Støeda 1. prosince 1920

Auch gegen die Art der Verhandlung protestieren wir. Ein Budget, das 17 Milliarden mit den Investitionen umfaßt, sollen wir in 50 Stunden durchpeitschen. Auf jede Stunde entfallen da 390 Millionen, das ist ein bischen zu viel Postarbeit, auf den Staatsbürger entfallen 1240 K. Wenn die Herren, die uns diese Art einer etwas konzisen, aber nicht sehr feinen Art von Verhandlung aufgezwungen haben, dieselbe Großzügigkeit, vermöge deren sie mit einerHandbewegung 17 Milliarden ausgeben, in anderen Dingen beweisen würden, stünde es in manchem nicht nur hier im Saal, sondern im ganzen Staate anders. Auf Kosten derer, die mitzahlen müssen, aber wenig zu reden haben, sind die Herren sehr nobel. 18 Minister zählen wir: einen Ministerpräsidenten, 14 Fachminister, einen Minister ohne Portefeuille, ein Amt mit einem Minister, der jetzt zwei Ämter verwaltet, schließlich ein Ministerium zur Vereinheitlichung der Gesetzgebung, weil der Minister für die Slovakei für die Beobachtung der slovakischen Gesetze noch nicht ausreicht.

Wir beurteilen den Staatsvoranschlag, ganz auf dem Boden des Staates stehend, rein von sachlichen und formalen Momenten; da wir aber nicht aus unserer Haut heraus können, auch vom nationalpolitischen Gesichtspunkte. Ohne nationalpolitische Voreingenommenheit muß jeder zugeben, daß dieser Staatsvoranschlag und die ganze Staatswirtschaft eine Schandwirtschaft sondergleichen ist, daß hier nichts betrieben wird wie Pflanz und Glanz, wofür Millionen nur so hinausgeworfen werden, aber für produktive Zwecke ist kein Geld vorhanden, ganz abgesehen davon, daß die Deutschen bei Verwendung der Gelder alle Ursache haben, zu fragen, ob sie wirklich nach demselben Schlüssel der Bevölkerung verwendet werden, der nach der "Gazette de Prague", dem Organ Dr. Beneš's, der es immer mit der Wahrheit so genau nimmt, in den Schulangelegenheiten eingehalten wird. Wir finden im Gegenteil, daß die Gelder, die sehr stark von den nicht èechischen Nationen aufgebracht werden, einseitig verwendet werden, auf dem Konto nicht der èechischen Nation, sondern gewisser Teile der èechischen Nation, über die auch Sie innerlich mit sich selber im reinen sind, aber über die ein öffentliches Urteil zu fällen Sie nicht den Mut haben.

Und noch etwas kommt dazu, diese ganze Art der Staatswirtschaft, enthält auch so viele Züge des reichgewordenen Parvenus. Wir wollen nicht nörgeln, wenn z. B. der Herr Minister des Außern sich l/4 Million bewilligen läßt für die Einrichtung seiner Wohnung, obwohl es in einer Zeit, da man um jeden Heller Aufbesserung für die Staatsbeamten mäckelt, ganz eigenartig wirkt. Und ist es auch in sozialistischen Zeiten sehr angemessen, wenn gar so viel mit Autos gefahren wird? Selbst der Herr Ministerpräsident hat in der Antwort, die er hier dem Abg. Medinger gab, feststellen müssen, daß zu viel Autos herumfahren, er aber nicht weiß, wie anzupacken, um dies einzuschränken, weil er es keinem Protektionskind wegnehmen kann. Das ist auch Parvenuart. Im Volksmund sagt man, daß der Hausmeister, wenn er Hausherr geworden ist, der brutalste und unverständlichste Mann ist. Das drückt sich auch im Staatswesen aus. Alle èechischen Parteien haben dasselbe Gefühl, daß das, was wir Deutsche seit Mai hier sagen, richtig ist, aber sie haben Scheuklappen auf, haben nicht den Mut zu einem offenen Bekenntnis, weil sie so viel widerrufen müßten, was sie ihren eigenen Leuten gesagt haben. Das ist nicht Demokratie und Parlamentarismus, wenn man einen Minister in einer so freien demokratischen Republik die Möglichkeit gibt, aus dem Handgelenk Beträge, die wirklich oder angeblich für eine andere Budgetpost nicht erschöpft wurden, für einen anderen Zweck zu verwenden. Gleich dem Redner von der sozialdemokratischen Seite werden auch wir an Ihr parlamentarisches Gewissen appellieren und verlangen, daß Sie die Forderung unterstützen, daß jede andere Verwendungsart der bewilligten Budgetgelder dem Parlamente vorgelegt werden muß, weil Sie sonst den Vorwurf auf sich laden, daß Sie eine Korruptionswirtschaft sondergleichen unterstützen oder wenigstens den Verdacht hievon heraufbeschwören. Ich werde für das, was ich sage, ein Beispiel anführen, auf das der Herr Finanzminister hoffentlich wird antworten können. Das, was in diesem Finanzgesetz geschieht, ist der Verzicht auf die höchsten parlamentarischen Rechte, und die vielgeschmähten Stände im alten Ständestaat haben das Budgetrecht sich von den Landesherren nicht so leicht kürzen lassen, wie Sie in der Republik von einem Beamtenkabinett. Aber Sie denken halt, die Bureaukratie wird es schließlich schon recht machen, sie wird die Millionen in einer Weise verwenden, daß es uns wohl bekommt, und wenn es den anderen wehtut, so ist es kein großes Unglück.

