21

Wir dürfen nicht verzagen und wenn das Leid,
das auf unseren schon müde gewordenen Schul-
tern ruht, noch hundertmal schwerer wäre. Wir
dürfen nicht an uns selbst verzweifeln und wir
brauchen es auch nicht. Wohl hat uns das
Schicksal eine schwere Last aufgebürdet, doch
gerade diese Notzeit soll in uns den Willen stär-
ken, alles daran zu setzen, um das Schicksal, das
wir gemeinsam tragen, auch durch die gemeinsa-
me Kraft zum Bessern zu wenden. Es muss sich
die Erkenntnis bis zum letzten Angehörigen unse-
res sudetendeutschen Volkes durchdringen, dass
wir alle auf Gedeih und Verderb miteinander ver-
bunden sind und dass ein Einzelschicksal nichts
ist, gemessen am Schicksal eines Volkes.

Damit neigt sich das Jahr dem Ende zu.
Jahreswende-Schicksalswende? Noch liegt für uns
die Zukunft hinter grauen Schleiern verborgen und
noch immer sind die Gegner am Werke, dem auf-
strebenden und aufbaubereiten Willen des geein-
ten Sudetendeutschtums Hindernisse zu bereiten.
Wir wissen aber auch, dass man die Stimme einer
Millionenbewegung auf die Dauer nicht zu über-
hören vermag, und gehen darum trotz aller Not
und allem Leid mit Glauben in die Zukunft, dass
auch für uns einmal andere Zeiten kommen
müssen.

Die Kraft, der du verbunden bist.
Wird auch dein Leid beenden.
Denn stärker als das Schicksal ist
der Wille, es zu wenden!«

Die hier aufgezeigte Zensurpraxis der Zen-
surbehörde Brüx ist nicht nur ungesetzlich, sie ist
auch unverständlich. Selbst der engherzigste und
misstrauischeste Zensor wird in den beschlag-
nahmten Stellen nichts Ungesetzliches oder Staats-
gefährliches erblicken können. Die beschlagnahm-
ten Stellen enthalten im Wesen dieselben allge-
meinen Betrachtungen, wie sie nahezu jedes su-
detendeutsche Blatt zum Jahreswechsel gebracht
hat. Jeder Menschenkreis erwartet vom neuen Jahre
eine Wendung seines Schicksals zum Besseren. Es
ist unverständlich, dass der Zensor den Lesern
des »Volksrufes« durch seine Beschlagnahme den
Glauben an eine Wendung zum Besseren, auf das
Kommen besserer sozialer und nationaler Ver-
hältnisse nicht gönnen will. Das Vorgehen des
Zensors scheint darauf angelegt zu sein, den su-
detendeutschen Arbeitslosen, denen vor allem die
beschlagnahmten Stellen des Artikels gelten, jede
Hoffnung auf bessere Zeiten endgültig zu be-
nehmen.

Dieses Vorgehen der Zensurbehörde Brüx ist
nicht dazu angetan, die sudetendeutsche Oeffent-
lichkeit davon zu überzeugen, dass die Freiheit
der Presse tatsächlich gewährleistet ist.

Die Zensurbehörde Brüx hat sich im gegen-
ständlichen Falle eines Eingriffes in die verfas-
sungsmässig gewährleistete Pressfreiheit schuldig
gemacht, der von ihr nicht verantwortet werden
kann. Für die Zensurbehörde kann nur die Be-
stimmung des § 113 der Verfassungsurkunde die

Richtschnur alles Handelns abgeben. Falls sie sich
im Einzelfalle entschliesst, die verfassungsmässig
gewährleistete Freiheit zu beschränken, so muss
dieser Fall auch begründet sein. In diesem Falle
ist aber das Vorgehen der Zensurbehörde unbe-
gründet; das ersieht schon jeder Laie.

Die beschlagnahmten Stellen sind vor allem
sozialen Charakters, sie sind in ihrer Art konven-
tionell und vom strafrechtlichen Standpunkte völ-
lig einwandfrei.

