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bestraft wurden. Hier müsste endlich einmal eine
starke Hand eingreifen, um solche Uibergriffe
von Soldaten, die nicht geeignet sind, das An-
sehen der Armee zu heben, von vornherein un-
möglich zu machen. «
Das sozialdemokratische »Trautenauer Echo«
dagegen, ein Blatt dem man gewiss weder Vor-
eingenommenheit gegen die Regierung noch gegen
die Armee zum Vorwurf machen kann, schreibt:
»Soldaten als Wegelagerer. - Es ist leider
nicht das erstemal, da berichtet werden muss,
dass friedliche Passanten ohne jede Ursache von
Soldaten nicht nur belästigt, sondern sogar tät-
lich angegriffen wurden. - Am vergangenen Sonn-
tag ist ein neuerlicher Uiberfall von Soldaten auf
harmlose Fussgänger erfolgt. - Als einige uns
bekannte Leute aus Nieder-Altstadt am vergan-
genen Sonntag, abends gegen 10 Uhr heimgingen,
sprang ihnen plötzlich am Fussteig beim Kudlich-
denkmal ein Soldat in den Weg, packte den einen
Fussgänger am Halse und versuchte ohne jeden
Grund auf ihn einzuschlagen. Der junge Mann
riss sich jedoch los und ergriff mit den anderen
die Flucht, weil indessen weitere sieben Soldaten
dazu gekommen waren und ihren Kameraden bei
der Schlägerei unterstützen wollten. Den Flie-
henden warfen die Soldaten Holzstücke nach,
wodurch ein junger Mann verletzt wurde. - Mit
diesem frechen Uiberfall war aber ihr Mut für
die Jagd auf Passanten erst gestiegen. In der
Nähe des Gasthauses Pettirsch griffen die Sol-
daten weitere Fussgänger an und versetzten
einem Mann, ebenfalls ohne jeden Grund einige
Ohtfeigen. Sein Bruder kam ihm zu Hilfe, geriet
mit den Soldaten in ein Handgemenge und musste
rasch die Flucht ergreifen, um sich vor weite-
ren Tätlichkeiten zu schützen. - Die herbeige-
rufene Polizei verhaftete drei Soldaten, wovon
zwei jedoch kurzerhand entflohen. Der eine konn-
te jedoch von einem Wachmann eingeholt wer-
den. - Dies ist der kurze Sachverhalt über den
jüngsten Uiberiall durch Soldaten. - Wir rich-
ten nun an das hiesige Militärkommando die An-
frage, ob es alle Mittel zu ergreifen geneigt ist,
um derartige, das Ansehen unserer Armee schmä-
lernde Untaten ganzer Gruppen von Militärper-
sonen für alle Zukunft unmöglich zu machen ?«
Die Erregung der deutschen Bevölkerung
über diese Vorfälle ist um so grösser, als es
nicht die ersten ihrer Art sind. Schon in der
Neujahrsnacht d. J. hatten sich Soldaten der hie-
sigen Garnison zu schweren Tätlichkeiten gegen-
über Zivilpersonen hinreissen lassen, ohne dass
bisher etwas von ihrer Bestrafung bekannt ge-
worden wäre.
Im Oktober 1933 endlich war der gefertigte
Dr. Adolf Kellner selbst Augenzeuge, wie Solda-
ten der hiesigen Garnison in der Rinnelstrasse in
Trautenau Zivilpersonen auf das schwerste miss-
handelten. Dr Adolf Kellner wandte sich damals
mit einer umfangreichen Darstellung des ganzen
Sachverhaltes an den Herrn Vertedigungsminister,
ohne dass ihm jedoch bisher die Ehre einer Ant-
wort zu teil geworden wäre. Auch in diesem Falle
ist nichts von einer Verfolgung oder Bestrafung
der Schuldigen bekannt geworden.
In diesem Zusammenhang kann auch der Um-
stand nicht unerwähnt bleiben, dass anscheinend
selbst den leitenden Stellen der Trautenauer Gar-
nison das Verständnis für ein entsprechendes Ver-
hältnis zur Civil-Bevölkerung abgeht. Dies illu-
striert am besten die Tatsache, dass anlässlich
der militärischen Feier des 28. Oktober d. J. am
hiesigen Ringplatz der Garnisonskommandant die
erschienenen Deputationen fast aller Vereine per-
sönlich begrüsste, nur nicht die Deputation des
Deutschen Turnvereines in Trautenau. An dieser
ging der Garnisonskoinmandant wort- und gruss-
los vorüber und ignorierte sie völlig, was natür-
lich nicht nur die Mitglieder des genannten Ver-
eines, sondern auch weite Teile der deutschen
Bevölkerung als eine ausgesprochene Brüskierung
auffassen mussten und aufgefasst haben. Zu einer
solchen erscheint aber der Staatsfeiertag eine
sehr wenig passende Gelegenheit, ganz abgesehen
davon, dass solche Fälle an und für sich kei-
neswegs geeignet sind, die Loyalität der deut-
schen Bevölkerung zu heben.
