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Pùvodní znìní ad 352/VII.
Interpellation
des Abgeordneten Otto Liebl
an den Minister des Innern
wegen ungesetzlichen Vorgehens des Gen-
darmerieorganes Liebl aus Sablat, politi-
scher Bezirk Prachatitz.
Am 26. Jänner 1936 berief das Gemeindeamt
Christelschlag, pol. Bezirk Prachatitz, mehrere
arbeitslose Ortseinwohner in die Gemeindestube,
damit mit ihnen Erhebungen wegen der Ernäh-
rungsaktion durchgeführt werden können. Bei den
Erhebungen war ein Gendarmerieorgan aus Sa-
blat, namens Liebl, anwesend.
Der zu den Erhebungen berufene Johann Eder
aus Christelschlag erschien in der Gemeindestube
mit dem kleinen, schildförmigen Parteiabzeichen
der Sudetendeutschen Partei. Als der Gendarme-
rieposten dieses Abzeichen erblickte, wandte er
sich an den Johann Eder und erklärte ihm, er
müsse dieses Parteiabzeichen, solange er mit ihm
rede, verschwinden lassen. Darauf zog der Gen-
darm dem Johann Eder das Nadelabzeichen aus
dem Rock und steckte es ihm unter den Rockkra-
gen, wo es nicht mehr sichtbar war.
Zeugen dieses Vorfalles waren:
Ludwig Eder, Konrad Winzig, Franz Moser, Ru-
dolf Balej, Pauline Pinter, Richard Moser, sämt-
liche aus Christelschlag.
Dieses Vorgehen des Gendarmen ist symptoma-
tisch für das einseitige Vorgehen der niederen
Gendarmerieorgane gegen die Sudetendeutsche
Partei und für die an den längst überwundenen
Obrigkeits-Staat erinnernde Bevormundung der
Staatsbürger seitens gewisser Verwaltungsorga-
ne. Das Vorgehen des Gendarmen beinhaltet nichts
anderes als eine Einschränkung des verfassungs-
mäßig gewährleisteten Rechtes der freien öffentli-
chen Meinungsäußerung und des freien politischen
Bekenntnisses.
Wir richten daher an den Minister des Innern
die nachstehenden Anfragen:
1. Ist der Minister des Innern bereit, das Gen-
darmerieorgan Liebl wegen seines ungesetzlichen
Vorgehens gegenüber dem arbeitslosen Johann
Eder exemplarisch zu bestrafen?
2. Ist der Minister bereit, dafür Garantien zu
schaffen, daß sich die untergeordneten Gendar-
merieorgane jedweder einseitigen ungesetzlichen
Einstellung enthalten und dasjenige Maß an
Objektivität gegenüber der Sudetendeutschen Par-
tei wahren, das man von ihnen nach Recht und
Billigkeit voraussetzen kann?
Prag, den 6. März 1936.
Liebl,
Hollube, Ing. Richter, Sandner, Ing. Schreiber,
Axmann, Stangl, May, Kundt, Dr. Peters, Gruber,
Ing. Künzel, Dr. Zippelius, Ing. Lischka, Dr.
Rösche, Wagner, Dr. Jilly, Nemetz, Fischer, Birke,
Dr. Kellner.
Pùvodní znìní ad 352/VIII.
Interpellation
des Abgeordneten Adolf Jobst
an den Minister des Innern
wegen gesetzwidriger Unterlassungen der
Bezirksbehörde Prachatitz.
Am 6. Oktober 1935 fanden in Prachatitz die
Gemeindewahlen statt. Schon lange vorher bekun-
dete die tschechische Bevölkerung der Gemeinde
Prachatitz ein starkes Bestreben, die deutsche
Mehrheit in Prachatitz zu einer Minderheit zu
machen.
Bei der Ausschreibung von Gemeindewahlen
griffen sogar kulturelle Vereine, die sich ihrer
Natur und ihren Statuten nach jeder politischen
Tätigkeit zu enthalten haben, in den Wahlkampf
ein.
