Noch schlechter wohl und noch unsinniger ist das Verhalten der Regierung in der Handelsvertragsfrage. Wir haben voriges Jahr im August bei einer Enquete den Referenten des Hand elsministeriums diesbezüglich zur Rede gestellt und bekamen von ihm zu hören, daß nur wir unzufrieden seien, und er fugte seinen Worten bei, daß ohnedies schon seit vielen Wochen mit Spanien, Portugal, Frankreich, Australien und - ich habe ihn gefragt, ob auch mit den Zulukaffern - Verhandlungen über Handelsverträge im Gange seien. Er mußte aber auf meine Frage, was mit den Sukzessionsstaaten, was mit unserem ureigensten Absatzgebiete sei, achselzuckend antworten, man habe wohl mit Deutschland bereits Verbindungen hergestellt, indem man Deutschland fragte, wo die neuen Zollübergangsstationen seien. In dieser Zeit hat Deutschland vor allem andern sich bemüht, Absatzgebiete der neuen Sukzessionsstaateu zu gewinnen, und es ist heute schon so weit, daß wir vom mitteleuropäischen Markte wohl dauernd verdrängt sind. Die Politik, die betrieben wurde, wurde immer vom nationalen Standpunkte aus betrieben. Vor allem darf man auf eines nicht vergessen, man darf nicht übersehen, daß unsere Orientierung nicht nach Westen gehen darf, sondern nach Osten gehen muß. Im Westen sitzen die großkapitalistischen Staaten, die eigentlich unsere Konkurrenten sind. Die Ententestaaten werden stets die Konkurrenz für unsere Industrie sein. Unser Blick muß nach Osten gehen, nach Osten! Das große Sowjetrußland allein kann uns nicht nur Arbeit, sondern auch Austauschwaren zur Verpflegung, zu unserer Ernährung geben.
Daß das Schicksal der deutschen Industrie in diesem Staate der Regierung gleichgiltig ist, das wird uns ja nicht Wunder nehmen. Sie haben damals noch geglaubt, mit kleinen Mittelchen die èechische Industrie vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Die Ein- und Ausfuhrkommi ssion in diesem Staate, an deren Spitze eine Reihe von ganz jungen vielfach von der Schulbank geholten Beamten sitzen, diese Ein- und Ausfuhrkommission wollte nur die èechische Industrie vor der Auslandkonkurrenz schützen, wollte die Nachteile dieser Politik paralysieren. Ich könnte eine Reihe geradezu unsinniger Verfügungen dieser Ein- und Ausfuhrkommission anführen, die von einer vollständigen Verständlosigkeit für das Wohl und Wehe und für das Schicksal unserer Industrie zeugen. Es würde wohl viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen, das zu schildern. Eine großzügige Politik, eine großzügige Handels- und Zollpolitik hätte diesen Staat, das heißt die Èechoslovakei, wohl zu einem etwas glücklicheren Staat machen können, der die Vorbedingung für einen kommenden Wohlstand, für ein Herausarbeiten aus der furchtbaren Katastrophe, aus der furchtbaren Notlage besessen hätte, in der sich ganz Europa befindet.
Wenn einmal die Historiker die Geschichte dieses Staates schreiben werden, dann können wir wohl konstatieren, daß, wenn wir das bisher Angeführte genau prüfen, sie nicht nur die hervorragendsten Männer der ersten Regierung dieses Staates als die Baumeister dieses Staates schildern dürfen, sie müssen auch daneben die Bemerkung machen: Sie waren auch die ersten Henker dieses Staates. Für alle Notwendigkeiten ist kein Geld vorhanden. Dafür kann aber der Minister für nationale Verteidigung aus dem Vollen schöpfen. Für die Zentralstelle des Ministeriums finden wir in seinem Voranschlage nicht weniger, wie 7 1/4 Millionen Kronen vorgesehen, und noch einen Posten für Automobile von 160.000 K. Eine Post, die aber besonders bedeutungsvoll ist - und wir werden wohl den Herrn Minister um Auskunft bitten, wie es mit der großen Post für Uniformen und Betten steht. Für Uniformen und Betten weist das Budget den Betrag von 306,844.000 Kronen aus. Wir wissen nur, daß i. J. 1918 noch im Brünner Monturmagazin ungeheuere Mengen von Ausrüstungsgegenständen, Uniformen etc. vorhanden waren, eine so große Menge, daß man damit ruhig ein ganzes Heer hätte ausrüsten können. Wir müssen nun fragen, nachdem der Herr Minister neuerdings diese ungeheueren Summen für die Uniformierung verlangt, wo diese Ausrüstungsgegenst ände aus dem Brünner Monturdepot hingekommen sind. Wenn diese Uniformen verwendet worden wären, wenn man die neue Armee, die man errichtet hat, damit ausgerüstet hätte, dann könnte der Minister für nationale Verteidigung diese Forderung von 306 Millionen nicht stellen. Wenn er sie aber nicht verwendet hat, wo ist die Eingangspost im Budget, der Ausweis, wohin und um welchen Preis diese Uniformierung- und Ausrüstungsstücke verkauft wurden? Der Herr Minister weist aber in seinem Budget auch andere zum Kampfe gerade nicht notwendige Sachen aus, ich will das nur nebenbei erwähnen (Výkøik: Fahnen!), für Fahnen 2 Millionen. Aber noch etwas anderes: 1 1/2 Million für eine Verbündeten-Siegesmedaille. Ich möchte den Herrn Minister wohl fragen, welchen Zweck wohl diese Verbündeten-Siegesmedaille hat, wofür sie gegeben wird, wem sie gegeben wurde oder gegeben werden soll - unter dem Titel der Verbündeten-Siegesmedaille verstehen wir, daß diejenigen damit ausgezeichnet werden sollen, die den Ententestaaten mit zum Siege verholfen haben - dann sollen aber die Ententestaaten diesen Betrag für die Siegermedaille auswerfen, nicht wir, nicht die Republik, nicht die Èechoslovakei.
Auf Seite 9 finden wir dann jene Post, über die auch der Herr Minister in verwahrenden Worten vorhin gesprochen hat, die Post über die französischen Missionen. Der Voranschlag weist hier einen Betrag von 13 Millionen Kronen aus; wir müssen uns da fragen, wozu werden diese 13 Millionen Kronen ausgegeben? Ich meine, wir müssen das auch von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachten. Nicht nur den Betrag betrifft es allein, sondern das Vorhandensein dieser Missionen an und für sich ist eine Diffamierung für diesen Staat. Dieses Vorhandensein zeigt uns, daß wir von den Ententestaaten und daß schließlich und endlich auch die leitenden Männer dieses Staates von dem Gefühl beherrscht werden, daß wir mit der Türkei oder Asien auf einer Stufe stehen, denn sonst wäre es nicht notwendig, daß wir unter eine Militärkontrolle auf Kosten dieses Staates gestellt werden. (Výkøiky.) Eine Militärdiktatur, eine Militärkuratel auf unsere Kosten, das brauchen wir nicht und wir beantragen deshalb in einem Antrag die Streichung dieses Postens. Der Herr Minister soll uns aber auch Auskunft geben - und das hat er vorhin unterlassen - wie lange diese Missionen noch hier bleiben und welchen Zweck sie eigentlich noch zu erfüllen haben. Ich will nicht annehmen, daß der Herr Minister für nationale Verteidigung auch einen Vormund braucht, ich will nicht annehmen, daß Herr Pellé nur der Organisator und der Herr Minister für Landesverteidigung nur die Figur ist für die Leitung der Republik. Wenn das nicht der Fall ist, können wir die Post ruhig streichen und die Missionen können ruhig nach Frankreich zurückgehen.
Auf Seite 9 haben wir noch eine andere Post und zwar erinnert mich diese Post sehr stark an den Korruptionsfonds beim Ministerratspräsidium in Wien. Wir lesen da, Subventionen: Der Redaktion des "Vìstník" 300.000 Kronen, der Redaktion des "Èeskoslovenský legionáø" 502.000 Kronen, der Redaktion des "Bratrství" 21.900 Kronen und Seite 10 noch einmal 40.000 Kronen. Ich möchte fragen, wozu diese Subventionen? Man wird sagen, diese Zeitungen sind nötig für die Bildung, für die Erziehung der Soldaten. Wir verzichten auf diese Bildungs- und Erziehungsmittel, denn Teplitz, Eger und Asch haben uns deutlich gezeigt, wo diese Erziehung hingeht und ich bin wohl der Meinung, daß diese Fonds nichts anders sind als Propagandagelder für eine Militärdiktatur. Die Soldaten sollen mit diesen Zeitungen erzogen werden, sich ihrer Macht und ihrer Überlegenheit über die anderen Sterblichen im diesem Staate bewußt zu werden. Wir stellen deshalb den Antrag diese Post aus dem Budget zu streichen. Wir stellen aber auch mit Rücksicht auf die Vorgänge in Teplitz, Eger und Asch den Antrag, die Legionärregimenter überhaupt aufzulösen. Der Herr Minister geht nun wohl daran und will die Legionäre für ihre Übergriffe und ihre Disziplinlosigkeit bestrafen, denn das Wort Disziplin und Ordnung hätte er weniger hier betonen sondern den Legionären sagen sollen und zwar ganz energisch und kategorisch, das wäre besser gewesen.
Der Minister setzt aber auch wo anders mit der Bestrafung ein. Er hat in der letzten Sitzung des Wehrausschusses das Wort Entpolitisierung gebraucht. Entpolitisierung bedeutet Wahlrechtsentziehungvor allem anderen. Wir stehen nicht auf dem Standpunkt, daß die Wahlrechtsentziehung, das heißt die Entziehung eines so wichtigen demokratischen Rechtes, die Soldaten bekehren würde. Wir sind der Meinung, es genüge vollkommen, wenn der Herr Minister den alten Zustand herstellen wollte und die Soldaten an ihrem Wohnort, das heißt, wo sie vor ihrer Einrückung das Wahlrecht besessen haben, als Zi vilisten zur Wahl gingen. Nicht das Wahlrecht ist es, welches die Soldaten zu den Überhebungen der letzten Zeit getrieben hat, sondern, daß man den Soldaten und Legionären ganz besondere Privilegien eingeräumt hat, das hat ihnen das Bewußtsein gebracht, Staatsbürger erster Güte zu sein, während alle übrigen Bewohner Staatsbürger zweiter Güte sind. Wenn der Herr Minister schon reformiert, möchte ich nebenbei noch etwas anderes erwähnen. Es ist unbedingt notwendig, wenn er auf der einen Seite die Entpolitisierung der Armee betreiben will, daß auch verschiedene andere Teile der Sicherheitsmacht dieses Staates und zwar die Gendarmerie unbedingt das Koalitionsrecht haben muß. Die Gendarmerie gehört wohl zu den entrechtetsten Dienern dieses Staates. Ich erinnere daran, daß die Gendarmerie schon im alten Osterreich nicht nur in der Löhnung und Behandlung benachteiligt war, sondern vor allem ihres Koalitionsrechtes vollständig beraubt war. Das Fachblatt des Gendarmen ist wohl das am meisten konfiszierte Blatt im alten Österreich gewesen und auch jetzt ist es das in der freien demokratischen èsl. Republik. Wir verlangen für die Gendarmerie vollständige Koalitionsfreiheit.
Eine weitere Post, über die wir Aufklärung verlangen müssen, ist die Post Militärakademie in Weißkirchen, für deren Erhaltung der kleine Betrag von nur 13,368.326 Kè verlangt wird. Es ist ein bischen viel für eine Schule in einem Staat, wo die Errichtung einer Miliz angestrebt wird. Es wäre wichtig, zu dieser Budgetpost zu erfahren, wie groß der Schülerstand ist, welche Lehr- und Lernmittel zur Verfügung stehen müssen, wofür dieser außerordentlich hohe Betrag notwendig ist.
Weiter finden wir eine Post von 30 Millionen für Explosivstoffe. Ich möchte auch hier fragen, wozu eine solche Menge von Explosiv- und Sprengstoffen, die ja der chemischen Zersetzung nach einer gewissen Zeit anheimfallen, wenn man nicht die Absicht hat, Krieg zu führen? Eine so große Menge von Explosivstoffen schafft sich nur eine Armeeleitung an, welche die Absicht hat, Krieg zu führen.
Für Flugwesen werden 59 1/2 Millionen verlangt. Es mag ja sehr schön sein, das Flugwesen zu fördern und zu unterstützen, aber dieser große Betrag erscheint mir zu weitgehend, denn zum Kohlentransport brauchen wir die Flugzeuge nicht, dazu brauchen wir Waggons, und es wäre viel rentabler, Waggons für diesen größeren Betrag zu kaufen, um Kohlen- und Warentransporte zu ermöglichen, woran es jetzt so stark mangelt. (Výkøiky.) Ja, General Pellé wird nächstens ein eigenes Flugzeug brauchen, um zum ständigen Rapport jede Woche nach Paris zu fahren. (Výkøik: Was machen die militärischen Holzgeschäfte?) Sehr richtig, ich komme noch darauf zu sprechen. Wir haben noch viel Material, das wir anführen könnten, um zu beweisen, daß Millionen und Abermillionen für unproduktive Zwecke hinausgeworfen werden.
Aber nicht nur in seinem Budget fordert der Herr Minister Geld für den Militarismus in diesem Staate. Wenn wir die Erfordernisse der anderen Ministerien durchschauen, finden wir zum Beispiel im Schulministerium ungeheuere Beträge, die ebenfalls militärischen Zwecken dienen. Im Investitionsbudget fordert das Unterrichtsminísterium, das Ministerium des Inneren und so weiter überall kleinere und größere versteckte Ziffern und wenn wir das zusammenrechnen, beträgt das Budget des Landesverteidigunsministeriums nicht 2 1/2 Milliarden, sondern weit über 3 1/2, beinahe 4 Milliarden für Militärzwecke. Im Investitionsprogramm allein finden wir einen Betrag von 120,145.000 Kè für Kasernenbauten, Baracken, Fliegerschulen, in Böhmen für 57 Millionen, Mähren 26 Millionen, Slovakei 28 Millionen, Karpathorußland 7 Millionen. Und 120 Millionen für Militärbauten! Für Wohnungsbauten ist kein Geld da! Seit anderthalb Jahren wartet eine ganze Anzahl von Baugenossenschaften auf Subventionen und auf die staatliche Garantie, um bauen zu können. Hiefür ist kein Geld übrig und der Minister für soziale Fürsorge zuckt nur mit den Achseln. "Der Finanzminister bewilligt mir nichts." Da wird gespart. Aber er kann nicht nur das Geld zum Fenster hinauswerfen, er kann auch anders. Er kann auch sparen. Das wissen wohl alle jene Selbstverwaltungskörper, die das Vergnügen haben, militärische Formationen zu beherbergen. Die Bequartierungsgebühren, die vorgeschrieben sind, sind eine Schande. Die Gemeinden bekommen heute für die Bequartierung von Gagisten 3 Kè, für die Räume zu Kanzleizwecken und Arrestlokale 1 Kè 50 h, was ungenügend ist. Das wird jeder einsehen, denn wir wissen, daß ein Hotelzimmer 12 bis 25 Kè kostet und alle Städte, die Garnisonen und fliegende Garnisonen haben, wissen, daß die Offiziere sehr anspruchsvoll sind, daß die ihnen zugewiesenen Privatwohnungen in Bürgerfamilien - an Arbeiterfamilien ist nicht zu denken - nicht gut genug sind, daß sie sich im Hotel einquartieren, und daß die Hotelwohnungen zu Dauerwohnungen für die Offiziere geworden sind.
Ganz kleine Städte, wie zum Beispiel Komotau, zahlen jetzt ca. 80.000 bis 100.000 K und mehr auf die Offiziersbequartierung darauf. Aber nicht nur das allein. Man hat in vielen Orten wie zum Beispiel Komotau, wo zwei Bataillone liegen, die in zwei Kasernen aufgeteilt sind, die aber in einer Kaserne reichlich Platz hätten, Kasernen fast leer. Und auf der anderen Seite will man Kasernen bauen, und anderswo in Orten, wo keine Kasernen sind, quartiert man militärische Formationen ein. Man quartiert sie ein oh ne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, auf die Ortschaften selbst. Zum Beispiel in Gräfenberg bei Freiwaldau ist nicht nur die Steigerung der Wohnungsnot durch die Bequartierung der militärischen Formationen verursacht worden, in diesem Ort, einem Sommerkurort, sind auch noch große Schäden dadurch erzeugt worden, daß in nächster Nähe jener Anlagen, wo die Sommerfrischler und Kurgäste gehen, Schießübungen veranstaltet wurden, so daß sich viele Sommergäste wieder verzogen haben.
In Franzensdorf, einem kleinen Orte in Schlesien, ist man noch weiter gegangen. Dort haben ca. 17 Arbeiterfamilien ein altes Schloß wieder in Stand gesetzt, es bewohnbar gemacht und nun bewohnen dieses Schloß ca. 67 Personen. Jetzt sind dort militärische Formationen. Man hat ganz einfach diese Leute, die Arbeiterfamilien, delogiert, man hat dieses Schloß mit Beschlag belegt und für die militärischen Formationen als Quartier weggenommen. Man nimmt keine Rücksicht darauf, kümmert sich nicht darum, daß diese Arbeiterfamilien dadurch obdachlos geworden sind. Das Vorstehende zeigt, daß man auch sparen kann.
Aber das Ministerium für nationale Verteidigung zeigt, daß man dort auch tüchtige Geschäftsleute hat. (Pøedsednictví ujal se pøedseda Tomášek.) Wir finden im Budget des Ministeriums für Nationalverteidigung auch keine Ziffer über ein Holzgeschäft und ich möchte allen Kaufleuten anempfehlen, dort Unterricht zu nehmen. Es ist kaufmännisch großartig geleitet. Es besteht auf der einen Seite eine tatsächliche Brutto-Einnahme von 20 Millionen Kronen und auf der anderen Seite Ausgaben für Regie und Verwaltung von 19 Millionen Kronen. Ich möchte sagen, es zeigt uns dieses Beispiel, wie gut die Staatsverwaltung ist, und wie gut es wäre, wenn der Wunsch mancher in Erfüllung ginge, die Verstaatlichung aller Betriebe in diesem Staate durchzuführen.
Auch bei denen, die während des Krieges gedient haben und jetzt nicht eingerückt sind, versteht man sich Einnahmsquellen zu verschaffen, das heißt, man hat ihnen wieder die alte Militärtaxe vorgeschrieben. Nachdem dies eine ungerechte Besteuerung ist, beantragen wir die Streichung dieser Post, die Aufhebung der Militärtaxe. Außer dem, was hier an materiellen Opfern ausgegeben wird, möchten wir noch die ungeheuer großen Schäden konstatieren, die durch den Militarismus auch dadurch entstehen, daß ca. 150.000 Menschen der produktiven Arbeit, der Volks wirtschaft entzogen sind. Wenn wir dies von diesem Gesichtspunkte aus betrachten, müssen wir feststellen, daß der Militarismus keineswegs im Staatsinteresse gelegen ist, daß der Militarismus den Staat schädigt und zerstörend und zersetzend im Staate wirkt.
Ich möchte noch auf einiges eingehen, was der Herr Minister vorher angeführt hat. Er hat vor allem anderen natürlich Herrn Pellé gefeiert und sich dagegen verwahrt, daß Herr Pellé angegriffen wird. Er hat erklärt, daß der französische Militarismus natürlich instruktiv besser sei als der preußische. Der preußische sei dem französischen unterlegen. Der Minister hat weiter darauf verwiesen, daß Herr Pellé nicht ein Diktator sei, sondern alles in gemeinsamer Beratung vor sich gehe; ich glaube, daß wir wohl dieser Beratung, die uns ungeheuer teuer kommt, entbehren könnten.
Wir hoffen, daß sich bald erfüllen wird, was der Herr Minister vorher geäußert hat, daß nämlich die Kommission bald abgehen wird. Der Herr Minister hat weiter erklärt, daß alle Armeen einer Reform unterzogen werden und auch die in der Schweiz. Ich möchte darauf verweisen, daß es besser gewesen wäre, wenn Herr Klofáè als erster Minister für nationale Verteidigung sofort die Miliz eingeführt hätte und nicht erst den Militarismus nach der Marke des alten Österreich. Der Herr Minister hat weiter in Aussicht gestellt, daß eine sukzessive Restringierung vor sich gehen werden. Wir sehen das bei der Post, die ich vorhin in Bezug auf die Reduktion der Mannschaft angeführt habe. Wir sehen aber auf der anderen Seite, daß der Stand der Offiziere um ein ganz Gewaltiges erhöht wurde.
Was die Kritik anbelangt, so haben wir immer sachliche Kritik gemacht, aber wir haben gesehen, daß diese sachliche Kritik unbeachtet geblieben ist. Wenn der Minister weiter erklärt, es sollen die Namen derer genannt werden, die immerfort hetzen und die Disziplin zerstören, so können wir sagen, daß wir immer offen aufgetreten sind. Von uns weiß jedermann, daß, wer von uns Kritik übt, nie anonyme Kritik übt. Was der Herr Minister bezüglich der Rekruten sagte, so scheint er dabei übersehen zu haben, daß auf seinem Tische eine Interpellation von unseren Parteifreunden liegt, in der jeder einzelne Fall, wo immer er sich ereignet hat, wo Rekruten um ihre verbrieften Rechte gekommen sind, mißhandelt oder unschuldig eingekerkert wurden, verzeichnet ist. Wenn der Minister vom Anbinden spricht und sagt, daß es nicht mehr vorkomme, so sage ich, daß die Verordnung noch immer besteht. Wir sehen in der Gesetzsammlung Nr. 1 daß es da heißt, alle Gesetze Österreichs seien aufgehoben, aber in der nächsten Zeile heißt es, daß sie wieder in Kraft gesetzt werden. Das war im April v. J. Unter diesen Gesetzen befindet sich auch das Gesetz über das Anbinden, das während der letzten Monate des Krieges wieder in Kraft gesetzt worden war. Auf die anderen Details einzugehen, halte ich für ganz und gar überflüssig.
Ich möchte hier aber noch etwas anderes anführen. Wenn der Minister davon spricht, daß das Militär zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Staate notwendig ist, so können wir ihm sagen daß er unbesorgt schlafen kann, denn es gibt noch andere Kräfte in diesem Staate, die das besorgen. Der Minister bemerkt aber noch, das Militär müsse ein Machtmittel der Majorität, und zwar jeder Majorität sein. Wir sind ihm für dieses Geständnis sehr dankbar, denn es bedeutet: Machtmittel der Majorität gegen die Minderheit. Dieses Geständnis sagt uns also, daß der Militarismus ein politisches Kampfmittel in diesem Staate geworden ist, denn wenn die parlamentarische Majorität über den Militarismus verfügen kann - und nach der Äußerung des Ministers kann sie das und muß bestimmend auf den Militarismus einwirken - dann bedeutet der Militarismus nicht ein Mittel zum Schutze gegen den äußeren Feind, sondern soll gegen den inneren Feind dienen und soll vor allem anderen die Arbeiterschaft, wenn sie vor Not und Elendaufschreit, zu Boden halten.
Wir haben aber noch andere Einrichtungen in diesem Staate, die an die Orgesch in Bayern erinnern. Die èechischen Bauern sind bewaffnet worden, 50.000 Sokoln wurden bewaffnet, in Deutschböhmen werden Bürgerwehren gegründet und ich habe erfahren, daß die deutschen Turnvereine in diese Bürgerwehren eintreten, um bewaffnet zu werden, um gleich den èechischen Sokoln gegen die Arbeiter zu Felde zu ziehen. Vor ganz kurzer Zeit haben wir vom Ministerpräsidium, d. h. vom Ministerpräsidenten als Minister des Innern einen Erlaß hinausbekommen, der über die Bezirkshauptmannschaften an die Gemeinden ging, wo angeordnet wurde, daß technische Notwehren aus Staatsgewerbeschülern, Mittelschülern und Hochschulstudenten zu bilden seien als Streikbrecherorganisationen zur Unterdrückung, zur Niederkämpfung der Arbeiterschaft.
So schaut es in diesem Staate
aus und ich glaube, daß wir aus allen diesen Gründen keine Ursache
haben, den Militarismus zu fördern. Wir wollen im Gegenteil den
Militarismus unter allen Umständen bekämpfen. Wir glauben, es
gibt ein anderes Mittel, innere Gefahren zu beseitigen. Man soll
ganz ruhig den Antrag unseres verstorbenen Genossen Seliger
auf Aufhebung des Militarismus und Einführung der Miliz annehmen.
Die Miliz genügt vollkommen. Bewaffnen Sie das Volk, bewaffnen
Sie die Männer von 18 bis 50 oder 60 Jahren, aber machen Sie diesen
Staat zur Heimat aller dieser Völker, die hier wohnen und hier
wohnen müssen, machen Sie jedem das Leben angenehm und sorgenfrei,
dann brauchen Sie keine Militärmacht gegen den inneren Feind,
weil jeder Staatsbürger den Staat dann bis zum äußersten verteidigen
wird, wenn es ihm in demselbem wohl ergeben wird. Sie bereiten
sich, darüber kommen wir nicht hinweg, auf einen Krieg vor. Das
Budget des Landesverteidigungsministers sagt uns das. Wir aber
wollen keinen Krieg, das Volk will Frieden, Frieden mit der ganzen
Welt, auch mit Sowjetrußland und mit den Nationalitäten dieses
Staat es. Fördern Sie den Krieg, fördern Sie die Rüstungen in
diesem Staate, dann zerschlagen sie diesen Staat, dann werden
Sie die Mörder dieses Staates mit Hilfe des Militarismus werden.
(Potlesk nìmeckých poslancù.)
Hohes Haus! Der Redner meines Klubs hat gestern bereits die Stellung der deutschen christlichsozialen Volkspartei zudem jetzt in Verhandlung stehenden Abschnitt des Staatsvoranschlages gekennzeichnet. Ich will mir nur die Freiheit nehmen, noch aus einem einzelnen Kapitel, und zwar der politischen Verwaltung, einiges zu Kenntnis und Verständnis des Hauses inbezug auf die Stellungnahme unserer Partei gegen die Regierung mitzuteilen.
Die politische Verwaltung des Ministeriums des Innern weist im Voranschlage Ausgaben von 427,099.601 K aus, denen Einnahmen im Betrage von 5,952.810 K gegenüberstehen. Es ist bei diesem Anlasse vielleicht Gelegenheit gegeben, unter die Lupe zu nehmen, ob diese ungeheuer großen Ausgaben für die politische Verwaltung mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Volkes in diesem Staate als produktiv bezeichnet werden können. Da müssen wir nun vor allem einmal feststellen, daß in der Zeit, seitdem sich dieses Staatswesen aufgerichtet hat, in der politischen Verwaltung aus einem politischen Beamtentum ein beamtetes Politikum gemacht worden ist. In früherer Zeit galt es als Ehrenpflicht der politischen Beamten, unbekümmert um alle Tagesoder Zeitereignisse, den Anforderungen ihrer Bildung und Erziehung sowie strengster Gesetzlichkeit in Ausübung ihres Dienstes immer gerecht zu werden. Heute fühlt sich jeder höhere Beamte nur als Exponent einer politischen Partei, meistens der Národní výbory und so als Handlanger der Politik, wobei natürlich nicht jene Richtungen als opportun angesehen werden, welche nach Zahl der Bevölkerung und Zahl der Vertreter im Parlamente zur dauernden Minorität verurteilt sind. Es scheint, daß es auf diesem Weg direkt zum Gegensatz des früheren kommt, daß mehr oder weniger nur politische Interessen und nicht die Interessen der objektiven Verwaltung zum Gegenstand der Amtierung genommen werden, und daß auch bezüglich jener, welche nicht zu den Bevorzugten und Einflußreichen gezählt werden können, an Stelle des früheren Entgegenkommens, der früheren Exaktheit eine gewisse Nachlässigkeit und Manierlosigkeit Platz greift. Ehemals war es eben anders und es ist sehr fraglich, ob es durch diese Neuerscheinungen in der politischen Verwaltung besser geworden ist. Es herrscht jetzt nicht mehr Anpassung des Beamtentums an die Bedürfnisse der Bevölkerung, nicht mehr Amtierung in den strengen Grundsätzen, welche durch die Gesetze und die Dienstpragmatik gezogen sind, sondern es ist zu konstatieren, daß sich zum größten Teile ein Strebertum und ein Byzantinismus immer mehr ausbreitet und daß die wahre Fähigkeit und auch Diensteifer in den Augen der Vorgesetzten gar keine Geltung mehr haben.
Wer näher die Verhältnisse in den höheren Chargen beobachtet, wird insbesondere auch feststellen können, daß Verschiebungen im politischen Dienste, die angeblich mit Rücksicht auf das Staatsinteresse vorgenommen werden, meistens eine ungeheuere Protektionswirtschaft und Verschlechterung im inneren Dienste zur Folge haben. Mir ist bekannt, daß man in einem Teile dieses Staates, der mir persönlich nahesteht, im Lande Schlesien, sich auch auf diese Voraussetzungen hin gar nicht mehr recht traut, die Qualifikationskommissionen nach Maßgabe der Dienstpragmatik tagen zu lassen und so eine Rangliste anlegen zu lassen, um die Ungeheuerlichkeiten, welche da vorgekommen sind, verhüllen zu können. Kurz, die Praktiken des Vorwärtskommens und der Auffindung notwendiger Beziehungen stellen die frühere Protektionswirtschaft im alten Österreich noch in den Schatten. Was dann für den Dienstbetrieb herauskommt, ist sonnenklar. Man kennt, wenn man heute in ein Amt aufgenommen wird, weder die Verhältnisse im Lande, meistens auch gar nicht die Gesetze und selbst die nicht, welche die nahestehende Revolutionsversammlung beschlossen hat, und dann stellt man sich einfach auf den Boden der patriotischen Phrase und avanciert. Das Vertrauen der Bevölkerung in die politische Verwaltung ist daher auch sichtlich in Abnahme begriffen. Früher bestand ein anerkannt gutes Beamtentum und wir Deutsche können darauf hinweisen, daß wir einen geradezu vorzüglichen deutschen Beamtenapparat hatten. Wenn der Ministerpräsident dies einmal bei einer Vorsprache einer Deputation geleugnet haben soll, daß die deutschen Beamten noch in bester Qualität hier sind, weil sie in Wien geblieben sind, beziehungsweise nach Deutsch-Österreich abgegangen sind, so möchte ich ihm dagegen vorhalten, daß die deutschen Beamten ihm natürlich in seiner hohen Stellung jetzt nicht näher kommen können, weil sie für seinen hohen Posten und auch für eine absehbare Nähe seines hohen Postens heute überhaupt nicht mehr in Betracht kommen. Heute ist Voraussetzung für die Beamtenbesetzung im Staate èechische Abstammung und Hunderte und Tausende von Beamten, Staatsangestellten sind übergangen, versetzt oder überhaupt entlassen worden, wenn sie unbeschadet ihrer objektiven Amtsführung sich nicht entschließen konnten, ihre nationale Würde preiszugeben. Es ist heute in einigen Status förmlicher Grundsatz, daß die deutschen Beamten an und für sich immer verdächtig sind, und wenn einer nicht das Gegenteil durch ein besonderes Kriechertum zu beweisen wünscht, dann heißt es nur für ihn: Friß, Vogel, oder stirb! Er wird erledigt und an seiner Stelle schießen da Leute wie die Pilze hervor, die sich nicht im entferntesten mit gleichen Kenntnissen und Voraussetzungen für die Amtstätigkeit mit ihm messen können.