Die Gefertigten richten daher an den Herrn
Nationalverteidigungsminister die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, die gerügten
Tatbestände einer eingehenden Untersuchung zu
unterziehen und die Schuldigen der strengsten
Bestrafung zuzuführen?
2. Ist der Herr Minister bereit das Ergebnis
dieser Untersuchung der Oeffentlichkeit bekannt
zu geben?
3. Ist der Herr Minister bereit, dafür Sorge
zu tragen, dass dem Deutschen Turnverein in
Trautenau angemessene Genugtuung zuteil wird?
4. Ist der Herr Minister bereit, Vorkehrungen
zu treffen, dass sich solche, das Verhältnis -zwi-
schen Armee und deutscher Bevölkerung vergif-
tende Vorfälle in Zukunft nicht mehr wieder-
holen ?
Prag, den 23. November 1936.
Dr. Kellner,
Nickerl, Obrlik, Dr. Rösche, Axmann, Dr. Zippelius,
Hollube, Fischer, Stangl, Illing, Wollner, Sand-
ner, Dr. Eichholz, Dr. Hodina, Ing. Künzel, May,
Ing. Peschka, Jäkel, Dr. Peters, Ing. Lischka, Ing.
Schreiber, Kundt.
Pùvodní znìní ad 694/ XIV.
Interpellation
des Abgeordneten Josef Illing
an den Minister des Innern
wegen Nötigungsversuchen in Tiss
bei Fladen.
In der Gemeinde Tiss bei Pladen wurde von
der Gendarmerie der wichtigste Wirtschaftsbe-
34
trieb, ein Granitsteinbruch, an Jan Svoboda, Po-
lier der bisherigen Pächtfirma und Ortsgruppen-
öbmatin der Närodni Jednota verpachtet. Vor
dieser Verpachtung wurden den wirtschaftlich
abhängigen Gemeindevertretungsmitgliedern alle
möglichen Versprechungen gemacht, wenn sie ihre
Stimme für Jan Svoboda abgeben. Als jedoch
dennoch gegen Svoboda Stellung genommen wur-
de, forderten die Tschechen in der Gerneindever-
tretungs-SItzung: Anstellung Je eines der Staats-
sprache vollkommen mächtigen Gemeindesekre-
tärs, Flurenhegers und Nachtwächters, sowie An-
schaffung doppelsprachiger Gemeindebücher und
Drucksorten, trotz der schwierigen Geldlage der
Gemeinde.
Von tschechischer Seite wurde erklärt, dass
alle diese kostspieligen Forderungen zurückgezo-
gen werden würden, falls der Granitbruch an
Svoboda verpachtet würde. In der entscheiden-
den Gemeindevertretungssitzung erschien sowar
ein Beamter der Bezirksbehörde Luditz, der er-
klärte, dass alle Gemeindevertreter, welche nicht
für die Verpachtung an Jan Svoboda stimmen,
sämtliche Gerichtskosten der dann folgenden Kla-
ge der bisherigen Pachtfirma bezahlen mussten.
Unter diesen Umständen wurde die Verpachtung
an Jan Svoboda durchgeführt. Der Vertrag ent-
hält zwar eine Klausel, dass in den Granitwerken
nur »Ortsansässige« beschäftigt werden dürfen
und die Abfuhr der Steine nur an Ortsansässige
vergeben werden dürfe. Diese Klausel wird je-
doch durch Einstellung von »Spezialarbeitern«
umgangen. Ein tschechischer Gemeindevertreter
äusserte sich beim Verlassen des Sitzungsloka-
les: »Er (Jan Svoboda) kann ja beschäftigen, wen
er will; er braucht ja »Spezialarbeiter«. Es ist
bei den Auffassungen des Herrn Jan Svoboda
Selbstverständlich, dass solche »Spezialarbeiter«
aus tschechischen Gegenden herbeigeholt werden.
Tatsächlich schaltet und waltet Jan Svoboda
bei Arbeiterentlassungen willkürlich nach politi-
schen Motiven. So hat er zum Beispiel den Stein-
metzgehilfen Franz Wagner fristlos entlassen,
weil er an einem Samstag-Abend mit Anhän-
gern der SdP spazieren ging und den Herrn Polier
(Jan Svoboda) nicht grüsste. «
Wir Stellen an den Herrn Innenminister die
Artfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?
