Meine Damen und Herren! Die zur Tagesordnung stehende Vorlage
betreffend die vorläufige Regelung der Rechtsstellung des
Gouverneurs von Karpathenrußland und der damit zusammenhängenden
Organisationsmaßnahmen gehört zu jenem Komplex der
Versuche der Regierung, durch welche die seit einiger Zeit aktuell
gewordene Nationalitätenfrage, - die im Rahmen des Staates
wie auch im Ausland interessierende ungelöste Nationalitätenfrage
- im Staate irgendwie geregelt werden soll. Wenigstens erweckt
man den Anschein, als ob man nun ernsthaft, die seit Gründung
des Staates ungeregelt gelassenen Fragen einer Regelung zuführen
wollte. Daher möge mir gestattet sein, sowohl zur Vorlage
im konkreten als auch zur Nationalitätenfrage im allgemeinen
und zu den gedachten Regelungen sowie über unsere Stellungnahme
hiezu die Meinung zu äußern.
Die Stellung des Gebietes Karpathenrußland ist ja nicht
nur durch die Verfassungsurkunde und durch den Minoritätenschutzvertrag,
sondern auch durch die auch vom karpathorussischen Nationalrat
Amerikas der èechischen Nation auferlegten moralischen
und vertraglichen Verpflichtungen an sich im Prinzipe geregelt.
Wenn man die alten Akten darüber liest, so heißt es
immer ausdrücklich autonomes Gebiet und auch die Verfassungsurkunde
schreibt im § 3 ausdrücklich diese Regelung vor, die
nicht nur darin besteht, daß dieses Gebiet einen Gouverneur
erhält, sondern die wesentlich darin besteht, daß Karpathenrußland
in Fo rm einer territorialen Autonomie einen Landtag mit Gesetzgebungsrecht
zu erhalten hat. Es ist nun interessant, wie die nicht nur etwa
aus dem Minderheitenschutzvertrag durch mehr oder weniger starken
Zwang aufgetragenen Nationalitätenrechtsgrundsätze nicht
eingehalten werden, sondern wie sogar die gegebenen Versprechen
an eine Nation, deren kräftigste Elemente - zumindest finanzkräftige
Elemente von Amerika - an der Revolution Anteil genommen haben,
nicht eingehalten worden sind. Die "Einhaltung" vollzog
sich Zug um Zug nicht in Form eines allmählichen Aufbaues
der zugesagten verfassungsrechtlichen Stellung dieses Landesgebietes,
sondern Zug um Zug in Form eines regelmäßigen Abbaues
der Stellung dieses Landesgebietes. Ja, ich kann beweisen, daß
selbst die jetzige Vorlage, die anscheinend für das Ausland
den Eindruck erwecken soll, als ginge man ernsthaft an die Lösung
der Nationalitätenfrage, d. h. an das Kernproblem des Staates
heran, daß selbst diese Vorlage eine Verschlechterung gegenüber
den an sich schon dürftigen Regelungen aus früherer
Zeit darstellt.
Wir kennen neben der Verfassungsurkunde drei Regelungen, und zwar
das Generalstatut, das nach einem Ministerratsbeschluß eigentlich
noch vor der Verfassungsurkunde am 7. November 1919 eingeführt
wurde, - auf Grund der Verpflichtungen des St. Germainer Friedensvertrages
und der dazugehörigen Minderheitenverträge vom 11. September.
Dann erfolgte im Jahre 1920 durch Regierungsverordnung vom 26.
April eine zweite Regelung, die eine Abänderung des Generalstatuts
beinhaltet und nun ist diese Vorlage die dritte Regelung dieses
Problems. Es ist interessant, wie stets, von der Verfassungsurkunde
angefangen, die wesentlichen Bestimmungsstücke, die die drei
Regelungen enthalten, eine nach abwärts gehende Rechtsentwicklung
in ständigem Abbau der diesem Ländergebiet gewährleisteten
Rechte und Verpflichtungen zu konstatieren ist. Es fängt
gleich eigentlich mit dem Generalstatut an. Das kennt noch den
Namen Rusínsko, später wird dieser Name abgeschafft
und es wird als offizieller Name "Podkarpatská Rus"
eingeführt. Dann geht es bei der Sprache weiter. Das Generalstatut
kennt eine Volkssprache nicht nur in der Schule, sondern auch
als offizielle Sprache überhaupt. Die Regierungsverordnung
vom 26. April 1920 und die jetzigé Vorlage kennt überhaupt
keine Sprachregelung, kennt daher überhaupt keine Festlegung
der karpathorussischen Sprache in einer offiziellen Art. Dann
haben wir im Generalstatut einen Administrator und ein Direktorium,
das ausdrücklich aus Ruthenen bestehen soll.
