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Die Herren Inspizienten haben sich Zeit ge-
lassen und die Räume in der Zeit von 1/2 12 Uhr
bis 1/4 14 Uhr gründlich durchsucht. Sie können
also nicht auf angeblichen Zeitmangel verweisen,
um die Beschlagnahme zahlreicher erlaubter
Schriften zu rechtfertigen.

Bei dieser Hausdurchsuchung wurde ohne je-
den Grund das Mitgliederverzeichnis der Brün-
ner Sudetendeutachen Partei - Ortsgruppe be-
schlagnahmt; dieses Verzeichnis wurde allerdings
am 11. Juli unter Entschuldigungen wieder frei-
gegeben.

Nicht freigegeben wurde hingegen die Bro-
schüre:,, Sudetendeutsche Beschwerde an den
Völkerhund gegen den Machnik-Erlaß", und
einiges andere vollständig unbedenkliche Material,
z. B. ein paar Gegenstände, die, noch mit dem
Buchstaben SHF bezeichnet waren usw.

Absolut unerklärlich ist es, warum die Völker-
bundbeschwerde gegen den Machnik-Erlaß be-
schlagnahmt wurde; denn was man in Genf wissen
darf, darf man in Brünn wohl auch wissen. Eine
solche Beschlagnahmepraxis ist geeignet, das
Ansehen unserer Verwaltungsbehörden vor der
gesamten europäischen Öffentlichkeit insbesondere
vor dem Genfer Völkerbund zu gefährden.

Bei dieser Gelegenheit sei noch vorgebracht,
daß der verhaftete und wieder freigelassene Be-
amte der Geschäftsstelle, Schrogl, der von Don-
nerstag 18 Uhr bis Samstag 11 Uhr in Polizeihaft
war, wahrend dieser ganzen Zeit mir zweimal
ein Essen bekam und zwar Freitag mittags und
abends. Überdies mußte er auf einem nichtüber-
zogenen Strohsack ohne Decke schlafen, - ein
schöner Einblick in die Verwaltung unserer Po-
lizeigefängnisse!

Wir stellen an den Heren Innenminister die
Anfragen:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt zu erheben?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, die Unter-
behörden darüber aufzuklären, daß die Petitionen
der Sudetendeutschen an den Völkerbund inner-
staatlich und völkerrechtlich legal und daher von
der Beschlagnahme ausgenommen sind?

3. Ist der Herr Innenminister bereit, dafür zu
sorgen, daß in den Polizeigefangnissen menschen-
würdige Zustände herrschen?

4. Ist der Herr Innenminister bereit, zu ver-
anlassen, daß die Beamten, welche die ungerecht-
fertigte. Beschlagnahme der Völkerbundsbe-
schwerde und die menschenunwürdige Behand-
lung des Schrogl zu verantworten haben, diszi-
pliniert werden?

Prag, am 13. August 1936.

Sandner,

F. Nitsch, Klieber, Dr. Rösche, Nickerl, Wagner,
Axmann, Illing, Ing. Künzel, Frank, E. Köhler,
Sogl, Stangl, Franz Nìmec, Wollner, Ing. Kar-
masin, Hollube, Ing. Schreiber, May, Dr. Hodina,
Kundt, Fischer.

Pùvodní znìní ad 603/ XXVIII.

Interpellation

des Abgeordneten Richard Knorre
an den Minister für Landwirtschaft

betreffend einen schweren Übergriff des
Waldhegers Dudek in Nikles, Bezirk Mäh-
risch Schönberg.