2. Ist der Herr Minister bereit, feststellen zu
lassen, ob die Bezirksbehörde Luditz auf die freie
Entschliessung der Gemeindevertreter anlässlich
der Verpachtung des Granitbruches an Jan Svo-
boda durch einen ihrer Beamten Einfluss genom-
men hat?
3. Ist der Herr Minister bereit, jede national-
politische Nötigung gegenüber der Arbeiterschaft
abstellen zu lassen?
4. Ist der Herr Minister bereit, gegen den
Beamten der Bezirksbehörde Luditz, der auf die
Verpachtung an Jan Svoboda in ungehöriger
Welse Einfluss genommen hat, das Disziplinar-
verfahren einleiten zu lassen?
Prag, am 23. November 1936.
Illing,
Klieber, Dr. Eiehholz, Ing. Künzel, Dr. Rösche,
Sandner, Axmann, Ing. Karmasin, Dr. Jilly,
Dr.
Hodina, Wollner, Franz Nìmec, May, Kundt,
Dr. Zippelius, Dr. Kellner, Jäkel, Obrlik, Ing.
Lischka, Gruber, Stangl.
Pùvodní znìní ad 694/XV.
Interpellation
des Abgeordneten Georg Wollner
an die Regierung
wegen drohender Ausschlachtung des
Fabriksbetriebes der »Cosmanos A. G.
in Grottau«.
Im Jahre 1932 wurde infolge Kreditentzuges
seitens der Živnostenská banka der Betrieb' der
Cosmanos A. G. in Grottau stillgelegt. Die gleich-
falls stillgelegte Druckerei in Kosmanos wurde
aber noch im gleichen Jahre wieder in Betrieb
gesetzt, während der Grottauer Betrieb heute
noch steht und in nächster Zeit, wie aus zu ver-
lässlicher Quelle, dem ehem. Direktor verlautet,
ausgeschlachtet werden soll.
Bereits während des Stillstandes wurden ca
10. 000 Spindeln ins Ausland verkauft. Nunmehr
wurde eine moderne Kunstsei den vorbereitungs-
rnaschine, die erst 1928/29 angeschafft wurde,
abmontiert und verladen. Auch die Ueberführung
eines Teiles der Werkstätteneinrichtung ist in die
Wege geleitet, wenn nicht schon durchgeführt. Die
Druckerei der gleichen Firma in Kosmanos muss
die Waren in fremden Betrieben in Lohn weben
lassen, sodass also Aufträge vorhanden wären.
Die Belegschaft des Betriebes in Grottau be-
trug vor der Stillegung 700-800 Mann, die immer
noch auf eine Wiederinbetriebnahme hofften. Wenn
nun die endgültige Ausschlachtung Tatsache wer-
den sollte, würde die Bevölkerung von Grottau
für immer dem Elend der Arbeitslosigkeit preis-
gegeben sein.
Wir stellen an die Regierung die Anfrage:
1. Ist der Regierung der gefügte Sachverhatt
bekannt?
35
2. Was gedenkt die Regierung gegenüber die-
ser drohenden Gefahr, die hunderte Arbeiter und
Gewerbetreibende in Grottau bedroht, zu veran-
lassen?
Prag, am 28. November 1936.
Wollner,
Klieber, Illing, Birke, Wagner, Knorre, Jobst,
Fischer, Kundt, Rösler, Jäkel, Axmann, G. Böhm,
Ing. Karmasin, Dr. Eichholz, Sogl, Gruber, Budig,
Dr. Köllner, Ing. Peschka, May, Dr. Kellner,
Knöchel, E. Köhler.
Pùvodní znìní ad 694/ XVI.
Interpellation
des Abgeordneten Adolf Jobst
an den Minister für Landwirtschaft
wegen Aufkündigung von Pachtverträgen
durch das Bodenamt.
Im Bezirke Tachau hat das Bodenamt sämt-
liche Pachtverträge mit 1. Oktober 1936 aufge-
kündigt. Alle Pächter, die bisher den zugewiese-
nen Boden bebauten, mussten die Feldfrüchte bis
1. Oktober 1936 abernten. Das Bodenamt beabsich-
tigt den Boden in eigener Regie zu bebauen und
zur Bestellung der Felder slowakische Arbeiter
heranzuziehen. Ausserdem sollen die slowakischen
Arbeiter auch den gesamten Fuhrwerksdienst
übernehmen, den bisher die Bevölkerung von
Purschau versah.
