Pátek 3. prosince 1937

4. Øeè posl. Jaksche (viz str. 55 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Debatte zum Staatsvoranschlag sowohl im Budgetausschuß als auch hier im Plenum war ein getreues Spiegelbild der politischen Strömungen in unserem Staate. Damit hat unser Parlamentarismus erneut eine wichtige Funktion der Demokratie erfüllt. Es ist sowohl die Mehrheit als auch die Opposition hier von der Tribune des Landes in ausgiebigster Weise zu Worte gekommen. In der Debatte zum Staatsvoranschlag nahm diesmal das nationalpolitische Problem einen außerordentlichen breiten Raum ein. Es ist bei so manchem Zuhörer der Eindruck zurückgeblieben, daß das Trennende vielfach allzu stark betont wurde und das Verbindende manchmal in den Hintergrund getreten ist. Vielleicht ist nu nmehr gegen Abschluß der Budgetdebatte zu diesem Punkt ein erklärendes Wort notwendig.

Ich möchte sagen: Wir dürfen uns nicht gegenseitig in einen nationalen Verfolgungswahn hineinreden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob alle Èechen nur darauf lauern, die Deutschen dieses Landes an die Wand zu drücken und es darf auch auf èechischer Seite nicht der Eindruck erweckt werden, als ob alle Deutschen dieses Landes darauf eingeschworen sind, den Staat zu zerstören und jedes positive Verhältnis zum èechischen Nachbarvolke abzulehnen. In den nationalpolitischen Auseinandersetzungen das ist meine Überzeugung - dürfen die höheren sittlichen Gesichtspunkte nicht verlorengehen. Es sind Schicksalsfragen vor uns aufgerollt, die Deutsche und Èechen gleichermaßen tangieren.

Eine dieser Schicksalsfragen lautet: Wie lange noch halten wir und unsere Nachbarn das heutige Wettrüsten aus? In aller Anerkennung der besonders für unser Land gegebenen Zwangsläufigkeiten müssen wir uns dessen klar bewußt sein, daß das heutige gigantische Wettrüsten eine gewaltige Fehllenkung der Kräfte der Völker, eine unerhörte Fehlinvestition des nationalen Wohlstandes und ich möchte hinzufügen, auch eine tragische Unterbrechung der wirtschaftlich sozialen Aufbauarbeit bedeutet. Die europäische Entwicklung treibt der Alternative entgegen, ob die Lasten des bewaffneten Friedens bis zur Schwelle eines neuen Krieges weitergeschleppt werden sollen oder ob es möglich ist, vorher noch eine umfassende Friedenregelung zu finden. Es scheint mir eine unbestreitbare Tatsache zu sein, daß ohne eine neue Friedenslösung sei es im Zustande des bewb affneten Friedens, sei es im Katastrophenfalle eines neuen Krieges unser Kontinent immer mehr ins Hintertreffen kommommen muß. Wir leben in einer geschichtlichen Periode der anscheinend freiwilligen Abdankung Europas in der Weltpolitik.

Der sogenannte Antikomintern-Pakt ist eine Etappe dieser Entwicklung. Er bietet Japan die erwünschte Rückendeckung für einen Raubkrieg gegen das chinesische Volk und ich wage zu sagen, es ist weder vom sudetendeu tschen noch vom èechoslovakischen oder europäischen Standpunkt einzusehen, welchen Gewinn uns diese Rückendeckungspolitik gegenüber dem japanischen Raubkrieg bringen soll. Gelingt es Japan, die militä rische Kraft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des chinesischen 400-Millionen-Volks zu organisieren, dann hat der europäische Industrialismus seine Rolle in der Weltwirtschaft ausgespielt. Es ist auch nicht einzusehen, wvarum die Sudetendeutschen Freude an einer Bedrohung der Sowjetunion empfinden sollen, welche das zwangsläufige Ergebnis der Dreieckpolitik Berlin-Tokio-Rom erscheint. Mag man zu Rußland stehen wie immer, Rußland wrd einer der wichtigsten Märkte der Zukunft sein, auch für unsere èechoslovakische und sudetendeutsche Industrie. Mag man das System drüben ablehnen oder anerkennen, niemand kann bestreiten, daß das gewaltige aufstrebende russische Volk in aller Zukunft eine große politische und ökonomische Rolle zwischen Europa und Asien spielen wird.

