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muß die Übersetzung in die französische Sprache
erfolgen. Bisher war das sehr zeitraubend, da die
Übersetzung immer nach Abschluß der Rede er-
folgte. Jetzt hingegen befindet sich an dem
Platze jedes Abgeordneten ein Kopfhörer; der
Übersetzer steht vor dem Mikrophon, in das er
leise gleichzeitig mit dem Redner die Übertra-
gung hineinspricht. Bei allen Sitzungen des belgi-
schen Parlamentes können also die Abgeordneten
sogleich die jeweiligen Reden in ihrer eigenen
Sprache hören.

Diese Einrichtung wäre auch im Parlamente des
Èechoslovakischen Staates, der ein tyoischer
Mehrvölkerstaat ist, sehr empfehlenswert. Es wür-
den manche sprachenrechtliche Mißverständnisse
unterbleiben. Überdies würde die Einrichtung
dazu beitragen, die Mängel, die infolge der
schlechten Akustik unseres Parlamentssaales be-
stehen, zu beseitigen.

Wir stellen daher an die Regierung die An-
frage:

1. Ist der Regierung die geschilderte Einrich-
tung des belgischen Parlamentes bekannt?

2. Ist die Regierung bereit, die technische Aus-
gestattung dieser Einrichtung des belgischen
Parlaments1 und ihre bisherige Bewährung im di-
plomatischen Wege erheben zu lassen?

3. Ist die Regierung bereit, diese wertvolle tech-
nische Errungenschaft im Dienste der Verständi-
gung der Volksgruppen unseres Staates auch in
den Verhandlungssälen unseres èechoslovakisehen
Abgeordnetenhauses und Senates einführen zu
lassen?

P r a g, am 22. Juli 1936.

Dr. Neuwirth,

Rösler, Sogl, Ing. Karmasin, Knorre, Gruber, Dr.
Hodina, Nickerl, F. Nitsch, Axitiann, Jäkel, Illing,
Fischer, Dr. Eichholz, Hollube, Hirte, Ing. Richter,
E. Köhler, Birke, Stangl, Knöchel, Dr. Kellner,
Dr. Jilly, Budig.

Ernährungsaktion einleiten. So berichtet mm Bei-
spiel der Landesvertreter Alfred Gibisch, Plan,
folgendes:

Der Referent der Bezirksbehörde Plan teilte
dem genannten Landesvertreter mit, daß die Be-
zirksbehörde für die Periode, die mit dem 28.
Juni begann, um Zuweisung von 36. 000 Kè an-
gesucht hat. Landesvertreter Gibisch ersuchte den
parlamentarischen Klub der SdP. um eine Vor-
sprache beim Ministerium für soziale Fürsorge
wegen Zuweisung dieses Betrages. Landesvertre-
ter Gibisch hat sich davon überzeugt, daß die Be-
zirksbehörde Plan in ihren Anforderungen sehr
maßvoll war und eher zu wenig angefordert hatte
als zuviel. Bei seiner Vorspräche bei der Bezirks-
behörde gelangte dem Landesvertreter Gibisch
auch zur Kenntnis, daß die Bezirksbehörde Plan
in den letzten Monaten nicht weniger als 900 Ver-
waltungsstrafverfahren (!) wegen ungerechtfer-
tigter Bewerbung um die Aufnahme in die staat-
liche Ernährungsaktion eingeleitet hat.

Gegen diese Praxis muß schärfster Wider-
spruch erhoben werden, denn es ist ausgeschlos-
sen, daß von den 900 Beschuldigten wirklich ein
Großteil ungerechtfertigt oder gar mutwillig um
die Unterstützung ersucht hat. Wenn aber ein
Arbeitsloser in seiner Not, von Hunger und Elend
getrieben, um Einreihung in die staatliche Unter-
stützunersaktion angesucht und an Stelle einer
Unterstützung gegen ihn ein Verfahren wegen an-
geblich ungerechtfertigter Bewerbung eingeleitet
wird, muß dies die Arbeitslosen geradezu zur
Verzweiflung bringen.

Wir stellen daher an den Herrn Minister des
Innern die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, von den Bezirks-
behöiden Berichte einholen zu lassen, wieviele
Verwaltungsstrafverfahren wegen angeblich un-
gerechtfertigter Bewerbung um Einreihung in die
staatliche Ernährungsaktion gegen Arbeitslose
eingeleitet wurden?

