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des Rechtes und für soziale Hilfe, Ortsgruppe
Reichenberg" ein Sommerfest auf dem Turnplatze
in Berzdorf bei Reichenberg angemeldet. Bei
diesem Sommerfest sollten auch verschiedene Lie-
der vorgetragen werden und selbstverständlich
sollte das Sommerfest für den Verein zu seiner
Popularisierung und zur Propagierung seiner
Ziele benützt werden. Das Sommerfest wurde ter-
mingemäß angemeldet und die Liedertexte, wie
auch die Texte der zu verwendenden Losungen
vorgelegt.

Die Polizeidirektion in Reichenberg hat nun
sämtliche Losungen verboten und die harmlosen
Liedertexte, die auf unzähligen Arbeiterveranstal-
tungen, selbst im Gebiete des Bezirkes Reichen-
berjr, vorgetragen wurden, in einer Weise konfis-
ziert, die allen demokratischen Grundsätzen Hohn
spricht. So wurde aus dem Liede: "Hoffnung" von
August Brosse die 2. Strophe in folgendem Wort-
laut als die öffentliche Ruhe und Ordnung gefähr-
dend konfisziert: "Hoffnung beseelt, durch ge-
knechtete Lande dringt der ersehnte, der weckende
Strahl, wieder vereinend zerrissene Bande, alles
beglückend, ins irdische Tal".

Aus dem Liede "Der Arbeit Lied" vom Wenzel
Breuer wurde folgende Stelle konfisziert: "Es ist
das Volkslied unserer Zeit, der waffen- und
maschinenstarren, des Volks, das nach Erlösung
schreit und nicht mehr will in Knechtschaft
harren. Es bricht sich Bahn im Sturmeschore, der
Arbeit Volk schart sich zu Hauf; es tun sieh ihm
die hellen Tore befreiender Erkenntnis auf".

Aus dem "Marsch der Stürmer" von A. Hidas
wurden die erste und die zweite Strophe folgenden
Wortlautes konfisziert: "1. Durch Engen. Die
Schlacht kennt keine Gnade im Arbeitssturm! Die
Klasse ist Brigade zum Arbeitssturm. Die Macht
ein Schlag, der dröhnt bei Nacht und Tag. der
schürt die Ofenglut zum Lavastrom, zum Strom
aus Stahl, zum heißen Lavastrom aus Stahl.

2. Granaten, auf tausend Dnjeprowerken dröhnt
Arbeitssturm. Nichts rührt an unserer Stärke im
Arbeitssturm. Faszist, Faszist, Du gehst auf
Raub, auf Krieg und Raub; und Kohle, Stahl, ein
mächtiger Strom im Arbeitssturm, spült Dich
hinweg, elender Wurm!"

Alles das "aus Gründen der Gefährdung der
öffentlichen Ruhe und Ordnung"!

Die vorgelegten auf Transparenten angebrach-
ten Losungen wurden ebenfalls konfisziert:

"Werdet Mitglieder der Solidarität!", "Übt Soli-
darität!", "Kämpft für die Freilassung Thälmann?
und Andres!".

Ferner Losungen für die spanischen Freiheits-
kämnfer und andere Losungen, die sich aus-
schließlich mit der Verteidigung des Rechtes und
der sozialen Hilfe und der internationalen Solida-
rität des werktätigen Volkes befassen.

Es werden also einem gesetzlich zugelassenen
Verein selbst die Mitgliederwerbungen unmöglich
gemacht. Das Verbot entbehrt in der Tat auch der
fadenscheinigsten Begründung.

Bei einer solchen unerhörten Praxis der Polizei-
direktion in Reichenberg, bei einer solchen krassen
Verletzung der gesetzlichen Rechte der arbeiten-
den Bevölkerung in einem Gebiet, in dem die
klassenbewußte Arbeiterschaft im schwersten
Kampf gegen die faszistische Gefahr steht, kann
nicht länger untätig zugesehen werden. Dieses

ausgesprochen parteiische Vorgehen der Reichen -
berger Polizeidirektion bedeutet in der Tat nichts
anderes, als eine Stellungnahme der Reichenber-
ger Polizeidirektion für die Faszisten.

Wir fragen deshalb den Herrn Minister des
Innern:

1. Ist dem Herrn Minister diese unerhörte, ge-
setzwidrige, parteiische Praxis der Reichenberger
Polizeidirektion bekannt ?

2. Ist der Herr Minister bereit, die an diesem
Vorgehen schuldigen Beamten zur Verantwortung
zu ziehen und von ihrem Posten zu entfernen?

