Hohes Haus! Alle Reden, Abmachungen, Versprechungen, Vereinbarungen
usw., die hier im Parlamente mit der Regierung abgeschlossen werden,
sind so lange ergebnislos, als nicht der kleine Mann im Volke
von den Ergebnissen selbst nichts zu spüren bekommt. Dem
Volke und dem kleinen Mann stellt sich der Staat dar in seinen
letzten Exponenten, in seiner Exekutive, mit der er täglich
in Berührung kommt. Nach dem Auftreten und nach der Tätigkeit
dieser Exponenten der staatlichen Gewalt bildet sich das Volk
die Meinung auch über den Staat. Die Regierung hatte die
Möglichkeit, nachdem im Vorjahre das ganze Problem der staatlichen
Exekutive in größter Breite aufgerollt worden ist,
nachdem eine Reihe von Unzukömmlichkeiten in Besprechungen
mit den höchsten Faktoren des Staates verhandelt worden war,
nachdem eine große Anzahl von Interpellationen über
Mißgriffe und Übergriffe von Organen der staatlichen
Exekutive eingereicht werden mußten, bei der Neuerrichtung
einer Reihe von staatlichen Polizeiämtern im sudetendeutschen
Gebiet auch dafür Sorge zu tragen, daß die zum Dienst
in diesen neuen staatlichen Polizeiämtern beorderten höheren
und niederen Beamten auch gleichzeitig die entsprechende Weisung
bekommen, in welchem Geiste sie ihre Aufgabe zu erledigen hätten,
in welchem Geiste sie mit der Bevölkerung zu verkehren hätten.
Wir können heute, nachdem der Herr Minister des Innern Dr.
Èerný angekündigt hat, daß die
Verstaatlichung der Polizeiämter nunmehr vor dem Abschluß
stehe und das ganze sudetendeutsche Gebiet von einem Netz von
Polizeiämtern und Exposituren überzogen ist, wohl objektiv
und ohne daß uns böser Wille nachgesagt werden könnte,
feststellen, daß die Regierung diese Möglichkeit ungenützt
hat verstreichen lassen.
Ein führender Staatsmann Europas hat das Wort geprägt:
Die Polizei ist der Freund des Publikums. Und gleichzeitig hat
dieser Staatsmann die Anordnung gegeben, daß der Gummiknüppel,
der als Zeichen einer überlebten Zeit, eines überlebten
Polizeiregime seine Daseinsberechtigung verloren hat, abgeschafft
werde. Wir im sudetendeutschen Gebiet müssen leider feststellen,
daß die sudetendeutsche Bevölkerung heute absolut unter
dem Eindrucke steht, daß sie nicht unter dem Schutze, sondern
unter der Herrschaft der staatlichen Exekutive lebt. [ ] Wir müssen
ganz im Gegenteil feststellen, daß die Stellung der Exekutive
durch die Auswertung der entsprechenden Paragraphen des Staatsverteidigungsgesetzes
und infolge der Ausweitung des unüberprüfbaren Berichterstattungswesens
und eines unkontrollierbaren freien Ermessens in weiteren starken
Gegensatz zur Bevölkerung geraten ist. Während die Staatsmänner
dieses Staates hierzulande von Objektivität sprechen und
anderwärts die Grundsätze der Gerechtigkeit gegenüber
den Minderheiten interpretieren, so waren einerseits die Maßnahmen
im angeblichen Interesse der Staatsverteidigung, andererseits
die psychologische Einstellung der èechischen Beamten und
Organe der Exekutive im sudetendeutschen Gebiet dazu angetan,
im Sudetendeutschtum bereits heute den Eindruck zu erwecken, als
ob sich der Staat im Zustand der Wehrbereitschaft und nicht mehr
im Frieden befände. Eine Reihe von Maßnahmen der Unterbehörden
sind dazu angetan, um im Sudetendeutschtum das Gefühl einer
immer größer werdenden Rechtlosigkeit zu verstärken
und eine Reihe trauriger Beispiele berechtigen uns zur Feststellung,
daß der Sudetendeutsche heute bereits der Willkür der
staatlichen Gewalt vollkommen ausgeliefert zu sein scheint.
Die Kürze der Zeit erlaubt es mir leider nicht, alle Bereiche
der Exekutive zu behandeln, ich muß mich auf die wichtigsten
beschränken. Wenn wir das Verwaltungsstrafverfahren mit seinem
Begriffe des freien Ermessens betrachten, so können wir auf
Grund der Höhe der Strafen heute zu der Anschauung kommen,
daß die Behörden scheinbar den Auftrag haben, durch
die Anwendung der Verwaltungsstrafen mit zur Deckung des Budgetdefizits
beizutragen. Von den Tausenden von Strafen möchte ich nur
folgende erwähnen, weil sie für die Mentalität
der Behörde kennzeichnend sind.