2. Ist der Herr Minister bereit, die Bezirksbe-
hörden anweisen zu lassen, solche Strafverfahren
nur nach vorangegangenen umfangreichen Erhe-
bungen einleiten zu lassen?

Prag, den 1. August 1936.

Wollner, Knorre,

Nickerl, Rösler, Hollube, Ing. Karmasin, Ing.
Künzel, F. Nitsch, Sogl, Axmann, Illing, Dr. Jilly,
Dr. Hodina, Ing. Richter, Dr. Rösche, E. Köhler,
Dr. Peters, Birke, Dr. Kellner, Knöchel, Fischer,
Sandner, Stangl.

Pùvodní znìní ad 603/XVIII.

Interpellation

der Abgeordneten Georg Wollner
und Richard Enorre

an den Minister des Innern

wegen massenhafter Einleitung von Ver-
waltungsstrafverfahren gegen Arbeitslose
wegen Bewerbung um die Aufnahme in
die staatliche Ernährungsaktion.

Es mehren sich die Fälle, daß die Bezirksbehör-
den gegen arme Arbeitslose massenhafte Straf-
verfahren wegen angeblicher ungerechtfertigter
Bewerbung um die Aufnahme in die staatliche

Pùvodní znìní ad 603/XIX.

Interpellation

des Abgeordneten Josef Illing
an den Minister des Innern

betreffend Verletzungen des Sprachen-
gesetzes anlässlich von Kundmachungen
zu einer Luftschutzübng in Plan.


87

Die Bezirksbehörde Plan hat mit Bescheid vom
8. Juli 1936 kundgemacht, daß am 16. Juli 1936
"von der hiesigen CPO" eine Luftschutzübung
veranstaltet wird.

In dem Bescheide wird wiederholt der für die
deutsche Bevölkerung unverständliche Ausdruck
CPO verwendet. Der Bescheid zitiert als gesetz-
liche Grundlage den Artikel 3, Abs. 1 des Gesetzes
Zahl 125/1927' Slg. d. Ges. u. V. und die §§ & und
29 des Gesetzes Zahl 82/1925. In keiner dieser
zitierten gesetzlichen Grundlagen kommt der Aus-
druck CPO als gesetzlich geschützter Ausdruck
vor. Offenbar handelt es sich um die Abkürzung
eines tschechischen Fachausdruckes. Diese Abkür-
zung müßte aber auch in deutscher Sprache mit
deutschen Abkürzungsbuchstaben wiedergegeben
seim Wenn eine Luftschutzübung veranstaltet
wird, greift dies tief in das Privatleben der Staats-
bürger ein, weil diese die kundgemachten Übungs-
Vorschriften genau zu befolgen haben. Selbstver-
ständlich wollen aber die von der Verfügung be-
troffenen über 90% Deutschen der Stadt Plan
wissen, wer eigentlich die CPO ist, von der die
Luftschutzübung, wie der genannte Bescheid aus-
drücklich anführt, veranstaltet wird. Aus der Ab-
kürzung CPO kann sich ein Deutscher nicht er-
klären, welche Organisation eigentlich die Luft-
schutzorganisation veranstaltet.

Wir richten an den Herrn Minister die Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den Sach-
verhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit zu veran-
lassen, daß Kundmachungen über Veranstaltun-
gen von Luftschutzübungen immer dem Sprachen-
gesetz entsprechen und auch, alle Abkürzungen
nicht nur in tschechischer, sondern auch in deut-
scher Sprache erfolgen?

Prag, am 1. August 1936.

Illing,

Fischer, Jäkel, Axmann, Sogl, Ing. Karmasin, Dr.
Eichholz, Nickerl, Knorre, Rasier, Ing. Künzel, Dr.
Jilly, Hirte, Gruber, Dr. Hodina, F. Nitsch, Ing.
Richter, dr Peters, dr Köllner, Sandner, Knöchel,
E. Köhler, Birke.

Stadt. Trotzdem ist Muglinau dem Postbestellbe-
zirk Schlesisch Ostrau angeschlossen und besitzt
noch kein eigenes Postamt. Alle Bemühungen der
Bevölkerung, ein eigenes Postamt zu erhalten,
waren bisher erfolglos. Es bedarf wohl keiner wei-
teren Ausführungen, um die Dringlichkeit der Er-
richtung eines Postamtes in der Gemeinde von
4. 500 Einwohnern darzulegen.

Wir richten an den Herrn Minister für Post
und Telegraphenwesen die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister bereit, die Gründe be-
kanntzugeben, aus welchen bisher die Errichtung
eines Postamtes1 in der Gemeinde Muglinau unter-
lassen wurde ?

