Støeda 1. prosince 1920

10. Øeè posl. V. Marka (viz str. 787. protokolu):

Hohes Haus! Für meine Partei habe ich zu erklären, daß wir mit dem im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen System der Aufbringung der Mittel für den Staatsaufwand nicht einverstanden sein können. Wir finden den größten Teil der Bedeckung im Wege der indirekten Abgaben, also durch Verbrauchssteuern aufgebracht. Die breitesten Volksschichten und gerade die wirtschaftlich am schlechtest gestellten haben demnach den unverhältnismäßig größten Teil des Staatsaufwandes aufzubringen. Diese Art der Bedeckung ist absolut nicht geeignet, den allmählichen Abbau der Preise der Lebensmittel und der notwendigst en Bedarfsartikel herbeizuführen und müssen die völlig darniederliegende wirtschaftliche Existenz der unbemittelten Bevölkerung und des Mittelstandes noch weiter ge fährden. Sie bietet vielmehr noch wuche rischen Elementen Gelegenheit und Vorwand zu weiteren unberechtigten Preissteigerungen. Wir verlangen dagegen einen allmählichen Abbau dieser Art der Besteuerung und fordern gleichzeitig den Übergang zur Einführung einer allgemeinen progressiven Einkommensteuer als Ersatz für alle Arten von Verbrauchssteuern.

Als ein langgedienter Beamter der Finanzverwaltung habe ich einen genauen Einblick in die derzeit bestehenden Übel der bemessenden Finanzbehörden erhalten. Trotz der über alles Lob erhabenen, geradezu vorbildlichen Leistungen der Finanzbeamten, vom obersten Chef angefangen bis zum letzten Angestellten, ist es allen diesen Beamten infolge Überbürdung und Erschöpfung der Kräfte im aufreibenden und odiosen Dienst absolut unmöglich, die Arbeitsrückstände aufzuarbeiten und gleichzeitig auch den laufenden Dienstesobliegenheiten gerecht zu werden. Leider gesellt sich im deutschen Gebiete zu dieser schweren Aufgabe noch der Umstand, daß eine allzu strenge Handhabung der Bestimmungen über den Gebrauch der èechischen Sprache als Dienstsprache festgelegt ist. Es ist doch unmöglich, von alten Beamten, die ihre Kräfte im Dienste des Staates und der Allgemeinheit aufgerieben haben, auch die Erlernung und den einwandfreien Gebrauch einer ihnen fremden Dienstsprache in der rücksichtslosesten Weise, wie es tatsächlich geschieht, zu verlangen. Dieses Bestreben der leitenden Finanzbehörden behindert und erschwert den Dienst zum finanziellen Nachteile des Staates selbst. Schon deshalb möchte ich den leitenden Finanzbehörden nahelegen, in der Handhabung der Bestimmungen über den Gebrauch der Dienstsprache doch schon im Interesse des finanziellen Effektes, wenn schon nicht aus anderen Gründen eins ichtsvoll, das größte Entgegenkommen gegenüber den deutschen Finanzbeamten zu zeigen. So sollen insbesondere alle Erlässe und Verordnungen mit einer deutschen Übersetzung versehen werden.

Zum Zwecke der ehemöglichsten Aufarbeitung der Bemessungsrückstände und zur raschesten Hereinbringung der Steuern und Abgaben, sowie der in enormer Höhe bestehenden Steuerrückstände wären den Ämtern ausreichende Hilfskräfte, die sich gewiß selbst bezahlt machen würden, zur Verfügung zu stellen. Dabei mögen aber auch alle Härten einer allzuscharfen Exekutionsführung gegen die wirtschaftlich schwachen Steuerträger möglichst vermieden werden und alle die langjährigen uneinbringlichen Steuerrückstände, die ohnehin nur eine Last der Buchführung sind, zur Abschreibung gebracht werden. Ferner mögen insbesondere die unzähligen kleinen Stempel- und sonstigen Abgaben, beispielsweise alle jene unter einer Krone, völlig unbemessen bleiben, da deren Einbringung, selbst der Drucksortenaufwand allein hiefür den Staat mehr kostet, als Barmittel eingehen. Auch wäre zu erwägen, ob nicht die Schaffung eines eigenen Ausschusses empfehlenswert wäre, der eine Reform des Finanzdienstes unter Berücksichtigung meiner eingangs gesprochenen Worte, nämlich den Ubergang von der Verbrauchsbesteuerung zur direkten Besteuerung, zu beraten hätte. Diesem Ausschuß wären außer Parlamentariern und Vertretern der Finanzbehörden auch Fachleute der verschiedenen Berufe sowie Vertreter der Organisation der Finanzbeamten und - Angestellten zuzuziehen. Der Kontrolldienst ist viel zu kompliziert und sein Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzergebnis.

