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deutschen Bauunternehmer und Arbeiter von
Mähr. Trübau gefährdet ist.

Prag, am 15. März 1937.

Dr Hodina,

Dr Köllner, Dr Jilly, Knöchel, Ing. Künzel, Petrá-
šek, E. Köhler, Szentiványi, Dr Porubszky, Dr
Holota, Dr Szüllö, Esterházy, Ing. Karmasin,
llling, G. Böhm, Jobst, Jaross, Axmann, Dr Eich-
holz, Jäkel, Dr Kellner, Kundt, Frank, Knorre,
Klieber, Budig, Fischer, Hollube, Birke, Gruber,
Dr Korlath, A. Nitsch, Ing. Llschka, Obrlik,
Rösler, Franz Nìmec, Ing. Peschka, Wollner,
Dr Neuwirth, Ing. Richter, Dr Zippelius, Wagner,
Sogl, Dr Peters, Hirte, Dr Rosche, Stangl, May,
F. Nitsch, Ing. Schreiber, Sandner, Nickerl.

Pùvodní znìní ad 853/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Dr Franz Hodina
an die Regierung

wegen Beschlagnahme des Gutes Lode-

nitz im Bezirk Pohrlitz durch das

Nationalverteidigungsministerium.

In Lodenitz im Bezirke Pohrlitz stand das
Gut des österreichischen Staatsbürgers Dr Wei-
nert zum freien Verkauf.

Der Bodenhunger in Lodenitz ist ausser-
ordentlich gross. Die Bewohner der Gemeinde
traten zusammen und beschlossen zwecks Betei-
lung jedes örtlichen Bodenwerbers das ganze Gut
im Ausmasse von ca 300 ha zu kaufen.

Das Gut wurde durch Vertreter der Gemein-
desassen von Weinert um den Betrag von an-
nähernd 6 Millionen Kè gekauft und der Kauf im
Grundbuche vorgemerkt.

Der Kredit wurde den Bodenwerbern behufs
rascherer Durchführung des Kaufes vom Zentral-
verband deutscher landwirtschaftlicher Genos-
senschaften in Brunn zur Verfügung gestellt und
vom Verband gleichzeitig die Verhandlungen mit
der Nationalbank betreffend die Erlaubnis zur
Ueberführung der 6 Millionen Kè nach Oesterreich
aufgenommen.

Das Präsidium der Nationalbank war gewillt
zuzustimmen und stellte die Bewilligung auf die
Tagesordnung der nächsten Bankratssitzung.

Bis hierher verläuft alles in Ordnung.

Durch die Zusendung der Tagesordnung für
die nächste Sitzung des Nationalbankrates erfuhr
die Národní Jednota von dem Kauf. Natürlich
durfte die Jednota nicht zulassen, dass deutsche

Staatsbürger um teueres Geld Boden kaufen.
Flugs wurden die sogenannten Nebenregierungs-
stellen mobilisiert, um den deutschen Menschen
den Boden abzujagen.

Und das Unglaubliche wurde zur Tat!

Während der Zeit der Schlussverhandlungen
zwischen den deutschen und èechischen Regie-
rungsparteien um den sogenannten »Ausgleich« -
wird um so recht den gänzlichen Mangel jegli-
chen Entgegenkommens zu beweisen, das Gut
Lodenitz über Auftrag des Nationalverteidigungs-
mmisteriums von der Bezirksbehörde Nikolsburg
zu »Staatsverteidigungszwecken« beschlagnahmt!!

.....Wie sehr das Nationalverteidigungs-

ministerium die 300 ha Ackerboden in Lodenitz
zu Staatsverteidigungszwecken benötigte, geht
aus der derzeitigen Situation auf dem Gute
hervor.

Das Natiotialverteidigungsininisterium behielt
40 ha für die Einrichtung eines Flugplatzes und
das andere besitzt heute bereits ein èechischer
Jude. Muss man heute unbedingt Èeche oder
Jude sein, um 240 ha besten südmährischen Bo-
dens kaufen zu können? Die ortssesshafte Be-
völkerung, die Kleinlandwirte und Bodenwerber
die bisher ohne Boden sind, müssen trotz aller
»Ausgleichsverhandlungen« weiter ohne Boden
bleiben, weil sie eben Deutsche sind.