2. Ist der Herr Minister bereit, alles zu veran-
lassen, damit ehestens in der Gemeinde Muglinau
ein eigenes Postamt errichtet wird?

Prag, am 1. August 1936.

Fischer,

Rösler, Illing, Gruber, Dr. Eichholz, Dr. Peters,
Hirte, Dr. Jilly, Tng. Karmasin, " Dr. Kellner,
Knorre, F. Nitsch, Axmann, E. Köhler, Ing. Rich-
ter. Jäkel. Sogl, Dr. Hodina, Nickerl, Birke,
Knöchel, Dr. Rösche, Sandner.

Pùvodní znení ad 603/XX.

Interpellation

des Abgeordneten Benno Fischer

an den Minister für Post- und Telegraphen-
wesen.

wegen Errichtung eines Postamtes in der
4. 500 Einwohner zählenden Gemeinde Mu-
glinau (Muglinov).

Die Gemeinde Muglinau bei Schlesisch Ostrau
zählt 4. 500 Einwohner, also mehr als manche

Pùvodní znení ad 603/XXI.

Interpellation

des Abgeordneten Karl Gruber
an den Justizminister

wegen schikanöser Schutzgesptzanklagen
gegen hungernde Arbeitslose.

Die Staatsanwaltschaft in Pisek hat gegen
einige hungernde Arbeitslose, namens Herminp
Kölbl. Pius Klinsrinerer, Franz Stögbauer, Franz
Hopfinger, Kuriert Baier, Anna Baier boim Krpis-
gerirht in Pisek zur G. Z. St. 174/36-5, Tk 92/36-9
nach § 17 des Schutzgesetzes die Anklage erhoben.

Diese armen Leute wurden von der staatlichen
Ernährungsaktion ausgeschlossen und mußten
hungern. Um nicht zu verhungern, haben sip ien-
seits der benachbarten Grenze von einem Pfarrer
aus Finsterau in Bayern ein paar Lebensmittel
angenommen, die sie vor dem Hungertode gerettet
haben.

Es ist unerfindlich, aus welchem Grunde die
Staatsanwaltschaft solche Fälle für anklagereif
hält.

Wir fragen den Herrn Justizminister:

1. Ist der Herr Justizminister bereit, diesen
Sachverhalt erheben zu lassen ?

2. Ist der Herr Justizminister bereit, nach dem
Grundsatze "minima non curat praetor" dem
Herrn Generalprokurator die Weisung zu erteilen.


38

die Staatsanwaltschaften mögen in Hinkunft we-
gen solcher Tatbestände, die offenbar nicht an-
klagereif sind, die Anklageerhebung unterlassen?

Prag, den 1. August 1936.

Gruber,

Rösler, Axmann, Fischer, Budig, Ing. Karmasin,
Knorre, Dr. Hodina, E. Köhler, Ing. Richter, Hol-
lube, Dr. Peters, Sogl, Illing, F. Nitsch, Nickerl,
Birke, Dr. Kellner, Sandner, Knöchel, Dr. Rösche,

Stangl.

Pùvodní znìní ad 603 XXII.

Interpellation

des Abgeordneten Karl H. Frank

an den Minister für auswärtige
Angelegenheiten

wegen Gesetzwidriger Sprachenpraxis des

èechoslovakischen Konsulates in Montreal

(Kanada).

Die Tätigkeit der Konsulate verantwortet der
Herr Minister für auswärtige Angelegenheiten
und ist daher für die Beantwortung dieser Inter-
pellation zuständig.

Das Generalkonsulat in Montreal hat mit Rund-
schreiben vom 3. Dezember 1935, Zahl 722/35, "Be-
zeichnung der Orte der È. S. R. durch amtliche
Benennungen, SH/AS", verschiedenen Exporteu-
ren unter Hinweis auf die Regierungsverordnung
vom 25. August 1921 eingeschärft, bei Ortsbe-
zeichnungen keine "unamtliche Bezeichnungen" in
der Korrespondenz mit kanadischen Firmen, zu
verwenden.

Das Konsulat irrt grundsätzlich, wenn es ver-
meint, daß zu diesem Schritte die Regierungsver-
ordnung vom 25. August 1921, Zl. 324/21, die
rechtliche Grundlage bietet. Die Zuschrift des Ge-
neralkonsulates beinhaltet eine unrichtige Ausle-
gung, da der Verkehr der Behörden mit dem Aus-
lande, nicht aber der Verkehr der Parteien mit
dem Auslande eine Regelung findet. Für den Ver-
kehr der Parteien mit den Behörden gilt, daß bei
Gebrauch einer Minderheitssprache auch die in
dieser Sprache eingeführte oder zugelassene amt-
liche Ortsbezeichnung gebraucht werden kann.