Im Zuge dieser Massnahmen wurde auch der
deutsche Heger Judas aus Purschau mit 1. Okto-
ber 1936 pensioniert. An seinen Platz tritt ein
Tscheche, namens Zboøil.
Dieses Vorgehen widerspricht dem im Min-
derheitenschutzvertrag und der Verfassung ge-
währleisteten Gleichheitsgrundsatze und steht vor
allem im Gegensatze und im Widersprüche zu
den Erklärungen des Herrn Staatspräsidenten, die
er in seinen letzten bedeutsamen Kundgebungen
abgegeben hat.
Die Bewohner von Purschau leben sehr dürf-
tig; sie bestreiten ihr Einkommen hauptsächlich
durch die Waldarbeit. Die Ansiedlung von Slo-
waken würde die Lebensexistenz der deutschen
Bewohner geradezu gefährden. In Purschau leben
fast 100% Deutsche.
Wir stellen an den Herrn Minister für Land-
wirtschaft die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, den gerügten
Sachverhalt erheben zu lassen?
2. Ist der Herr Minister bereit, zum Schütze
der Lebensinteressen der einheimischen Bevölke-
rung die Einstellung slowakischer Arbeiter in
Purschau verbieten zu lassen, da derartige Vor-
gänge im Gegensatze und im Widerspruche zu
den Erklärungen des Herrn Staatspräsidenten ste-
hen würden?
Prag, am 25. November 1936.
Jobst,
Kundt, Illing, Dr. Eichholz, Knorre, Wagner, E.
Köhler, Axmann, Klieber, Birke, Ing. Karmasin,
G. Böhm, Rösler, Fischer, Jäkel, Budig, Sogl, Dr.
Köllner, Dr. Kellner, Knöchel, May, Ing. Peschka,
Gruber.
Pùvodní znìní ad 694 XVII.
Interpellation
der Abgeordneten Adolf Jobst und
Ludwig Wagner
an den Minister des Innern und
an den Justizminister
betreffend die unterlassene Beschlagnah-
me eines Hetzartikels im » Šumavan, de-
mokratický list pro zájmy Pošumaví« und
wegen Verbotes einer Versammlung der
Sudetendeutschen Partei in Neuern unter
dem offenen Eindruck dieses
Hetzartikels.
Der » Šumavan, demokratický list pro zájmy
Pošumaví«, roèník 68 vom 11. Juli 1936, Nr. 54,
veröffentlicht unter der Merke »Místní a rùzné
zprávy« am genannten Tage nachstehenden Hetz-
artikel gegen eine für den 19. Juli 1936 vorbe-
reitete SdP-Versammlung in Neuern.
»Nach Eger - Neuern. Konrad Henlein genü-
gen die Lorbeeren nicht, auf welchen er sich
nach seiner Rede in Eger ausgeschlafen hat. Des-
wegen bereitet er für den 19. Juli eine neue,
grosse Tagung in Neuern vor. Nach allen bishe-
rigen Anzeichen scheint es, dass die Neuerner
Tagung in noch grösseren Ausmassen stattfinden
soll als die Versammlung in Eger. Ursprünglich
sollten an der Fahrt nach Neuern die Deutschen
bis von Böhm. Budweis, Böhm. Krumau und
Kaplitz im Süden und von Eger und Karlsbad im
Norden teilnehmen. Jetzt auf einmal hat sich der
Wind irgendwie gedreht - es ist nicht leicht zu
erraten, warum - und es kommen angeblich die
Teilnehmer an dem Neuerner Treffen nicht bis
von Böhm. Budweis und von Eger, sondern »nur«
von Prachatitz, Winterberg, Schüttenhofen, Plan,
36
Tachau, Hostau, Bischofteinitz, Bergreichenstein
und von Neugedein und Taus. Dafür wird aber
angeblich vertraulich wegen der Teilnahme mit
den Deutschen in Bayern verhandelt und unsere
Henleins freuen sich angeblich, dass sie in Neuern
mit den bayerischen Hakenkreuzlern ihr freudiges
»blutverwandtes« Wiedersehen feiern werden.