Am 13. Juni 1937 besuchte Konrad Henlein den Bezirk Bilin. Die
Bevölkerung, die Konrad Henlein ihre Sympathien zum Ausdruck
bringen wollte, wurde von Gendarmerie und Polizei von den Straßen
gejagt. Ich wage die Anfrage, ob auf Grund der Gleichheit aller
Staatsbürger die Behörden auch bei einer Durchreise
des Herrn Ministers Zajièek oder des Herrn Hacker
derartige Verfügungen treffen würden. Doch glaube ich,
in diese Verlegenheit wäre die Gendarmerie wohl nicht gekommen.
Das Ergebnis dieses Tages sind rund 21.000 Kè Verwaltungsstrafen
zu Gunsten der Staatskassa.
Eine Person, die auf eine Anfrage erwiderte: "Unser Führer
kommt, wurde mit einer Strafe von 2.500 Kè belegt. Ein
anderer wurde wegen des Rufes "Heil" und Winkens mit
einem Blumenstrauß mit 1000 Kè bestraft. Anläßlich
eines Festes des Bundes der Deutschen in Bilin ist durch höhere
Gewalt beim Aufziehen der Staatsfahne die Schnur gerissen und
die Fahne fiel herunter. Die Folge dieses klar ohne Absicht erfolgten
Mißgeschicks waren: Verbot des Festes, zwei Amtswalter
erhielten Strafen von je 5000 Kè, zwei Jungturner je 14
Tage. Dasselbe Mißgeschick passierte einmal einem èechischen
Verein und dann einem Vorreiter des Bundes der Landwirte in Böhmisch
Leipa, dem das Pferd scheute. Beide blieben natürlich unbestraft.
Obwohl wir absolut der Meinung sind, daß bei solchem Mißgeschick
keine Strafe zu verhängen ist, müssen wir eine verschiedene
Behandlung feststellen, obwohl der gleiche Tatbestand, vis major,
vorliegt. Das Ergebnis der Tätigkeit der Polizeibehörde
in Bilin in 2 Tagen waren Geldstrafen von 34.000 Kè neben
den Arreststrafen. Diese Art der Bemessung von Verwaltungsstrafen
durch die Polizeibehörde in Bilin beweist am besten, daß
heute der Begriff des freien Ermessens zu einem Begriff der freien
Willkür geworden ist, die hemmungslos gegen das Sudetendeutschtum
wütet.
Über die verheerende Auswirkung des Uniformverbotes sind
dem Herrn Minister bereits konkrete Unterlagen überreicht
worden. Wie weit die Verwirrung der Behörden in dre Beurteilung
dieses Gesetzes geht, beweist ein Fall in Rochlitz, wo ein Mann,
der Stiefel und Sportanzug trug, 1000 Kè Geldstrafe erhielt,
sowie ein amtlicher Bescheid aus Leitmeritz, in dem klar gesagt
wird, daß der Tatbestand der Uniform gegeben ist ohne Rücksicht
darauf, daß einige Kleidungsstücke verschieden sind
oder sogar in der Farbe abweichen. Was ist also überhaupt
eine Uniform? Ich glaube, es ist notwendig, zur Vermeidung von
Willkürentscheidungen den Behörden klare Richtlinien
zu geben.
Über die Versammlungspraxis zu sprechen, hieße Eulen
nach Athen tragen. Schikanen, Einschränkungen, Entwürdigungen,
Parteilichkeit bei Bewilligungen, die sogar amtlich zugegeben
werden, sind an der Tagesordnung. Eine Zensurpraxis herrscht,
die die Volksvertreter verhindert, ihren Wählern die Wahrheit
mitzuteilen, die Versammlungspraxis nach § 2 ist eine Geheimwissenschaft
geworden. All das bringt uns zu der Erkenntnis, daß heute
der Verfassungsgrundsatz von der Versammlungsfreiheit nur am Papiere
steht. Daß dabei dafür gesorgt wird, daß die
Regierungsparteien entsprechend gefördert werden und die
Opposition eingeschränkt wird, braucht nicht besonders erwähnt
zu werden. Wir stehen heute vor der Erkenntnis, daß eine
staatliche Zensur ihre Aufgabe vor allem darin sieht, die Angriffe
der Opposition gegen die Regierungsparteien zu unterbinden. Obzwar
wir selbst einsehen, daß diese Förderung der Regierungsparteien
durch die Behörden zur Erhaltung der Existenz der Regierungsparteien
dringend notwendig ist, müssen wir uns doch fragen, ob es
richtig ist, wenn sogar gerichtsnotorisch festgestellt wird, daß
es ein Vergehen gegen das Schutzgesetz darstellt, wenn man Regierungsparteien
bekämpft, weil es sich um die Verhetzung gegen einen Teil
der Bevölkerung wegen seiner demokratisch-republikanischen
Gesinnung handle.