Wir wissen, Finanzminister waren nie Volkslieblinge, und ich kann erklären, daß der Herr Finanzminister Dr. Engliš ich weiß nicht, ob er Minister oder nur Verwalter des Finanzamtes ist - als dritter Nachfolger des Dr. Rašín für seine schwierige Stellung auch bei uns Deutschen viel Verständnis gefunden hat. Wir hätten ihm vielleicht innerlich manches zugute gehalten und ihm mit Rücksicht auf seine schwierige Stellung manches zugebilligt. Allerdings mit dem Augenblick, wo sich der Finanzminister mit dem Tomahawk präsentiert und als hackenschwingender Hurone wie ein Indianerhäuptling ins Feld zieht, um den Deutschen Staatsbegeisterung und die Begeisterung für die Staatsanleihe mit dem Beile einzuhacken, da ist bei uns jedes Verständnis für die schwierige Stellung eines èechoslovakischen Finanzministers zu Ende. In der Lage, in der sich die èechoslovakische Republik befindet wie jeder andere Staat, gibt es zur Erhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes nur zwei Methoden: Neue Steuern oder Sparen. Also auf das Sparen scheint sich der Staat nicht eingestellt zu haben, das heißt, man spart gegenüber den Arbeitsbienen, aber wo es um Glanz und Pflanz geht, da werden die Millionen nur so hinausgeworfen und es wird dies sogar von der Ministerbank mit unwahren Ziffern einbegleitet und verteidigt, wie ich es dem Herrn Kriegsminister nachzuweisen in der Lage sein werde. Es ist komisch, wenn man uns das einreden will. Es sitzen ja auf den deutschen und èechischen Bänken des Hauses Leute, die in einem geordneten Staatswesen - und im alten Österreich war bis zum Kriege beinahe mehr Ordnung als in der èechoslovakischen Republik - Budgetberatungen mitgemacht haben und es gibt auch sonst Leute, die einen Staatsvoranschlag gelesen haben und schon eine Ahnung davon besitzen, wie das finanzielle Gleichgewicht hergestellt oder aufrecht erhalten wird.