3. Ist der Herr Minister bereit Vorkehrungen zu
treffen, damit die an diesem Vorgehen Schuldigen
strengstens bestraft werden ?

4. Was gedenkt der Herr Minister zu tun, damit
sich derartige Fälle nicht wiederholen können?

Prag, am 2. September 1936.

Beuer,

Fušèiè, Procházka, Dr. Clementis, Široký, Dölling,
Schmidke, Šverma, Vodièka, Kosik, Schenk, B.
Köhler, Hodinová-Spurná, Slanský, Machaèová,
Nepomucký, Borkaòuk, Sliwka, Kopøiva, Synek,
Krosnáø.

Pùvodní znìní ad 619/VII.

Interpellation

des Abgeordneten Gustav Beuer
an den Minister des Innern

wegen der beabsichtigten Wiederkehr des
spanischen Exkönigs in die Èechoslovakei.

Die Umstände, unter denen die Flucht des spa-
nischen Exkönigs aus der Èechoslovakei erfolgte,
haben klar bewiesen, daß er das Gastrecht, das
ihm die èechoslovakische Regierung gegen den
Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung ge-
währte, dazu mißbraucht hat, um gegen die legale
Regierung Spaniens zu konspirieren. Der Pilot
Cathart Jones, der unter den Augen, ja sogar
unter direkter Mitwirkung amtlicher Stellen mit
seinem Flugzeuge fliehen konnte, erklärte selbst
in der englischen Presse, daß die beiden spani-
schen Adeligen, die er nach Königswart gebracht
hat, hohe Funktionäre - der eine ist Flugminister
- der spanischen Rebellengeneräle sind und daß
ihre Flugreise dem Einkaufe von Waffen und
Flugzeugen diente. Ein Zweifel an der konspira-
tiven Tätigkeit des Exkönigs ist also vollkommen
ausgeschlossen.

Nun erhielt der Besitzer des Schlosses Metter-
nich in Königswart, Graf Zamojsky, ein Schreiben,
worin ihm der Exkönig mitteilt, daß er im Laufe
der nächsten Tage in die Èechoslovakei zurück-
kehren und nach Rauschenbach kommen werde.
Zweifellos ist Alfons zu dieser geradezu provoka-
torisch wirkenden Ankündigung durch die ihm und
den anderen spanischen Reaktionären von den


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tschechoslovakischen Staatsbehörden erwiesene Tole-
ranz ermutigt worden. Besonders die Tatsache,
daß die Abgesandten des Generals Mola trotz der
Flucht des Kurierflugzeuges unbehelligt blieben
und in Ruhe abreisen konnten, daß ferner noch
immer keine Ausweisung des früheren spanischen
Gesandten Tovar erfolgt ist, scheint in ihm den
Glauben erweckt zu haben, daß sich die Tschecho-
slovakei am besten als Tummelplatz der gegen das
spanische Volk verschworenen Reaktionäre eigne.
Umso größer ist die Empörung der werktätigen
Bevölkerung, die durch ihre Aktion den Exkönig
zum Verlassen des Landes zwang. Waren schon
die Umstände, unter denen seine und seiner
Freunde Flucht erfolgte, eine Schande für die
tschechoslovakische Demokratie, so wäre es ein poli-
tischer Skandal ohnegleichen, ein beispielloser
Verrat an der befreundeten spanischen Regierung
und eine schmachvolle Kapitulation vor der faszi-
stischen Reaktion, wenn ihm die Möglichkeit zur
Wiederkehr in die Tschechoslovakei gegeben würde.

Wir fragen den Herrn Minister:

1. Ist er bereit, sofort anzuordnen, daß dem
Exkönig unter keinen Umständen eine Einreise-
bewilligung erteilt wird?

2. Ist er bereit zu veranlassen, daß Alfons im
Falle der Überschreitung der tschechoslovakischen
Grenze verhaftet und dem Gerichte übergeben
wird ?

Prag, am 3. September 1936.

Beuer,

Dr. Clementis, Fušèiè, Procházka, Schmidke, Döl-
ling, Synek, Vodicka, Kosik, B. Köhler, Schenk,
Œliwka, Široký, Šverma, Slanský, Hodinová-
Spurná, Machaèová, Nepomucký, Borkaòuk, Ko-
pøiva, Krosnáø.