Der Verkehr der Exporteure mit ausländischen
Behörden findet in dieser Verordnung keine Rege-
lung und es ist deshalb auch nicht bestimmt und
gesetzlich festgelegt, welche Art der Ortsbezeich-
nung gewählt werden soll. Vom Verkehr privater
Personen mit Stellen des Auslandes ist in dieser

Verordnung überhaupt nicht die Rede. Es ist des-
halb eine unrichtige Auslegung und Auffassung
des Generalkonsulates, wenn es auf Grund dieser
Verordnung den Gebrauch der Ortsbezeichnungen
in èechischer Sprache im Verkehr von Privatper-
sonen mit dem Auslande verlangt. Einesteils, weil
dieser Verkehr, wie gesagt, nicht gesetzlich gere-
gelt erscheint, andernteils, weil schließlich auch
die Ortsbezeichnung in einer Minderheitssprache
als amtliche Bezeichnung gewertet werden muß.

Die zitierte Verordnung bietet nicht den gering-
sten Anhaltspunkt, daß eine Privatperson im Ver-
kehr mit dem Auslande nicht Ortsbezeichnungen,
wie Königgrätz, Jungbunzlau u. s. w. verwenden
kann, an Stelle von Hradec Králové, Ml. Boleslav
u. s. w., weil nur letztere Bezeichnungen die amt-
lichen sind. Die Anwendung der Bezeichnung Rei-
chenberg, Aussig u. s. w. widerspricht nicht ein-
mal der Anschauung des Konsulates, schon gar
wenn die Korrespondenz in deutscher Sprache ge-
halten ist Selbst die Behörden können in einer
solchen Minderheitsaprache mit dem Auslande ver-
kehren und unter den zitierten Bedingungen die
amtliche Bezeichnung in der Minderheitssprache
verwenden. Die im Art. 3 angeführte Bestimmung
bezieht sich nur auf den Verkehr mit èechoslo-
vakischen Behörden, Organen und Gerichten. Es
ist daher ein Übergriff, bezw. eine unrichtige Ge-
setzesauslegung des èechoslovakischen Konsu-
lates, wenn es an die Exporteure eine derartige
Zuschrift versendet und diese zwingen will, eine
Ortsbezeichnung in èechischer Sprache zu ge-
brauchen.

Die Konsulate haben sich um den Schutz der
wirtschaftlichen Interessen der Republik im Aus-
lande zu kümmern, keineswegs aber sprachliche
Belehrungen zu erteilen, die in dem verfassungs-
mäßig gewährleisteten freien Sprachengebrauch
in das Gebiet des Privat- und Geschäftsverkehres
eingreifen. Dies möge ein für allemal den Konsu-
laten der Èechoslovakischen Republik einge-
schärft werden.

Wir stellen daher an den Herrn Minister für
auswärtige Angelegenheiten die Anfrage:

1. Ist der Herr Minister geneigt, den gerügten
Sachverhalt zu erheben?

2. Ist der Herr Minister geneigt, allen Kon-
sulaten, insbesonders dem èechoslovakischen
Konsulate in Montreal (Kanada) einschärfen zu
lassen, daß die Regierungsverordnung 324/21 kei-
neswegs dazu benützt werden darf, das ver-
fassungsmäßige Recht des freien Sprachenge-
brauches im Privat- und Geschäftsverkehre zu be-
schränken ?

Prag, am 1. August 1936.

Frank,

Rösler, Ing. Karmasin, Nickerl. G. Böhm, Gruber,
Fischer, Sogl, Jäkel, Dr. Kellner, Birke, E. Köhler,
Knöchel, Dr. Peters, Ing. Richter, Hirte, Dr. Eich-
holz, Dr. Hodina, Axmann, Dr. Jilly, Illing, F.
Nitsch, Knorre.


39

Pùvodní znení ad 603/ XXIII.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Adolf Kellner

an den Justizminister

betreffend den Begriff "Minoritäten-
gerichte".