Zur Kennzeichnung über die Art der Beschlagnahmepraxis möchte
ich hier nur wenige Beispiele verlesen: Ich möchte nur wenige
Sätze verlesen, damit Sie sehen, was alles unter den Gesichtspunkt
der Verhetzung wegen demokratisch-republikanischer Gesinnung fällt.
Wir haben eine Broschüre zur Gemeindewahl herausgegeben,
die den Titel trägt "Schwarz-rot-grünes Sündenregister"
- konfisziert! "Sudetendeutsche Gemeinden unter aktivistischer
Herrschaft" - konfisziert! "Sie haben ihr Volk verraten,
um ihre Parteien zu retten" - konfisziert! "Der Titel
war da, doch die Fähigkeit fehlte" - konfisziert! "Von
einem Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Allgemeinheit
war keine Spur vorhanden" konfisziert! "Dieser Versuch
zur Erhaltung parteipolitischer Machtstellungen wurde auf dem
Rücken des Sudetendeutschtums ausgetragen" - konfisziert!
"Die Sozialdemokraten und Christlichsozialen, der Bund der
Landwirte und die Kommunisten haben redlich dazu mitgeholfen,
aus den Selbstverwaltungskörpern unserer Volksgruppe einen
Tummelplatz für Parteiintrigen zu machen" - konfisziert!
"Heute konzentrieren sich alle Bestrebungen der Roten, Schwarzen
und Grünen auf das eine Ziel: Ausschaltung und Vernichtung
der Sudetendeutschen Partei" - konfisziert! (Posl. Kundt:
Unerhört!) So geht das weiter. "Wir behaupten, daß
der BdL an der Verschiebung der Wahlen maßgebend beteiligt
und also mitschuldig an dem jetzigen Zustande und an der falschen
Orientierung des Auslandes ist. Wir bringen deshalb zwei Beweisstücke
im Originalwortlaute, die unsere Behauptungen unter Beweis stellen"
- konfisziert! (Posl. Kundt: Der Beamte ist noch im Dienst?)
Jawohl, bei der Behörde in Mies. "Wie ernst es die
Kommune außer dieser netten Zielsetzung mit dem Wohle der
Gemeinden und ihrer Bürger meint, sei wieder an drei Originalberichten
der Roten Fahne gezeigt" - konfisziert! Sogar
die Kommune wird von der Behörde in Mies in Schutz genommen
gegen Angriffe der Sudetendeutschen Partei!
Interessant ist weiter, daß drei Seiten von Mitteilungen
über Mißstände in den Sozialkommissionen im sudetendeutschen
Gebiete einfach beschlagnahmt worden sind. Also hier wird die
Aufdeckung von Mißständen, der Versuch zur Änderung
von unhaltbaren Zuständen unter der Begründung, daß
hier eine demokratisch-republikanische Gesinnung gedeckt werden
müsse, verboten. In dieser Weise also erfolgen hier Beschlagnahmen,
von denen wir sagen können, daß sie keine andere Begründung
haben, als den Splitterparteien das Leben zu verlängern.
(Posl. inž. Richter: Bringt ein Gesetz zum Schutz der
Koruption ein!)
Auch in diesem Zusammenhange ist es notwendig, in einigen Worten
auf die amtliche Berichterstattung des Èechoslovakischen
Pressebüros zurückzukommen. Die Tendenz und Gesinnung
der Bericbterstattung zu behandeln, ist wohl in diesem Rahmen
nicht möglich. Dringend notwendig aber erscheint es mir,
einmal einige Fälle herauszugreifen zum Nachweis, wie ernst
es das Èechoslovakische Pressebüro mit der Wahrheit
nimmt.
1. Im Falle der Niedergrunder sozialdemokratischen Versammlung
hat das Èechoslovakische Pressebüro einen vollständig
der Wahrheit widersprechenden Tatsachenbericht herausgegeben,
in dem eine durch einen Sozialdemokraten verübte Handlung
unserem Kameraden Rösler in die Schuhe geschoben wurde.