Pùvodní znìní ad 619/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Ing. Franz. Karmasin

an den Minister für Industrie, Handel und
Gewerbe

wegen Umgehung der Regierungsverord-
nung vom 16. Juli 1935, Slg. d. G. u. V. Nr.
162, durch das Prager Warenhans Brouk
und Babka.

Die Prager Firma Brouk und Babka meldete im
Jahre 1935 beim städtischen Notariatsamte in
Bratislava als Gewerbebehörde erster Instanz eine
Gemischtwarenhandlung mit dem Standorte in
Bratislava, Republikplatz 34-35, an und der Ge-
werbeschein wurde von dieser Behörde unter Zahl
34. 590/obchod/1935 erteilt. Über Einspruch des
Handelsgremiums in Bratislava wurde der zitierte
Gewerbeschein von der Landesbehörde in Brati-
slava unter Zahl 307. 774/35/13 aufgehoben. Dar-

aufhin meldete Herr Bohuslav Brouk, Mitinhaber
des Prager Warenhauses Brouk und Babka beim
Notariatsamte in Bratislava den gewerbemäßigen
Handel mit Textilwaren, Wäsche, Konfektion,
Hüte, Schuhe, Möbel, Sportartikel, Musikinstru-
mente und Schmuck, an und es wurde ihm der
diesbezügliche Gewerbeschein am 25. Feber 1936
unter Zahl 4344/obchod/1936 vom städtischen No-
tariatsamte in Bratislava erteilt.

Nach dem in der Slovakei gültigen Gewerbe-
gesetze, Slg. d. G. u. Vdg. Nr. 259/24, darf der
Gewerbeschein nur für eine und nicht für neun
verschiedene Waren, bzw. Warengattungen aus-
gestellt werden, was das Handelsgremium in Bra-
tislava veranlaßt hat, gegen die Erteilung des
Gewerbescheines am 21. April 1936 Einspruch zu
erheben. Das städtische Notariatsamt in Brati-
slava hat diesen Einspruch abgewiesen und es
läuft gegenwärtig noch das Rechtsmittelverfahren
bei der Landesbehörde in Bratislava.

Trotzdem fand die Eröffnung des Warenhauses
Bohuslav Brouk am 1. September 1936 statt.

Die Eröffnung eines Warenhauses durch Herrn
Bohuslav Brouk, Kaufmann in Prag, stellt eine
Umgehung der Reg. Vdg. vom 16. Juli 1935 über
zeitliche Beschränkungen in einigen Unterneh-
mungszweigen dar. weil das unter der Firma
Bohuslav Brouk in Bratislava betriebene Geschäft
wirtschaftlich und tatsächlich eine Filiale des
Prager Hauptgeschäftes darstellt. Das Warenhaus
Bohuslav Brouk in Bratislava ist nach denselben
Verkaufsgrundsätzen organisiert wie die Firma
Brouk und Babka und bezieht auch sämtliche
Waren von dieser Firma. Das Haus, in dem sich
das Warenhaus Bohuslav Brouk in Bratislava be-
findet, ist Eigentum der Firma Brouk und Babka.
die es nur zu dem Zwecke erworben hat, ein
Filialgeschäft zu betreiben. Bohuslav Brouk ver-
wendete für die Plakate, die zur Eröffnung des
Warenhauses Bohuslav Brouk einluden, die glei-
chen Klischees und die gleiche Aufmachung wie
die Firma Brouk und Babka.

Es wurde ferner festgestellt, daß vom städti-
schen Notariatsamte in Bratislava als Gewerbe-
behörde erster Instanz einem gewissen Dalibor
Herrmann am 7. August unter Zahl 6354/obchod/
1936 ein Gewerbeschein für Textilwaren, Wäsche.
Konfektion, Hüte, Schuhe, Möbel, Sportartikel,
Musikinstrumente und Schmuck (also im gleichen
Umfange wie die Firma Bohuslav Brouk). und
zwar ebenfalls für das Haus der Firma Brouk und
Babka in Bratislava, Reuublikplatz 34-35, erteilt
wurde, was offensichtlich den Zweck hat, das
Filialgeschäft der Firma Brouk und Babka in Bra-
tislava unter der Firma Dalibor Herrmann im
gleichen Umfange und in den gleichen Geschäfts-
lokalitäten weiterzuführen, falls der dem Bohu-
slav Brouk erteilte Gewerbeschein für ungültig
erklärt werden sollte.

