Ètvrtek 8. dubna 1937

Nun lassen Sie mich diese Vorlage auch vom Standpunkte der Nationalpolitik beurteilen. Ich erkläre unumwunden, daß ich diese Vorlage als eine sehr wertvolle nationalpolitische Realität ansehe, und ich füge gleich hinzu, als eine viel größere und bedeutungsvollere nationalpolitische Realität als die sogenannte Regierungserklärung vom 18. Feber 1937. Und warum? Diese Novelle regelt ein sehr wichtiges Rechtsgebiet, u. zw. in der Form eines Gesetzes. Sie ist also eine brauchbare rechtliche Realität, während die angeführte Erklärung der Regierung nichts anderes als eine Wiederholung schon alter Zusagen ist, von denen wir bisher, wenn wir noch so objektiv sind, feststellen können, daß sie am Papier geblieben sind. (Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.)

Diese Novelle führt den generellen Schutz jeden Bürgers gegenüber der Staatsverwaltung ein. Die Erklärung verschanzt sich aber hinter dem rechtlichen und politisch unbrauchbaren Vorbehalt der individuellen Loyalität, den die deutschen Regierungsparteien in sehr durchsichtiger Selbstsucht so interpretieren, daß wer nicht mit ihnen geht und demonstriert, staatsfeindlich ist. (Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.) Weiters normiert die Novelle Rechtsgrundlagen für jedermann, die Erklärung der Regierung vom 18. Feber will aber einer opportunistischen Protektion Tür und Angeln öffnen, wofür ja die deutschen Regierungsparteien ganze Bureaus errichten und Rundschreiben an die Bevölkerung herausgeben, von denen sie selber wissen müssen, daß sie eine Erfüllung nicht finden können.

Die Novelle dient schließlich 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen, d. h. theoretisch kann sich durch sie jeder gegen die Verwaltung schützen, indem er gegen Verwaltungsakte, die ihn verletzen, vor dem Obersten Verwaltungsgericht klagen kann. Die Erklärung aber streicht gewissermaßen zwei Millionen Sudetendeutsche aus und behandelt gewisse Regelungen als Anspruch nur einer Million, von der die deutschen Regierungsparteien behaupten, daß sie hinter ihnen stehe. Und deshalb können wir neuerdings nur feststellen, daß uns solche rechtliche Regelungen wie die Novelle vom Standpunkte unseres Volkstums hundertmal wertvoller sind als manifestative Erklärungen der Regierung. Ich kann sagen, daß wir eine solche mit der Novelle angebahnte Entwicklung begrüßen und daß wir volles Verständnis entgegenbringen, sobald Rechtsmaterien geordnet und geregelt werden und die Zukunft des Sudetendeutschtums nicht auf irgendwelche Zusagen aufgebaut wird.

Aber wir müssen auch der Regierung eindeutig sagen, daß sie am 18. Feber eine Methode zur Anwendung gebracht hat, die an sich schon falsch ist, aber auch falsch ist mit Rücksicht auf diese Novelle, die wir hier verhandeln. Denn es ist doch so, daß diese Novelle gleiches Recht schützen und gleiches Recht geben will, während die Erklärung sehr nahe daran ist, ungleiches Recht sozusagen aus den Vollmachten der Regierung heraus in die Verwaltung hineinzupumpen, d. h. also, Unrechtsakte zu ermöglichen, die der Rechtsstaatlichkeit entgegenwirken. (Souhlas poslancù strany sudetskonìmecké.) Und wir müssen weiter feststellen, daß wir hierin einen tragischen Irrtum auf Seite der Regierungsparteien erkennen, daß sie gerade mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, doch die Rechtsstaatlichkeit hochzuhalten, nicht sehen, wie enge Grenzen dieser Politik gesetzt sein müssen, die auf der Protektion des einen Teiles des Sudetendeutschtums gegenüber dem andern aufgebaut ist. Wir bedauern diesen Irrtum! Wir werden weiterhin die Linie vertreten, daß durch rechtliche und - Sie müssen sich auch dazu entschließen! durch verfassungsrechtliche Sicherungen dem Sudetendeutschtum jene innere Sicherheit gegeben wird, die es braucht, einerseits um sich in seinem volklichen Bestande zu erhalten, andererseits um mit ruhigen Nerven die politische Entwicklung zu gestalten. Urteilt es nach Ihrer Presse, nach dieser oder jener hetzerischen Rede auch von dieser Tribune aus, so müssen Sie es verstehen, daß diese Sicherheit in unserem Sudetendeutschtum nicht geschaffen werden kann, weil ja auch die Verwaltung in hunderten und tausenden Akten beweist, daß es erlaubt und sogar im èechischen Lager oft mit Beifalll belohnt wird, wenn aus Recht Unrecht gemacht wird, aus gesetzmäßiger Verpflichtung eine Ungesetzlichkeit.