Diese ganz unglaublichen Verhältnisse rufen
ob der aufgezeigten Rechtlosigkeit begreifliche
Empörung hervor.

Wir fragen deshalb:

1. Sind dem Herrn Ministerpräsidenten und
der Regierung diese unglaublichen Verhältnisse
bekannt?

2. Ist die Regierung gewillt, derartige Recht-
losigkeiten weiter zu dulden?

3. Ist die Regierung bereit, diesen - - - Kauf
ungültig zu erklären und den Besitz den recht-
mässigen Käufern zuzuführen?

4. Was gedenkt die Regierung zu unterneh-
men, um derartige Rechtlosigkeiten für die Zu-
kunft zu verhindern?

Da Existenzgefährdungen gegeben erscheinen,
ist die beschleunigte Beantwortung erforderlich.

Prag, am 8. März 1937.

Dr Hodina,

Knöchel, Axmann, Sogl, Fischer, Klieber, Ing.
Peschka, Dr Eichholz. G. Böhm, May, Nickerl,
Rösler, Obrlik, Ing. Scheiber, Kundt, E. Köhler,
Stangl, Jäkel, Dr Peters, Knorre, Birke, Dr Jilly,
Dr Kellner, Dr Szüllö, Dr Porubszky, A. Nitsch,
Hirte, Ing. Richter, Dr Zippelius, Dr Rösche,
Franz Nìmec, Ing. Karmasin, Jaross, Ing. Lischka,
Petrašek, Dr Holota, Esterházy, Sandner, Jobst,
Gruber, llling, F. Nitsch, Wagner, Budig, Ing.
Künzel, Dr Köllner, Hollube, Dr Korláth, Frank,
Wollner, Dr Neuwirth, Szentiványi.


26

Pùvodní znìní ad 853/IX.

Interpellation

des Abgeordneten Florian Schenk
an den Minister des Innern

wegen Aufhebung von rechtskräftigen Be-
schlüssen der Gemeindevertretung von
Wisterschan durch die Bezirkshaupt-
mannschaft Teplitz.

Herr Minister!

Dem Gemeindeamt in Wisterschan wurde un-
ter Zahl 11629/37 folgender Entscheid der Be-
zirkshauptmannschaft Teplitz zugestellt:

»Lieber Antrag der kommunistischen Gemein-
defraktion in Wisterschan hat die Gemeindever-
tretung in ihrer Sitzung vom 2. März 1937 drei
Beschlüsse gefasst, und zwar bezüglich der Ein-
setzung von Regierungskommissären in den Ge-
meinden, bezüglich eines gerechten demokrati-
schen Ausgleiches zwischen Èechen und Deut-
schen in der Èechoslovakischen Republik und ge-
gen die Störungen der russischen Sendungen in
deutscher Sprache von Seiten des deutschen
Rundfunks.

Im Sinne des § 102 der Gemeindeordnung
werden alle drei Beschlüsse der Gemeindevertre-
tung sistiert, weil dieselbe ihre mit dem Eingangs-
satze zum § 28 der G. O. festgesetzte Kompetenz
überschritten hat. Gemäss § 28 kann die Gemein-
de mit Beobachtung der bestehenden gesetzlichen
Vorschriften nach freier Selbstbestimmung nur
das anordnen und über das verfügen, was das
Interesse der Gemeinde zunächst berührt und
innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen
Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann.
Die Gemeinde Wisterschan ist nicht imstande,
weder einen Ausgleich zwischen Deutschen und
Èechen der Èsl. Republik durchzuführen, noch
die Einsetzung von Regierungskommissären in
den Gemeinden vorzunehmen, noch die Störungen
des russischen Rundfunks mit ihren eigenen
Mitteln und Kräften zu verhindern. Es handelt
sich in allen drei Fällen um solche Angelegen-
heiten, welche in die Kompetenz der Regierung
oder der Ministerien fallen. Aus diesem Grunde
müssen alle drei Beschlüsse aufgehoben resp.
sistiert werden.