Es besteht kein Zweifel, daß die vorgeschilder-
ten Maßnahmen der Firma Brouk und Babka des
Herrn Bohuslav Brouk und des Herrn Dalibor
Herrmann nur den einen Zweck verfolgen, im be-
wußten Zusammenwirken das durch die Regie-
rungsverordnung vom 16. Juli 1935, Slg. d. G. u.
Vdg. Nr. 162, ausgesprochene Verbot von Filial-
gründungen zu umgehen, nachdem es dem Prager
Warenhaus Brouk und Babka infolge der Ent-
scheidung der Landesbehörde in Bratislava, Zahl
307. 774/35/13, nicht gelungen war in Bratislava
ein Zweiggeschäft zu errichten.


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Würden die Gewerbebehörden erster und zwei-
ter Instanz es durch ihre Praxis dulden, daß das
Filial-Neugründungsverbot in der oben beschrie-
benen Weise umgangen wird, so wäre dies ge-
eignet, das Vertrauen der Bevölkerung, insbeson-
dere jedoch der Kleingewerbetreibenden an die
Gerechtigkeit und Objektivität der staatlichen Be-
hörden zu untergraben, da man hierin nur eine
neuerliche Bestätigung des alten Sprichwortes er-
blicken würde: "Die Kleinen hängt man, die
Großen läßt man laufen".

Wir fragen daher an, ob der Herr Minister
bereit ist,

1. den oben geschilderten Fall Brouk und
Babka, Bohuslav Brouk und Dalibor Herrmann
durch die staatliche Gewerbebehörde auf das ge-
naueste überprüfen zu lassen;

2. dafür Sorge zu tragen, daß die Regierungs-
verordnung vom 16. Juli 1935, Slg. d. G. u. Vdg.
Nr. 162, übet die zeitlichen Beschränkungen in
einigen Unternehmungszweigen dem Sinne des
Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers und
nicht nur dem Wortlaute nach durchgeführt
werde, und daß in Zukunft allen wie immer ge-
arteten Umgehungen der zitierten Regierungs-
verordnung mit aller Strenge von den Gewerbe-
behörden entgegengetreten wird;

3. zu veranlassen, daß die Erhebungen und Ent-
scheidungen in der Gewerbesache Bohuslav Brouk
möglichst beschleunigt werden;

4. dafür Sorge zu tragen, daß die Beamten,
welche für den offensichtlichen Rechtebruch ver-
antwortlich sind, in Disziplinaruntersuchung ge-
zogen werden und den Interpellanten das Ergeb-
nis der Disziplinaruntersuchung bekannt gegeben
wird ?

Prag, am 10. September 1936.

Ing. Karmasin,

Röster, Jäkel, Frank, Franz Nìmec, Nickerl,

Obrlik, Stangl, F. Nitsch, Wagner, Illing, Fischer,

Sandner, Hollube, May, Sogl, Dr. Hodina, Kundt,

Axmann, Wollner, Gruber, Dr. Rösche.

Pùvodní znìní ad 619/IX.

Interpellation

des Abgeordneten Adolf Jobst
an den Landwirtschaftsminister

wegen gesetzwidriger Zuteilung eines
Grundstückes in Kirchschlag-Friedrichsau
im Wege des verkürzten Zuteilungs-
verfahrens.

Im südlichen Böhmerwald liegt im Kataster
Kirchschlag, 20 km von Böhm. Krumau entfernt,
ein kleiner Ort "Friedrichsau", der mit den Orts-
teilen "Blockberg" und "Teufel im Wald" in 36
weit zerstreut liegenden Häusern 240 Einwohner

zählt. In dieser Gemeinde werden wie in anderen
Böhmerwaldgemeinden die nach der Pachtgrund-
ablösung noch verbliebenen Pachtgrundstücke im
Wege des sogenannten verkürzten Zuteilungsver-
fahrens zugeteilt und verkauft. In der Gemeinde
Kirchschlag haben wir an Ort und Stelle festge-
stellt, daß nach dem Zuteilungsverzeichnis insge-
samt rund 69 ha an 24 Parteien zugeteilt werden
sollen und zwar zumeist an die langjährigen
Pächter und alten Wirtschafter. Die wertvollste
Siedlungsstelle, die Wirtschaft Nr. 10, erhielten
aber nicht die langjährigen Pächter, sondern
Helene Fuchs, die minderjährige Tochter eines
jüdischen Advokaten, der in Böhm. Krumau, also
20 km weit entiernt wohnt. Der Zuteilungspreis
ist vom Landwirtschaftsministerium mit 5635 Kè
bestimmt worden, also mit 550 Kè per 1 ha, wäh-
rend andere Bewerber für schlechtere Grund-
stücke das dreifache zahlen sollen, damit der ge-
samte Übernahmspreis erreicht wird.