Ich darf zum Schlusse kommen! Wir nehmen die Novelle in der vorstehenden Fassung und auch die Resolutionen an und werden für sie stimmen. Wir erwarten allerdings, daß das Parlament seinen Willen als Gesetzgeber nicht nur gegenüber der Verwaltung, sondern auch im Rahmen dieser Novelle auch gegenüber den Judikaten des Obersten Verwaltungsgerichtes durchsetzt. Vom Obersten Verwaltungsgericht erwarten wir, daß es seiner Tradition treu bleibt. Wir hätten allerdings diesen oder jenen Vorwurf zu erheben, im großen und ganzen hat es sich aber als Hüter des Rechtes erwiesen, soweit es zu entscheiden berechtigt ist. Aber es handelt sich auch darum, daß es anerkennt, daß die strikte Applikationspraxis der Gesetze durch die Verwaltung nicht dort so dringend ist, wo es sich darum handelt, daß die zu fällende Entscheidung gleichkommt dem mathematischen Axiom: zwei mal zwei ist gleich vier. Darauf hat Prof. Weyr hingewiesen und hat es als widersinnig bezeichnet, daß die Applikationspraxis weniger der Kontrolle unterliegt, wo es sich um nicht so evidente Tatbestände handelt, als dort, wo es sich um evidente Tatbestände handelt. Und er führte ein Beispiel an, das uns außerordentlich interessieren muß, nämlich den Fall der Entscheidung, ob jemand verläßlich ist oder nicht. Er sagt da: Gerade bei solchen Ermessensentscheidungen müßte dafür gesorgt werden, daß der Instanzenzug und die Überprüfung durch das Oberste Verwaltungsgericht viel strenger ist als bei den evidenten Stritten. Wir stimmen zu, müssen aber feststellen, daß uns gerade hier Bedenken gegen den § 26, Abs. 2 und 3 dieser Novelle aufkommen, weil in diesen Bestimmungen die Geheimhaltung geheimer Akten auch vor dem Obersten Verwaltungsgericht festgesetzt wird.

Wir geben zu, daß bei der heutigen politischen Situation, bei der nervösen Art der Verwaltung, gerade über politische Fragen zu entscheiden, der Verfassungsausschuß in die Bestimmungen des § 26, Abs. 2 und 3 das Maximum dessen hereingebracht hat, was augenblicklich zu erreichen ist. Auch hier war die Regierung viel engherziger als der Ausschuß, und wir finden uns daher auch mit dieser Bestimmung ab, müssen jedoch erwarten, daß bei den Entscheidungen über die Geheimhaltung von Akten das Oberste Verwaltungsgericht sehr großherzig vorgeht und z. B. nicht wegen irgendeiner Relation eines untergeordneten, zu politischen Feststellungen absolut ungeeigneten Organes den realen Anspruch auf Änderung eines Verwaltungsaktes nicht nur in den Instanzen der inneren Verwaltung, sondern auch vor dem Obersten Verwaltungsgericht aufhebt.

Es sind schließlich auch Bedenken über die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen des Obersten Verwaltungsgerichtes entstanden. Ich stelle fest, daß Bedenken wenigstens an mich gerade von jenen Stellen oder Interessenten gekommen sind, die sie immer verlangt haben. Wir halten auch diese Entscheidung des verfassungsrechtlichen Ausschusses wenigstens als Versuch für brauchbar, weil nur auf diiesem Wege erzielt werden kann, daß sich die Verwaltungsorgane über das Oberste Verwaltungsgericht nicht lustig machen.