Da die Beschlagnahme unbegründet vorge-
nommen wurde, muss man zur Ansicht gelangen,
dass der wahre Zweck der Beschlagnahme nicht
der war, staatlich anerkannte Rechtsgüter vor
einem Angriffe zu schützen, sondern das Erschei-
nen des »Volksrufs«, des Bezirksblattes der Su-
detendeutschen Partei, zu verzögern, die zahl-
reichen Leser des »Volksrufs« in Unruhe zu ver-
setzen, die tschechische Oeffentlichkcit, soweit sie
gegen die Sudetendeutsche Partei eingestellt ist,
gegen die Sudetendeutsche Partei einzunehmen
und die Sudetendeutsche Partei in ihrer Tätigkeit
zu beschränken und zu hemmen.

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister
die nachstehenden Anfragen:

1. Ist der Herr Justizminister bereit, die Zen-
surbehörde in Brüx wegen ihres gesetzwidrigen
und einseitigen Vorgehens gegen das Bezirksblatt
der Sudetendeutschen Partei, den »Volksruf«, zur
Rechenschaft zu ziehen?

2. Was gedenkt der Herr Justizminister zu
tun, um den »Volksruf« und damit die Sudeten-
deutsche Partei im Bezirke Brüx vor weiteren
einseitigen und ungesetzlichen Massnahmen der
Zensurbehörde zu schützen?

Prag, den 24. Jänner 1936.

Dr Zippelius,

Knorre, Dr Peters, Sandner, Nickerl, Nemetz,
Illing, Ing. Richter, Fischer, Axmann, Kundt, Budig,
Liebl, G. Böhm, Dr Kellner, Dr Hodina, Jobst,
Jäkel, Ing. Künzel, Dr Köllner, Ing. Lischka, Birke.

Pùvodní znìní ad 282/ XIII.

Interpellation

des Abgeordneten Dölling
an den Minister für nationale Verteidigung

über die schlechte Behandlung der Sol-
daten beim 3. Bataillon des Inf. Reg. 44
in Turnau.

Beim Infanterieregiment 44, III. Bataillon in
Turnau, ist die Brotzuteilung absolut ungenügend.


22

Trotz wiederholten Erklärungen und Verfügungen,
dass den Mannschaften soviel Brot zur Verfügung
stehe, wie sie zum Essen brauchen, erhalten 13
Mann 51/2 Brote, die keineswegs genugen, um den
Hunger der Mannschaft zu stillen. Die Brotration
reicht nur für die Abendmahlzeit und die Mann-
schaft muss bis zum nächsten Tage abends ohne
Brot auskommen. Es kann also keine Rede davon
sein, dass die Mannschaft genügend Brot erhalte.
Beweise dafür sind, dass sowohl in der Kantine
Brot gekauft werden muss, als auch die Tatsa-
che, dass die Soldaten für ihren geringen Sold in
den Bäckereien kaufen müssen. Unter Berück-
sichtigung des Umstandes, dass die übrige Kost-
zuteihmg ebenfalls nicht genügt, gefährdet diese
ungenügende Brotzuteilung den Gesundheitszu-
stand der Mannschaft.

Die Kohlenzuteilung zur Heizung der Mann-
schaftsräume ist ebenfalls ungenügend. Gegenwar-
tig erhalten die Mannschaftszimmer in 4-5 Ta-
gen jenes Quantum Kohle, das sie früher m 2
Tagen erhalten haben. Die Folge davon ist, dass
immer für einige Tage kein Heizungstmaterial zur
Verfügung steht und die Soldaten frieren müssen

Der Infanterist Bakal der 11. Kompanie ver-
übte bereits den zweiten Selbstmordversuch in-
folge fortgesetzter Schikanierungen durch den
Unteroffizier Pachmeier. Nachdem er bereits ein-
mal einen Selbstmordversuch durch Erhängen un-
ternommen hatte und bloss im letzten Moment ge-
rettet werden konnte, beging er jetzt einen neuen
Selbstmordversuch, indem er sich das Bajonett m
die Brest stress. Der länger dienende Unteroffizier
Pachmeier, der die Veranlassung zu diesen Selbst-
mordversuchen gibt, wurde bereits aus Pilsen und
Jungbunzlau strafweise versetzt und ist jedenfalls
nicht geeignet zur Beaufsichtigung der Mannschaft
und zur Bekleidung seiner Charge

1. Wir fragen den Herrn Minister für nationale
Verteidigung, ob ihm diese Zustände beim Infant
Reg. 44, III. Bat m Turnau, bekannt sind?