Friedrichsau wurde im Jahre 1833, also vor 100
Jahren zur Urbarmachung der sogenannten Kirch-
schläger Au vom Fürsten Schwarzenberg gegrün-
det. Zu den schon bestehenden zwei Siedlungs-
stellen wurden noch 22 Siedler aus der näheien
Umgebung ausgewählt und denselben bewilligt,
auf den unentgeltlich zugewiesenen Hausgrund-
stellen im wilden Moor Wohn- und Wirtschafts-
gebäude nach einheitlichen Plänen zu erbauen.
Jeder Siedler erhielt 30 Strich, zumeist arrondier-
ten Augrund zur Urbarmachung in Pacht. Die
Ansiedler und ihre Nachkommen sind arm geblic-
hen wie die ganze Gegend, sie hatten aber aas,
was heute so selten und begehrenswert geworden
ist, Boden, und vor allem Arbeit und wiederum
Arbeit. In einem langen, schweren und harten
Kampf mit der Natur brachten es die Leute so
weit, daß die Au bei jeder Siedlungsstelle Futter
für 4 bis S Stuck Vieh hergab, durch Torfstechen
gewannen sie den notwendigen Hausbrand und
erübrigten, wenn es gut ging, auch noch so viel,
daß sie das fehlende Brotgetreide zukaufen konn-
ten, welches in diesem Frost- und Hagelloch nur
bei gütigem Himmel spärlich gedeiht.

Nach Ablauf von 100 Jahren erreichten die
meisten Siedler bzw. ihre Nachkommen das Eigen-
tumsrecht, zumeist im Wege der Pachtgrundab-
lösung, nachdem sie an der verpachteten zum
kargen Ertrag urbar gemachten Scholle 100 Jahre
zäh festgehalten haben.

Beim Bezirksgericht und Grundbuch in Böhm.
Krumau haben wir hierüber folgendes festgestellt:

Die Zuweisung der ehemaligen Pachtsiedlungs-
stellen in Friedrichsau erfolgte gemeinsam mit
der Zuweisung der anderen Pachtgründe an ihre
langjährigen Pächter auf Grund des Kleinpacht-
ablösungsgesetzes Slg. Nr. 318/1919 mit Gerichts-
beschluß aus dem Jahre 1924. Da in einzelnen
Fällen im Zuerkennungsbeschluß des Gerichtes
das Flächenausmaß von 8. 9999 ha etwas über-
schritten war, rekurierte dagegen die Gebiets-
stelle des Staatsbodenamtes in Böhm. Budweis,
obwohl das angeführte Höchstausmaß in den
meisten Fällen nur um einige Ar überschritten
wurde. Infolge dieses Rekurses des Staatsboden-
amtes mußte eine Reihe von Pächtern wieder für
einzelne Grundstücke im Jahre 1925 vom Bezirks-
gericht das Eigentumsrecht aberkannt werden.
Dem Pächter Wagner der Wirtschaft Nr. 10
wurde das Eigentumsrecht im Jahre 1925 vom


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Bezirksgericht überhaupt abgesprochen, weil er
auch den kleinen Übernahmspreis nicht bezahlen
konnte. Die kleine, ihm eigentümlich gehörige
Hausgrundstelle fiel im Exekutionsweg an einen
gewissen Steffel in Kirchschlag, dem auch im
Jahre 1925 die an den Großgrundbesitz zurück-
gefallenen Grundstücke in Pacht gegeben wurden.

Bei der Zuteilung auf Grund des Bodenzutei-
lungsgesetzes wurde weder der alte noch der neue
langjährige Pächter berücksichtigt, noch deren
8 Kinder, noch die Gemeinde, sondern wie oben
angeführt, die minderjährige Tochter eines 20 km
entfernt wohnenden Advokaten in Bohm. Krumau,
der im Jahre 1934 von der daneben liegenden
Wirtschaft Nr. 11 die eine Hälfte um 25. 000 Kè
für seine Frau, die andere Hälfte um 33. 000 Kè
für sich mit Bewilligung des Bodenamtes erwor-
ben hat. Der Übernahmspreis für die jetzt zuge-
teilte 2. Pachtgrundstelle Nr. 10 im Ausmaß von
101/2 ha beträgt 5635 Kè.