Am 10. Juli 1936 hatten die Turner des deutsch-
völkischen Turnvereines im Saale des Herrn Ho-
serek in Nikles eine Mitgliederversammlung.
Nach Schluß um 1/2 11 Uhr verließen die Turner
das Gasthaus und der 19jährige Josef Wagner
aus Nikles kehrte im Gausthause Josef Klameth
in Nikles ein, bestellte sich ein Sodawasser. In
dem Gasthause waren neben mehreren Gästen des
Ortes auch der èechische Waldheger Dudek
aus Nikles-Hof anwesend, der sofort Wagner
wegen seines Turnerabzeichens am linken Rock-
ärmel bedrängte und aufforderte, sofort das Ab-
zeichen zu entfernen. Wagner erklärte, daß es
erlaubt sei, das Turnerabsseichen zu tragen,
wurde aber vom Heger Dudek am linken Arme
erfaßt und wellte Genannter ihm den Rock mit
Gewalt herunterreißen. Wagner erklärte: "Bitte,
das ist doch mein Rock. " Dudek öffnete darauf
seinen Dieastrock, zeigte Wagner das Dienstab-
zeichen und schrie: "Im Namen der Republik
sind Sie verhaftet und müssen mit mir zur Gen-
darmerie gehen. " Er hält Wagner weiter beim
Rock und schrie. "Den Rock ausziehen, " griff in
seine Rocktasche, hielt Wagner den Revolver vor
und sagte: "Ich schieße Sie nieder - Rock aus-
ziehen. " Wagner zog darauf den Rock aus, lief
weg, konnte durch die Hintertür flüchten, wäh-
rend ihm Dudek mit dem Revolver nachsprang.
Nach diesem Vorfall war Dudek wie wütend, zog
seinen Dienstrock aus und sehlug ihn mit Ge-
walt auf den Fußboden.

Dudek verließ das Gasthaus, holte aus der
Nachbarschaft einen Èechen und kam um 12
Uhr abermals ins Gasthaus zurück.

Zeugen dieses Vorfalles waren: Johann Katzer,
Johann Wolf, Johann Diwisch, Josef Wagner,
Marie Klameth, Gastwirtin, alle aus Nikles, die
auch ein aufgenommenes Gedächtnisprotokoll
bereits als Zeugen unterschrieben haben.

Wir stellen an den Herrn Minister für Land-
wirtschaft die Anfragen:

1. Ist der Herr Minister für Landwirtschaft
bereit den Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Minister bereit zu veranlassen,
daß gegen den Waldheger Dudek das Disziplinar-
verfahren eingeleitet wird?

Prag, am 13. August 1936.

Knorre,

Kundt, Sandner, Ing. Richter, Wollner, F. Nitsch,
Stangl, Illing, Hollube, Rösler, Klieber, Dr. Ho-
dina, Dr. Rösche, Fischer, Ing, Karmasin, Jäkel,
Axmann, Sogl, Franz Nìmec, Ing. Künzel, E.
Köhler, Hirte, Nickerl, Gruber.


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Pùvodní znìní ad 603/XXIX.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Wolfgang Richter
an den Minister des Innern

wegen Vornahme von Schein-Amtshand-
lungen aus nationalchauvinistischen Mo-
tiven durch den Gendarmerie-Oberwacht-
meister in Salesel.

Die Zeitungen meldeten folgenden unerhörten
Sachverhalt:

"Der Deutsche Turnverein Salesel a. E. veran-
staltete dieser Tage ein Sommerkränzchen, an
dem u. a. auch einige èechische Gymnasiastinnen,
die dort zur Vervolkommnung ihrer deutschen
Sprachenkenntnisse ihre Ferien verbringen, teil-
nahmen. Zum Erstaunen der Festgäste wurde
die herrschende frohe Stimmung durch das Auf-
treten von Gendarmen, gestört, die die èechi-
sehen Besucherinnen aufforderten, den Festplatz
zu verlassen, da sie "noch nicht 16 Jahre alt
seien". Die derart Brüskierten verwahrten sich
gegen die unberechtigte Aufforderung und
konnten tatsächlich die Erreichung und Über-
schreitung der Altersgrenze von 16 Jahren nach-
weisen. Am nächsten Tage erhielten sie jedoch
sämtliche Vorladungen zur Gendarmerie, wobei
ihnen der Saleser Oberwachtmeister mitteilte,
daß sie die Aufforderung seiner Bevollmächtigten
mißverstanden hätten. Das mit den 16 Jahren
wäre nur ein Vorwand gewesen, der wirkliche
Zweck war, ihnen vor Augen zu führen, daß sie
als Èechinnen auf einer deutschen Unterhal-
tung nichts zu suchen hatten. Nachdem er ihnen
vorgeworfen hatte, daß sie mit dem gezahlten Ein-
trittsgeld eine deutsche Sache mit zu unterstützen
halfen, drohte er ihnen mit der Anzeige an ihre
Schulleitung, ohne deren Bewilligung sie angeb-
lich keine öffentliche Unterhaltung besuchen dür-
fen. Auch wäre es unpassend mit den deutschen
Burschen zu verkehren, die sich immer mit "zwei-
mal acht" d. i. "Heil Hitler" grüßten. Ein derarti-
ger Verkehr wäre "unsittlich". Zum Schluß gab
er ihnen den guten Rat, den deutschen Umgang
zu meiden und nie wieder nach Salesel zu kom-
men".