Zusammenfassend begrüßen wir es, daß das Parlament die Novelle in dem nun vorliegenden Sinne umgearbeitet hat, wodurch wir in die Lage versetzt werden, dieser guten Vorlage zuzustimmen und auch für sie unsere Stimme abzugeben. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké strany.)

2. Øeè posl. dr Luschky (viz str. 25 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, für den vorliegenden Ausschußbericht vom Standpunkte einer Partei als solcher Stellung zu nehmen noch überhaupt bei dieser Gelegenheit politische Probleme oder Aktualitäten zu besprechen; es liegt mir vielmehr daran, als Mitglied des Verfassungsausschusses zu dem Entwurf des neuen Gesetzes über das Oberste Verwaltungsgericht Stellung zu nehmen und dadurch einem alten Brauch des Parlamentarismus Genüge zu tun, wichtige Vorlagen auch im Plenum des Hauses zu besprechen, dies umsomehr, als dieser Vorlage die größte Bedeutung zukommt. Diese Bedeutung wurde auch vom Ausschuß richtig gewürdigt durch eine äußerst intensive Bearbeitung der ursprünglichen Regierungsvorlage, die zu dem jetzigen Ausschußbericht geführt hat, überdies durch eine volle Hingabe an das Ziel dieser Vorlage, den Rechtsschutz der Bevölkerung, der nicht zuletzt gerade in die Hände des Obersten Verwaltungsgerichts gelegt ist, auf das möglichste zu vervollkommnen.

Sosehr der Ausschuß und insbesondere das Subkomité durch ihre vielwöchige Arbeitsleistung gezeigt haben, daß sie diesem Gegenstand das größte Interesse entgegenbringen, so wenig - das muß ich bedauerlicherweise konstatieren - herrscht ein solches Interesse bei der Plenarverhandlung der Vorlage: Vor mir leere Bänke, insbesondere die Regierungsvertreter scheinen es für überflüssig zu halten, die Ansichten der Gesetzgeber über die Motive und Durchführungstendenzen, die zugrundeliegen bzw. zur Ausführung kommen sollen, des näheren kennen zu lernen. Ich bedauere das, weil es ein Zeichen für die Erschlaffung des Parlamentarismus und kein Zeichen dafür ist, daß die parlamentarische Demokratie bei uns tatsächlich jenen Elan findet, den sie braucht, um draußen bei der Bevölkerung auch volkstümlich zu bleiben.

Die Bedeutung des Obersten Verwaltungsgerichtes wird dadurch allerdings nicht beeinträchtigt und wer sich halbwegs darüber im klaren ist, was diese Vorlage für das zukünftige Rechtsleben im Staate bedeutet, wird sicherlich daran festhalten, daß man über alle Hindernisse hinweg alles tun muß, um der Bevölkerung darüber die richtige Aufklärung zu geben. Und auch aus diesem Grund habe ich mich trotzdem entschlossen, beim Worte zu bleiben, wenn auch puncto Zuhörerschaft und Interesse sicherlich nicht das Wünschenswerte zu finden ist.

Die Bedeutung des Obersten Verwaltungsgerichtes ist in der ursprünglichen Vorlage leider unterschätzt worden, da die Absicht, das bestehende Rechtsmaterial zu unifizieren, durch die Regierungsvorlage eigentlich nur in der Richtung verfolgt wurde, daß die Vorlage eine Entlastung des Obersten Verwaltungsgerichtes hauptsächlich hinsichtlich seiner Rückstände bringen sollte. Es ist eine Tatsache, daß eine Entlastung wünschenswert ist, da nicht zuletzt die Ziffer der aufgelaufenen Rückstände mit Ende 1935 - die Zahl der unerledigten Beschwerden betrug 17.431 - Zeugnis davon gibt, daß der bisherige Apparat nicht ausgereicht hat, um diesem Bedürfnis eines Rechtsstaates nach einer raschen Erledigung der Gerichtsbarkeit des Obersten Verwaltungsgerichtes nachkommen zu können. Die Aufarbeitung von 5.500 Rückständen per Jahr reichte nicht aus, um diese Rückstände bisher zu beseitigen. Das soll und kann als ein begründetes Motiv zur Vorlage einer Novelle anerkannt werden. Es ist aber auffallend, daß bei dieser Gelegenheit die ursprüngliche Regierungsvorlage Änderungen in Vorschlag brachte, die nicht darauf abzielten, eine Verbesserung der Einrichtung selbst herbeizuführen, sondern eher die Zuständigkeit des Obersten Verwaltungsgerichtes einzuschränken und so den Rechtsschutz der Bevölkerung gegenüber gesetzwidrigen Entscheidungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden zu schwächen.