Nach Schätzung der Ortsansässigen beträgt der
gemeine Wert dieser Grundstücke, an welche die
langjährigen Pächter schon 100 Jahre Arbeit ver-
braucht und in denen noch Torflager bis 7 m
mächtig vorhanden sind, weit über 100. 000 Kè bei
Rücksichtnahme auf den weiteren landwirtschaft-
lichen Betrieb der Siedlungsstelle. Wird der Torf
ohne Rücksichtnahme auf den landwirtschaftlichen
Betrieb gestochen und abgesetzt, ist der Wert
noch höher, allerdings ist dann der landwirtschaft-
liche Betrieb der Siedlung vernichtet.

Nach § 1 des Zuteilungsgesetzes ist der be-
schlagnahmte und übernommene Boden, insoweit
der Staat ihn nicht selbst oder für gemeinnützige
Zwecke verwendet, zuzuteilen: bei Einzelpersonen
an kleine Landwirte, Häusler, Kleingewerbe-
treibende, land und forstwirtschaftliche Ange-
stellte und Personen ohne Grundbesitz, und zwar
insbesondere an Legionäre und Angehörige der
èechoslovakischen bewaffneten Macht sowie Hin-
terbliebenen derselben, die im Krieg für das
Vaterland gefallen oder infolge der Kriegsdienst-
leistung gestorben sind, ferner an Kriegsinvalide
und Hinterbliebene nach Militärpersonen, die ge-
fallen oder infolge der Kriegsdienstleistung ge-
storben sind.

Er ist gar kein Zweifel, daß die angeführte Zu-
teilung an die minderjährige noch studierende
Tochter eines 20 km entfernt wohnenden Advoka-
ten, der, bzw. dessen Frau noch andere Güter be-
sitzen, gesetzwidrig ist und aufreden Fall, auch
wenn sie durch einen Irrtum entschuldigt werden

sollte, widerrufen werden muß, zumal die Gefahr
besteht, daß dadurch wenigstens 10 Personen der
Armenpflege einer ohnedies armen Gemeinde an-
heimfallen.

Es muß auch berechtigter Zweifel darin gesetzt
werden, daß der Advokat oder seine Tochter
selber hinter dem Pfluge gehen oder den Spaten
zum Torfstechen in die Hand nehmen und die
Siedlungsstelle nunmehr selber bewirtschaften,
wie es die Bodenreformgesetze bei der kleinen
Zuteilung ausdrücklich vorschreiben.

Wir haben 600. 000 Arbeitslose und im letzten
statistisch erfaßten Jahr 1934 wurden allein in
einem Jahre 2654 landwirtschaftliche Anwesen um
85, 918. 000 Kè, also um den Preis von 32. 300 Kè
für eine Bauernstelle versteigert und die Bauern
von der Scholle verdrängt.

Mit Rücksicht auf alle diese Tatsachen er-
lauben wir uns folgende Fragen an den Landwirt-
schaftsminister zu stellen:

1. Ist der Herr Landwirtschaftsminister bereit,
die gesetzwidrig erfolgte Zuteilung einer 10 1/2 ha
messenden ehemaligen Pachtsiedlungsstelle in
Friedrichsau im Kataster Kirchschlag zu wider-
rufen?

2. Wird der Herr Landwirtschaftsminister dafur
Sorge tragen, daß das Landwirtschaftsministe-
rium, bzw. das staatliche Gebietsamt für Boden-
reform in Böhm. Budweis diese selbstgenügsame
Siedlungsstelle neuerdings ausschreibt und dabei
in erster Linie die langjährigen Pächter oder die
Gemeinde als Zuteilungsberechtigte berücksichtigt
oder bodenständige, ortsansässige Bewerber,
welche die Scholle selbst bearbeiten und bewirt-
schaften ?

3. Wird der Herr Landwirtschaftsminister dafür
Sorge tragen, daß die Spekulation von Boden
ferngehalten wird, daß den Boden diejenigen er-
halten, welche auf ihm arbeiten oder auf ihm gern
mit eigenen arbeitshungrigen Händen arbeiten
wollen?

Prag, am 21. September 1936.

Jobst,

Gruber, Ing. Peschka, F. Nitsch, Ing. Schreiber,
Fischer, Dr. Zippelius, Dr. Kellner, Franz Nìmec,
Obrlik, Dr. Hodina, Ing. Lischka, Ing. Künzel,
Sogl, Wollner, Kundt, Sandner, Knorre, Illing,
Dr. Eichholz, Stangl, Jäkel, Dr. Rösche.

Státní tiskárna v Praze. - 5283-36.


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