2. Bei der Ersten-Mai-Kundgebung in Staab, wo ich persönlich
anwesend war, hat ein Artillerieoberleutnant Havlíèek
eine wüste Prügelei, Einhauerei der Gendarmerie mit
gezogenem Säbel gegen 3000 friedliche Versammlungsteilnehmer
provoziert. Die tatsächlichen Berichte habe ich wohl im einzelnen
korrigiert, aber es war nicht möglich, die entsprechenden
Beri chtigungen im Èechoslovakischen Pressebüro unterzubringen.
3. Der letzte Fall betrifft die allgemein bekannten Teplitzer
Vorfälle. Es ist notwendig, daß wir von hier aus ebenfalls
noch einmal feststellen, daß die Art der vom Èechoslovakischen
Pressebüro verbreiteten Berichte in einer Art und Weise erfolgt
sind, die jeder Wahrheit ins Gesicht schlagen. Abgesehen von der
Tendenz der Berichte, die bereits durch unsere Interpellation
richtiggestellt wurde, muß ich doch hier noch auf den Teil
des Berichtes des Èechoslovakischen Pressebüros eingehen,
der sich mit mir persönlich befaßt. Das Èechoslovakische
Pressebüro behauptet, daß ich anläßlich
der Abwehr eines Ansturmes der Menge auf die Wachstube geschlagen
und sichergestellt worden sei. Abgesehen davon, daß überhaupt
kein Ansturm stattgefunden hat - das Gegenteil hätte bereits
nachmittags in der Untersuchung festgestellt werden müssen
- erscheint mir der Fall unglücklich konstruiert. Denn wenn
schon in Teplitz am Marktplatz ein Ansturm gegen die Polizeiwache
unternommen worden wäre ... (Výkøiky posl.
Zischky.)
Místopøedseda Langr (zvoní): Prosím
o klid.
Posl. dr Köllner (pokraèuje): ... so
glaube ich, daß eine Bereitschaft von hundert Polizisten
wohl einen größeren Erfolg hätte haben müssen
gegen die anstürmende Menge, als daß sie mich geschlagen
und sichergestellt hätte. Also, diese Tatsache allein genügt
wohl zur Kennzeichnung dieser Berichterstattung. Trotzdem hat
sich die uniformierte Wahrheit im Èechoslovakischen Pressebüro
durchgesetzt.
Eines aber können wir aus den Vorfällen von Teplitz
lernen. Auch die Zusammenarbeit einer Zensurpraxis, die jedwede
wahre Berichterstattung unterbindet, auf der anderen Seite mit
einer entsprechend unwahren Berichterstattung des ÈTK kann
auf die Dauer nicht imstande sein, des Sudetendeutschtum und der
Welt die wahren Vorgänge in diesem Staate und im Sudetendeutschtum
vorzuenthalten.
Weiter sind uns die Teplitzer Vorfälle deshalb wertvoll,
weil die unerhörten Polizeimethoden, die täglich gegen
das Sudetendeutschtum draußen angewendet werden, nun einmal
an Repräsentanten der höchsten gesetzgebenden Körperschaft
im èechoslovakischen Staate vor aller Welt vordemonstriert
wurden. Leider ist bis heute, 6 Woehen nach den Vorfällen,
trotz erfolgter Anzeige gegen die Polizisten, trotz Interpellationen
der Parlamentarier, trotz des Beschwerdebriefes an das Hauspräsidium
und trotz Versprechungen einzelner Minister keinerlei Ergebnis
in der Untersuchung erzielt worden, sodaß wir heute von
dieser Stelle no chmals aufs schärfste die Erledigung urgieren.
Mein Kamerad Karl Herrmann Frank, dem durch die Presse
mit einer Anklage wegen öffentlicher Gewalttätigkeit
gedroht wurde, fordert durch meinen Mund energischst entweder
eine Bestrafung der schuldigen Polizisten oder Anklageerhebung
gegen sich, damit in einem öffentlichen Prozeß die
wahre Sachlage und die wahren Ursachen der Teplitzer Vorfälle
aufgezeigt werden können.
Ich habe es im Vorjahre für notwendig empfunden, durch öffentliches
Vorbringen einer Reihe von Mißhandlungen gegen èechoslovakische
Staatsbürger deutscher Nationalität die Unterlagen dafür
zu schaffen, auf Grund der Ergebnisse von Untersuchungen und exemplarischen
Strafmaßnahmen gegen die Schuldigen eine Belehrung der gesamten
Exekutive des Staates dahingehend zu erzielen, wie man mit freien
Staatsbürgern einer freien demokratischen Republik, die sich
so viel auf ihre humanitären Grundprinzipien zu Gute hält,
umzugehen hat. Der Herr Innenminister hat in seiner Antwort zwar
festgestellt, daß es sein Grundsatz und der seines Ressorts
sei, daß alle ihm untergeordneten Organe nach demokratischen
Grundsätzen vorgehen und sich hiebei immer nach den Gesetzen
und übrigen geltenden Vorschriften richten. Der Herr Minister
hat weiters eine genaue Untersuchung der vorgebrachten Beschwerden
und die Veröffentlichung des Ergebnisses derselben zugesagt.