Das Verdienst des Ausschusses und des Subkomités im besonderen ist es, daß sie gerade in dieser Hinsicht den ursprünglichen Entwurf nahezu vollkommen umgearbeitet haben, und - bei der Richtlinie, das Verwaltungsgericht zu entlasten und eine Beschleunigung des Verfahrens durch Beseitigung der Rückstände herbeizuführen - insbesondere sich zum Ziel setzte, die Gerichtsbarkeit des Obersten Verwaltungsgerichtes auszubauen und im Interesse der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung zu vertiefen. Dieses Verdienst wird auch von allen Rednern, die bisher zum Gegenstand gesprochen haben, rundweg anerkannt; ich will mich ihnen anschließen und möchte deshalb bei der Kritik des Entwurfes nur einige Gedankengänge herausgreifen, bezw. da die meisten schon vorweggenommen sind, wiederholen, die mir wichtig erscheinen, um gerade für die Durchführung, bezw. für die öffentliche Aufklärung darauf Nachdruck zu legen, daß es bei der Vorlage in erster Linie Absicht des Gesetzgebers war, der Bevölkerung durch die Novelle einen besseren Rechtsschutz zu gewähren, als er bisher gegeben werden konnte.

Die Vorzüge der Vorlage, wie sie im Ausschußbericht umgearbeitet ist, sind aus einigen Punkten zu erkennen. Vor allem ist es dem Ausschuß gelungen, daß bei Stritten über öffentliche Abgaben und Ersätze von Aufwendungen bezüglich des Wirkungskreises gegenüber dem ministeriellen Antrag ein günstiges Kompromiß erzielt wurde, und daß bei der Absicht, für solche Beschwerden weiter die Kompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes beizubehalten, eine Verbesserung gefunden wurde, die sich sehr wohltuend von der ursprünglichen Vorlage abwendet. Ist das schon von Bedeutung, so ist von nicht geringerer Bedeutung jene Bestimmung des neuen Entwurfes, daß die materielle Verantwortlichkeit des beklagten Amtes für Verwaltungsgerichtsbeschwerden zum ersten Male Wirklichkeit geworden ist, in einer Ausführung der Absichten des § 92 der Verfassungsurkunde, nach welchem die Behörden bei ungesetzlicher Ausübung der öffentlichen Gewalt für den dadurch verursachten Schaden haftbar gemacht werden können. Bei den gegebenen Verhältnissen bedeutet das viel für die Erhöhung der Rechtsverbindlichkeit der Rechtsanschauungen des Obersten Verwaltungsgerichtes, für den Gehorsam der Verwaltungsbehörden gegenüber den veröffentlichten Rechtsgrundsätzen, es bedeutet insbesondere auch eine Verbesserung dahin, daß nunmehr sicherlich die Verwaltungsbehörden mehr denn je darauf achthaben werden, nicht gegen veröffentlichte oder wiederholte Rechtsanschauungen des Obersten Verwaltungsgerichtes in den Verwaltungsentscheidungen zu verstoßen.

Ein schwerer Angriff gegen die Prinzipien, auf denen das Oberste Verwaltungsgericht überhaupt errichtet ist, war, daß in der ministeriellen Vorlage die Entscheidungen des freien Ermessens aus der Kompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes ausgeschlossen werden sollten. Dagegen hat sich im Ausschuß alles einheitlich gewendet und es ist gewiß ein Verdienst des Ausschußberichtes, daß er diese Bestimmung der ursprünglichen Vorlage fallen gelassen hat und die Entscheidungen des freien Ermessens vollauf in die Beschwerdekompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes gelegt hat. Was das bedeutet, das kann jeder ersehen, der nur einigermaßen über die Vielseitigkeit der Entscheidungen des freien Ermessens im Bilde ist, die heute gang und gäbe sind. Selbst das alte österreichische Gesetz vom Jahre 1875 hat es vorgesehen, daß Entscheidungen des freien Ermessens vor das Oberste Verwaltungsgericht zur Prüfung kommen können, ob und insoweit die Verwaltungsbehörde nach freiem Ermessen vorzugehen berechtigt ist.