Im Verordnungsblatte des Justizministeriums
(Übersetzung des amtlichen Teiles, Jahrgang
XVIII/1936), Nr. 6, Seite 87, ist ein Erlaß des
Justizministeriums, Zahl 25. 996/36, zitiert. In die-
sem Erlaß wird bemerkt, daß keine Einwendungen
gegen die Anschaffung der deutschen Übersetzung
eines tschechischen Werkes für die Amtsbibliothe-
ken der "Minoritätengerichte" bestehen.

Die Interpellanten haben ein Interesse daran,
daß der Begriff der "Minoritätengerichte", den
das Justizministerium erwähnt, genauer bezeich-
net wird. Sonst könnte die Meinung entstehen,
daß darunter lediglich jene Gerichte gemeint sind,
die in Gerichtsbezirken ihren Sitz haben, in denen
nach der letzten Volkszählung wenigstens 20%
derselben, jedoch einer anderen, als der cecho-
slovakisehen Sprache wohnen. Eine solche Mei-
nung würde aber dazu führen, daß zum Beispiel
das Kreisgericht Pilsen, Klattau, das Obergericht
in Frag nicht als Minoritätengerichte angesehen
werden. Dennoch ist es offenbar, daß diese Ge-
richte in zahllosen Fällen entscheiden, in denen
sich die Angelegenheit auf einen Gerichtsbezirk
bezieht, in welchem mehr als 20% Deutsche
wohnen. So entscheidet zum Beispiel das Kreisge-
richt Pilsen die meisten Rechtssachen über 5. 000
Kè, die sich auf die Gerichtsbezirke Mies, Manetin,
Hostau, Ronsperg usw. beziehen. Das Kreisgericht
Klattau entscheidet zum Beispiel über die Rechts-
sachen der gleichen Art, die sich auf den Bezirks-
gerichtssprengel Bergreichenstein beziehen. End-
lich entscheiden diese Gerichte in zahlreichen Auf-
sichts- und Berufungsfällen über Angelegenheiten,
die sich auf Gerichtsbezirke mit wenigstens 20%
Deutschen beziehen, als- Berufungsgerichte.

Aber auch die Obergerichte müßten als "Mino-
ritätsgerichte" bezeichnet werden, wenn man
schon diesen Ausdruck einführt; denn auch sie ent-
scheiden vor allem als Berufungsinstanzen wieder-
holt über Angelegenheiten Deutscher, die sich auf
Gerichtsbezirke beziehen, in denen wenigstens 20 %
Deutsche wohnen. Die Interpellanten wollen daher
genau wissen, was der Herr Justizminister unter
dem im Verordnungsblatt angeführten Ausdruck
"Minoritätengerichte" versteht; denn es ist nicht
gleichgültig, ob zum Beispiel die Bibliothek des
Kreisgerichtes Pilsen und Klattau auch deutsche
juristische Werke enthält oder nicht. Wiederholt
werden - besonders im Berufungsverfahren -
Hinweise auf juristische Literatur vorgebracht,
sodaß es notwendig ist, daß der Berufungssenat
in der Amtsbibliothek dieser "Minoritätengerichte"
auch deutsche Werke vorfindet. Falls jedoch wider
Erwarten der Begriff "Minoritätengerichte" re-

striktiv interpretiert würde, hätte dies zur Folge,
daß die Obergerichte und die Obersten Gerichte
überhaupt keine Neuerscheinungen der deutschen
juristischen Literatur in ihre Amtsbibliotheken
einstellen. Dies wäre ein schwerer Schaden für
die Rechtssicherheit, weil ja die Deutschen an der
juristischen Literatur unseres Staates einen sehr
erheblichen Anteil haben.

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister
die Anfrage:

1. Welche Gerichte fallen nach der Ansicht des
Herrn Justizministers unter den Begriff "Minori-
tätengerichte" ?

2. Ist der Herr Minister bereit zu veranlassen,
daß in die Amtsbibliotheken aller Gerichte, die
über Angelegenheiten entscheiden, die sich auf
Gerichtsoezirke mit mehr als 20% cecho-
slovakischer Staatsbürger deutscher Nationalität
(ethnischer Zugehörigkeit) beziehen - ohne Rück-
sicht darauf, ob im Bezirksgerichtesprengel, in
dem diese Gerichte liegen, wenigstens 20%
Deutsche wohnen oder nicht - alle Neuerschei-
nungen, die auf dem Gebiete der juristischen Lite-
ratur in deutscher Sprache erscheinen, eingestellt
werden ?

Prag, am 1. August 1936.