Die Verordnung vom Jahre 1920 baute das wieder ab und kennt nur
einen Gouverneur. Hier taucht allmählich ein Vizegouverneur
auf und ein Gubernialrat mit 10 gewählten und 4 ernannten
Mitgliedern. Dabei ist es bezeichnend, daß die Verordnung
vom Jahre 1920 von der Regierung selbst nicht eingehalten worden
ist, indem der Gubernialrat nicht eingeführt wurde, indem
Wahlen nicht ausgeschrieben worden sind und indem auf diese Art
die Verwaltung nicht vom Gouverneur, sondern in Wahrheit von dem
Vizegouverneur, d. h. von einem Staatsbeamten, insbesondere seit
der Verwaltungsreform im Jahre 1927 geleitet worden ist. Man hat
also hier eines gemacht: Obwohl das Generalstatut ausdrücklich
die außerordentliche Stellung des Administrators und des
Direktoriums bis zur Einführung des Landtages vorschreibt,
welche Wahl 90 Tage nach den Wahlen in die Nationalversammlung
stattfinden sollte, hat man erstens das eigene Statut nicht verwirklicht,
hat eine Regierungsverordnung herausgegeben, die man selbst wieder
nicht verwirklicht hat und hat nun in Neuregelung einen neuen
Gubernialrat eingeführt. Ich möchte gleich die Feststellung
machen: wie können Sie verlangen, daß die Staatsbürger
Gesetze und Verordnungen ernst nehmen, wenn Sie selbst Ihre eigenen
Gesetze und Verordnungen nicht ernst genommen haben. Vergessen
Sie dabei nicht, daß Sie jedes Rechtsempfinden bei der Bevölkerung
untergraben, wenn Sie selbst sich nicht an die Gesetze halten,
die Ihnen niemand vorgeschrieben hat, sondern die Sie sich selbst
auferlegt haben. Bezeichnend ist außerdem, daß der
Gubernialrat, der früher aus 10 gewählten und 4 ernannten
Mitgliedern bestehen sollte und wobei immerhin die Demokratie
im Verhältnis 10 zu 4 noch in Erscheinung trat, zwar jetzt
wiederum zum Teil aus gewählten, aber indirekt gewählten
Funktionären der Landesvertretung besteht, so daß,
wenn man genau nachrechnet, die Mehrheit des Gubernialrates wirklich
ernannt sein wird, sodaß auch hier das von Ihnen wahrscheinlich
nur sehr stark für das Ausland propagierte Prinzip der Demokratie
in ein ausgesprochen autoritäres Ernennungssystem umgebaut
wird, wobei nicht einmal die Nationalitätenfrage so zweckmäßig
gelöst ist, daß man wenigstens festgestellt hätte,
wie beim alten Direktorium, daß die Ernannten Ruthenen sein
müssen. Sie haben doch den Ruthenen die Autonomie versprochen
und wenn Sie schon der Meinung sind, daß unter den Ruthenen
zuviel Analphabeten sind, die nicht entsprechend beurteilen können,
welche Männer in Frage kommen, so hätten Sie dafür
sorgen müssen, daß die Ernannten unter ihnen Ruthenen
sind und das im Gesetze festlegen müssen. Aber auch das ist
nicht geschehen.
Im weiteren Vergleich stellen wir fest, wie ich schon erwähnte,
daß die Landtagswahlen 90 Tage nach den Wahlen in die Nationalversammlung
stattfinden sollten. Dann hat man den Gubernialrat, der nicht
konstituiert wurde, eingesetzt bis zur nächsten Landtagswahl
und nun setzt man wiederum einen andersartigen mehr ins autoritäre
System verwandelten Gubernialrat ein, der erst wiederum abtritt,
wenn der Landtag gewählt werden wird. Ich glaube, die Karpathorussen
werden bei dieser Praxis und Entwicklung und bei dieser Einstellung
auf die Ewigkeit warten können und höchstens im Himmel,
im Jenseits, ihren Landtag zu wählen vermögen.