Die Neuerner Deutschen bereiten sich auf das
Treffen der Henleins schon gründlich vor und
freuen sich sehr darauf. Diesmal hat aber der
Druck einigen Gegendruck erweckt. Gegen das
Treffen der Henleins haben sich die Tschechen
aus der ganzen Gegend und die deutschen (auch
die tschechischen) Sozialdemokraten in Neuern
gestellt, welche alle ihre Kräfte, von Minister
Czech bis zu den Vertrauensleuten in den letzten
Gemeinden alarmiert haben; hinter den Sozialde-
mokraten stehen allerdings auch die Juden, von
denen es in Neuern eine sehr bedeutende Anzahl
gibt, sodass Neuern im Scherz Blochov genannt
wird. Diesmal spielt Henlein mit einem grossen
Feuer. Ich selbst wirke auf alle mögliche Art da-
hin, dass das tschechische Volk die Provokation
der Henleins in unserer Gegend ignorieren möge,
aber die Spannung im Volke ist gross. Ich will
glauben, dass die Regierung die staatsmännische
Prüfung besteht, welche sie beim Neuerner Hen-
leintreffen erwartet. Das Egerer Treffen hat va-
terlandsverräterisch ausgeklungen. Wenn ein
Fehler geschehen ist, dass nach der Egerer Re-
volte Henlein und seine Gehilfen wegen Vater-
landsverrates nicht gleich verhaftet und in Haft
gesetzt wurden, obwohl es sonnenklar ist. dass
sie sich dort des Verbrechens des Vaterlands-
verrates schuldig gemacht haben, darf unsere Re-
gierung nicht erlauben, dass es zu einem weite-
ren, noch verhängnisvolleren Fehler kommt, wenn
nicht nur die Autorität der Regierung (Henlein
will dem Ministerpräsidenten Dr Hodža in Neuern
auf seine Rede im Senat antworten!), sondern
auch die Reputation der Republik im Spiele
stände. Für die Henleins wurden im Neuerner
Bezirke bei den vorjährigen Wahlen in das Ab-
geordnetenhaus 6. 248 und in den Senat 5. 399
Stimmen abgegeben. Davon erhielten die Hen-
leins (Sudetendeutsche Partei) bei den Wahlen in
Neuern 1069 (in den Senat 932). Markt Eisenstein
1326 (1158), Dorf Eisenstein 297 (250), Bistritz
145 (124), Deschenitz 353 (304), im rein agra-
rischen Flecken 206 (186), Hämmern 439, Eisen-
strass 156. Glashütten 173. Sankt Katharina 173
(in Auborsko nur 10), Krotiv 37 usw. Es ist be-
achtenswert, welche grosse Stimmenanzahl die
Henleins in rein agrarischen Gemeinden erhielten:
Depoldowitz 91, Diwischowitz 83. Flecken 206,
Fuchsberg 163, Hadruwa 82, Chudiwa 109, Grün
293, St. Katharina 173 usw. ! Wenn das Treffen
bewilligt würde, wäre nichts sicherer als das, dass
alle, die den Henleins die Stimme gegeben haben,
am Henleintreffen in Neuern teilnehmen würden.
Und aus den weiteren Bezirken im Westen Böh-
mens und Südwesten würden bei der eifrigen Agi-
tation noch mehr Henleins kommen. Wenn der
Besuch des Neuerner Treffens auch den Bayern
ermöglicht würde, wäre die Tagung in Neuern
noch mächtiger, als das Treffen in Eger. Viel-
leicht würde es auch zu solchen Ereignissen kom-
men, dass dann die Konzentration der Gendarmen
(es ist selbstverständlich, dass 100 nicht genügen
werden) die Veimehrung der Finanzer an den
Grenzen und die Bereitschaft der Militärbesat-
zungen im entfernten Klattau und Taus kaum ge-
nügen würden! Deshalb wiederhole ich und - in
diesem Sinne mache ich auch besonders die ent-
scheidenden Stellen aufmerksam - dass das
Henleintreffen in Neuern sehr verhängnissvoll
werden könnte. Und die, welche über die Sicher-
heit des Vaterlandes wachen sollen, erinnere ich
an den mutigen und stolzen Ausspruch Dr Rašíns,
mit welchem er die deutschen Rebellanten be-
grüsste, als sie zu ihm zur Audienz kamen: »Mit
Rebellanten wird nicht verhandelt!«.
Vaclav Prunar. «
Tatsächlich wurde die genannte Tagung von
der Bezirksbehörde Klattau mit Bescheid vom 15.