Aber wie kann man 280 vollsinnigen Frauen und Männern zumuten, wirklich an das Gleichgewicht zu glauben, wenn wir keine Abrechnung haben, wenn mit Ausnahme der Einnahmen des Post- und Eisenbahnwesens überhaupt noch keine Abrechnung über die Eingänge des Jahres 1919, ja nicht einmal vollwertig für 1918 bisher erfolgt ist? Auf welche Gründe soll die Behauptung gestützt werden, daß das Jahr 1921 wirklich im Stande sein soll, das Gleichgewicht im Staatshaushalte herzustellen? Das sind mit billigen Methoden errechnete Steuereingänge und die Steuereingänge, auf die man sich beruft, sind nicht die Steuereingänge, an denen wir Freude haben können. Es ist merkwürdig, daß in einer demokratischen und bis vor wenigen Monaten noch von Sozialisten regierten Republik von einer starken Erhöhung der Tantiemensteuer oder der Besteuerung von Aktiengesellschaften nicht viel zu spüren ist. Offenbar deswegen, weil auch viele Minister früher oder später oder auch jetzt Beziehungen zu Aktiengesellschaften besitzen oder wenigstens öffentlich dessen bezichtigt werden. Bekanntermaßen steht das mit der Verfassung in Widerspruch, ohne daß sie bisher es der Mühe wert fanden, auf eine so schwerwiegende Frage eine klare und unzweideutige Antwort zu geben. Ich habe diese Frage im Ständigen Ausschusse mit Unterstützung der anderer deutschen Abgeordneten gestellt und bis heute ist keine Antwort erfolgt. Ob denn auch die Minister der èechoslovakischen Republik so eifersüchtig über die Verfassung wachen, als sie sie uns immer zur Beobachtung empfehlen? Keine Antwort ist auch eine Antwort. Aber es scheint, daß auch die èechoslovakischen Minister Ursache haben, Aktiengesellschaften und solche Dinge zu schonen und dafür ganz im Sinne des alten Österreich in der Erhöhung der Konsumsteuern fortzuwursteln, gegen die alte Herren, ich meine die alten Parlamentarier von denselben Bänken, im alten Österreich immer den wahnsinnigsten Kampf geführt und dem alten Österreich daraus seinen baldigen politischen und wirtschaftlichen Tot prophezeiht haben. Wir haben keine Ursache, Steuervorschläge zu machen, wir sind auch nicht darnach gefragt worden, und wenn wir einmal gefragt werden, dann werden wir auch die richtige Antwort finden. Aber das eine steht fest, daß die Steuerämter mit den wahnsinnigsten Steuerprojekten fortwährend bearbeitet werden, und fest steht - das ist auch ein Kapitel, das erwähnt werden muß - daß nach dem Voranschlag 22 % der Eingänge des Finanzministeriums auf die Regie aufgehen. Wenn man noch bedenkt, daß noch so und so viele Millionen in den Einnahmen des Finanzministeriums enthalten sind, die auf Steuern entfallen, die anderwärts eingehoben werden, wie die Stempel, die Frachtsteuer, die Fahrkartensteuer u. s. w., so kann man feststellen, daß der Regieperzentsatz des Finanzministeriums 30 % beträgt. Das ist eine außergewöhnlich hohe Regie, die mit den Teuerungszulagen für die Staatsbeamten allein nicht begründet werden kann. Freilich muß die Regie immer höher werden, wenn man mit derartigen verunglückten Projekten kommt, wie es die Brot- und Mehlsteuer ist, wenn man der Bevölkerung die Steuer abnimmt, aber das Mehl nicht liefert, sondern aus hochoffiziellem Munde unseren Stadtgemeinden draußen empfiehlt, sie möchten sich jetzt der Sicherheit wegen lieber selber im Auslande Brot und Mehl einkaufen. Aber der Staat wird die Güte haben und das von Ihnen eingekaufte Mehl auf das Kontingent schreiben, so daß die Gemeinden das Recht haben, vielleicht aus diesem Mehl ihren Bürgern etwa einen Zuschuß zu geben.

Einer der Vorredner hat von der Befürchtung gesprochen, daß Steuerämter aufgelassen werden könnten. Es ist eine bekannte Tatsache, die èsl. Regierung projektiert eine Steuerreform. Es wird davon gesprochen, man wolle gegenwärtig die kleinen Steuerbezirke aufheben, es ist auch in den Zeitungen gestanden, und mit den Finanzreferaten bei den Bezirkshauptmannschaften die Steuerämter verbinden. Diese Steuerreform, gegen die an und für sich nichts einzuwenden wäre, wenn sie vernünftig durchgeführt wird, kommt uns ein bischen bedenklich vor, wenn wir im Investitionsvoranschlag sehen, daß aus diesem Titel der Steuerreform 300 Millionen Kronen bewilligt werden sollen für neue Amtsgebäude; für eine Reform der Finanzverwaltung, die damit beginnt, heute 300 Millionen für den Versuch abzuknöpfen, danken wir allerschönstens im Namen derjenigen Bevölkerungskreise, die zwar nur 27 % der Bevölkerung sind, aber nach dem Steuerzahlen vielleicht 75 % bilden.