Interessant ist auch die Wandlung des Rechtes der Funktionäre
des ruthenischen Direktoriums bei der Ernennung und Abberufung
aller Beamten und Bediensteten, die mit Sprache, Schule und Verwaltung
zu tun haben. Der Gouverneur wurde schon durch die Vizepräsidentenanträge
und Referenten eingeschränkt, noch viel eingeschränkter
ist in diesem neuen Vorschlag die Frage der Ernennung von Beamten,
Lehrern usw.
Eine weitere Entwicklung von den Grundsätzen der Verfassungsurkunde
und der Autonomie hinweg ist folgende. Das Direktorium hat als
Beirat Gesetzgebungsrecht für das Gebiet der Verwaltung,
Sprache, Schule, Religion usw. Der Gubernialrat im zweiten Entwurf
hatte schon keines mehr und der dritte hat erst recht kein Gesetzgebungsrecht.
Die Bewertung der für Karpathenrußland in Aussicht
genommenen Funktionäre ist auch interessant. Während
immerhin das karpathorussische Gebiet so hoch eingeschätzt
wurde, wie es nach der Verfassungsurkunde sein sollte, daß
über dem Gouverneur im Streitfalle mit der Regierung der
Herr Staatspräsident stehen sollte, so hat man damals den
Administrator und das Direktorium im Streitfalle dem Präsidenten
der Republik unterstellt. Nun kommt die weitere Entwicklung. Im
Zwanzigerj ahr wurde im Streitfall zwischen Gouverneur und Vizegouverneur
immerhin noch die Regierung als Entscheidungsinstanz eingeschoben.
Nach der heutigen Vorlage ist wieder eine Minderbewertung des
karpathorussischen Gebietes und der Versprechungen eingetreten,
in dem man den Gouverneur und Vizegouverneur im Streitfall je
nach dem Gebiet zunächst den Resorts, dem Innenministerium,
dem Schulministerium, also den Beamten unterstellt, und im äußersten
Falle, erst in letzter Instanz dem Minister. Das ist typisch für
die moralische Bewertung, die Sie in Einhaltung oder Nichteinhaltung
Ihrer eigenen Versprechungen hier gemacht haben. Wahrscheinlich
hält man den Gouverneur, den der Herr Präsident selbst
ernennt für so unzuverlässig, daß er der Polizeikontrolle
des Innenministeriums im Streitfalle mit dem Vizegouverneur unterstellt
werden muß. Typisch ist eben, was hier gar nicht zum Ausdrucke
kommt, daß in das Zwischenstadium die Verwaltungsreform
fällt, wo man ganz einfach praktisch die autonome Stellung
Karpathenrußlands in wesentlichen Gebieten der politischen
Verwaltung aufgehoben hat, nämlich durch die Verwaltungsorganisation,
indem man die Landesverwaltung in der Art und Weise, wie sie bei
uns etabliert ist, auch dort einführte. Dabei hat man nicht
einmal das in den Protokollen und Berichten des verfassungsrechtlichen
Ausschusses der Nationalversammlung ausdrücklich hervorgehobene
Versprechen erfüllt, nämlich daß der Gouverneur
an die Spitze der Verwaltung Karpathenrußland gestellt wurde,
sondern man hat vielmehr an die Spitze der Verwaltung einen Staatsbeamten
gestellt, zwar nicht mit dem Titel eines Landespräsidenten
wie in Böhmen und Mähren-Schlesien, sondern mit dem
Titel eines Vizegouverneurs. In entscheidenden Fragen hat man
also eigentlich die Selbstverwaltung des Landes praktisch dem
Vizegouverneur gegeben, man hat ihm Machtvollkommenheiten gegeben
und man hat außerdem diese Machtvollkommenheiten über
die bloße politische Verwaltung hinaus ausgedehnt, indem
man vorschreibt, daß der Gouverneur ohne die Gegenzeichnung
des Vizegouverneurs überhaupt nichts tun kann, das heißt,
man hat dem Gouverneur einen Kurator zur Seite gestellt und auf
diese Weise die Autonomie, selbst wenn sie nur personell in der
Form der Vollmachtstellung einer Person, des Gouverneurs, ausgeübt
würde, unter die eigene Kuratel gestellt.