Juli 1936, Zahl 12-479 ai 36 verboten und dort
dieselben Argumente geltend gemacht, die der
genannte Hetzartikel anführt. Der Zusammenhang
zwischen den Gründen des Hetzartikels und den
Gründen des Bescheides ist unverkennbar. Wir
haben hier einen klassischen Fall dafür, dass es
sich wiederholt ereignet, dass die Staatsanwalt-
schaft hetzerische Artikel, die gegen die Deut-
schen, also gegen ganze Gruppen der Bevölke-
rung gerichtet sind, anstandslos passieren lässt
und dass die Verwaltungsbehörde sich dem Ein-
fluss dieser Hetzartikel beugt und es unterlässt,
die Versammlungsfreiheit auch gegenüber solchen
Hetzereien zu stützen. Der Artikel behauptet,
ohne jeden Grund, das Egerer Treffen der Sude-
tendeutschen Partei sei vaterlandsverräterisch
gewesen. Der Artikel heisst es gut, dass Sozial-
demokraten sich gegen das Treffen stellen und
ihre Kräfte von Minister Czech bis zu den Ver-
trauensleuten in den letzten Gemeinden alarmiert
haben. Der Artikel verdächtigt ohne jeden Grund
die Veranstalter der Versammlung eines Zusam-
menwirkens mit Nationalsozialisten aus Bayern
und nannte gar zum Schluss die Deutschen Re-
bellanten. Solche hetzerische Artikel verstossen
gegen das Strafgesetz.
Die Staatsanwaltschaft in Klattau war ver-
pflichtet, im öffentlichen Interesse beim zustän-
digen Gerichte zu begehren, dass es gemäss § 493
St. P. 0. wegen Vorliegens des objektiven Tat-
bestandes des Vergehens nach § 14 des Schutz-
gesetzes, das Verbot der weiteren Verbreitung
der periodischen Druckschrift »Šumavan, demo-
kratický list pro zájmy Pošumaví«. roèník 68, vom
11. Juli 1936, èíslo 54, aussprechen.
Weil die Staatsanwaltschaft eine solche An-
tragstellung unterlassen hat, wird diese Interpel-
lation an den Herrn Justizminister gerichtet, un-
ter dessen Aufsicht die Staatsanwaltschaft steht.
Diese Interpellation wird aber zugleich auch
an den Herrn Minister des Innern gerichtet, denn
es geht nicht an, dass die Verwaltungsbehörden
vor der unverantwortlichen Hetze irgendeines
Schreiberlings kapitulieren und einfach mit den
Argumenten eines solchen Schreiberlings ein
37
Versammlungsverbot begründen, statt dass sie
die Machtmittel des Staates zum Schütze der
Versammlungsfreiheit gegen Hetzer aller Art zur
Verfugung stellt.
Wir stellen daher an den Herrn Justizmimstei
und an den Herrn Minister des Innern folgende
Anfragen:
1. Ist der Herr Justizminister bereit, den ge-
rügten Sachverhalt erheben zu lassen?
2. Ist der Herr Justizminister bereit, vom
Staatsanwalt in Klattau Aufklärung zu verlangen,
warum er untei lassen hat, gegen die genannte
Zeitschrift einen Antrag nach § 493 St. O. P. zu
stellen, obwohl der m der Interpellation genannte
Artikel offenbar gegen die Deutschen hetzt, un-
wahre hetzerische Gerüchte verbreitet und Deut-
sche schlechthin als Rebellanten bezeichnet?
3. Ist der Herr Justizminister bereit, unter-
suchen zu lassen, ob ein Anlass vorliegt, wegen
der schuldhaften Unterlassung der zuständigen
Staatsanwaltschaft ein Disziplinarverfahren ein-
zuleiten?
4. Ist der Herr Minister des Innern bereit,
dafür zu sorgen, dass in Hinkunft alle Behörden,
die die Versammlungspolizei ausüben, sich nicht
die Grunde eines Hetzartikels zu eigen machen
und vor solchen Hetzereien kapitulieren, sondern
gegenüber jeder chauvinistischen Hetze die Ver-
sammlungsfieiheit mit der ganzen Autorität und
mit allen Machtmitteln des Staates schützen?
Prag, am 25. November 1936.
Jobst, Wagner,
Axmann, Kundt, Ing. Karmasin, Fischer, Budig,
E. Köhler, G. Böhm, Dr. Köllner, Knöchel, May,
Dr. Kellner, Ing. Peschka, Sogl, Dr. Eichholz,
Röster, Birke, Klieber, Knorre, Gruber, Illing,
Jäkel.
Pùvodní znìni ad 694/XVIII.
Interpellation
des Abg. Rudolf Axmann
an den Minister für soziale Fürsorge
wegen der Handhabung des §§110 und
189 des Soz. Vers. Ges. durch die ver-
antwortlichen Organe der Bezirkskran-
kenversicherungsanstalt in Mähr. -
Schönberg.