Dr. Kellner,

Rösler, Axmann, Hollube, Knöchel, Dr. Jilly, Ing.
Karmasin, Illing, Knorre, Budig, Fischer, Jäkel,
Dr. Peters, Dr. Hodina, F. Nitsch, Sogl, Nickerl,
E. Köhler, Birke, Hirte, G. Böhm, May, Stangl,
Sandner.

Pùvodní znení ad 603/XXIV.

Interpellation

der Abgeordneten Georg Böhm und Erich
Hirte

an die Regierung

betreffend die mangelhafte Beherrschung

der deutschen Sprache durch Staatsbeamte

und Staatsbedienstete.

Gemäß Artikel 08 der Sprachenverordnung vom
3. Feber 1926, Nr. 17 Slg., ist die Staatsverwal-
tung verpflichtet, unter genauer Wahrung der
grundsätzlichen Vorschriften des Gesetzes und
dieser Verordnung die einzelnen Dienstposten nach
dem tatsächlichen Bedürfnisse mit sprachlich be-
fähigten Richtern, Beamten und sonstigen Bedien-
steten oder Staatsorganen zu besetzen.

In den Gerichtsbezirken, in denen nach der letz-
ten Volkszählung wenigstens 20 Prozent Staats-
bürger derselben, jedoch einer anderen als der
cechoslovakischen Sprache wohnen, sowie bei
den Gerichten und Behörden der diesen Bezirken
übergeordneten Gerichtshöfen und Behörden wird


40

die Verwaltung auch nach Bedarf Richter, Beamte
und sonstige Bedienstete sowie Organe bestellen,
welche die Befähigung zur Amtierung und zum
Parteienverkehre auch in der Sprache dieser
sprachlichen Minderheit nachgewiesen haben.

Es mehren sich die Fälle, daß Staatsbeamte und
Staatsbedienstete, die in Gerichtsbezirken mit we-
nigstens 20% èechoslovakischen Staatsbürgern
deutscher Nationalität (ethnischer Zugehörigkeit)
ihren Dienst versehen, die deutsche Sprache über-
haupt nicht oder nur so mangelhaft beherrschen,
daß sie außerstande sind, mit Deutschen deutsch
zu sprechen. Dieser Zustand ist ein offenes Ge-
heimnis, er bedarf keiner Bescheinigung und ist
auch der Regierung bekannt.

Sollte dies die Regierung verlangen, sind die
Interpellanten jederzeit in der Lage, eine Fülle
von Tatbeständen zu bescheinigen, bei denen es
Deutschen unmöglich war, mit Staatsbeamten oder
Staatsbediensteten in Ausübung ihres verfassungs-
mäßig gewährleisteten Sprachenrechtes deutsch
zu sprechen, weil eben diese Staatsbeamten und
Staatsbedienstete oftmals trotz besten Willens,
sich zu verständigen, einfach nicht deutsch spre-
chen konnten.

Wenn man bedenkt, wie streng die Regierung
gefordert hat, daß deutsche Staatsbeamte die
èechische Sprache erlernen, erscheint es umso
unbegreiflicher, daß die Regierung nicht auch
verlangt, daß zumindest die kärglichen Schutzvor-
schriften, die der Artikel 68 der Sprachenverord-
nung- für das Erfordernis der Kenntnis der deut-
schen Sprache hinsichtlich der tschechischen
Staatsbeamten und Staatsbediensteten vorschreibt,
beachtet werden.

Während man dem deutschen Staatsbeamten bei
den Sprachprüfungen zumutet, daß er über alle
möglichen Doktorfragen der tschechischen Litera-
tur Bescheid weiß, sind oftmals tschechische
Staatsbeamte und Staatsbedienstete nicht im-
stande, eine einfache Auskunft in deutscher
Sprache zu geben.

Dieser Zustand ist unhaltbar, er schlägt den
an Sonntagen gepredigten Grundsatz der "Glei-
chen unter Gleichen" ins Gesicht und muß notwen-
diger Weise zur Verbitterung und Verzweiflung
der Deutschen führen.

Wir stellen an die Regierung die Anfrage:

1. Ist der Regierung bekannt, daß zahlreiche
Jechische Staatsbeamte und Staatsbedienstete
in Gerichtsbezirken mit wenigstens 20% tsche-
choslowakischen Staatsbürgern deutscher Natio-
nalität (ethnischer Zugehörigkeit) ihren Dienst
verrichten, die die deutsche Sprache in Wort und
Schrift entweder gar nicht oder höchst mangel-
haft in einem zum Dienstgebrauche unzureichen-
dem Ausmaße beherrschen? - oder verlangt die
Regierung von den Interpellanten die Bescheini-
gung dieser Zustände durch Namhaftmachung
von Auskunftspersonen und Vorlegung von Ur-
kunden ?