Schon im Jahre 1934 hielt der Geschäftsführer
der Ortsgruppe Prachatitz der Narodni Jednota
Posumavská, Professor Chadraba, anläßlich der
Fünfzigjahrfeier dieser Ortsgruppe eine Rede,
die im tschechischen Wochenblatt "Zájmy Pošu-
maví" vom 19. Oktober 1934, Folge 45, abgedruckt
erscheint. In dieser Rede erklärte Prof. Chadraba,
daß die Ortsgruppe der Narodni Jednota Pošu-
mavská in Prachatitz die Wählerlisten genau
führe und daß diese Ortsgruppe es gewesen sei,
welche die Auflösung der Gemeindevertretung
Prachatitz und die Einsetzung eines Regierungs-
kommissärs aus nationalpolitischen Gründen ver-
anlaßt habe. Es sei, führte Prof. Chadraba weiter
aus, Aufgabe der tschechischen Gruppen, ihre
Macht im Rathause zu vermehren und gegebenen-
falls zu einer entscheidenden zu machen, weil dies
eine gesamtstaatliche Bedeutung habe. Am Schlüs-
se seiner Ausführungen gab er der Hoffnung Aus-
druck, daß man zu Beginn des zweiten Fünfzigers
des Bestehens der Ortsgruppe der Narodni Jed-
nota Pošumavská in Prachatitz allen ihren Gön-
nern das tschechische Rathaus in Prachatitz als
Geschenk werde darbieten können.
Unmittelbar vor dem Wahltage und am Wahl-
tage selbst entfaltete aber diese Ortsgruppe der
Narodni Jednota Pošumavská eine Tätigkeit, die
die politischen Aufsichtsbehörden zu sofortigem
Einschreiten hätte veranlassen müssen. Diese
Ortsgruppe eines unpolitischen Vereines verbrei-
tete vor den Wahlen eine große Menge von Pla-
katen und Flugschriften, durch die sie in unver-
hüllter und demagogischer Weise für die Kandi-
daten der tschechischen politischen Parteien agi-
tierte. Bei dieser Agitation bediente sich die Orts-
gruppe der Národní Jednota Pošumavská auch
der deutschen Sprache und gab Drucke heraus, die
die deutschen Bewohner von Prachatitz direkt
apostrophierten.
Angesichts dieser auffallenden Überschreitung
der statutenmäßigen Tätigkeit des unpolitischen
Vereines Národní Jednota Pošumavská begab sich
der Abgeordnete der Sudetendeutschen Partei
Adolf Jobst aus Böhm. Krumau, am 5. Oktober
1935 zu der Bezirksbehörde in Prachatitz und er-
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stattete dort folgende Anzeige, die von Organen
der Bezirksbehörde protokollarisch aufgenommen
wurde:
"Protokoll,
aufgenommen am 5. Oktober 1935 bei der Bezirks-
behörde in Prachatitz.
Es erschien der Herr Abgeordnete Adolf
Jobst aus Böhm. Krumau und ersucht um nach-
folgende protokollarische Aufnahme:
Laut mündlicher Bestätigung seitens der Be-
zirksbehörde Prachatitz durch Herrn Rat der poli-
tischen Verwaltung, Dr. W. Mareš, erscheint der
Verein "Národní Jednota Pošumavská" als unpo-
litischer Verein hier gemeldet.
Dieser Verein verteilte am 4. Oktober 1935 zwei
von ihm gezeichneten Flugschriften, bezw. je eine
und zwar eine in tschechischer und eine in deut-
scher Sprache. Druck Ant. Šrámek, Prachatitz.
Im Selbstverlage.
In derselben mischt sich der unpolitische Ver-
ein "NJP. " in politische Wahlangelegenheiten der
Stadt Prachatitz und fordert die deutschen Wähler
auf, am 6. X. 1935 eine der tschechischen Kandi-
datenlisten zu wählen. Ich fordere hiemit die so-
fortige Beschlagnahme dieser beiden Flugschrif-
ten und erstatte gleichzeitig die Anzeige gegen den
genannten Verein wegen Einmischung in poli-
tische Angelegenheiten insonderheit von Wahl-
angelegenheiten und wegen Übertretung des Ver-
einsgesetzes.
Ich verlange von der Bezirksbehörde das sofor-
tige Einschreiten gegen den genannten Verein. "
Auf diese Anzeige hat Abgeordneter Adolf
Jobst bis heute keine Verständigung von der Be-
zirksbehörde Prachatitz erhalten. Nach seinen Er-
kundigungen hat die Bezirksbehörde jedes Ein-
schreiten in dieser Strafangelegenheit abgelehnt.
Durch diese Ablehnung eines strafrechtlichen
Einschreitens gegen die verantwortlichen Funk-
tionäre der Národní Jednota Pošumavská hat sich
der verantwortliche Leiter der Bezirksbehörde
Prachatitz einer Ungesetzlichkeit schuldig ge-
macht.
Wir sind überzeugt, daß die Bezirksbehörde
Prachatitz mit aller Schärfe gegen Funktionäre
deutscher unpolitischer Vereine eingeschritten
wäre, wenn sie sich einer ähnlichen Überschrei-
tung ihrer Statuten schuldig gemacht hätten.