Zu unserem Bedauern müssen wir feststellen, daß uns
weder ein Untersuchungsergebnis bekannt wurde, noch wir von irgendwelchen
Disziplinarstrafen gegen schuldige Organe vernommen haben. Wir
haben uns deshalb selbst gekümmert und in einigen Fällen
eine Erledigung festgestellt. In einem der von mir im Vorjahre
vorgebrachten Fälle schwerer Folterungen des Matis und Wittur
durch Organe der Gendarmerie wurde zwar ein Strafverfahren gegen
die beteiligten 5 Gendarmerieorgane eingeleitet, aber im Laufe
der Untersuchung wurde das Verfahren gegen 3 der Beteiligten eing,
estellt. Diese 3, gegen die das Verfahren eingestellt wurde, traten
dann im Prozeß als Entlastungszeugen gegen die beiden noch
unter der Anklage stehenden Gendarmen ein. Die Einvernahme der
von den Mißhandelten vorgeschlagenen Zeugen ist nicht erfolgt.
Das Ergebnis des Prozesses lautet: Freispruch mangels an Beweisen
nach dem Grundsatze "Im Zweifelsfalle zu Gunsten des Angeklagten".
In einem anderen Falle, in dem ein Kaufmann von Organen der Staatspolizei
Karlsbad verprügelt worden war, endete das Verfahren in erster
Instanz mit der Verurteilung nicht vielleicht der Polizisten,
sondern des Verprügelten zu vier Monaten Kerker wegen öffentlicher
Gewalttätigkeit. Auch hier wieder ein Sieg der uniformierten
Wahrheit auf der ganzen Linie. In einem dritten Falle in Marienbad
wurde die Schuld des Polizeibeamten zwar gerichtsnotorisch festgestellt
und er mit einer Strafe bedacht, aber der Beamte tut trotzdem
heute weiter Dienst, nur in einem Orte, der 30 km von Marienbad
entfernt ist.
In einem vierten Fall in Aussig wurde ein Polizeibeamter vor dem
Zivilberufungsgericht der Mißhandlungen für schuldig
erkannt und zur Zahlung einer kleinen Schadenersatzsumme an Schmerzensgeld
und Ärztekosten verurteilt. Von einer Disziplinierung ist
bis heute nichts bekannt geworden. In allen übrigen Fällen,
in denen konkrete Mißbräuche der Amtsgewalt festgestellt
wurden, ist weder von einer gerichtlichen, noch von einer disziplinaren
Bestrafung etwas bekannt geworden.
Dieses wahrhaft bescheidene Ergebnis von Strafuntersuchungen gegen
Organe der Exekutive macht es verständlich, wenn im Laufe
des letzten Jahres neuerdings eine Reihe von schwersten Verfehlungen
gegen wehrlose Bürger gemeldet wurden. Ich will nicht weiter
eingehen auf Prügeleien bei Versammlungsauflösungen,
Kundgebungen usw., sondern nur einige der drastischesten Fälle
anführen. Das System ist das gleiche geblieben wie im Vorjahre.
Weitere Fälle haben wir bereits dem Herrn Minister im Interpellationswege
bekanntgegeben.
Ein gewisser Franz Zietek aus Oberschlag erhielt nach einer Versammlungsauflösung
von Organen der Staatspolizei einen Schlag mit dem Gummiknüttel
über den Kopf und einen weiteren über den Rücken.
Er lief weg, stolperte und stürzte. Während er am Boden
lag, erhielt er vier weitere Hiebe auf den Rücken und die
Arme. Nachdem er sich erhoben hatte, erhielt er noch zwei Schläge
auf den Rücken.
Rudolf Erker, Sandhübel, wurde vom Staatspolizisten Hunka
am 3. März 1937 grundlos über den Kopf geschlagen und
an den Haaren gebeutelt. Der Amtsarzt Dr. Šislavský
verweigerte dem Verletzten die Ausstellung eines Zeugnisses, als
er hörte, daß die Wunden von Schlägen der Polizei
herrührten.
Der 14 Jahre alte Josef Vieth aus Meierhöfen wurde auf der
Gendarmeriestation vom Wachtmeister geohrfeigt, sodann von einem
zweiten Gendarmen abermals geschlagen und an ein Bücherregal
geworfen, so daß dieses umfiel.