Wie wollen Sie dann glauben, daß man überhaupt noch
den Versprechungen, die, sei es durch Verträge, sei es durch
Abkommen, sei es sogar durch Gesetze gegeben wurden, im In- und
Ausland Ihnen glaubt? Wir haben ja nicht nur die Regelung der
karpathorussischen Frage, die in dieser Form vorgelegt wird, und
sogar als ein Fortschritt in der Lösung der Nationalitätenfrage
propagiert wird. Ich kann Ihnen hier beweisen, und werde noch
beweisen, wenn es jemandem einfallen würde, mir widersprechen
zu wollen, daß man nicht einmal auf dem Standpunkt des Jahres
1920 steht, der damals schon eine vollständige Abschwächung
war, daß also dieses Gesetz praktisch keine Lösung
und keine Besserung, sondern eine Verschlechterung der Rechtsgrundsätze
ist. Der Gouverneur hat z. B. nach der Verordnung vom Jahre 1920
immerhin noch das Recht, Verwaltungsakte des Vizegouverneurs,
praktisch des Landespräsidenten zu sistieren und die sofortigen
notwendigen geeigneten Maßnahmen zu treffen. Heute hat er
nicht einmal dieses Recht der Sistierung von Verwaltungsakten,
die nach seiner Auffassung den Grundsätzen der Verfassungsurkunde
widersprechen oder gegen die karpathorussische Autonomie sind.
Das setzen Sie der inländischen wie der ausländischen
Öffentlichkeit unter dem Titel einer Besserung und Lösung
der Nationalitätenfrage vor und spekulieren wahrscheinlich
darauf, daß die entscheidenden Menschen in der Welt so dumm
sind, daß sie nicht nachsehen und die Verhältnisse
an Hand der von ihnen selbst ausgearbeiteten Gesetze studieren.
Aber damit ist die karpathenrussische Frage nicht allein aufgefaßt
und zur angeblichen Lösung gebracht.
In dem gleichen Zusammenhang hat man versucht, der Welt eine Lösung
der Nationalitätenfrage im Bezug auf die Deutschen in diesem
Staate irgendwie vorzumachen und ist im Begriff - ich weiß
nicht, wie das ausschauen wird - eine Lösung der magyarischen
Frage mit Hilfe willfähriger Politiker heute in die Wege
zu leiten. Was hat man nun bei der deutschen Frage gemacht? Bei
der deutschen Frage hat man nicht einmal diese Frage eines Volkstums
von 31/2 Millioner, die auf 20.000 Quadratkilometer in 3 1/2 Tausend
Gemeinden wohnen, zum Unterschied von dem kleinen karpathenrussischen
Gebiet, für so würdig befunden, daß sie im Rahmen
dieses Hauses einer Lösung zugeführt worden wäre.
Man hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, das Haus
offiziell von dem Regierungsbeschluß vom 18. Feber in Kenntnis
zu setzen, sondern es der Eifrigkeit der Mitglieder des Hauses,
Zeitungen zu lesen, überlassen, von dieser Lösung der
Nationalitätenfrage, mit der man in jüngster Zeit im
Ausland so viel hausieren geht, irgendwie zu erfahren. Ja, man
hat Menschen gefunden, die es wagten, in Briefen an den "Manchester
Guardian" der internationalen Öffentlichkeit Dinge vorzumachen,
die tatsächlich nichts anderes bedeuten als ein Zeugnis der
eigenen politischen Unfähigkeit.
Nun zur Regelung vom 18. Feber. Wenn man sich immer ausredet,
die Karpathorussen seien Analphabeten, so hat man diese Regelung
nicht einmal den Volksvertretern innerhalb des Hauses zur Diskussion
vorgelegt; man hat es auch nicht der Mühe wert gefunden,
eine Regierungserklärung vor dem Hause abzugeben. Denn in
allen demokratischen Staaten wird eine Regierungserklärung
vor dem Parlament abgegeben und ist Gegenstand der Abstimmung.