Wir sind überzeugt, daß solche deutsche unpoli-
tische Vereine von der Bezirksbehörde sofort ein-
gestellt und die Funktionäre mit hohen Geldstra-
fen belegt worden wären. Wir verweisen nur auf
das Einschreiten der Polizeikommissariate in Iglau
und Brüx gegen den unpolitischen Verein "Bund
der Deutschen".
In Brüx stellte das dortige Polizeikommissariat
die dortige Ortsgruppe des "Bundes der Deut-
schen" ein, weil irgendein Funktionär in einem
Privatbriefe eine Klebemarke "Kauft deutsche
Waren" verwendete. In Iglau verfügte das Polizei-
kommissariat die Einstellung der Ortsgruppe des
"Bundes der Deutschen", weil in einer Zeitung
ein Artikel erschien, daß die Sammler der mini-
steriell genehmigten "Sudetendeutschen Volks-
hilfe" den Mut haben müssen, jedem zu sagen, ob
seine Leistung als entsprechend anerkannt wird
oder nicht und weiters deswegen, weil die Samm-
ler angeblich "lauter Anhänger der Sudeten-
deutschen Partei" sind. Trotzdem die Funktio-
näre der Ortsgruppe Iglau des "Bundes der
Deutschen" jeden Verdacht der Urheberschaft an
diesem völlig harmlosen Zeitungsartikel zurück-
wiesen, trotzdem man ihnen diese Urheberschaft
nicht im mindesten nachweisen konnte, hat das
Polizeikommissariat die Einstellung des Vereines
und damit der sozialen Aktion "Sudetendeutsche
Volkshilfe" verfügt. Bei deutschen Vereinen ge-
nügt also zur Einstellung, daß die Sammler
"lauter Anhänger der Sudetendeutschen Partei"
sind, bei den tschechischen Vereinen schaut man
aber keinesfalls auf die politische Zugehörigkeit
ihrer Mitglieder, im Gegenteil, man läßt die
tschechischen unpolitischen Vereine als solche un-
gehindert politische Wahlpropaganda treiben.
Wir verwahren uns an dieser Stelle mit aller
Entschiedenheit gegen das doppelte Maß, das die
tschechoslowakische Administrative gegenüber
deutschen und gegenüber tschechischen Vereinen
anwendet. Auch die Verwaltugsgesetze müssen
für alle Bürger des Staates gleiche Geltung
haben. Es ist ein bedauerlicher Tiefstand unserer
angeblich demokratisch gehandhabten Admini-
strative, daß sie gegen deutsche Vereine bei völlig
unbegründeten Anlässen mit voller Schärfe und
rücksichtsloser Gewalt vorgeht, während sie
tschechischen Vereinen gegenüber das größte
Wohlwollen an den Tag legt und auffallende Ge-
setzesverstösse ungeahndet läßt.
Wir richten daher an den Minister des Innern
die nachstehenden Anfragen:
1. Ist der Minister bereit, eine Untersuchung
darüber einzuleiten, warum die Bezirksbehörde
Prachatitz gegen die Ortsgruppe Prachatitz der
Národní Jednota Pošumavská und deren Funktio-
näre bisher nicht eingeschritten ist, trotzdem ihr
die statutenwidrige Tätigkeit dieses Vereines an-
gezeigt worden ist?
2. Ist der Minister bereit, den verantwortlichen
Leiter der Bezirksbehörde Prachatitz wegen die-
ser gesetzwidrigen Unterlassung zur Verantwor-
tung zu ziehen und ihn zu bestrafen?
3. Ist der Minister bereit, die deutschen unpoli-
tischen Vereine vor den Persekutionen der nie-
deren Verwaltungsbehörden zu schützen?
4. Ist der Minister bereit, dafür Garantien zu
schaffen, daß bei Ausübung der Administrativ-
gewalt das Gesetz gegen alle Staatsbürger, un-
geachtet ihrer Nationalität und ihres politischen
Bekenntnisses, in der gleichen Weise angewendet
wird?
Prag, am 6. März 1936.
Jobst,
Dr. Peters, Gruber, Stangl, Dr. Zippelius, Axmann,
Sandner, May, Ing. Künzel, Fischer, Hollube, Dr.
Rosche, Kundt, Dr. Kellner, Birke, Ing. Lischka,
Dr. Jilly, Ing. Richter, Nemetz, Wagner,
Ing. Schreiber.
Státní tiskárna v Praze. - 1473-36.