Darum legen wir unter Hinweis auf die Erklärung des Herrn Henlein in Franzenssbad, die seine Partei als drittgrößte antibolschewistische Einheit proklamiert, von dieser Stelle aus schärfste Verwahrung dagegen ein, daß im Namen des Sudetendeutsch tums eine projapanische, eine antieuropäische und damit auch eine antideutsche Politik gemacht wird.

Eine weitere Frage, die in der Debatte aufscheint und nach Beantwortung heischt, ist das Verhältnis Englands zu Zentraleuropa. Wieder möchte ich dafdafür plaidieren, daß wir ein richtiges Mittelmaß der Betrachtung finden. Wir begrüßen jedes aufrichtige und objektive Interesse englischer Kreise für unsere Lebensfragen in der tiefen Überzeugung, daß ohne die tatkräftige Mitwirkung Englands der Friede auf dem Kontinente nicht zu retten ist. Auf der andern Seite möchte ich davor warnen, daß wir vielleicht die ganze Konzeption der sudetendeutschen Politik auf irgend welche englische Zeitungsstimmen aufbauen. Wir würden damit einem Feldherrn gleichen, der seine Armee über dünnes Eis führt, welches jede Minute zerschmelzen oder einbrechen kann. Ein Beispiel für die Aufgabe, die Dinge nüchtern abzuschätzen, scheint mir der vielzitierte Artikel der "Times" zu sein, der vor kurzer Zeit erschien. Die "Times" schreiben, daß die französische Politik, obwohl sie gewisse Verpflichtungen übernommen hat, in keiner Weise auf ihre verhängnisvolle Haltung festgelegt ist, die in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, die Weimarer Republik zu vernichten. Diese Stimme der "Times" hätte wahrscheinlich größ eres moralisches Gewicht, wenn dieses große englische Blatt eine so mutige Sprache geführt hätte, solange die Weimarer Demokratie noch zu retten war, so lange nicht Deutschland auf die Bahn einer neuen Rüstungspolitik getrieben wurde. Auch gilt es heute festzustellen, daß das offizielle England in den ersten Jahren der Nachkriegszeit Fragen des kontinentalen Minderheitenschutzes zi emlich gleichgültig gegenübers tand, obwohl es mit seiner Unterschrift an den Vertrag zum Schutze der Minderheiten gebunden ist. England hat auch hier seine Initiative vermissen lassen, solange in einer ganz anderen europäischen Atmosphäre die Lösung ziemlich leicht zu finden war. Wir haben auch gesehen, daß die Danziger antinazistis che Mehrheit preisgegeben wurde, wir haben erlebt, daß kein Hahn der österreichischen Demokratie nachgekräht hat, als sie blutig niedergerungen worden ist. Jetzt besteht kein Anlaß, an dem guten Willen weiter englischer Kreise zu zweifeln, an der Befriedung Zentraleuropas mitzuhelfen. Doch es drängt mich als sudetendeutschen Politiker, die Frage aufzuwerfen, wie lange das britische Interesse für Zentraleuropa und für unsere engeren Probleme andauern wird. Konkret gesprochen, ich werfe die Frage auf: Wird sich der Kreis um die "Times" auch dann noch für die Sudetendeutschen interessieren, wenn, theoretisch angenommen, ein Abkommen Berlin-Prag zustandekommen sollte, bei welchem die Lebensinteressen der Sudetendeutschen den außenpolitischen Interessen des Dritten Reiches geopfert werden? Die Frage lautet also, ob von der Èechoslovakei Konzessionen an das Recht, oder Konzessionen an die kriegsdrohende Gewalt gefordert werden.