Wahrscheinlich hat man es nicht gewagt, die Diskussion im Hause
darüber ablaufen zu lassen, weil sicherlich nicht nur von
unserer Seite, sondern vor allem aus dem èechischen Lager
Dinge herausgekommen wären, welche die schöne Reklameangelegenheit
des Regierungsbeschlusses vom 18. Feber in ihrer Wahrheit, d.
h. als eine Scheinlösung dargestellt hätten. Wenn wir
den Inhalt der Erklärung vom 18. Feber hernehmen und mit
der Verfassung vergleichen, abgesehen vom Minderheitenschutzvertrag,
sind nicht einmal alle gewährleisteten Rechte in dieser Regierungserklärung
vorhanden, viel weniger eine Verbesserung. Entscheidend aber ist,
daß sich erwiesen hat, daß die an sich in der Regierungserklärung
teilweise enthaltenen Grundsätze der Verfassungsurkunde seit
Geltung der Verfassungsurkunde nicht gehalten worden sind. Da
glaubt man, daß das Sudetendeutschtum den Glauben besitzen
werde, daß nun nach einer bloßen Erklärung auf
einmal das Wunder eintreten wird, daß die Grundsätze
der Verfassung, die seit dem Jahre 1920, ich sage es klipp und
klar, gebrochen worden sind, nun auf einmal gehalten werden? Den
Pferdefuß dahinter haben wir ja bereits gesehen, und zwar
in der neuesten Erscheinung, daß man zwar mit großem
Eifer die entsprechende perzentuelle Besetzung in den deutschen
Städteverwaltungen mit èechischen Beamten betreibt,
daß man aber mit dem nicht gleichen Eifer die perzentuelle
Besetzung der deutschen Staatsbeamten und Arbeiter in den staatlichen
Betrieben nicht betreibt. Es war ja und ist bereits so weit, daß
selbst die Kreise, die uns früher angegriffen und verlacht
haben, wenn wir sagten, daß nur eine gesetzliche Regelung
der Nationalitätenfrage das deutsch-èechische Problem
lösen könnte, daß selbst diese Kreise in einer
Versammlung auftreten und sagen mußten: wenn es so weitergeht,
müßten wir Gesetze verlangen. Ich meine die Rede des
Koll. Jaksch in Eger.
Nun ist es aber so, daß diese ganze Lösung der Nationalitätenfrage
ja ein ganz besonderes Gesicht bekommen hat durch einen Ausspruch
des Herrn Präsidenten der Republik. Man redet sich nämlich
im allgemeinen darauf aus, daß die Bürokratie daran
schuld sei, daß noch immer nicht in deutschen Gebieten deutsche
Unternehmer die öffentlichen Bauten erhalten, daß noch
immer nicht im deutschen Arbeitslosengebiete vor allem die deutschen
Arbeitnehmer eingestellt werden. Man hat sich nicht geniert, selbst
in der Regierungserklärung zuzugeben, daß man erst
durch die Instruktionen die auf die Verfassu ng.surkunde vereidete
Beamtenschaft dazu bringen muß, diese Grundsätze der
Verfassungsurkunde einzuhalten. Nun haben wir die Rede des Herrn
Staatspräsidenten in Böhm. Krumau gehört, in welcher
er bezüglich der nicht raschen Durchführung selbst des
bescheidenen Inhaltes der Erklärung vom 18. Feber auf die
Schwierigkeiten der Tradition und auf die Mängel der Bürokratie
hinwies.