Z. Ist die Regierung bereit, Erhebungen dar-
über durchführen zu lassen, in welchem Ausmaße
èechische Staatsbeamte und Staatsbedienstete,
die in Gerichtsbezirken mit wenigstens 20% ce-
choslovakischen Staatsbürgern deutscher Nationa-

lität (ethnischer Zugehörigkeit) ihren Dienst ver-
sehen, die deutsche Sprache in Wort und Schrift
beherrschen?

3. Ist die Regierung bereit, die Unterbehörden
in Gerichtsbezirkssprengeln, in denen wenigstens
20% èechoslovakische Staatsbürger deutscher
Nationalität (ethnischer Zugehörigkeit) wohnen,
in der Weise inspizieren zu lassen, daß die Inspi-
zienten in deutscher Sprache eine Auskunft ver-
langen und sich bei dieser Gelegenheit von den
mangelhaften oder absolut unzureichenden deut-
schen Sprachenkenntnissen zahlreicher Staats-
beamten und Staatsbediensteter überzeugen?

4. Ist die Regierung bereit zu verfügen, daß
diejenigen Staatsbeamten und Staatsbediensteten,
die in Gerichtsbezirken ihren Dienst versehen, in
denen nach der letzten Volkszählung wenigstens
20% tschechoslowakische Staatsbürger deutscher
Nationalität (ethnischer Zugehörigkeit) wohnten,
entweder angewiesen werden, innerhalb einer an-
gemessenen Frist die deutsche Sprache zu erlernen
oder zu veranlassen, daß diese Staatsbeamten und
Staatsbediensteten aus diesen Gerichtsbezirks-
sprengeln in andere Bezirksgerichtssprengel, in
dienen weniger als 20 % Deutsche wohnen, versetzt
werden ?

Prag, am 1. August 1936.

G. Böhm, Hirte,

Nickerl, Röster, Illing, Dr. Peters, Fischer, Dr.
Kellner, Knöchel, Sandner, Ing. Richter, Hollube,
Axmann, Dr. Jilly, Budig, Knorre, Ing. Karmasin,
F. Nitsch, Sogl, Dr. Hodina, E. Köhler, Birke,
Stangl, Dr. Rösche.

Pùvodní znìní ad 603/XXV.

Interpellation

der Abgeordneten Gustav Obrlik und Franz
May

an den Minister des Innern und
den Minister für öffentliche Arbeiten

betreffend die schikanösen Beschränkun-
gen des Segelflugsportes am Rannayer
Berg.

Am Rannayer Berg im böhmischen Mittelge-
birge wird seit mehreren Jahren der Segelflug-
sport betrieben. Die Tätigkeit der Segelflieger war
sehr erfolgreich und hat auch dem cechoslova-
kischen Staate sportliche Ehren eingebracht; denn
im Jahre 1934 hat dort der Segelflieger Pietschak
mit 8 Stunden 16 Minuten auf dem Segelflugzeug
"Igo Etrich" einen offiziellen èechoslovaki-
schen Dauerrekord aufgestellt.

Man sollte also meinen, daß der Segelflugsport
am Rannayer Berg vom Staate wohlwollend ge-
fördert wird, und zwar schon deshalb, weil die


41

Flugbedingungen in dieser Gegend so ausgezeich-
net sind, wie sie in Europa nur selten vorkom-
men; denn der Rainnayer Berg mit seinen charak-
teristischen drei Kuppen steigt steil aus der Ebene
auf und bietet bei NW- und SO-Winden sehr
starke Aufwindzonen.

Der Segelflugsport wird aber nicht nur vom
Staate nicht gefördert, sondern unbegreiflicher
Weise eingeschränkt, obwohl hiefür nicht die ge-
ringsten Ursachen vorliegen. So wurde zum Bei-
spiel für den deutschen Turnverband ein Flug-
verbot erlassen und derzeit überhaupt die Flüge
nur in AuBnahmsfällen gestattet.

Sollten diese schikanösen Einschränkungen auf-
recht bleiben, entstünde der Verdacht, daß die
sportlichen Entfaltungsmöglichkeiten für die deut-
sche Volksgruppe in der Èechoslovakei Be-
schränkungen ausgesetzt ist, die nicht nur dem
Gesetze, sondern auch dem in der ganzen Welt
anerkannten Grundsatze, daß dem Sport aller Na-
tionen die gleiche Chance zur Entfaltung höchster
Leistungen geboten werden müsse, widersprechen.