In den letzten Wochen häufen sich bei den
Gefertigten die Klagen von Versicherten der Be-
zirkskrankenversicherungsanstalt in Mähr. -Schön-
berg darüber, dass die Versicherten nach einem
Krankenstande von höchstens 2-3 Monaten von
dieser Krankenversicherungsanstalt veranlasst
werden, um die Invaliditatsrente bei der Zentral-
sozialversicherungsanstalt in Prag anzusuchen.
Mit der Einbringung des Ansuchens um diese Ren-
te wird dann den Versicherten der Bezug des
Krankengeldes eingestellt. Hiebei stellen sich die
verantwortlichen Funktionäre dieser Bezirfcs-
krankenVersicherungsanstalt: der leitende Beam-
te und der Obman des Vorstandes auf den Stand-
punkt, die von den bezahlten Aerzten dieser Be-
zirkskrankenversicherungsanstalt vermutete Inva-
lidität berechtige den Versicherten nicht mehr
zum Bezüge des Krankengeldes. Nun wurden in
den uns bekannt gewordenen vielfachen Fällen
die Versicherten m der Regel mit dem Ansuchen
um Zuerkennung der Invaliditatsrente zirka 6-8
Wochen nach Ueberreichung des Ansuchens ab-
gewiesen. Wenn sie nach dieser Abweisung bei
der Bezirkskrankenversicherungsanstalt m Mähr. -
Schonberg dann um die Nach- und Weiterzahlung
des Krankengeldes oder um die Ausstellung eines
Bescheides vorstellig wurden, wurden sie von
den verantwortlichen Funktionären der Bezirks-
ki ankenversicherungsanstalt mit dem Hinweise
avf die Bestimmung des § 189 Abs. 1 des. Soz
Vers. Ges. abgefertigt, dass sie keinen Anspruch
auf einen Bescheid haben, weil sie diesen nicht
innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Einstel-
lung des Krankengeldes begehrt haben.
Unserer Meinung nach, ist auch die Bezirks-
krankenversicherungsanstalt in Mähr. -Schönberg
an die ganz klare Bestimmung des § 110 Abs. 1
des Soz. Vers. Ges. (Novelle 1934) gebunden, wo-
nach der Bezug der Invaliditätsrente erst nach
Ablauf der Zeit beginnt, während welcher der
Versicherte Anspruch auf Krankengeld besitzt.
Weiter sind wir der Meinung, dass sich aus die-
ser Gesetzesstelle der absolute Anspruch des Ver-
sicherten auf Krankengeld ergibt, selbst wenn der
Versicherte von den Vertrauensärzten der Zen-
tralsozialversicherungsanstalt als invalid befunden
wurde. Ferner sind wir der Meinung, dass die
Frist des § 189 Abs 1 nur für Fälle gilt, in denen
auf »Arbeitsfähigkeit« des Versicherten erkannt
worden ist. Schliesslich ist unsere Meinung, dass
die Begriffe »Arbeitsfähigkeit« und »Invalidität«
weder vom ärztlichen noch vom juristischen oder
verwaltunRStechnischen Standpunkte im Sinne
des Soz Vers. Ges., besonders aber des § 189
Abs. 1 dieses Gesetzes identisch sind.
Die Vorgangsweise der verantwortlichen
Funktionäre der Bezirkskrankenversicherungsan-
stalt in Mähr -Schönberg rücksichtlich der Bestim-
mungen der § 110 Abs. 1 und § 189 Abs. 1 des
Soz. Vers. Ges. (Novelle 1934) ruft unter den bei
dieser Bezirkskrankenversicherunsisanstalt Ver-
sicherten offenbar mit voller Berechtigung Unru-
he und Besorgnisse hervor, zumal sich diese
Handhabung des Gesetzes als eine schwere wirt-
schaftliche Schädigung der Versicherten aus-
wirkt! Bedeutet sie doch den Verlust des Kran-
kengeldes als einziger Einkommenquelle für 9-10
Monate!
38
Wir stellen daher an den Herrn Minister für
soziale Fürsorge die Anfrage:
1. Ist der Herr Minister bereit, auf Grund
des gesetzlichen Aufsichtsrechtes seines Ministe-
riums durch einen fachlich besonders geeigneten
Beamten des Ministeriums diesbezügliche einge-
hende Feststellungen bei der genannten Bezirks-
krankenversicherungsanstalt für die Zeit seit
Wirksamkeit der Novelle 1934 vornehmen zu
lassen?