Gegen diesen Bescheid kann bei der Bezirks-
behörde in Teplitz-Schönau binnen 15 Tagen, von
dem der Zustellung folgenden Tage an, die Beru-
fung an die Landesbehörde in Prag eingebracht
werden. «

Diese Entscheidung der politischen Bezirks-
behörde steht in offenem Widerspruche zu den
den Gemeindevertretungen gesetzlich eingeräum-
ten Rechten und auferlegten Pflichten. Die Ein-
führung von Regierungssekretären berührt in
ausserordentlichem Masse das unmittelbare In-
teresse der Gemeinden, da sie eine weitgehende

Einschränkung ihrer Selbstverwaltungsrechte be-
deuten würde. Können die Gemeindevertretungen
auch nicht die Einsetzung von Regierungssekre-
tären vornehmen, so haben sie doch das gesetz-
liche Recht und - gegenüber der Bevölkerung
- die Pflicht, ihre Ansicht zu einer derartigen,
in die Gemeindeverwaltung so tief einschneiden-
den Massnahme in der Form eines Beschlusses
zum Ausdruck zu bringen. Ebenso krass und wi-
derspruchsvoll ist die Entscheidung in der Frage
des nationalen Ausgleiches, von dem jede Ge-
meinde nicht nur unmittelbar interessiert ist,
sondern in ihrem Wirkungskreise aktiv mit-
arbeiten muss, wenn er tatsächlich verwirklicht
werden soll. Was die Störungen der Moskauer
Sendung durch den reichsdeutschen Rundfunk an-
betrifft, so hat die Gemeindevertretung lediglich
die Forderungen der Einwohnerschaft, mit denen
sie sich solidarisch erklärte, an das zuständige
Ministerium weitergeleitet. Dazu aber hat sie das
gesetzliche Recht. Wie widerspruchsvoll die Ent-
scheidung der Bezirksbehörde ist, geht auch da-
raus hervor, dass sie einen vierten Beschluss, wo-
rin die Regierung zu Massnahmen gegen den
Preiswucher der Monopole und Kartelle aufgefor-
dert wird, zur Kenntnis nahm, obwohl es sich
hier durchaus um Massnahmen handelt, die in die
Kompetenz der Regierung fallen.

Die in der Aufhebung der drei Beschlüsse zum
Ausdruck kommende Praxis bedeutet aber nicht
nur eine ungesetzliche Einschränkung der Selbst-
verwaltungsrechte der Gemeindevertretung, son-
dern ist auch allgemein politisch ausserordentlich
schädlich. Wenn der Gemeindevertretung das
Recht genommen wird, als Sprachrohr der Inte-
ressen, Wünsche und Forderungen der Bevölke-
rung gegenüber Regierung. Ministerien und Be-
hörden aufzutreten, so wird dadurch zugleich die
gegen die Demokratie gerichtete Agitation er-
leichtert.

Wird der Gemeindevertretung das Recht ge-
nommen, zur Frage des nationalen Ausgleiches
Stellung zu nehmen und an seiner Verwirklichung
mitzuarbeiten, so wird dadurch die republik-
feindliche Tätigkeit jener Elemente gefördert,
welche die Herbeiführung eines nationalen Aus-
gleiches mit allen Mitteln zu verhindern trachten.

Wir fragen den Herrn Minister:

1. Ist er bereit, die gesetzwidrige Entschei-
dung der Teplitzer Bezirksbehörde sofort aufzu-
heben?

2. Ist er bereit, den politischen Bezirksbehör-
den zu verbieten, den Gemeindevertretungen ihre
gesetzlichen Selbstverwaltungsrechte zu beschnei-
den ?

Prag, am 24. März 1937.

Schenk,

Beuer, Nepomucký, Klíma, Kosik, Vodièka, Ko-
pøiva, Hodinová-Spurná, B. Köhler, Procházka,
Dölling, Kopecký, Vallo, Široký, Šverma, Ma-
chaèová, Slanský, Krosnáø, Zápotocký, Zupka,
Dr Clementis.


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Pùvodní znìní ad 853 XIV.