Ein weiteres Problem, das ich noch kurz streifen möchte, ist das Verhältnis der Sudetendeutschen zum Reiche. Nüchterne Erwägung muß uns sagen, daß wohl kein Jota der außenpolitischen Reichsinteressen für die sudetendeutschen Lebensinteressen und Lebensrechte geopfert werden wird. Geben wir uns in dieser Hinsicht keinen Illusionen hin. Wir haben unlängst den Abschluß des deutsch-polnischen Minderheitenabkommens erlebt, welches die "Zeit" als "weitgehendes Abkommen" bezeichnet hat. Im Text dieser Vereinbarungen, den ich im Wortlaut nicht vorzulesen brau che, weil er bekannt ist, werden derart grundstürzende Abmachungen getroffen, des Sinnes, daß die Deutschen Polens untereinander deutsch reden und schreiben dürfen. Es wird das Recht der Minderheiten statuiert, daß sie eigene kulturelle und wirtschaftliche Organisationen gründen dürfen, daß sie sich selbst Schulen erhalten dürfen und in ihren Versammlungen die Muttersprache gebrauchen können. Das hat die "Zeit", das Organ der Sudetendeutschen Partei, als weitgehendes Minderheitenabkommen bezeichnet. Wir verzichten auf eine solche Unterstützung aus Deutschland, die uns Errungenschaften derartigen Ausmaßes brächte. Gegen das deutsch-polnische Minderheitenabkommen, welches die "Zeit" als weitgehend bezeichnete, ist der vielgelästerte 18. Feber wohl eine große nationale Tat.

Sie werden einwenden, er ist noch nicht verwirklicht. Sie wissen auch nicht, was Polen und Deutschland von diesem Abkommen verwirklichen werden. Jedenfalls darf ich sagen, daß wir als sudetendeutsche Aktivisten aus eigener Kraft mehr erreicht haben als jene deutschen Minderheiten, die sich auf die Hilfe Berlins verlassen haben. (Výkøiky.) Hohes Haus! Solange uns kein besseres Erfolgsbeispiel vorgehalten wird, sind wir entschlossen, den Weg unserer aktivistischen Realpolitik fortzusetzen. Wir erwarten von der Sudetendeutschen Partei keine Unterstützung. (Výkøiky poslancù strany sudetskonìmecké: Nein! Nein!) Wir erwarten kein Verständnis und keine Objektivität von ihr. Aber wir fordern von ihr eines, daß sie die Sache unseres Volkes nicht durch Jonglieren mit Prinzipien diskreditieren solle.

Es sitzen in den Bänken der Sudetendeutschen Partei Gäste des Nürnberger Parteitages (Výkøiky. - Místopøedseda Langr zvoní.), die hier von dieser Tribune aus als Verfechter der Humanität, als Pioniere einer klassischen Demokratie auftreten. (Hluk. - Místopøedseda Langr zvoni.) Die Gastdelegierten des Nürnberger Parteitages ersterben in Ehrfurcht vor der Politik, die jede Selbstverwaltung und jede Wahlfreiheit kassiert hat. Bei uns aber sollte nach ihrer Meinung am liebsten Tag und Nacht gewählt werden. (Výkøiky.) Sie lieben und bevorzugen Wahlen mit ausländischer Einmischung, verschönert durch die. Teplitz-Schönauer Katzenmusik. Demgegenüber reklamieren wir das Notwehrrecht der Demokratie. Nach innerpolitischen Gesichtspunkten zu wählen sind wir jeden Tag bereit. Die Demokratie ist aber nicht verpflichtet, ihren Gegnern Vorwände für Reichstagsbrändeleien zu bieten. (Výkøiky.)

Es ist ein Schauspiel für Götter, meine Herren von der Sudetendeutschen Partei, wenn die gleichen Leute für das heilige Recht der Opposition streiten, die es selbstverständlich finden, daß im angebeteten Nachbarreiche die Opposition zum Richtblock geschleift oder ins Konzentrationslager geworfen wird. (Výkøiky.) Als eine besondere Sensation haben es die Pioniere der Totalität empfunden, daß auch einige Sprecher der deutschen Regierungsparteien in der Budgetdebatte sich kritische Feststellungen erlauben konnten, ohne daß ein 30. Juni in Funktion trat. (Výkøiky: Aber beschlagnahmt wurde es!) Ich kann mich nicht beschweren.

Meine Herren! Aus diesem Anlaß wurde ich auch einigemale in der Debatte von Kollegen der Sudetendeutschen Partei zitiert und ich wiederhole das als Antwort, was ich unlängst im Budegtausschuß sagte: Die Herren von der Sudetendeutschen Partei müssen sich endlich entscheiden, ob sie mich nach der Diktion der "Zeit", die hier in holder Eintracht mit dem "Völkischen Beobachter" vorgeht, als einen èechischen Agenten hinstellen, oder ob Sie mich als sudetendeutschen Kronzeugen reklamieren sollen. (Posl. Birke: Warum treten Sie dann gegen ein eventuelles Bündnis mit Berlin auf?) Zu einem Bündnis gehören zwei, die den Frieden wollen. Aber ein Bündnis zwischen einem, der den Frieden will und einem, der den Krieg will, ist nach unserer Überzeugung nur eine Augenauswischerei.