2. Ist der Herr Minister bereit, wenn diese
Feststellungen positive Beweise für unsere Be-
hauptung ergeben:
a) alle diese Fälle mit der genauen Angabe
des Schadens, den die Versicherten seit 1. Juli
1934 erlitten haben, bekanntzugeben?
b) anzuordnen, dass die Bezirkskrankenver-
sicherungsanstalt in Mähr. -Schönberg den betrof-
fenen Versicherten das Krankengeld bis zur Er-
schöpfung des Anspruches eventuell unter Ab-
rechnung der bezogenen Invaliditätsrente nachzu-
zahlen hat?
c) die an der Schädigung der Versicherten
schuldigen verantwortlichen Funktionäre dieser
Bezirkskrankenversicherungsanstalt zur unnach-
sichtlichen Verantwortung zu ziehen und hierüber
zu berichten?
3. Ist der Herr Minister bereit, unverzüglich
die Novellierung der §§ 110 und 189 des Soz.
Vers. Ges. durch eine nicht umzudeutende Be-
stimmung zu veranlassen, damit ein derartiger
Missbrauch des Gesetzes in Hinkunft unmöglich
ist ?
4. Ist der Herr Minister bereit, mit allem
Nachdrucke dafür zu sorgen, dass an die ver-
antwortlichen Stellen in den Krankenversiche-
rungsanstalten nur Personen von wahrhaft sozi-
alem Denken gelangen können?
5. Ist der Herr Minister endlich zur ehesten
Ausschreibung der Wahlen in die Verwaltungs-
organe der Krankenversicherungsanstalten bereit
oder wünscht der Herr Minister eine Verewigung
des derzeitigen undemokratischen und gesetz-
widrige« Zustandes in diesen Anstalten und in der
Zentralsozialversicherungsanstalt?
Prag, am 26. November 1936.
Axtnann,
Illing, Birke, Wagner, Jobst, Fischer, Jäkel,
Knöchel, Kieber, Budig, Grober, Kundt, May,
Ing. Karmasin, Ing. Peschka, Dr. Köllner, Sogl,
O. Böhm, E. Köhler, Dr. Kellner, Dr. Eichholz,
Knorre. Röster.
Pùvodní znìní ad 694/ XIX.
Interpellation
des Abg. Dr. Alfred Rösche
an den Minister des Innern
betreffend die Vereinigung der Besitzer
von deutschen Vorkriegs-Reichs-
banknoten.
Eine »Vereinigung der Besitzer der Deutschen
Vorkriegs-Reichsbanknoten« (genehmigt vom Lan-
desamte in Prag am 19. Dezember 1935 und
unter Zahl 9670-3'35 Abt. 19 registriert) in Prag II,
Smìèky 7 a, Fernruf 289-01, Postscheckkonto
Prag No. 67. 703 und 302. 651, Verbandzeitung »Der
Deutsche Reichsbankgläubiger«, betreibt eine un-
gewöhnlich lebhafte Werbung unter der gesam-
ten Bevölkerung. Die ganze Art, wie diese Wer-
bung betrieben wird, macht es erforderlich, die
Geschäftsführung dieses Verbandes, dessen Tä-
tigkeit offenbar vom Landesamte gestattet wur-
de, zu überprüfen.
So beginnt zum Beispiel einer dieser Werbe-
briefe mit den Worten: »Wir machen Ihnen heute
eine Mitteilung von grösster Tragweite. Aus Lu-
zern und Zürich wird uns geschrieben, dass für
die erste Prozessaktion ein Vergleich gesichert ist
und dass damit das erste internationale Prozess-
verfahren mit einem Siege gegen die Reichsbank
uls erledigt betrachtet werden kann. « In dieser
grosszügigen Art korrespondiert die genannte
Vereinigung auch mit den einfachen Leuten und
erweckt hiedurch den Anschein, als ob ihr be-
deutende Einflüsse auf die Regelung der Frage
der Vorkriegs-Reichsbanknoten zustünden.
Die Interpellanten erhalten Zuschriften aus
Wählerkreisen, in denen gefordert wird, dass die
staatliche Aufsichtsgewalt die Geschäftsführung
dieses Verbandes überprüfen möge.
Wir richten an den Herrn Innenminister die
Anfrage:
Ist der Herr Minister bereit, die Geschäfts-
führung der »Vereinigung der Besitzer von Deut-
schen Vorkriegs-Reichsbanknoten« überprüfen zu
lassen und das Ergebnis dem Hause bekanntzu-
geben?
Prag, am 25. November 1936.
Dr. Rösche,
Ing. Künzel, Franz Nìmec, Axmann, Dr. Eichholz,
Kundt, Gruber, Hollube, Jäkel, Wollner, Stangl,
Dr. Jilly, Obrlík, Ing. Peschka, Ing. Lischka, G.
Böhm, Illing, Jobst, Fischer, Dr. Peters,
Sandner.