Interpellation

des Abg. Ing. Wolfgang Richter
an den Minister des Innern

wegen des Vorgehens der Staatspolizei
in Aussig am 18. März 1937.

Die deutsche sozialdemokratische Arbeiter-
partei, Bezirksorganisation Aussig und die Kreis-
gewerkschaftskommission der freien Gewerkschaf-
ten veranstaltete am 18. März 1937 um 5 Uhr
nachmittags auf dem Aussiger Marktplatze, also
unter freiem Himmel eine politische Kundgebung,
auf der Abg. Wenzel Jaksch sprach.

Zur Teilnahme an dieser Kundgebung wurde
die Bevölkerung Aussigs durch Flugzettel aufge-
fordert. Diese Flugzettel wurden am 17. März
1937 auch in den Industriebetrieben verteilt. Für
die Arbeiter und Angestellten der Chemischen Fa-
brik in Aussig wurde ein eigener Flugzettel ver-
teilt und auch am Ankündigungsbrett der Fabrik
des Vereines für chemische und metallurgische
Produktion angeschlagen. Dieser Flugzettel hat m
deutscher und tschechischer Sprache folgenden
Wortlaut:

»Arbeiter und Angestellte der chemischen
Fabrik!

Donnerstag den 18. März 1937 findet um 5
Uhr nachmittags am Aussiger Marktplatz eine
Kundgebung statt. Abg. Jaksch spricht über den
nationalen Ausgleich. Alle Arbeiter und Ange-
stellte marschieren geschlossen zur Kundgebung
von den Betriebsstätten. Wer sich ausschliesst,
ist gegen den Staat. «

Der letzte Satz dieses Aufrufes war noch be-
sonders unterstrichen.

Dieser Flugzettel verstösst in zweifacher Hin-
sicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmun-
gen, deren Verletzung die staatlichen Sicherheits-
behörden zu verfolgen haben:

1. Auf dem Flugzettel ist weder der Drucker
noch der Verleger angeführt: seine Verbreitung
stellt eine Übertretung nach dem Pressegesetz
dar.

2. Der letzte, besonders unterstrichene Satz
des Flugzettels stellt ohne Zweifel eine Nötigung
nach § 1 des Terrorgesetzes dar. Diese Nötigung
ist besonders dadurch gegeben, dass sich dieser
Satz an die Arbeiter und Angestellten eines kriegs-
wichtigen Betriebes wendet, die unter keinen Um-
ständen in den Verdacht der staatl. Illoyalität ge-
langen dürfen. Um also ihren Arbeitsplatz nicht
zu verlieren, sahen sich auch jene Arbeiter und
Angestellten genötigt, an einer sozialdemokrati-
schen Kundgebung teilzunehmen, obwohl sie mit
der politischen Richtung des marxistischen Abg.
Jaksch nicht übereinstimmen.

Unter Hinweis auf diese Gesetzesübertretung
habe ich am 17. März 1937 abends 18. 30 Uhr
das Staatspolizeiamt in Aussig, bezw. den dienst-
habenden Leiter Inspektor Raška telefonisch auf-
gefordert, die Beschlagnahme der Flugzettel durch-
zuführen. Gleichzeitig habe ich dem Polizeiamte
durch Boten einen solchen Flugzettel übergeben.
Obwohl mit dieser Anzeige der Staatspolizei eine
offenkundige Gesetzesverletzung zur Kenntnis ge-
bracht wurde, hat sie weder die Verteiler, noch
die Herausgeber der Flugzettel sichergestellt,
ebensowenig wurden die Flugzettel selbst be-
schlagnahmt. Dabei muss noch besonders betont
werden, dass die Verfolgung - wenigstens so-
weit es sich um die Verbreitung handelt - mit
keinerlei Schwierigkeiten verbunden sein konnte,
dass der Flugzettel - wie bereits angeführt -
sogar an der offiziellen Ankündigungstafel im Fa-
briksbetriebe des Aussiger Chemischen Vereines
ausgehängt war, für die die Betriebsleitung des
Unternehmers die volle Verantwortung trägt.

Aber auch in anderer Hinsicht hat die Aussi-
ger Staatspolizei das in sie gesetzte Vertrauen
der Bevölkerung auf unparteiliche Haltung schwer
enttäuscht.

Die Mehrheit der Bevölkerung Aussigs ge-
hört keineswegs der sozialdemokratischen Partei
an. sondern steht im ausgesprochenen Gegensatz
zum Marxismus. Sie war daher erbittert, als sie
feststellen musste, dass wiederum der sozialde-
mokratischen Partei eine Kundgebung auf dem
Marktplatze Aussigs bewilligt wurde, während
der Sudetendeutschen Partei, der die Mehrheit
der Bevölkerung angehört oder nahe steht, bisher
sämtliche Ansuchen in dieser Hinsicht abgelehnt
wurden.

Diese offenkundige Bevorzugung einer mar-
xistischen Partei hat daher in der Aussiger Be-
völkerung eine tiefgehende Beunruhigung und Er-
bitterung ausgelöst, von welcher die Staatspo-
lizei durch eine ausdrückliche Beschwerde Kennt-
nis erhielt. Dies hätte die Staatspolizei bewegen
sollen, die Kundgebung der deutschen Sozialdemo-
kraten zu verbieten, weil sie bei der Mehrheit
der Bevölkerung Argernis erregen musste.

Bei der bereits geschilderten Art der »Pro-
paganda« und infolge der Nötigung zur Teilnah-
me, war es kein Wunder, dass ein grosser Teil
der Kundgebungsteilnehmer durchaus nicht der
Partei des Herrn Abg. Jaksch nahe stand und es
wahr verständlich, dass diese mehrere Tausend
Personen umfassende Menge ihre Nichtüberein-
stimmung durch Zwischenrufe und durch Pfeifen
während der Rede des Herrn Abg. Jaksch zum
Ausdruck brachte.

Da es deutlich erkenntlich war. dass wohl
mindestens die Hälfte der Anwesenden zu den
Gegnern der Versammlungsveranstalter gehörte,
wäre es Sache der Veranstalter und der Polizei
gewesen, nach § 11 des Versammlungsgesetzes die
Kundgebung sogleich aufzulösen. Da die Staats-
polizei keine Veranlassung zur Auflösung der
Kundgebung fand, war also nach ihrer Auffassung
die öffentliche Ruhe und Ordnung durch die Miss-


28

iallensäusserungen nicht gefährdet. Es bestand
demnach zu einem amtlichen Einschreiten keine
Veranlassung. Trotzdem stürzten uniformierte und
nichtuniformierte Polizeibeamte auf die antimar-
xistischen Teilnehmer und es kam kabei zu den
wüstesten Szenen. Durch zahlreiche Zeugen kann
bestätigt werden, dass die Polizei ohne jede Ver-
anlassung - Widerstand wurde nicht geleistet -
mit dem Gummiknüppel gegen die Menge, soweit
diese nicht offenkundig sozialdemokratisch war,
vorging. Dabei wurden zahlreiche Personen ge-
schlagen, zu Boden gestossen und verletzt.

Vollkommen gegenteilig war jedoch das Ver-
halten der Polizei gegenüber den Sozialdemokra-
ten oder der »Rote Wehr«.

Die Sozialdemokraten bezw. die »Rote Wehr«
verwendeten, wie eindeutig von vielen Zeugen
festgestellt wurde, Gummiknüppel, Schlagringe und
Stahlruten und schlugen mit diesen verbotener.
Waffen auf die Antimarxisten ein. Die Polizei
verhinderte keineswegs solche Exzesse der »Rote
Wehr«. Sie beschlagnahmte keine einzige dieser
Waffen, die unter ihren Augen gebraucht wurden
und stellte keinen der Täter fest.

Besonders krass ist der nachstehende, durch
Zeugen einwandfrei festgestellte Fall:

Der Privatbeamte Rudolf Kober, wohnhaft in
Aussig hatte sich an den Demonstrationen über-
haupt nicht beteiligt, stand auch nicht auf dem
eigentlichen Versammlungsplatze, sondern befand
sich auf dem gegenüberliegenden Gehsteige.
Trotzdem wurde er von einem Geheimpolizisten
ohne jeden Grund verhaftet und 2 uniformierten
Wachleuten übergeben. Die Polizeibeamten eskor-
tierten nun den Kober über die Strasse auf den
Kundgebungsplatz in die Menge der Sozialdemo-
kraten hinein. Er wurde dort von Marxisten über-
fallen, zu Boden geschlagen und schwer miss-
handelt, ohne dass die Wachleute dies verhin-
derten.

Nach der Misshandlung durch die Mitglieder
der »Rote Wehr« wurde Kober halb bewusstlos
vom Boden aufgehoben und erhielt, wie Zeugen
bestätigen können, von einem Polizeibeamten 2
Schläge mit dem Gummiknüppel über den Kopf.
Dann wurde Kober zur Wache geführt und nach
einiger Zeit entlassen, ohne dass mit ihm ein Pro-
tokoll aufgenommen worden wäre. Obzwar der
Leiter des Polizeibeamtes am selben Abend noch
aufgefordert wurde, den Zivilbeamten und die
uniformierten Wachleute festzustellen, ist in die-
ser Hinsicht nichts unternommen worden. Die
Beamten hätten von zahlreichen agnosziert wer-
den können. Kober befindet sich in ärztlicher Be-
handlung und ist in der Lage ein ärztliches Zeug-
nis über seine Verletzungen vorzulegen.

Der Elektromonteur Adolf Hecke, wohnhaft
in Wolfschlinge wurde von einem Zivilisten als
verhaftet erklärt. Der Zivilist - wie sich später
zeigte, ein Polizeibeamter in Zivil - weigerte
sich, sich zu legitimieren, sondern zeigte dem
Hecke lediglich einen Revolver mit dem Bemer-
ken, dass dies eine genügende Legitimation sei.
Darauf erklärte er Hecke als verhaftet, eskor-

tierte ihn zur Wachstube und hielt ihn hiebei
von rückwärts bei den Armen fest. Er verhinderte
nicht, dass bei dieser Abführung 2 Sozialdemo-
kraten handgreiflich gegen Hecke vorgingen. Im
weiteren werden hier Teile eines Protokolles über
diesen Vorfall angeführt, dass unmittelbar nach
dem Ereignis am 18. März 1937 um 19. 15 Uhr im
Polizeiamte in Aussig mit den Herren Adolf
Hecke. Dr Richard Tauche von Dr Walter Ma-
teasko in Anwesenheit des Polizeioberinspektors
Divis aufgenommen wurde. Nach dem Wortlaut
dieses Protokolles sagte Adolf Hecke u. a. aus:

»Als wir - nämlich der Beamte und Hecke
- uns dem Wachlokale genähert hatten, wo eine
Anzahl uniformierter und nichtuniformierter Be-
amter sich aufhielten, wurde ich von diesem des
öfteren mit den Gummiknütteln geschlagen. Ich
bemerke hiezu, dass ich zu dieser Zeit keinerlei
Bewegungsfreiheit hatte, da mich nach wie vor
der obengenannte Kriminalbeamte von rückwärts
bei den Armen hielt. Der Kriminalbeamte drückte
mich dann noch in der vorerwähnten Fassung
über die Stiege, welche zum Wachlokal führt in
das Vorhaus. Bereits auf der Stiege stand zu die-
ser Zeit ein nichtuniformierter, mir vom Sehen
bekannter Kriminalbeamter, welchen ich bei Kon-
frontation sofort agnoszieren könnte. Zu diesem
sprach der mich arretierende Beamte einige
Worte. Ich glaube es handelte sich um die Ueber-
gabe, worauf ich im Vorhaus des Polizeipräsi-
diums von allen Seiten mit Gummiknütteln ge-
schlagen wurde, insbesondere von dem Beamten,
dem ich übergeben werden sollte. Ich hatte im
Vorhaus die Hände frei und so war es mir
möglich gemacht, meinen Kopf einigermassen von
Hieben zu schützen. Bei der zweiten Tür rechts
im Vorhaus neben der Stiege wurde ich gegen
die geschlossene Tür gedrückt und bekam bei
dieser Gelegenheit einen furchtbaren Schlag auf
den Kopf, worauf ich zusammengestürzt bin.
Während ich zusammenfiel, ging die Türe zu dem
vorerwähnten Lokale auf, ich fiel teilweise in
diesen Raum hinein. Dabei wurde ich mit den
Füssen ins Gesicht und auf den Körper (Schulter)
getreten. Im Lokal selbst als ich aufstehen wollte,
wurde ich wiederum mit Gummiknüppeln geschla-
gen und mittels Fusstritten zur Tür hinausge-
stossen und zwar in die Wachstube (1. Lokal). «

Weiters wird in dem Protokoll festgestellt,
dass die Kleidung des Herrn Hecke Flecke auf-
weist, die von dem Fussbodenöl der Wachstube
herrühren.

Unmittelbar nach der Protokollaufnahme noch
am Polizeiamt wurde Ad. Hecke von einem Pri-
vatarzt untersucht, der eine Blutbäule über dem
linken Auge, weiters blutunterlaufene Stellen an
der rechten Köpfhälfte, Hautabschürfungen und
andere Verletzungen feststellte. Auch der unmit-
telbar darauf untersuchende Polizeiarzt konsta-
tierte die gleichen Verletzungen.

Als der Interpellant am folgenden Tage bem
Leiter des Polizeiamtes vorsprach, um gegen das
Vorgehen der Polizei zu protestieren und um
festzustellen, ob die Polizeibeamten, die ihre
Dienstpflichten verletzt hatten, bereits von amts-


29

wegen sichergestellt worden sind, wurde dem
Interpellanten mitgeteilt, dass angeblich von
Hecke 3 Polizeibeamte verletzt wurden und dass
der eine ein ärztliches Zeugnis vorweisen könne.
Da am Kundgebungstage sich kein einziger Po-
lizeibeamter als verletzt gemeldet hatte, ist an-
zunehmen, dass auf diesem Wege versucht wer-
den soll, jedes Vorgehen des Hecke gegen die
Uebergriffe der Polizei von vornherein auszu-
schalten, ja sogar Hecke in den Stand des Be-
schuldigten zu versetzen. .....

Es ist aber auch klar, dass es die
Pflicht der vorgesetzten Dienststellen ist, Mittei-
lungen von Uebergriffen und Gesetzwidrigkeiten
untergeordneter Organe zur Kenntnis zu nehmen,
sie zu überprüfen und gegen die Schuldigen vor-
zugehen. Dies auch dann, wenn diese Mitteilungen
nicht in Form einer formalen Anzeige mit Zeu-
genangaben und Namensnennung der Beamten
erfolgen kann. Auch in dem angeführten Falle
hätte von amtswegen eine Untersuchung durch-
geführt werden sollen, was im gegenständlichen
Falle nicht geschehen ist.

Der Herr Minister des Innern wird auf diese
unhaltbaren Verhältnisse aufmerksam gemacht
und gefragt:

1. Ist der Herr Minister bereit, eine Unter-
suchung diesei Vorfälle durchzuführen und die
Polizei darauf hinzuweisen, dass sie nicht eine
sozialdemokratische Parteischutzorganisation, son-
dern eine unparteiische Behörde ist?

2. Ist der Herr Minister bereit, die bisher
verabsäumte Untersuchung gegen die Polizeibe-
amten, die ihre Amtsbefugnisse überschritten ha-
ben anzuordnen und die Schuldigen zur Verant-
wortung zu ziehen und zu bestrafen?

3. Ist der Herr Minister weiter bereit, um das
Vertrauen der Bevölkerung in der Rechtssicher-
heit und um die unparteiische Haltung der Be-
hörden wieder herzustellen, bekanntzugeben, wie
gegen die schuldtragenden Beamten verfahren
wurde?

Prag, am 24. März 1937.

Ing. Richter,

Hirte, Ing. Künzel, Dr Rosche, Wollner, Sogl,
Fischer, Jäkel, Dr Hodina, Dr Kellner, Hollube,
Birke, Klieber, G. Böhm, Illing, Nickerl, Rösler,
Budig, Dr Eichholz, Franz Nìmec, Obrlik, Stangl,
Sandner.


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