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die geringste Neigung dazu, als Kronzeuge der Sudetendeutschen Partei zu fungieren, weil ich wohl den Mut habe, nach der èechischen Seite hin meine Meinung auszusprechen, weil ich mich aber niemals dazu hergeben werde zu verleugnen, daß der deutsche Mensch hierzulande noch immer mehr Freiheiten genießt als in Deutschland, in Danzig, in Österreich, in allen Ländern Europas, mit Ausnahme der demokratischen Schweiz. (Potlesk.) Hier gibt es noch Pressefreiheit, hier gibt es noch Organisationsfreiheit, hier gibt es noch Streikfreiheit, hier gibt es Freiheit des Geistes und des kulturellen Schaffens. Hier gibt es noch rechtsstaatliche Sicherungen der Einzelpersönlichkeiten. (Výkøiky: Freiheit des Geistes!) Ich weiß nicht, mein sehr verehrter Herr Kollege, was Sie unter Geist verstehen! (Veselost.) Gewiß, die Demokratie hat Mängel, die wir nicht leugnen. Aber andererseits darf ich wohl sagen, daß Sie gewisse Gebrechen des autoritären Regimes heute am eigenen Parteikörper studieren können. In Böhm. Leipa sitzt in diesen Tagen das Führerprinzip auf der Anklagebank. Nicht diese armen jungen Leute sind schuldig, sondern diejenigen sind schuld, die in vollem Bewußtsein der unglücklichen Veranlagung solche Menschen zu Jugendführern bestellt haben. (Potlesk. - Výkøiky: Das ist die Partei der Sauberen und Anständigen!) Schauen Sie, wenn ich gut unterrichtet bin, hat ja heute wiederum ein Kollege von der Sudetendeutschen Partei Abschied genommen. Koll. Wagner, der in diesen Tagen aus dem Parlamentsklub der SdP ausgeschieden ist (Hört! Hört!), hat wohl die Überzeugung gewonnen, daß er sich ohne die Führung Konrad Henleins in der èechoslovakischen Politik besser durchfindet.

Daraus möchte ich zum Schlusse noch eine Folgerung ziehen: Keine Partei, kein Volk kann einen totalitären Anspruch darauf erheben, allein Vernunft, Sauberkeit und Wahrhaftigkeit gepachtet zu haben. Immer wird in diesem Lande ein Bündnis der vernünftigen, der besonnenen, der anständigen Menschen beider Völker notwendig sein. Wir quittieren daher mit Genugtuung, daß sowohl in der Resolution des Budgetausschusses als auch in den Erklärungen der Sprecher der großen èechischen Parteien die Prinzipien des 18. Feber vorbehaltlos akzeptiert wurden. (Posl. Kundt: Die Zeminová und Herr Ježek waren vorbehaltlos?) Schauen Sie, den Herrn Koll. Ježek werden Sie mir nicht anhängen. Das hat uns in unserer Überzeugung bestärkt, daß das nationalpolitische Problem aus dem Stadi um der Diskussion in das Stadium der praktischen Lösung hinübergebracht werden konnte und die SdP wird noch manchen Vorwurf gegen die sogenannten Splitterparteien zurücknehmen müssen, sobald die Grundsätze der Resolution, für die auch Sie im Budgetausschuß gestimmt haben, praktisch durchgeführt werden.

Gestatten Sie mir, nachdem ich einigemale die Ehre hatte, von Kollegen der SdP zitiert zu werden, zum Abschluß zur Unterstützung und zur Bekräftigung meines Optimismus ein Wort meines Koll. Rosche zu zitieren, welches ich zu meinem Erstaunen aus der "Zeit" entnehmen konnte (ète): "Jeder würde irren, wenn er auf die Wiederkehr eines bürgerlich kapitalistischen Liberalismus warten würde. Die Zeit reift unbedingt für den humanitären Sozialismus." Ich bin tief überzeugt, daß Koll. Rosche gegen Sie recht behalten wird. (Potlesk.)


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