Heutzutage ist es vielmehr als damals notwendig., dieses freie Ermessen in die Kompetenz des Obersten Verwaltungsgerichtes zu stellen und die Änderung, die in diesem Belang vorgekommen ist, ist sicherlich ein besonderer Vorzug der künftigen Rechtsgrundlage für das Oberste Verwaltungsgericht. Was freies Ermessen heißt, kann man ermessen, wenn man sich alle die Staatsbürgerschaftsfälle vor Augen hält. Hier sind die Verwaltungsbehörden berufen, nach freiem Ermessen zu entscheiden. Wie vielfach wird es notwendig sein bei den leider meistenteils gegenüber den nationalen Minderheiten geübten Abweisungen der Staatsbürgerschaftsansuchen, es dem Obersten Verwaltungsgericht anheimzustellen, ob tatsächlich dem Geiste der Verfassung, der Demokratie und Humanität Rechnung getragen wurde, ob in diesen Fällen nicht vielmehr einseitig vorgegangen wurde aus Beweggründen, die mit dem Geist der Verfassung, insbesondere mit den Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages über die volle Gleichberechtigung in Widerspruch stehen. Man kann hoffen, daß auch die behördliche Praxis eine Änderung dahin erfahren wird, daß nunmehr eine gleiche sachliche Beurteilung aller dieser Staatsbürgerschaftsansuchen in Übung kommt. Es wäre das ein Erfolg, den wir umsomehr begrüßen müßten, als da gerade in der Praxis die ungeheuerlichsten Fälle vorkommen. Menschen, die auf dem Staatsgebiet geboren sind, ein Menschenleben hier verbracht haben, dadurch heimatverbunden sind, die ihren Erwerb ihr ganzes Leben lang auf diesem im Staat gelegenen Gebiet gefunden haben, werden glatt abgewiesen, können nicht Staatsbürger werden, wenn sie nicht eine besondere Protektion aufbringen und werden durch diese fortwährenden Abweisungen nicht selten um ihre ganze Existenz, um die Existenz ihrer Familien gebracht, eine Härte, die man nicht genug rügen kann und die jedem sozialen Empfinden fernsteht. Meist aus kleinlichen parteipolitischen oder nationalpolitischen Motiven erfolgt die Mitbegutachtung der gesetzwidrigerweise berufenen Nebenregierungen gegen eine günstige Entscheidung. Ich hoffe, daß durch die Möglichkeit der Beschwerdeführung an das Oberste Verwaltungsgericht diese Praxis eine Änderung erfährt und wir nunmehr tatsächlich unter gleichen Voraussetzungen für Angehörige unserer Nationalität die Staatsbürgerschaft werden erreichen können. Ein Fall, der beim freien Ermessen auch eine große Rolle spielt und den ich da auch unterstreichen möchte und der auch häufig vorkommt, ist der, daß bei Entscheidungen nach freiem Ermessen der Instanzenzug nicht eingehalten wird, bzw. Vorentscheidungen der höheren Instanz vorkommen, wodurch dann das Rechtsmittel der Berufung selbst illusorisch wird. Das ist bei Staatsbürgerschaftsangelegenheiten der Fall, die von der zuständigen Behörde erst der oberen Instanz vorgelegt werden müssen, um dann nach deren Weisung von der unteren Instanz erledigt zu werden. Es ist das aber auch in anderen Fällen üblich, wobei ich mich nur auf einen berufen möchte, das ist bei der Verordnung über die Filialen und Verkaufsstätten der Großunternehmungen vom Jahre 1935, zu welcher das Handelsministerium mit Erlaß vom 7. November 1934 den Landesämtern ausdrücklich die Weisung gegeben hat, daß sie vor einer günstigen Entscheidung für den Gesuchsteller das Gesuch dem Ministerium vorlegen müssen, um sich dort Direktiven für die Entscheidung zu holen.

Ich glaube, derartige Vorko mmnisse widersprechen nicht nur dem Rechtsgefühl, sondern auch den positiven klaren Bestimmungen des Instanzenzuges, der durch derartige interne Vorschriften in seiner rechtlichen Bedeutung schwer verletzt wird.

