgenommen werden,
weil sie im Interesse der Staatsverteidigung verschwiegen werden
müssen. Das bedeutet einen Fortschritt und wir hoffen, daß
auch die Durchführung diesen Fortschritt beweisen wird. Denn
es gibt leider sehr viele Fälle, wo bisher unter vorgeschützter
übertriebener Vorsicht die Akteneinsicht beim Obersten Verwaltungsgerichte
verwehrt wurde, während gerade diese Bestandteile der Akten
für die Entscheidung selbst wesentlich waren, so daß
der Beschwerdeführer in seinnem Rechte der Beschwerdeführung
wesentlich verkürzt werden konnte und die Klarheit und Rechtlichkeit
der Entscheidung der Verwaltungsbehörden irrtümlich
oder absichtlich vorenthalten wurde. Ich verweise darauf, daß
gerade bei solchen Beschwerdefällen, die in das politische
Gebiet mit übergreifen können, sehr oft die Entscheidungen
auf Relationen der Gendarmerie und Polizei über die persönlichen
Qualitäten des Beschwerdeführers selbst beruhen und
daß es durch die Entziehung der Akteneinsicht über
diese Polizeiberichte vielfach so weit gekommen ist, daß
den Vernaderungen freier Lauf gelassen war, ohne daß selbst
bei dem Obersten Verwaltungsgerichte die Möglichkeit bestand,
den Vernaderungen an den Leib zu rücken. Das Opfer erfuhr
nie etwas davon und war selbst, wenn ihm diesbezüglich Gerüchte
zu Ohren gelangten, außerstande, sich dagegen zur Wehr zu
setzen - ein Abusus, der sich vielfach eingeschlichen hat und
dessen Bereinigung wohl wesentlich im Interesse des Rechtstaates
ist, der dadurch in den Augen der rechtlichen denkenden Bevölkerung
sehr gewinnt, wenn sie weiß, daß eine polizeistaatliche
Einstellung der Verwaltungsbehörden vom Obersten Verwaltungsgericht
nunmehr zunichte gemacht werden kann.
Wie weit das geht, wie weit solche Relationen Einfluß haben
und was damit für ein Unfug getrieben wird, will ich nur
an einem Beispiele beleuchten. Es ist mir bekannt, daß aus
Anlaß eines Disziplinarfalles eines ehemaligen Offiziers
der Schlesische Fischzuchtverein durch die Angaben eines Polizeiagenten,
welcher kaum imstande war, die Verhältnisse überhaupt
zu kennen, dahin beurteilt wurde, daß das eine getarnte
Vereinigung ehemaliger Offiziere zu staatsfeindlichen Zwecken
sei. Der Fischzuchtverein, der sicher nicht der Kontrolle durch
alle Behörden ermangelt, der sich durch die bewährten
Traditionen doch sicherlich nur zur Aufgabe gesetzt haben kann,
den Angelsport zu pflegen und damit eine wichtige Tangente der
Volkswirtschafht zu befriedigen, konnte derart diskrediert werden.
Es ist unerfindlich, wie so etwas in einem Akte bleiben kann,
und wie dem tatsächlich eine Bedeutung beigemessen werden
konnte, wie es in dem von mir erwähnten Falle gewesen ist,
wo sich die Verwaltungsbehörden und dann auch die Disziplinarsenate
scheinbar dazu bekannt haben, wie es der Polizeibericht über
einen großen Verein im Lande auszudrücken wagte. Die
Mitgliedschaft zum Verein ist auch ein Anlaßfür unverläßlich
zu gelten und bedeutet Nachteile. Hoffentlich wird die Praxis
des Verwaltungsgerichtes nunmehr zur Beseitigung solcher Vorkommnisse
beitragen.