Aus diesem Sachverhalt geht hervor, daß die
Gendarmerie genau wußte, daß die Gymnasiastin-
nen in einem Alter stehen, das sie zur Teilnahme
an Tanzunterhaltungen berechtigt: trotzdem hat
die Gendarmerie gegen besseres Wissen Schein-
amtshandlungen und Verfügungen vorgenommen,
zu denen sie nicht berechtigt war. Nur national-
chauvinistischer Haß und offenbare Abneigung ge-
gen die von amtswesren gepredigte Symbiose, war
der Anlaß und die Ursache der durchaus ungehö-
rigen Kontrollhandlungen. Verfügungen, Ladungen
und Einvernahmen gegenüber der èechischen Gym-
nasiastinnen.

Wir stellen an den Herrn Minister des Innern
Hin Anfrage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, gegen
sämtliche an den Untersuchungen beteiligt gewe-
senen Gendarmen in Salesel das Disziplinarverfah-
ren einleiten zu lassen?

P r a g am 13. August 1936.

Ing. Richter,

Sandner, Hollube, Dr. Rösche, Kundt, Dr. Hodina,
Illing, Sogl, Stangl, Ing. Karmasin, Frank, F.
Nitsch, Klieber, Axmann, May, G. Böhm, Woll-
ner, Jäkel, Ing. Künzel, Nickerl, Franz Nìmec,
Rösler.

Pùvodní znìní ad 603/XXX.

Interpellation

der Abgeordneten Georg Böhm und Ernst
Köhler

an den Innenminister

betreffend Beschlagnahme von Mitglieds-
büchern der Sudetendeutschen Partei im
Verwaltungssprengel des politischen Be-
zirkes St. Joachimsthal.

Im Verwaltungssprengel des Bezirkes St. Joa-
chimsthal wurden wiederholt Mitgliedsbücher der
Sudetendeutschen Partei beschlagnahmt. Es han-
delt sich hier nicht um Einzelfälle, sondern um
typische Erscheinungen. An der Beschlagnahme
hat auch die Gendarmerie und ein Kommandant
der Finanzwache Schöttka in St. Joachimsthal mit-
gewirkt.

Es wurden Mitgliedsbücher der Parteimitglieder
Franz Zumpf, Voigtsgrün, und Eduard Maier,
Gottesgab, beschlagnahmt. Die Vorsprachen we-
gen Zurückstellung der Mitgliedsbücher blieben
ergebnislos. Sollten diese Mitgliedsbücher noch das
Zeichen SHF tragen, besteht keine Ursache zur
Beschlagnahme, denn hier handelt es sich nicht
um eine öffentliche Kundmachung dieser Buchsta-
ben, die übrigens auch nicht ausdrücklich verboten
sind. Auf jeden Fall müßten über solche Beschlag-
nahmen begründete Bescheide mit Rechtsmittel-
belehrung herausgegeben werden.

Wir stellen an den Herrn Innenminister die An-
frage:

1. Ist der Herr Innenminister bereit, den be-
gründeten Sachverhalt erheben zu lassen?

2. Ist der Herr Innenminister bereit, bekannt-
zugeben, auf Grund welchen Gesetzes die Be-
schlagnahme erfolgte?

3. Ist der Herr Innenminister bereit, die Unter-
behörde darüber aufklären zu lassen, daß die Be-
schlagnahme von Mitgliedsbüchern der Sudeten-
deutschen Partei nicht im Gesetze begründet ist
und daher zu unterbleiben hat?

Prag, am 14. August 1936.

G. Böhm, E. Köhler,

Fischer, Nickerl, Sogl, Dr. Eichholz. Ing. Karma-
sin. Rösler, Knorre, Axmann, Budig, Hirte, Il-
ling, Ing. Künzel, Jäkel, F. Nitsch, Dr. Hodina,
Dr. Jilly, Gruber, Ing. Richter, Dr. Kellner, Knö-
chel, Birke.

Státni tiskárna v Praze. - 4600-16.


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