Meine Herren! Empfinden Sie denn nicht, daß es ein Armutszeugnis
für die Autorität der höchsten Stellen des Staates
und der Regierung ist, daß man Schwierigkeiten von Seiten
der Bürokratie als Begründung nimmt? Haben denn diese
höchsten Stellen nicht die Autorität, die Bürokratie
zu zwingen, daß sie die von oben her der sudetendeutschen
Bevölkerung versprochenen Grundsätze aber schleunigst
endlich einmal einhalten? (Potlesk poslancù sudetskonìmecké
strany.) Spüren Sie denn nicht, daß, wenn selbst
die "Prager Presse", das offizielle Auslandspropaganda-Organ,
derartige Feststellungen macht, daß man sich in anderen
Staaten den Kopf darüber zerbrechen muß, was denn das
für ein Staat ist, wo der Staatspräsident Schwierigkeiten
von Seiten der Bürokratie gegen nationale Lösungen feststellen
muß? Was für ein Staat das sein muß, wo eine
Regierung erst Instruktionen zur Einhaltung der Verfassung herausgeben
muß, wo sie erst die Beamten darüber belehren muß,
daß Verfassungsgrundsätze bestehen? Was ist das für
eine Autorität?
Meine Herren, Sie scheinen sich in Ihrer derzeitigen Entwicklung
und Situation in einer Verfassung zu befinden, in der Sie das
Urteil darüber verloren haben, was überhaupt noch das
Prestige des Staates aufrechterhält oder was ihm schaden
kann. Wenn Sie uns als die Staatsfeinde betrachten, als die wir
in Ihrer Presse immer hingestellt werden, hätten wir doch
gar keine Ursache, Sie zu warnen und aufmerksam zu machen, daß
Sie durch Ihr derartiges Verhalten das Staatsprestige schädigen.
Dann hätten wir eher alle Ursache, uns darüber zu freuen.
Wenn wir aber gleichsam als Ihr Gewissen an die von Ihnen ohne
uns angenommene Verfassungsurkunde erinnern und Sie auf die von
Ihnen angenommenen Gesetze und die von Ihnen propagierte Regierungserklärung
aufmerksam machen, dann müssen Sie doch fühlen, daß
es uns nicht um bloße Kritik und Opposition geht, sondern
darum, mitzuhelfen, daß in diesem Unfrieden, der in diesem
Staate herrscht, endlich einmal durch die Staatsmänner und
Politiker eine Rechtsordnung platzgreift, die es möglich
macht, die ungeheueren politischen, wirtschaftlichen, sozialen
und anderen Fragen, nicht zuletzt die große Finanzfrage
des Staates in Ordnung zu bringen. (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)
Meine Herren! Es hat einmal ein Staatswissenschaftler in einer
Betrachtung über Titus Livius, erste Dekade, den Satz gebraucht,
daß es notwendig sei, allein zu stehen, wenn man ein Staatswesen
neu ordnen wolle. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Taub.) Ich stelle fest, daß
es hier scheinbar noch keinen Staatsmann gibt oder zumindest,
daß er kein Verständnis dafür bei den den Staat
tragenden Elementen findet, wenn er nicht den Mut aufbringen kann,
allein auch selbst gegen eine systematisch großgezogene
Hetze und gegen einen systematisch großgezogenen Chauvinismus
aufzutreten, um den Staat in seinen Grundfragen in Ordnung zu
bringen.
Betrachten Sie doch einmal die ganz klare Situation. Vergessen
Sie doch nicht, daß das èechische Volk nur 51% des
Staates ausmacht, also 7 Millionen Menschen etwa, daß das
slovakische Volk nur 15%, etwa 2 Millionen, ausmacht, daß
die Sudetendeutschen 3 1/2 Millionen Menschen sind, und daß
die übrigen Minoritäten auch noch große Prozentsätze
ausmachen. Es ist doch eine Unmöglichkeit, daß Sie
auf dem Standpunkt stehen, wenn Sie in einer systematisch eingeführten
Nationalstaats-Diktatur leben, daß dieser Staat konsolidiert
sei und daß Sie diesen Staat ganz einfach als Ihren Staat
betrachten können. Bilden Sie sich doch nicht ein, daß
ein Staat konsolidiert sein kann, wenn Sie durch Gesetze um Gesetze,
durch Widerrechtlichkeiten um Widerrechtlichkeiten, durch Verordnungen
um Verordnungen, durch Verwaltungsakte um Verwaltungsakte, wenn
Sie durch Verhaltungen der Organe in den deutschen Gebieten es
ununterbrochen dahin treiben, seit Bestehen des Staates 3 1/2
Milionen Staatsbürger und die übrigen nichtèechischen
Kreise nicht etwa in den Staat einzubauen, sondern sie aus dem
Staate auszusiedeln.