2. Was gedenkt der Herr Minister für natio-
nale Verteidigung zu unternehmen, um diese un-
haltbaren Zustände abzuschaffen und besonders
dafür zu sorgen, dass eine strenge Bestrafung der
dafür Verantwortlichen m die Wege geleitet
werde?

3. Was hat der Herr Minister für nationale
Verteidigung veranlasst, um den langer dienenden
Unteroffizier Pachmeier der Bestrafung zuzufüh-
ren und von seinem Posten endgültig zu entfei-
nen?

Prag, am 1. Feber 1936.

Döllinz,

Machaèová, Kopøiva, Krosnáø, Kosik, Sliwka,
Beuer, Synek, Schmidke, Vodièka, Dvoøák, Ho-
dlnova-Spurná, Kliment, Široký, Dr Jar. Dolanský,
Valla, Klima, Zupka, B. Köhler, Slanský, Šverma.

Pùvodní zrìní ad 282/XIV.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz Künzel
an den Justizminister,

wegen Nichteinhaltung der sprachenge-
setzlichen Bestimmungen durch das Be-
zirksgericht in Mähr. -Kromau.

Die Grundbuchsabteilung des Bezirksgerichtes
m Mährisch Kromau führt alle grundbucherlichen
Eintragungen, gleichgültig, ob die Eingaben in
deutscher oder m èechischer Sprache gehalten
und von deutschen oder èechischen Parteien ein-
gebracht werden, ausschliesslich in èechischer
Sprache durch.

Der Gerichtsbezirk Mähr. -Kromau zählt rund
35% deutsche Einwohner. Das Verhalten der
Grundbuchsabteilung des Bezirksgerichtes in Mäh-
risch Kromau steht daher im Widerspruche mit
dem Sprachengesetze und der Sprachenverord-
nung

Auf die Vorhaltungen der Parteien erklären
die verantwortlichen Faktoren des Bezirksgerich-
tes m Mähr. -Kromau, dass die Grundbuchsbeamten
mit Arbeit überhäuft seien und daher die Eintra-
gungen bloss m tschechischer Sprache durch-
führen können. Es braucht wohl nicht betont zu
werden, dass dieses Vorgehen des Bezirksgerich-
tes Mährisch Kromau einen Schlag gegen die
Sprachenrechte der deutschen Bevölkerung be-
deutet

Die sprachengesetzlichen Bestimmungen Sind
dazu da, dass sie auch von den staatlichen Be-
hörden eingehalten werden, Gründe der Zweck-
massigkeit können angesichts der klaren sprachen-
rechtlichen Bestimmungen dem Bezirksgerichte in
Mährisch Kromau keine Handhabe bieten, die
deutsche Bevölkerung um ihre ohnedies kärglichen
Sprachenrechte zu bringen. Das Bezirksgericht in
Mähr. -Kromau darf sich auch nicht anmassen, die
Bestimmungen des Sprachengesetzes und der
Sprachenverordnung für den Bereich des Gerichts-
sprengels Mährisch Kromau ausser Kraft zu
setzen.

Mit dieser Praxis steht aber das Bezirks-
gericht in Mährisch Kromau nicht allein da. Auch
aus anderen mährischen Bezirksgerichtsstädten
werden ähnliche Verstösse der Grundbuchsabtei-
lungen gegen die sprachengesetzlichen Bestimmun-
gen bekannt.

Wir stellen daher an den Justizminister die
nachstehenden Anfragen:

1. Ist der Justizminister bereit, die verantwort-
lichen Faktoren des Bezirksgerichtes in Mährisch
Kromau wegen der Missachtung, die sie den


23

Sprachenrechten der deutschen Bevölkerung ge-
genüberbringen, zur Verantwortung zu ziehen?

2. Ist der Justizminister bereit, alle ihm un-
terstehenden Bezirksgerichte auf die Bestimmun-
gen des Sprachengesetzes und der Sprachen-
verordnung aufmerksam zu machen und sie zu
verhalten, die der deutschen Bevölkerung zu-
stehenden Sprachenrechte zu achten und ge-
nauestens einzuhalten?

Prag, am 1. Feber 1936.

Ing. Künzel,

Obrlik, Knöchel, Liebl, Birke, Wollner, Sogl,

Ing. Richter, Wagner, Sandner, Dr. Rosche, Dr.