Wir stellen daher an den Minister des Innern
und an den Herrn Minister für öffentliche Arbei-
ten die Anfrage:

Ist der Herr Minister des Innern und der Herr
Minister für öffentliche Arbeiten bereit, hinsicht-
lich der Ausübung des Segelflugsportes an dem
hiezu besonders geeigneten Gelände vor dem
Rannayer Berg nur solche Beschränkungen zu
veranlassen, die aus sicherheitspplizeilichen Grün-
den unbedingt geboten sind? Sind1 die befragten
Herren Minister bereit, zu veranlassen, daß alle
übrigen Beschränkungen sogleich aufgehoben
werden und sich der deutsche Segelflugsport in
unserer Republik frei entfalten kann?

Prag, den 1. August 1936.

Obrlik, May,

Rösler, Ing. Earmasin, Knorre, Budig, Ing. Kün-
zel, Dr. Jilly, Axmaim, Dr. Eichholz, Hirte, E.
Köhler, Dr. Kellner, Knöchel, Ing. Richter, Fi-
scher, Dr. Hodina, Sogl, F. Nitsch, Illing, Birke,
Nickerl, Gruber, Jäkel, Dr. Peters.

nicht geregelt; es beruht nur auf Gepflogen-
heiten.

Es liegt im Ermessen der Regierung, Äuße-
rungen von Fachverbänden oder von Vertretern
der Wissenschaft zu den von den Fachabtei-
lungen der einzelnen Ministerien ausgearbeiteten
Entwürfen einzuholen und diese Äußerungen in
interministeriellen Konferenzen zu erörtern.

Es ist selbstverständlich, daß die Regierung
bei diesen Akten des Ermessens an den nationalen
Gleichheitsgrundsatz der Verfassung gebunden
ist.

Die Interpellanten müssen feststellen, daß nur
sehr selten von deutschen Fachkörperschaften
und von Vertretern der deutschen Wissenschaft
Gutachten und Äußerungen zu Gesetzesentwürfen
eingeholt werden. Die Regierung ist zweifellos
verpflichtet, solche Äußerungen und Gutachten
ohne Rücksicht auf die Nationalität der den
Fachkörperschaften angehörenden Staatsbürger
oder der fachlich geeigneten Wissenschaftler ein-
zuholen.

Wir stellen daher an die Regierung die An-
frage:

Ist die Regierung bereit, in allen Fällen, in de-
nen Gesetzesentwürfe Fachkörperschaften oder
Vertretern der Wissenschaft zur Äußerung über-
geben werden, den nationalen Gleichheitsgrund-
satz streng zu beachten und in allen diesen Fäl-
len auch von deutschen Fachverbänden und Ver-
tretern der deutschen Wissenschaft Äußerungen
und Gutachten einzuholen?

Prag, am 18. August 1936.

Dr. Zippelins,

Illing, Dr. Rösche, Kundt, Franz Nìmec, Jäkel,
Klieber, May, Budig, Tng. Lischka, Wagner, Dr.
Hodina, Fischer, Ing. Schreiber, Frank, Ing. Kar-
masin, Wollner, Ing. Richter, Axmann, Nickerl,
Stangl, Hollube, Sandner.

Pùvodní znení ad 603/XXVI.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Fritz Zippelius
an die Regierung

wegen Beachtung des nationalen Gleich-
heitsgrundsatzes bei der Begutachtung von
Gesetzesentwürfen durch die Fachverbände
und Vertreter der Wissenschaft.

Das Vorverfahren über Gesetzesanträge der
Regierung, das vor deren Auflage in der Natio-
nalversammlung durchgeführt wird, ist gesetzlich

Pùvodní znení ad 603/XXVII.

Interpellation

des Abgeordneten Rudolf Sandner
an den Minister des Innern

betreffend die unbegründete Beschlag-
nahme der sudetendeutschen Völkerbund-
beschwerde gegen den Machnik-Erlaß und
anderer erlaubter Schriften durch die Poli-
zeidirektion in Brunn.

Am 9. Juli 1936 nahmen 15 Polizeiorgane unter
Führung des Kommissärs Dr. Josef Sekanina in
der Geschäftsstelle der Sudetendeutschen Partei
in Brunn, Dominikanerplatz 3, eine gründliche
Hausdurchsuchung vor.


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