Ein ganz besonderes Augenmerk wäre den Überweisungen an die Länder und Gemeinden zuzuwenden, die finanziell vollständig darniederliegen und zusammenzubrechen drohen. Mir ist eine ganze Reihe von Städten und Gemeinden bekannt, die bereits in den nächsten Tagen nicht mehr in der Lage sein werden, an ihre Arbeiter und Angestellten die Löhne und Gehälter auszuzahlen. Ich stelle den Antrag, allen diesen Gemeinden vom 1. Jänner an aus den Erträgnissen der präliminierten Hauszinssteuer und Umsatzsteuer ausreichende Barvorschüsse allmonatlich zu überweisen, um den drohenden Zusammenbruch zu vermeiden.

Leider vermissen wir in vorliegendem Staatsvoranschlag eine zweckdienliche und übersichtliche Zusammenstellung der Staatsschuld, gesondert nach Art und Titel.

Bezüglich der Aufnahme des Zinsendienstes für Vorkriegstitres ist unbedingt vorzusorgen, daß, falls im ausgesetzten Betrag von 340 Millionen das nicht bereits geschehen ist - im Motivenbericht ist es nicht gesagt - alle fälligen Koupons, auch jene aus den Vorjahren, zur vollen Einlösung gelangen.

Die Gesetzesvorlage erwähnt ferner die Schaffung einer eigenen Staatsschuldendirektion und kündigt ferner eine Regierungsvorlage an, mittels welcher der Wirkungskreis dieser Staatsschuldendirektion umschrieben werden soll. Nicht zu entnehmen ist aber aus dem Gesetzentwurf und dem Motivenbericht, ob die Regierung auch gleichzeitig die Errichtung einer parlamentarischen Staatsschuldenkontrollkommission vorgesehen hat, weshalb ich beantrage, daß rechtzeitig Vorkehru ngen zur Bestellung einer solchen Kontrollkommission zu treffen wären. Desgleichen wird eine Zusammenstellung der Ergebnisse der Vermögenskonskription vermißt, weshalb die Fi nanzverwaltung aufgefordert wird, ehemöglichst statistische Zusammenstellungen anfertigen zu lassen und dem Hause vorzulegen. Die Finanzverwaltung wolle ferner ehestens die Rückstellung der gesperrten Barschaften und Spareinlagen veranlassen, zumal ja derzeit im Einbekenntnisse zur Vermögensabgabe eingebracht sind und allen jenen, die dieser Pflicht nachgekommen sind, nunmehr auch die freie Verfügung über diese gesperrten Vermögensanteile möglich gemacht werden müssen. Wir vermissen auch Aufklärungen über den Stand der Angelegenheit bezüglich der Verrechnung der Wiener Bankguthaben und Privatforderungen, ebenso wie jener in den übrigen Nachfolgestaaten.

Es gehen Gerüchte, daß die Finanzverwaltung aus Ersparnisrücksichten Steuerämter aufzulösen gedenkt. Wir geben zu bedenken, daß eine solche Maßnahme bei der Kompliziertheit der Steuergesetzgebung der Bevölkerung den Verkehr mit räumlich weit entfernten Steuerämtern außerordentlich erschweren und ihr unverhältnismäßige Kosten auferlegen würden. Wir empfehlen daher der Finanzverwaltung, diese Angelegenheit gegebenfalls nur im Einvernehmen mit der betreffenden Bevölkerung zu ordnen.

Besonders viele Klagen werden vom reisenden Publikum erhoben über die Behandlung beim Grenzübertritt an einzelnen Grenzorten. Wir ersuchen auch diesbezüglich die Finanzverwaltung, doch endlich einmal gegen solche Schikanen energisch einzuschreiten. Ebenso wäre es angezeigt, das an der Grenze bestehende Standrecht aufzuheben oder doch wenigstens einzuschränken. Den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen wäre auch Rechnung zu tragen durch eine entsprechende Reformierung der Zolltarife.

Bezüglich des Titels "Allgemeine Pensionen" hätte ich den Herrn Finanzminister aufmerksam zu machen, daß noch Hunderte von Altpensionisten heute, nach einem Jahre seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. Oktober 1919 noch nicht in den Besitz der ihnen gebührenden Pensionsnachzahlungen gelangt sind. Bezüglich dieser und der Hi nterbliebenen von Beamten, Angestellten und Dienern wäre es überhaupt hoch an der Zeit, an eine Neuregelung der Pensions- und Versorgungsgenüsse zu schreiten. Die ganz ungeheueren Anforderungen, die an die bemessenden Finanzbehörden und ausübenden Ämter gestellt werden, erfordern auch eine ganz besondere Berücksichtigung, der diesen Ämtern und Behörden zugeteilten Beamten und Angestellten. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen, den Beamten des Finanzkonzeptsdienstes besondere ständige Personalzulagen und den Beamten der Steuerämter die Überreihung aus der Gruppe C in die Gruppe B der Dienstpragmatik zu bewilligen. Eine gleiche Umrei hung wird auch beantragt bezüglich der technischen Beamten der Tabakregie. Eine ungerechtfertigte Belastung der Steuerbeamten bedeutet die diesem auferlegte Verlängerung der täglichen Arbeitszeit von 7 auf 8 Stunden. Wenngleich ich auch die Notwendigkeit der Vermehrung der Amtsstunden ebenso wie die leitenden Finanzbehörden anerkenne, so ist es ebenso notwendig und gerecht, daß eine solche erhöhte Arbeitsleistung auch besonders zu entlohnen ist.

Das Kapitel "Investitionen" für das Jahr 1921 mit einem Aufwand von drei Milliarden erscheint fast ohne Details und wir sind ohne eingehende Nachweisungen der einzelnen Posten. Das vorgelegte Ziffernmaterial und der Motivenbericht bieten gar keine näheren Anhaltspunkte, ob der angesprochene Aufwand auch tatsächlich als Investition gewertet werden kann. Bei vielen Posten muß geschlossen werden, daß diese nur deshalb gerade hier in dieses Kapitel eingesetzt erscheinen, um im Budget ein Defizit zu verschleiern. Die deutsche Bevölkerung verlangt entschieden eine weitgehende, ihrer Zahl und Steuerkraft entsprechende Berücksichtigung bei dem Ausbau des Post-, Telegraphen- und Telephonnetzes.

Ich habe schließlich als ein Vertreter des deutschen Volkes zu erklären, daß solange die Bedrückung und ungerechte Behandlung der Deutschen andauert und solange ein einträchtiges Zusammenleben aller Völker in diesem Staate durch eine verhängnisvolle Politik behindert wird, wir dem Staate den Voranschlag nicht bewilligen können. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

11. Øeè posl. Beutla (viz str. 789. protokolu):

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht gerade besonders verlockend, in Erfüllung seiner parlamentarischen Pflichten in diesem Hause das Wort zu ergreifen, dies umsomehr, als die Ereignisse in der letzten Zeit das bestätigen, wie bereits mein Klubkollege Hillebrand gelegentlich seiner letzten Rede hier gesagt hat, daß dieser Staat eigentlich kein Rechtsstaat ist, sondern einem Tollhause gleichkommt. Wenn ich aber trotzdem zum Budget etwas zu sagen mich bemüßigt fühle, so ist es das Kapitel der Staatsschulden, welches ganz besonders Veranlassung dazu bietet, weil das Budget uns eigentlich darüber soviel wie keine Aufklärung gibt. Wir finden natürlich wohl Ausgaben an Zinsen, wir finden aber ausgiebige Ziffern über die eigentlichen Schulden natürlich nicht. Der Herr Finanzminister scheint zu glauben, daß wir verpflichtet sind, uns das selbst auszurechnen; daß aber wir das nicht ihm, sondern er das dem Hause schuldig ist, ist wohl selbstverständlich und kann niemand bestreiten. Auch wenn wir das wollten, so können wir das ja nicht angesichts der valutarischen Schwierigkeiten, die ungeheuer kompliziert sind und wenn wir uns an die Ziffern halten, müssen wir sagen, daß bei den Staatsschulden die Zinsenlast von ungefähr 2 Milliarden, wenn man diese mit 5 % annimmt, darauf eine Schuldenlast von etwa 22 Miliarden ergeben würde. Das ist natürlich ganz unrichtig, zumal der Minister selbst heuer gelegentlich der Tournes in Mähren so von 40 bis 50 Milliarden Staatsschulden gesprochen hat. Wie wir vorhin aus dem Munde unseres Kollegen Taub gehört haben, kommt auf den Kopf der Bevölkerung 1.227 K an Staatsschulden und Verwaltungslasten, dazu muß bemerkt werden, daß im alten Osterreich diese Summe 63 K auf den Kopf betragen hat. Sie sehen also, daß wir mit Schulden und Verpflichtungen gerade reichlich genug gesegnet sind.

Ob in diesen Schulden auch die 780 Millionen Goldfranken an Befreiunsgebühr aus den Klauen der alten Monarchie an die Vereinigten Staaten, Frankreich, Italien, England, laut dem Friedensvertrage, wie man weiß, an die bezeichnete Organisation oder Person enthalten sind, ist natürlich aus dem nicht zu ersehen und haben wir bis heute nicht erfahren. Aber man redet uns ja ein, daß wir in einem Siegerstaat leben, es rührt aber ganz eigentümlich an, wenn man von einer solchen Befreiungssumme hört, von der man nicht weiß, in wessen Tasche sie eigentlich fließt, während die armen Kriegsverletzten bei diesem Befreiungswerk ihre Gesundheit und ihre graden Glieder opfern mußten, um dafür sozusagen Krüppelhaftigkeit und Siechtum einzutauschen und leer ausgingen und geradezu mit Bettlergroschen abgefertigt werden. Oder kann man das anders nennen, als einen Bettlergroschen, den man heute den Kriegsverletzten gibt. Es ist doch wahrlich nichts anderes. Wo ist und bleibt dieGerechtigkeit gegenüber den armen Kriegsverletzten, gegenüber den Invaliden, Witwen und Waisen in der èechoslovakischen Republik? Schon im alten Österreich hatte man es mit einer Kulturschande zu tun, wenn man sich die Versorgung der Kriegskrüppel besah. Und wie schaut es bei uns aus? Laut Gesetz vom 1. Mai 1920 bekommt ein beinamputierter Invalide mit 80 % Erwerbsunfähigkeit monatlich ganze 180 K, ein hilfloser Invalide 300 K, ein Blinder 300 K, eine Kriegswitwe jährlich 900 K, oder auf den Tag ausgerechnet 2.46 K, ein Kriegswaisenkind 450 - 675 K jährlich oder sage und schreibe pro Tag 1ÿ23 K bis 1.86 K. Davon soll nun ein Mensch leben! Ein Invalider, dem ein Arm oder ein Bein verloren gegangen ist, der ein eigenes Geschäft mit einem Einkommen von 4000 K hat, erhält überhaupt keine Jahresrente. Bei einer derartigen "Versorgung" wird und muß also Not und Elend steigen und es wird da schon dringende Abhilfe notwendig sein. Vor allen Dingen reklamiere ich bei dieser Stelle, die von den deutschen Sozialdemokraten eingebrachte Vorlage in Bezug auf die Novellierung des Versorgunggesetzes für die Kriegsinvaliden, weil es unter diesen Umständen die höchste Zeit dazu ist. Umsomehr als beim Kapitel "Ministerium für soziale Fürsorge" bei der Post "Kriegsverletzte" in diesem Jahre 606 Millionen gegenüber 930 Millionen im Vorjahre, also um 324 Millionen weniger eingestellt sind. Man muß die Frage speziell an den Herrn Finanzminister richten: Soll vielleicht diese Ersparnis von 324 Millionen etwa zur Tilgung von Staatsschulden dienen? Was ist's denn mit dem Kapitel "Übergangsvorkehrungen für die Nachkriegszeit", wo dort Ersparnisse vorgeschrieben sind bei den Unterhaltsbeiträgen, für welche 100 Millionen gegen 540 Millionen im Vorjahre bei der Repatrierung 100 Millionen gegen 350 Millionen im Vorjahre, beim Wohnungsbeitrag für Militärgagisten 200 Millionen gegen 430 Millionen im Vorjahre und bei den Kriegsbeschädigten 15 Millionen gegen 66 Millionen im Vorjahre, alles zusammen 1295 Millionen Ersparnisse budgetiert sind, wodurch schwarz auf weiß klargestellt ist, daß sie durchaus den Ärmsten der Armen entzogen werden. Sollen vielleicht auch damit Staatsschulden gezahlt werden? Auf alle diese Fragen wird es notwendig sein, daß der Herr Finanzminister Aufklärung gibt und daß er uns dann nicht vielleicht erzählt, daß wir bei der "Befreiungsgebühr" noch ein Geschäft machen. Denn schließlich wird es so dargestellt werden.

Der Herr Finanzminister sagte bei Besprechung des Staatsvoranschlages, daß vor allen anderen Dingen Arbeit und Sparsamkeit das einzige Mittel zur Hebung der Wirtschaft sein sollen und daß Demokratie Verantwortu ng heißt. Gut! Er soll uns aber doch sagen, wie die durch den Krieg und die schlechte Staatswirtschaft ruinierten Gemeinden und Staatsbürger unter den heutigen Verhältnissen arbeiten und sparen sollen, wenn die Staatschuld und namentlich die Steuern, um diese zu tilgen, immer mehr zunehmen, wenn dadurch, anstatt daß die Teuerung abgebaut wird, diese, wie heute hier schon ausgesprochen wurde, sozusagen bis zum Wahnsinn gesteigert werden. Wo bleibt da die Verantwortung der "was für demokratischen" Regierung? Denn heute wissen wir nicht, mit was für einer demokratischen Regierung wir es zu tun haben.

Wenn man sparen und Schulden zahlen will, so muß man eben bei den unproduktiven Zwecken, von denen so oft die Rede war, beim Militarismus anfangen. Vor allem ist nicht zu vergessen, daß Sie nicht 2 1/2, sondern gegen 4 Milliarden für den Militarismus auswerfen. Betrachtet man das Budget auch von einer anderen Seite, namentlich beim Ministerium des Äußern, so muß man förmlich glauben, daß die èechoslovakische Republik wirklich ein Großstaat sei. Den gleichen Eindruck erhält man auch, wenn man das Budget des Ministeriums für nationale Verteidigung besieht. Was wir für militärische Atachées ausgeben, läßt diesen Gedanken Raum, und wir müssen uns fragen, wie das weiter gehen soll. Und das alles trotz der Staatsschulden, von denen wir keine richtige Aufklärung haben, trotz des Zustandes unserer Valuta.

Wie wir in dieser Beziehung aussehen, ist auch notwendig zu erwähnen. Das Ministerium für nationale Verteidigung hat 51 Abteilungen und ein demselben entsprechendes Beamtenpersonal. Das alte Österreich hatte in denselben 206 Offiziere, bei uns sitzen deren 625, also mehr als dreimal so viel. In der politischen Abteilung waren in Österreich 154, bei uns sind in derselben 954 solche Kräfte tätig. Die Personalausgaben betrugen im alten Österreich 1,758.000 K, bei uns betragen sie 20,000.000 K. Da müßte sich wohl sehr viel sparen lassen, wenn man von Arbeit und Sparen spricht. Es ist aber nicht zu vergessen, daß das nicht nur bei diesem, sondern auch bei den anderen Kapiteln notwendig wäre zu betonen, desgleichen beim Ministerrat, bei der Post Preßdepartement, Preßbureau, dafür zahlen wir bloß gegen 12 Millionen. Vor allen anderen Dingen muß konstantiert werden, daß in jedem Ministerium eine Propagandastelle besteht und Preßreferenten. Hier und bei so manchen anderen Kapiteln ließe sich also viel erzählen, wenn der Herr Finanzminister vom Sparen spricht, hier ließe sich auch manches Elend namentlich das der Pensionisten und Altpensionisten hindern. Gerade von diesen hat ja der Herr Finanzminister seinerzeit selber gesagt, daß es eine moralische Pflicht des Staates Leuten gegenüber sei, die nicht so, wie der Herr Finanzminister meint, mit Terror und Streik drohen können. In dieser Sache wird sich unser Klub erlauben, einen entsprechenden Antrag einzubringen, der wie gesagt, fordert, daß für die Pensionisten der ausgewiesene Posten von 266,144.738 K auf 800 Millionen erhöht wird; das ist jedenfalls notwendig mit Rücksicht darauf, weil schon der Herr Finanzminister derjenige ist, der sagte, daß der Staat moralisch verpflichtet sei, diesen Leuten beizuspringen. Wenn Demokratie, wie der Herr Finanzminister sagte, Verantwortung ist, so kann man einen solchen Zustand auf die Dauer nicht verantworten oder wenn, dann müssen Sie eben auch die Folgen tragen. Wozu dient eigentlich das Preßdepartement? Darüber könnte viel gesprochen werden, wenn die Zeit nicht so kurz bemessen wäre. Aber es weiß ja jeder, was man im alten Österreich unter Preßdepartement, unter Dispositionsfond und anderen Dingen verstanden hat. Es kommt beinahe so heraus, als ob sich der Staat beinahe nur durch die Reklame des Preßbureaus um sich nicht anders auszudrücken, nur sozusagen durch die Drukkerschwärze mit Hilfe der 24 Bleisoldaten der schwarzen Kunst erhalten kann. Fast scheint es so.

Und wenn wir zur Mitarbeit in diesem Hause aufgerufen werden, dann muß dazu vor allen anderen Dingen die Möglichkeit geboten werden. Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich nicht der Fall. Die Verfassung dieses Staates, die Geschäftsordnung und die Sprachenfrage namentlich dieses Hauses geben uns dazu die Gelegenheit nicht in dem Maße, wie wir es wünschen. Denn dort, wo die Gewalt herrscht, da hört eben die Mitarbeit auf. Es ist vor allen anderen Dingen auch notwendig, dies in Bezug auf die Verwaltung zu sagen. Auch hier ist eine Reorganisation unerläßlich, namentlich für Böhmen und Mähren und es sind auch dazu von unserem Klub entsprechende Anträge eingebracht, die ich der Berücksichtigung empfehle. Die deutschen Sozialdemokraten sind als solche zu positiver Mitarbeit im Interesse des Proletariates immer bereit. Aber wir meinen, es bedarf dazu noch einer gründlichen Korrektur der hier erwähnten Dinge, denn heute ist es so, daß man nicht das Geld nimmt, wo es ist, sondern daß man es dort sucht, wo es eben nicht ist, und die geschlechtslose Bourgeoisie bereichert sich. Es werden fortwährend neue Steuern ersonnen, aber keine genügenden Maßnahmen, welche die Verelendung des arbeitenden Volkes zu beseitigen in der Lage wären. Die Wahrheit ist, das muß gesagt werden, daß Sie dies überhaupt nicht beseitigen können; denn wenn Sie es beseitigen wollten und würden, ginge das wider ihr kapitalistisches Interesse.

Wir haben immer progressive Steuern in jeder Richtung verlangt, und was tut die Regierung? Das Gegenteil. Das beweist uns vor allem die Umsatzsteuer, von der auch Genosse Taub hier eindringlich gesprochen hat, die selbst der Herr Finanzminister seinerzeit als unsozial bezeichnet hat und die alles nur nicht demokratisch ist, weil sie vor allem die Ärmsten am härtesten trifft und gerade diese unsoziale Steuer soll nicht nur nach seiner Absicht, sondern nach einer Regierungsvorlage wiederum erhöht werden, um durch die Gewährung eines gewissen Prozentsatzes angeblich die Sanierung der ruinierten Gemeinden herbeizuführen. Da können wir wohl auch sagen: Die Botschaft höre ich, allein es fehlt der Glaube. Denn wer trägt die Schuld an der Not der Gemeinden? Doch nur dieser Staat mit seiner hier schon zur Genüge gekennzeichneten Wirtschaft. Er hat fortwährend neue Lasten den Staatsbürgern aufgebürdet, und damit auch den Gemeinden. Auf diesem Wege fährt er fort und auch hier kann ich nicht anders, als mich den Worten meines Vorredners Taub anzuschließen, namentlich auch in Bezug auf die Kriegsanleihe und Staatsanleihefrage. Hier werden die Gemeinden neuerlich der ungeheueren Verschuldung oder dem Ruin in die Arme getrieben. Wie notwendig also eine Änderung der Gesetze wäre und ist, das brauche ich nicht zu wiederholen. Es ist auch bekannt, daß die Wohnungsnot und das Elend in den Gemeinden diesen Verhältnissen entspringt.

Wenn die Regierung wirklich glaubt, daß aus dem unterernährten, unter den elendsten Verhältnissen vegetierenden arbeitenden Volke mit Hilfe der Erhöhung dieser geradezu schimpflichen Steuer noch soviel herauszupressen ist, um den Gemeinden helfen zu können, mag sie es zur Kenntnis nehmen, daß aus dieser unsozialen Steuer sich auf diese Art und vielleicht auch sehr bald die soziale Revolution ergeben kann.

Doch wenn Sie es nicht anders wollen, dann selbstverständlich müssen wir Sie gewähren lassen, denn diese Demokratie ist ja Verantwortung, wie der Herr Finanzminister selbst gesagt hat. Man soll dann aber ja nicht kommen und soll wieder andere verantwortlich machen, wenn die Unzufriedenheit steigt, wenn die Gefahr der sozialen Revolution beschleunigt wird durch eine derartige Staatschulden- und Finanzwirtschaft, dann wird vor allen anderen Dingen diese Regierung selbst die Verantwortung zu tragen haben. Worum es sich vor allen anderen Dingen nach unserer Ansicht handelt, und warum es sich in der Demokratie, die eine Herrschaft nicht nur des èechischen Volkes, sondern eine Herrschaft aller Völker dieses Staates sein soll, allein handeln kann, das ist die Umgestaltung der Kräfte des Staates in Hilfsmittel der Entwicklung zu wirklich gerechten Zuständen für alle Nationen in diesem Staate. Heute kann davon nicht die Rede sein. Heute steht dieser Staat auf dem entgegengesetzten Standpunkt, heute steht dieser Staat auf dem Standpunkt der Gewalt und deshalb ist es kein Wunder, wenn er von der Mehrheit der Bevölkerung und namentlich von der Arbeiterklasse nicht nur der èechischen, sondern auch der übrigen bewußten Arbeiterklasse nicht geachtet, nicht respektiert wird, wie es die Regierung wünscht. Wir brauchen vor allen anderen Dingen in diesem Staate eine wirkliche und keine Scheindemokratie, eine durchgängig soziale Demokratie und von der spüren wir bei dieser Regierung verflucht wenig. Ohne eine solche wird diese Regierung keine solche Frage, wie zum Beispiel die stachelige nationale Frage und andere Fragen zu lösen in der Lage sein. Mit Gewalt und unsozialen Steuern dieser Art, wie ich es hier gekennzeichnet habe - es war nur ein Beispiel - wird man vor allen anderen Dingen diesen Staat nicht entwickeln, sondern zersetzen. Ohne Lösung der großen sozialen Fürsorgeprobleme, wie wir sie schon immer reklamieren, wie Alters-, Invaliden-, Witwen- und Waisenunterstützung, Regelung der Arbeitslosenfürsorge, Revision der staatsbürgerlichen Rechte und Gesetze, eine wirkliche Bodenreform und Regelung der Agrarfrage, ohne Änderung der Verfassung, Sprachen- und Geschäftsordnung dieses Hauses ist das Schicksal dieses Staates nach unserer Meinung ein sehr fragliches.

Die kurze Zeit gestattet mir nicht mehr, viel zu sagen, denn man hat ja die Erledigung dieses Budgets zu beschleunigen beschlossen. Ich muß also zum Schluß kommen. Ich weiß ja, wir leben in einer sehr entscheidungsvollen Zeit, nur wissen wir nicht, was entscheiden wird. Aber das eine ist sicher: wenn so weiter gewirtschaftet wird und wenn der Staat noch mehr Schulden auf sich nimmt, wenn er so budgetiert, wie es hier in ausgezeichneter Weise mein Kollege Taub skizziert hat, wenn er so weiter wirtschaftet, dann ist es selbstverständlich bald um ihn geschehen und die Regierung wird vor allen anderen Dingen nicht in der Lage sein, die Schuld auf andere zu wälzen. Unter solchen Verhältnissen kann es nicht wundernehmen, wenn die den Staat bewohnenden Arbeiterklassen aller Nationen den ungeheueren Druck, den sie auf sich fühlen, die steigenden Lasten zu ertragen nicht mehr in der Lage und gewillt sein werden und sich schließlich von ihm selbst zu befreien suchen werden. Aus all diesen Gründen, um mich kurz zu fassen, werden wir gegen das Budget stimmen. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

12. Øeè posl. Patzela (viz str. 795. protokolu):

Hohes Haus! Der Bericht des Budgetausschusses über den Staatsvoranschlag will uns darüber belehren, daß angeblich die steigende Besserung und Konsolidierung der Staatswirtschaft und die Stärke und Unerschütterlichkeit der Staatsfinanzen vor allem aus der Form des Budgets hervorgehe. Wenn wir diesen Voranschlag sine ira et studio betrachten, wobei es kein Wunder ist, daß dieses Studium uns wohl mit ira erfüllt, so können wir diese Auffassung über den uns vorliegenden, "englischen Gruß" nicht teilen, im Gegenteil, mir fällt hier eine Episode ein, die man über einen Finanzministr im alten Österreich erzählt hat. Es war in einer Gesellschaft, da haben die Leute Geschichten erzählt und einer fing folgendermaßen an: "Es war einmal ein Finanzminister". Da schrien die Leute: "Aufhören, Räubergeschichten haben wir schon genug gehört." Diese Geschichte fiel mir ein, als ich den Staatsvoranschlag durchblätterte. Charakteristisch ist nur, daß dieses Scherzwort in einer Zeit fiel, da der Finanzminister im alten Österreich eine Petroleumsteuer und die Erhöhung der Zuckersteuer verlangte, wegen derer damals bekanntlich Blut floß. Charakteristisch ist, daß auch damals der Finanzminister kein Germanisator war, sondern der èechischen Nation angehörte, Dr. Kaizl, derselbe, der es so gut verstanden hat, mit den Habsburgern gemeinsam gegen das nationale Deutschtum in Österreich zu konspirieren. Es ist dies interessant wegen der Feststellung, wie germanisatorisch zu Gunsten des nationalen Deutschtums die Habsburger wirkten.

Sie laden uns zur Mitarbeit auf dem Boden des Staates ein. Da muß ich aber an die Würde des von Ihnen geschaffenen Parlamentes erinnern. In Osterreich war es undenkbar, daß eine Spezialdebatte über das Budget ohne den Ressortminister oder seinen ersten Sektionschef abgeführt wurde. Nicht nur wenn deutsche Redner sprechen - man könnte glauben, daß sie vielleicht brutalisiert oder bagatellisiert werden - nein, auch wenn èechische Redner sprechen, fehlen die Herren Referenten oder es ist nur ein anderer Herr Ressortminister da, gleichsam als Stallwache, wie man im alten Österreich den Terminus gebraucht hat. Dies ist eine Schande für den Parlamentarismus, gegen die zu protestieren auch Sie alle Ursache hätten.


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