Peters, Stangl, Gruber, Kundt, Hollube, Nickerl,

Axmann, Illing, Fischer, Ing. Llschka.

Pùvodní znení ad 282/XV.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Nemetz
an den Minister des Innern,

wegen ungerechten Vorgehens der Be-
zirksbehörde in Kaaden bei der Ernennung
von Ortswahlkommissären.

Die Bezirksbehörde in Kaaden hat mit Be-
scheid vom 20. Dezember 1935, Zahl 35. 524 die
Mitglieder der Ortswahlkommission der Gemeinde
Fünfhunden ernannt. Aus den Reihen der poli-
tischen Partei »Bund der Landwirte« ernannte die
Bezirksbehörde zwei Mitglieder, aus den Reihen
der Sudetendeutschen Partei jedoch nur ein Mit-
glied.

Es muss bemerkt werden, dass der Bund der
Landwirte bei der Wahl am 19. Mai 1935 in der
Gemeinde Fünfhunden 19 Wahlstimmen erzielte,
während die Sudetendeutsche Partei 223 Wahl-
stimmen auf sich vereinigte. Trotz dieser nahezu
zwölffachen Ueberlegenheit der Sudetendeutschen
Partei über den Bund der Landwirte erhielt der
Bund der Landwirte doppelt soviel Wahlkommis-
säre zuerkannt als die Sudetendeutsche Partei.

Dieses ungerechte Vorgehen der Bezirksbe-
hörde Kaaden widerspricht nicht nur dem § 5 des
Gesetzes über die ständigen Wählerverzeichnisse,
der das Erfordernis aufstellt, dass alle Parteien
gleichmässig in den Ortswahlkommissionen ver-
treten sein sollen, sondern auch allen demokra-
tischen Grundsätzen. Wenn sich die Notwendigkeit
erwies, dass in der Ortswahlkommission der Ge-
meinde Fünfhunden eine Partei durch zwei Mit-
glieder vertreten sein muss, so hätte dieses zweite
Mitglied, wenn die Bezirksbehörde Kaaden nicht
ungerecht und unvoreingenommen vorgegangen
wäre, aus den Reihen der Sudetendeutschen Par-
tei, die bei den Wahlen 223 Stimmen erreicht
hatte, ernannt werden müssen, keineswegs jedoch
aus den Reihen des Bundes der Landwirte, der
knappe 19 Stimmen erzielte.

Diese Ungerechtigkeit, deren sich die Bezirks-
behörde Kaaden schuldig gemacht hat, hat bei der
Bevölkerung der Gemeinde Fünfhunden grösste
Erbitterung und Unruhe hervorgerufen. Solche un-
gerechte Entscheidungen sind nicht dazu angetan,
das Prestige der Staatsbehörden und den Glauben
an die Gerechtigkeit zu heben. Was soll die Be-
völkerung des Kaadener Bezirkes von einer Be-
zirksbehörde halten, die sich über die klaren For-
derungen des Gesetzes, über die Grundlagen der
Billigkeit und Gerechtigkeit hinwegsetzt!

Wir richten daher an den Minister des Innern
die nachstehenden Anfragen:

1. Ist der Minister des Innern bereit, den ver-
antwortlichen Leiter der Bezirksbehörde Kaaden
wegen der ungerechten Ernennungspraxis bei der
Zusammensetzung der Ortswahlkommissionen zur
Verantwortung zu ziehen?

2. Ist der Minister des Innern bereit, die Be-
zirksbehörde Kaaden zu veranlassen, dass sie den
zweiten aus den Reihen des Bundes der Landwirte
ernannten Ortswahlkommissär der Gemeinde Fünf-
hunden abberuft und an seine Stelle das von der
Sudetendeutschen Partei bekanntgegebene weitere
Mitglied ernennt, was nach dem letzten Wahler-
gebnisse nur recht und billig wäre?

Prag, am 1. Feber 1936.

Nemetz,

Hollube, Fischer, Nickerl, Obrlik, Knöchel, Kundt,

Dr. Peters Ing. Richter, Sandner, Dr. Rosche, Sogl,

Wagner, Wollner, Stangl, Gruber, Liebl, Illinz,

Ing. Lischka, Birke, Axmann.


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