In Hinsicht der Akteneinsicht hat ebenso der Ausschußbericht eine Besserung gegenüber dem bisherigen Zustande geschaffen, indem von nun an nicht wie früher Aktenteile im öffentlichen Interesse einfach aus der Akteneinsicht beim Obersten Verwaltungsgericht ausgenommen werden können, sondern nur jene, welche - unabhängig, von den übli chen Einsichtsmöglichkeiten beim Verwaltungsverfahren selbst, die offen bleiben- aus der Akteneinsicht ausgenommen werden, weil sie im Interesse der Staatsverteidigung verschwiegen werden müssen. Das bedeutet einen Fortschritt und wir hoffen, daß auch die Durchführung diesen Fortschritt beweisen wird. Denn es gibt leider sehr viele Fälle, wo bisher unter vorgeschützter übertriebener Vorsicht die Akteneinsicht beim Obersten Verwaltungsgerichte verwehrt wurde, während gerade diese Bestandteile der Akten für die Entscheidung selbst wesentlich waren, so daß der Beschwerdeführer in seinnem Rechte der Beschwerdeführung wesentlich verkürzt werden konnte und die Klarheit und Rechtlichkeit der Entscheidung der Verwaltungsbehörden irrtümlich oder absichtlich vorenthalten wurde. Ich verweise darauf, daß gerade bei solchen Beschwerdefällen, die in das politische Gebiet mit übergreifen können, sehr oft die Entscheidungen auf Relationen der Gendarmerie und Polizei über die persönlichen Qualitäten des Beschwerdeführers selbst beruhen und daß es durch die Entziehung der Akteneinsicht über diese Polizeiberichte vielfach so weit gekommen ist, daß den Vernaderungen freier Lauf gelassen war, ohne daß selbst bei dem Obersten Verwaltungsgerichte die Möglichkeit bestand, den Vernaderungen an den Leib zu rücken. Das Opfer erfuhr nie etwas davon und war selbst, wenn ihm diesbezüglich Gerüchte zu Ohren gelangten, außerstande, sich dagegen zur Wehr zu setzen - ein Abusus, der sich vielfach eingeschlichen hat und dessen Bereinigung wohl wesentlich im Interesse des Rechtstaates ist, der dadurch in den Augen der rechtlichen denkenden Bevölkerung sehr gewinnt, wenn sie weiß, daß eine polizeistaatliche Einstellung der Verwaltungsbehörden vom Obersten Verwaltungsgericht nunmehr zunichte gemacht werden kann.

Wie weit das geht, wie weit solche Relationen Einfluß haben und was damit für ein Unfug getrieben wird, will ich nur an einem Beispiele beleuchten. Es ist mir bekannt, daß aus Anlaß eines Disziplinarfalles eines ehemaligen Offiziers der Schlesische Fischzuchtverein durch die Angaben eines Polizeiagenten, welcher kaum imstande war, die Verhältnisse überhaupt zu kennen, dahin beurteilt wurde, daß das eine getarnte Vereinigung ehemaliger Offiziere zu staatsfeindlichen Zwecken sei. Der Fischzuchtverein, der sicher nicht der Kontrolle durch alle Behörden ermangelt, der sich durch die bewährten Traditionen doch sicherlich nur zur Aufgabe gesetzt haben kann, den Angelsport zu pflegen und damit eine wichtige Tangente der Volkswirtschafht zu befriedigen, konnte derart diskrediert werden. Es ist unerfindlich, wie so etwas in einem Akte bleiben kann, und wie dem tatsächlich eine Bedeutung beigemessen werden konnte, wie es in dem von mir erwähnten Falle gewesen ist, wo sich die Verwaltungsbehörden und dann auch die Disziplinarsenate scheinbar dazu bekannt haben, wie es der Polizeibericht über einen großen Verein im Lande auszudrücken wagte. Die Mitgliedschaft zum Verein ist auch ein Anlaßfür unverläßlich zu gelten und bedeutet Nachteile. Hoffentlich wird die Praxis des Verwaltungsgerichtes nunmehr zur Beseitigung solcher Vorkommnisse beitragen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP