16

kommen sollen. Dieser Anordnung wurde auch, in
vollster Disziplin Folge geleistet.

Trotzdem war bereits am Samstag, den 16. Ok-
tober ein schroffes Verhalten einzelner Polizisten
zu bemerken. So wurden nach Schluß einer Vor-
stellung im Teplitz-Schönauer Theater ohne er-
sichtlichen Grund die Theaterbesucher, die auf
ihre bei Ausfolgung der Garderobe verspäteten
Bekannten warteten, von Polizisten in unhöflicher
Weise auseinandergetrieben, obwohl die Straße
für den Verkehr frei war und von den Wartenden
weder gesungen noch irgendwie demonstriert
wurde. Auch Parlamentarier mit ihren Frauen
wurden trotz Legitimierung vom Gehsteig vor dem
Theater weggetrieben und erst das Dazwischen-
treten des Oberkommissärs Dr. Hadek machte den
durch nichts begründeten Unhöflichkeiten der
Polizisten ein Ende.

Die Veranstaltungen der SdP. am Samstag und
Sonntag nahmen einen ruhigen Verlauf. Auch die
unverständliche Verwarnung zweier Redner wegen
der Feststellung: "der Staat ist ein Nationalitä-
tenstaat" hatten weiter keine Unruhe zur Folge.

Erst am frühen Nachmittage, als alle Veran-
staltungen längst in Buhe beendet waren und fast
alle auswärtigen Teilnehmer bereits Teplitz-
Schönau verlassen hatten, kam es zu Zwischen-
fällen, die bei einer nur ordnungsdienstverrichten-
den und disziplinierten Sicherheitswache unmög-
lich wären.

Konrad Henlein hatte sich mit Frau und einigen
Parlamentariern und anderen Parteifunktionären
samt Frauen ohne jeden Zwischenfall in die
Privatwohnung des Abgeordneten Dr. Fritz Zippe-
lius am Marktplätze zu einem kurzen gesellschaft-
lichen Beisammensein begeben. Auf dem Markt-
platze warteten einige Leute, zum großen Teil
auch Frauen und Kinder auf die Abreise Hen-
leins. Ansonsten war der in Teplitz-Schönau an
Sonntagen nach dem Mittagessen übliche erhöhte
Passantenverkehr. Diesen, regelten Polizisten,
ohne sonderlich einschreiten zu müssen. Von
irgendwie organisierten oder wilden Demonstra-
tionen kann daher keine Rede sein. Solche wurden
auch von, der Behörde nicht erwartet; denn sonst
wären die höheren Polizeibeamten auch am Nach-
mittage in Dienst geblieben oder sogleich von
ihren Unterorganen verständigt worden und in
Dienst getreten.

Als nun Konrad Henlein mit Abgeordneten
Dr. Fritz Zippelius und nachfolgend Abgeordneter
K. Hermann Frank mit Frau sowie kurz darauf
Abgeordneter Dr. Fritz Köllner, Abgeordneter
Ernst Kundt mit Frau und der Frau Konrad
Henleins sowie andere Parlamentarier und Partei-
funktionäre um 14 Uhr das Hau| des Abgeordne-
ten Dr. Fritz Zippelius verließen, waren um den
vor dem Haus wartenden Wagen zunächst etwa
sechzig Personen - teils auf dem Gehsteige - in
Gruppen verstreut.

Als sie Konrad Henlein erkannten, brachen sie
in "Heil"-Rufe aus und weitere Passanten kamen
hinzu, ein Vorgang, der sich auch in Teplitz-
Schönau am selben Platze schon des öfteren ohne
jedes Einschreiten der Polizei vollzogen hatte.
Diesmal aber sprangen einige Polizisten unter die
Menge, trieben sie auseinander, statt in ruhiger
Weise den freien Zugang von der Haustüre zum
Wagen zu sichern.

Abg. Karl Hermann Frank, der von der Haus-
türe Konrad Henlein folgend auch zum Wagen
gehen wollte, wurde durch einen Polizisten von
seiner Frau weggerissen, vor die Brust gestoßen
und in èechischer Sprache angeschrien. Als er in
die Brusttasche nach seiner Parlamentarier-
Legitimation griff, wurde er von einem Polizisten
am Arme ergriffen. Er rief: "Abgeordneter",
wandt sich los, hielt ihm die Legitimation entgegen
utnd sagte: "Lassen Sie mich los, ich bin Abge-
ordneter, ich gehöre zu Konrad Henlein und
möchte in den Wagen einsteigen. " Dies und das
weitere geschah in wenigen Sekunden. Der Poli-
zist nahm von der Parlamentarier Legitimation
keine Notiz, schrie Abg. Frank weiter èechisch an
und versetzte ihm weitere Stöße. Gleichzeitig
wurde Abg. Frank von hinten zurückgerissen.
Den Kopf wendend, sah er weitere Polizisten, dar-
unter einen Inspektor, der mit dem Gummiknüppel
zum Schlag gegen seinen Kopf ausholte. Während
dorn machte Abg. Dr. Zippelius und einige andere
Personen die Polizisten dringend darauf aufmerk-
sam, daß der so Behandelte ein Abgeordneter sei.
Abg. Frank fing den Gummiknüppel mit der Hand
ab und entwandt in begründeter Notwehr dem
Polizisten diese Waffe. Bei dem dann folgenden
großen Gedränge stolperte ein Polizist, während
andernteils Zivilpersonen gestoßen und von Po-
lizisten bedrängt wurden. Die Vorfälle spielten
sich in wenigen Minuten ab und wären vermieden
worden, wenn die Wache nicht die geplante Ab-
fahrt von Teplitz-Schönau zum Gegenstand eines
in keiner Weise nötigen Einschreitens gemacht
hätte. Allerdings durfte die oberbehördliche Wei-
sung nicht so unklug und eng sein, als sie im.
Verbot der öffentlichen Kundgebungen in Teplitz-
Schönau am 17. Oktober 1937 erteilt worden ist.

Abgeordneter Dr. Fritz Zippelius, der als Tep-
litzer Abgeordneter den Polizisten bekannt sein
muß und Abg. Ernst Kundt, der sich ständig als
Abgeordneter zu erkennen gab, desgleichen Abg.
Dr. Fritz Köllner und nachfolgend Abg. Hubert
Birke, warnten immer wieder die Polizisten. Trotz-
dem brachten sie diese von Abg. Karl Hermann
Frank nicht ab. Vielmehr schleppten schließlich
etwa acht Polizisten Abg. Frank vom Wohnhause
des Abg. Dr. Fritz Zippelius über die Stiegen
beim Mozartdenkmal hinauf in die am Marktplatze
hinter dem Mozartdenkmal befindliche Wach-
stube. Dabei hatte Abg. Frank mehrmals erklärt,
er gehe freiwillig mit. Die dauernden Warnungen
des mitfolgenden Abg. Dr. Fritz Zippelius, daß
der so Behandelte und immer wieder mit Stößen
und Schlägen Mißhandelte ein Parlamentarier sei,
mißachteten die Polizisten. Die nachfolgenden Ab-
geordneten Dr. Fritz Köllner und Ernst Kundt, die
legitimiert als Abgeordnete bei den Polizisten zu
intervenieren suchten, wurden von diesen die
Stiegen des Mozartdenkmals hinuntergeworfen
und auch sonst unziemlich behandelt. Auch der
intervenierende Abg. Birke wurde von den Poli-
zisten unmöglich behandelt. Ein anwesender
höherer Polizist griff nicht in diese Vorgänge
hindernd ein. sondern alarmierte die Polizei-
bereitschaft, obwohl kein genügender Anlaß dazu
war. Dadurch wurde nur die Erregung der an sich
passiven und sich ansammelnden Passanten ge-
steigert Irgendein Ansturm von Zivilpersonen
gegen die Wachstube, womit nachträglich das
Einsetzen der Polizeibereitschaft mancherseits zu
rechtfertigen versucht wird, erfolgte nicht. Es


17

versuchten lediglich die Abgeordneten Dr. Zippe-
lius, Kundt und Dr. Köllner, Birke und Sandner
zu Informationszwecken und als Zeugen des Vor-
falles in die Wachstube zu gelangen, um weitere
Mißhandlungen des Abg. Frank zu verhindern
und den Sachverhalt klarzustellen.

Wie berechtigt die Besorgnis über weitere Miß-
handlungen des Abg. Frank durch Polizisten war,
erweist das weitere Verhalten der Polizisten.
Abg. Frank wurde von den Polizisten in die Wach-
stube hineingestoßen. Als Abg. Frank sich gegen-
über dem Wachkommandanten legitimiert hatte
und gegen die bisherige Behandlung protestierte,
schrie der Wachkommandant den Abgeordneten
gröblichst an. Das gleiche taten andere Polizisten.
Unter anderem schrie der Wachkommandant:
"Halten Sie das Maul und rühren Sie pich nicht
von der Stelle, Ihre Legitimation geht mich gar
nichts an. Es ist mir gleich, wer Sie sind!" Ein
anderer Polizist schrie: "Was ist schon ein Ab-
geordneter!"

Inzwischen gelang es den Abgeordneten Dr. Zip-
pelius und Kundt mit Hilfe des in Uniform zu den
Vorfällen hinzukommenden Polizeiaktuars Šmid in
die Wachstube zu gelangen. Die nachfolgenden
Abgeordneten Dr. Fritz Köllner und Birke wurden
von den Polizisten zurückgestoßen. Dem Abg. Dr.
Fritz Köllner wurde sogar von einem Polizisten
über die vorgehaltene Parlamentarier-Legitima-
tion hinweg durch einen Hieb mit dem Gummi-
knüppel, auf den Kopf der Eintritt in das Haus
der Wachstube verwehrt. Trotz des Erscheinens
des uniformierten Polizeiaktuars auf der Wach-
stube hörte das Geschrei der Polizisten nicht auf.

In vollster Nichtachtung des anwesenden Poli-
zeibeamten und dreier Parlamentarier geschah
nun nahezu gleichzeitig in der von Polizisten ge-
füllten Wachstube folgendes:

Ein Passant, den man mit Gewalt vom Markt-
platze abgeführt hatte, weil er sich über das Ver-
halten der Polizisten gegen die Parlamentarier
aufgeregt hatte, war hinter einen Vorhang ge-
bracht und nicht wie üblich im offenen Teile der
Wachstube dem Wachkonimandanten vorgeführt
und hinter dem halboffenen Vorhänge von Poli-
zisten so verprügelt worden, daß die ganze Wach-
stube von seinem Schmerzensgeschrei erfüllt war.
Dies geschah in Anwesenheit der Parlamentarier,
die es hätten bemerken, zumindest aber hören
müssen, wenn er einen Stuhl geworfen hätte, wie
nun nachträglich behauptet wird. Schon die
Schwächlichkeit des Mannes kann es nicht recht-
fertigen, daß mehrere Polizisten mit Gummi-
knüppeln über den Mann herfielen, wie es über-
haupt unberechtigt war, den Mann hinter einem
- allerdings halb offenen Vorhang zu bearbeiten.

Wie ungerechtfertigt sich Polizisten an Per-
sonen vergreifen, erweist der Sekunden vorher
erfolgte Überfall auf Abg. Frank innerhalb der
Wachstube der Polizei. Der Polizist Nr. 72 brüllte
plötzlich Abg. Frank an, drückte ihn gegen eine
an der Wand stehende Bank, würgte ihn am Halse,
riß ihm Kragen und Krawatte auf und versetzte
ihm einen schweren Faustschlag unter das linke
Ohr. Der ihn später untersuchende Polizeiarzt
mußte eine Schwellung der Kinnpartie und einen
leichten Bluterguß auf der Halsschlagader fest-
stellen. Dies geschah, obwohl sich Abg. Frank
längst beim Wachkommandanten legitimiert hatte,
die Legitimation vor ihm auf dem Tisch lag und

ohne daß der Wachkommandant einschritt. Selbst
die Tatsache, daß neben Abg. Frank die Abgeord-
neten Dr. Zippelius und Kundt standen wie auch
die Anwesenheit des Polizeiaktuacs innerhalb d r
Wachstube hielten den Polizisten 72 nicht von
diesem brutalen Mißbrauch der Amtsgewalt ab.
Im weiteren machte sich neuerlich der zuerst am
Marktplatze tätlich gewordene Polizeiinspektor
Fux, der wohl als das für eine ruhige Abfahrt
Konrad Henleins und dessen Begleitung dienstlich
verantwortliche Organ zu den Hauptschuldigen
am gesamten Vorfall zu zählen ist, in der Wach-
stube bemerkbar. Er stürzte auf Abg. Frank zu,
starrte ihn beherrschungslos m. brüllte: "Starren
Sie mich nicht so an" und schlug Abg. Frank, der
ein Glasauge hat, das natürlich starr ist, mit
beigen Fäusten auf die Brust. Dann stürzte er
. sich auf den inzwischen wegen eines anderen Vor-
falles eingetretenen Abg. Sandner.

Erst als Oberkommissär Dr. Hadek in der
Wachstube erschien, beruhigten sich die Polizisten.

Nachdem alle genannten Abgeordneten ihre
Aussagen zu Protokoll gegeben hatten und wäh-
rend sie noch mit Polizeirat Dr. Soukup in dessen
Kanzlei über die Klarstellung der Vorfälle und
über die Herausfindung der schuldigen Polizisten
verhandelten, ereignete sich am Marktplatze und
in der Wachstube um etwa 5 Uhr nachmittags
eine Wiederholung der Vorfälle, die sich zwischen
2 und 3 Uhr nachmittags abegspielt hatten.

Abg. Ing. Wolfgang Richter, der von den ge
schilderten Vorgängen absolut nichts wußte. kam
in Begleitung seiner Frau und einer bekannten
Familie nach Teplitz-Schönau, um Abg. Dr. Fritz
Zippelius zu besuchen. Als er in dessen Wohnung
an den Fenstern Personen bemerkte, suchte er
sich bemerkbar zu machen um in das abge-
schlossene Haus gelangen zu können. Dabei stand
er mit seiner Frau nicht auf der Fahtbahn sen-
dern zwischen parkenden Autos. Er fand es daher
unbegreiflich, als ihn der Polizeiwachmann Nr. 11]
in barschem Tone aufforderte, wegzugehen Im
Laufe der Auseinandersetzung legitimierte sich
Abg. Ing. Richter. Der Wachmann nahm ihm die
Legitimation ab und verweigerte die Rückgabe
Er rief vielmehr zwei weitere Polizisten heran.
von denen der Wachmann Nr. 89 Richter sofort in
gröbster Weise am rechten Arm faßte. Trotzdem
Abg. Richter sofort bereit war, von selbst mitzu-
gehen und trotz Protest gegen das gesetzwidrige
Vorgehen, wurde Abg. Richter von den Polizisten
von meiner Frau weg mit (Gewalt über die Stiegen
des Mozartdenkmals hinauf in die Wachstube,
teilweise sogar geschleift. Auf der Wachstube
wurde er vom Wachkommandanten angebrüllt.
Der Hinweis auf die Mitgliedschaft der Èechoslo-
vakischen Nationalversammlung wurde mit höhni
sehen und abfälligen Bemerkungen quittiert

Inzwischen kam Abg. Sandner, der vom Fenster
der Wohnung des Abg. Dr. Zippelius aus Zeuge des,
Vorfalles war, um sich als Zeuge zur Verfaung
zu stellen. Trotzdem er sich legitimiert hatte,
wurde er in gröblichstem Tone vom Wachkom-
mandanten aufgefordert, das Lokal zu verlasen
und unmittelbar darauf vor den Augen des Vor-
gesetzten von einigen Polizisten mit Biachial-
gewalt aus der Wachstube und aus dem Hause
auf den Marktplatz hinaus gestoßen. Senator
Hugo Liehm. der sich gleichfalls als Zeuge mel-
den wollte, wurden von den Polizisten nicht ein-
gelassen.

3


18

Schließlich folgte der Wachkommandant Abg.
Ing. Richter die Parlamentarier-Legitimation aus,
ohne ein Protokoll aufzunehmen. Er weigerte sich
aber trotz Aufforderung, dem Abgeordneten Na-
men und Dienstang zu nennem.

Beim ganzen Vorfall ist überhaupt für das
Verhalten der Wachleute bezeichnend, daß sie die
vom Präsidium der gesetzgebenden Körperschaf-
ten ausgestellte Parlamentarier-Legitimation miß-
achteten und daß sie sich gegenseitig vor einer
Anzeigemöglichkeit davor schützten, indem sie
sich weigerten, ihren Namen zu nennen, oder sich
weigerten, den ihnen bekannten Namen jenes
Wachmannes zu nennen, der vor ihren Augen sich
vorschriftswidrig verhielt. Es ist auch für die
Disziplin von Wachleuten bezeichnend, daß sie
weiterhin gegen Parlamentarier eigenmächtig vor-
gingen, obwohl sie wußten, daß der Vorfall bereits
vom Polizeirate Dr. Soukup selbst untersucht und
beizulegen versucht wurde. Hingegen ist die
Diszipliniertheit und Besonnenheit der in Teplitz-
Schönau anwesend gewesenen Parlamentarier und
Parteifunktionäre dadurch erwiesen, daß die Vor-
fälle nicht auf die Menge übergriffen und daß die
zuschauende wie überhaupt die Bevölkerung von
Teplitz-Schönau (und Umgebung) während der
Vorfälle und nach den Vorfällen trotz ihrer Er-
bitterung und trotz des Einspruch herausfordern-
den Verhaltens der Polizisten vollste Ruhe be-
wahrte.

Eine unabsehbare Steigerung der Erbitterung
wurde jedoch erst dadurch in der gesamten deut-
schen Bevölkerung hervorgerufen, daß das èecho-
slovakische Pressebüro diese Tatsachen abschwä-
chende, Wesentliches verleugnende und in ent-
-cheidenden Punkten falsche Berichte ausgeben
durfte und gewisse Zeitungen Falschmeldungen
bringen konnten, während die Pressezensur preß-
gesetzliche Berichtigungen und Berichte der be-
troffenen Parlamentarier, die Briefe des parla-
mentarischen Klubs der SdP. an den Herrn Mini-
sterpräsidenten und an den Herrn Präsidenten des
Abgeordnetenhauses sowie alle berechtigten Kom-
mentare zu den Vorfällen systematisch unter-
drückte. Dies erweckt nicht dem Eindruck einer
objektiven Untersuchung und Vorgangsweise, son-
dern läßt vielmehr den Glauben offen, daß Kräfte
am Werke sind, Unschuldige zu Schuldigen zu
machen, die Wahrheit zu unterdrücken und das
Verhalten der Polizeiorgane nicht zu verurteilen,
sondern im Wesentlichen zu decken. Damit wurde
aber das durch diese Vorfälle schwer betroffene
Prestige des Staates nicht gerettet, sondern viel-
mehr geschädigt.

Daher hält sich der parlamentarische Klub der
Abgeordneten und Senatoren der SdP. und KdP.
gerade im Interesse der Ruhe und Ordnung als
obersten Zweck der Staatsverwaltung für ver-
pflichtet, durch diese dringende Interpellation
seiner Mitglieder nicht nur die wahren Tatbe-
stände aufzuzeigen, sondern auch auf folgendes
aufmerksam zu machen:

1. Das Verhalten gewisser Polizisten in Teplitz-
Schönau und die indirekte Mitwirkung der ge-
samten diensttuenden Mannschaft - sei es durch
Verschweigen der schuldigen Elemente, sei es auch
nur durch den üblich gewordenen Ton des Verkeh-
res mit Zivilpersonen - wie überhaupt die auch

bei diesen Vorfällen zu Tage getretene falsche
Auffassung der Polizisten über ihre eigentliche
Funktion, offenbaren ein Instruktions- und Ver-
haltungssystem der staatlichen Sicherheitsorgane,
das die Funktion der Sicherung von Ruhe und
Ordnung leicht in ihr Gegenteil verkehrt. Wir
erinnern, daß darauf der Herr Ministerpräsident
und der Herr Minister des Innern aus Anlaß
früherer Fälle und sonstiger Erscheinungen wie-
derholt aufmerksam gemacht wurde. Es wurde
auch darauf verwiesen, daß die grundsätzlich und
immer gewährte Deckung von Unterorganen bei
Übergriffen oder gesetzlich unbegründeten Ent-
cheidungen durch höhere und höchste Instanzen
dieser Willkür der Unterbehörden Vorschub
leistet. Dadurch werden selbst korrekte Organe
zu schärferer Verhaltung veranlagt, um nicht als
nachlässiger im Dienste zu erscheinen wie solche,
deren Unkorrektheit ungeahndet blieb. Daher sind
die Vorfälle von Teplitz-Schönau nicht als eine
vereinzelte Erscheinung, sondern als Ausfluß eines
seit längerer Zeit in Entwicklung begriffenen An-
spruches untergeordneter Organe, ihre Dienstvor-
schriften und selbst den Willen ihrer Vorgesetzten
nicht zu beachten, ja sogar auf diese Weise "Po-
litik" zu machen, zu werten.

2. Die einseitige Assistenz, die den eklatanten
Übergriffen von Polizisten durch das Èechoslova-
kische Pressebüro, durch einen Teil der regie-
lungsnahen Presse und durch die Handhabung der
Zensurgewalt gewährt wurde, bedeutet eine di-
rekte Unterstützung dieser destruktiven Dienst-
auffassung und ist die Wirkung jenes Systems, auf
das wir bei verschiedenen Anlässen gleichfalls
bereits die zuständigen Minister und den Vor-
sitzenden der Regierung aufmerksam gemacht
haben. Wenn schon der gesetzliche Grundsatz des
Nichteingreifens der Presse in ein schwebendes
Untersuchungsverfahren bei solchen Vorfällen in
Geltung gebracht werden will, dann müßte dies in
gleicher Weise gegenüber dem Èechoslovakischen
Pressebüro, den amtlichen Nachrichten und der
regierungsnahen Presse von Seiten der Zensur-
behörden mit gleicher Schärfe geschehen. Eine
systematische Verbreitung und Duldung entstell-
ter und unrichtiger Nachrichten und eine ebenso
systematische Unterdrückung gesetzlich begrün-
deter Berichtigungen dieser falschen Nachrichten
wie objektiver Tatsachenschildenmgen ist mit
einem korrekten System unvereinbar und dabei
ein unhaltbares System,

3. Die Tatsache, daß bei den Vorfallen von
Teplitz-Schönau andauernd und bei vollem Wissen
die vom Präsidium der gesetzgebenden Körper-
schaften ausgestellten Parlamentarier-Legitina-
tionen von Unterorganen des Innenministeriums
mißachtet und wissentlich verspottet wurden und
daß auf dem Marktplatze eines Weltkurortes
ebenso wie innerhalb der Wachstube durch staat-
liche Polizeiorgane Mitglieder der Èechoslova-
kischen Nationalversammlung mißhandelt, belei-
digt und sonst gröblichst behandelt werden konn-
ten, zeugt von einer sehr bedenklichen Nicht-
achtung der èechoslovakischen Verfassungs-
urkunde durch staatliche Organe, obwohl diese
besonders vereidet zur Wahrung der Grundsätze
der Verfassungsurkunde und zur Einhaltung der
Gesetze verpflichtet sind. Wir betrachten daher
durch die Vorfälle von Teplitz-Schönau nicht nur
die betroffenen Mitglieder der Cechoslovakischen


19

Nationalversammlung als vor aller Welt ver-
unehrt, sondern auch die verfassungsrechtliche
Geltung der Èechoslovakischen Nationalversamm-
lung als solcher und damit auch dem Staat als
Ganzem. Dies ist umso schwerwiegender, als die
Schuldigen sogar Organe des Staates sind.

4. Wenn von diesen Vorfällen die Weltöffent-
lichkeit Kenntnis nahm, so ist die Schuld nicht
bei den Berichterstattern zu suchen, sondern bei
jenen, die am Marktplatze eines Weltkurortes,
also in voller Öffentlichkeit, sich derartig benah-
men und bei jenen, die amtlich versucht haben,
durch falsche Berichte der Weltöffentlichkeit die
Wahrheit vorzuenthalten. Daher kann vor der
Weltöffentlichkeit das Prestige des Staates nur
gerettet werden, wenn die wahren Tatsachen ein-
bckannt und vor aller Weltöffentlichkeit jene
Maßnahmen sofort getroffen werden, welche die
schuldigen Polizeiorgane gebührend zu maßregeln
und ahnliche Übergriffe glaubhaft und dauernd zu
verhindern in der Lage sind.

Auf Grund dieser Vorfälle und dieser zwingen-
den Feststellungen richten daher die unterzeich-
neten Mitglieder des Èechoslovakischen Abgeord-
netenhauses an den Vorsitzenden der Regierung,
an den Minister des Innern und an den Minister
für Justiz folgende Anfragen:

1. Welche Maßnahmen hat der Herr Minister
des Innern bereits getroffen, um eine strenge und
zugleich objektive Untersuchung der Vorfälle von
Teplitz-Sehönau sicherzustellen 1

2. Welche schuldigen Polizeiorgane hat der
Herr Minister des Innern bereits festgestellt und
sind diese bereits vom Dienste suspendiert wor-
den?

3. Ist der Herr Minister des Innern bereit, die
schuldigen Polizeiorgane nach objektiver Fest-
rtellung der Tatsachen, unter Mitwirkung aller
bekannten Tatzeugen und insbesondere nach Fest-
stellung aller auch von den betroffenen und an-
wesenden Mitgliedern der Èechoslovakischen Na-
tionalversammlung bekanntgegebenen Tatsachen
sowohl disziplinär zu bestrafen, wie auch der
gerichtlichen Verfolgung zuzuführen und die
schuldigen Polizeiorgane aus dem Polizeidienste
zu  entfernen?

4. Ist der Herr Minister des Innern bereit, nicht
nur die direkt schuldigen Polizeiorgane auf diese
Art zu bestrafen, sondern alle in der Èechoslova-
kischen Republik diensttuenden Polizisten dar-
über aufklären zu lassen, wie man sich bei solchen
Anlässen und gegenüber Mitgliedern der Èecho-
slovakischen Nationalversammlung richtig ver-
hält ?

5. Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
Interpellanten die getroffenen wie beabsichtigten
Maßnahmen und das Untersuchungsergebnis ehest
zur Kenntnis zu bringen?

6. Ist der Herr Minister des Innern bereit, als
Ressortminister den vor der Öffentlichkeit aufs
schwerste beleidigten Mitgliedern der Èechoslova-
kischen Nationalversammlung und damit der Na-
tionalversammlung als solcher in angemessener

Form vor aller Öffentlichkeit Genugtuung zu
geben?

7. Ist der Herr Minister des Innern bereit, hin-
sichtlich derjenigen Polizisten, die in Mißbrauch
ihrer Amtsgewalt gegenüber Mitgliedern der
Èechoslovakischen Nationalversammlung und ge-
genüber den in der Wachstube geprügelten Pas-
santen tätlich geworden sind, das Strafverfahren
vor den ordentlichen Gerichten durch rücksichts-
losen Einsatz der Polizeiverwaltungsorgane selbst
nachdrücklichst zu unterstützen?

8. Ist der Herr Minister für Justiz bereit, gegen
die Polizeiorgane, die verdächtig sind, gegen das
Strafgesetz verstoßen zu haben, ehest die Anklage
erheben zu lassen und Garantien zu geben, daß
das Strafverfahren nicht nur unbeeinflußt, son-
dern mit der für Staatsorgane im Gesetz festge-
legten besonderen Strenge und raschestens zu
Ende geführt wird?

9. Ist der Herr Vorsitzende der Regierung be-
reit, eine strenge Untersuchung gegen alle die-
jenigen einzuleiten, die für die einseitige und
teilweise unrichtige Berichterstattung des Èecho-
slovakischen Pressebüros verantwortlich sind, und
nach Feststellung der Verantwortlichen diese ge-
bührend zu disziplinieren?

10. Ist der Herr Vorsitzende der Regierung be-
reit, das Èechoslovakische Pressebüro zu veran-
lassen, von sich aus eine Richtigstellung der
beiden Darstellungen über das Verhalten des Ab-
geordneten Karl H. Frank in Teplitz-Sehönau zu
veröffentlichen?

11. Ist der Herr Minister des Innern und der
Herr Minister für Justiz bereit, die jeweils ihnen
unterstehenden Zensurorgane für die einseitige
Zensurpraxis gebührend zur Verantwortung zu
ziehen, für eine objektive Zensurpraxis Sorge zu
tragen und die freie Meinungsäußerung in Wort
und Schrift zu gewährleisten?

12. Ist die Regierung und der Herr Minister des
Innern bereit, durch entsprechende Weisungen und
Strafandrohungen die staatlichen Sicherheits-
organe zu verhalten, daß öffentlich, wie
intern der Gummiknüppel nur im äußersten Not-
wehrfalle angewendet wird und darüber hinaus
überhaupt den gegenüber zivilisierten Menschen
unwürdigen Gebrauch des Gummiknüppels abzu-
schaffen, wie es in den Nachbarstaaten bereits
der Fall ist?

13. Ist die Regierung und der Herr Minister des
Innern bereit, Weisungen zu geben, daß das Ver-
halten der staatlichen Sicherheitsorgane nicht zur
stándigen Erregnung der Bevölkerung, sondern
zur wirklichen Sicherung von Ruhe und Ordnung
beiträgt?

14. Ist die Regierung bereit, alle notwendigen
Maßnahmen zu treffen, um Vorfälle nach Art von
Teplitz Schörau oder bisheriger ähnlicher Art für
alle Zukunft unmöglich zu machen und auch jene
psychologische Einstellung der Sicherheitsorgane
zu beseitigen, die die Ursache dafür ist, daß sich
die Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit als
Bürger zveiter Klasse behandelt fühlen müssen?

Die Dringlichkeit dieser Interpellation wird
mit der Dringlichkeit der hierin geforderten Maß-


20

nahmen im Interesse der Wahrheit, Recht, Ruhe
und Ordnung, Würde der Nationalversammlung
und Ansehen des Staates begründet.

Prag, am 29. Oktober 1937.

Kundt, Frank,

Dr. Köllner, Klieber, Dr. Neuwirth, Birke, Axmann,
May, Ing. Künzel, Sandner, Jobst, Dr. Rosche, Ing.
Lischka, Franz Nìmec, Hirte, Fischer, Dr. Peters,
E. Köhler, Illing, Dr. Eichholz, Jäkel, Dr. Kellner,
Knorre, G. Böhm, Obrlik, Rösler, Ing. Králièek,
Nickerl, Dr. Hodina, Stangl, Hollube, Gruber, Ing.
Karmasin, Knöchel, F. Nitsch, Dr. Jilly, Sogl, Ing.
Richter, Ing. Peschka, Wagner, Ing. Schreiber,
Dr. Zippelins, Wollner, Dr. Szüllö, Dr. Holota,
A. Nitsch, Petrášek, Esterházy, Dr. Porubszky,
Szentiványi, Jaross, Dr. Korláth.

Státní tiskárna v Praze. - 6190-37.


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