Was wir an der Finanzverwaltung und am Finanzminister unbegreiflich finden, ist, daß er immer eine Kabinettsfrage daraus macht und mit dem Rücktritt droht, wenn wirklich eine produktive Auslage von ihm verlangt wird. Daß die Befriedigung des Hungers und die Bekleindungsnot der öffentlichen Angestellten eine produktive Ausgabe ist, hat ein deutscher Redner bereits von dieser Stelle aus beleuchtet. Weniger schwierig und ängstlich ist der Finanzminister, wenn es sich um die Bewilligung neuer militärischer Forderungen handelt. Wir haben nicht gehört, daß er einen Widerstand in dem Augenblick erhoben hat, als er die Nachricht erfuhr, daß heuer nicht 1.2 sondern 2.5 Milliarden vom Minister für nationale Verteidigung beansprucht werden. Der Herr Minister für nationale Verteidigung hat heute vormittag die Reden der deutschen Abgeordneten über die Militärfragen damit zu bagatellisieren versucht, daß er erzählt hat, wie gering das Einkommen gewisser èsl. militärischer Funktionäre ist. Ich muß feststellen, daß der Herr Minister für Nationalverteidigung hier mit der Wahrheit, ich möchte sagen, nicht ganz auf gutem Fuße stand, daß er mit der Wahrheit sich auf dem Kriegsfuße befunden hat. Denn es ist nicht richtig, daß ein Leutenant in Prag mit allen Gebühren monatlich nur 700 Kronen hat. Denn der Staatsvoranschlag des Herrn Kriegsministers besagt uns, daß für einen Leutnant im Jahre 11.448 Kronen verlangt werden und wenn es wahr ist, daß ein General der IV. Rangsklasse monatlich ungefähr 2000- Kronen bekommt, dann verstehe ich nicht - da wir ja zählen gelernt haben und bei uns zweimalzwölf vierundzwanzig ist - daß ein General der IV. Rangsklasse nach dem Staatsvoranschlag 39.340 Kronen jährlich mit allen Zulagen bekommt. Wenn ein Minister derart spricht, so kann man entweder annehmen, daß der Voranschlag Lüge und Schwindel ist oder aber daß der Minister übel berichtet ist. Es ist beides für einen aktiven Minister kein glänzendes Zeugnis, für uns aber, die wir bei der Zusammensetzung dieses Staatsvoranschlages eine passive Rolle spielen, ist es begreiflicherweise eine vermehrte Ursache, allen Posten dieses Voranschlages und der Art, wie sie verwendet werden sollen erhöhtes Mißtrauen entgegenzubringen, wenn wir hier von der Ministerstelle derart mit Unwahrheiten bedacht werden, weil man offenbar nicht daran denkt, daß wir ein Übersetzungsbüchel zu Hilfe nehmen können, um nachzuprüfen, wenn wir Versicherungen aus Ministermunde nicht kritiklos entgegennehmen.

Mich wundert andererseits, von demselben Herrn Finanzminister, der sich gegenüber den Forderungen zur Bezahlung der arbeitenden Beamtenschaft so harthörig verhält, daß er gegenüber der Vermehrung der Bureaukratie, wo sie aus Protektionsrücksichten erfolgt, sich gar nicht so harthörig zeigt, sondern dieser Vermehrung seine Arme gnädig weit öffnet. Wenn im Budgetausschuß sogar Herr Dr. Rašín, der erste Finanzminister der èechoslovakischen Republik, gegen die Abundanz der zahlreichen Amtspersonen in den Zentralstellen gewettert hat, dann muß wohl etwas Wahres daran sein, dann muß wohl die Kritik, die wir Deutschen an diesem Budget, an diesem ganzen bureaukratischen Apparat üben, ihre Berechtigung haben.

Viel schlimmer aber ist es, was der Staat mit den Legionären aufführt, und wenn die Herren von der èechischen nationaldemokratischen und nationalsozialistischen Seite noch so sehr dagegen aufschäumen, man muß es doch endlich sagen und es soll doch endlich auch einmal ein Èeche selbst den Mut dazu finden, das zu sagen, was man uns Deutschen privat sagt und was sogar hohe èechische Funktionäre den deutschen Abgeordneten gesagt haben: daß die Legionäre und daß die Art und Weise, wie man sie unterbringt, als eine Eiterbeule an der Wirtschaft empfunden wird, daß aber niemand wagt, dagegen ernstlich aufzutreten. Man hat nicht den Mut, den Legionären zu sagen: Ihr habet Eure Pflicht erfüllt, nun aber müßt Ihr nachhause zurückkehren und wieder arbeiten. Statt dessen läßt man die Leute ohne alle Vorkenntnisse Posten annehmen, die vor ihnen ein deutscher Schreiber sehr gut besorgt hat, setzt an dessen Stelle Legionäre mit glänzenden Gehalten, ohne daß sie irgendetwas vom Dienste verstehen, läßt den deutschen Schreiber daneben weiterarbeiten und die Legionäre ohne Arbeit gute Gehalte beziehen. Ich sage Ihnen, wir, die wir dem Staate ziemlich kühl gegenüberstehen, haben gar nichts dagegen, wenn Sie alle diese Herren im Staatsdienste unterbringen. Aber das eine möchte ich doch sagen: Machen Sie sich gefaßt darauf, diese Art von Wirtschaft wird im Stande sein, Ihren Staat, von dem Sie wollen, daß er auch der unsere sein soll, unrettbar der wirtschaftlichen Katastrophe entgegenzuführen.

Ein ganz eigenes Kapitel in der Staatsverwaltung ist die Staatsschuldenverwaltung. Es ist bezeichnend, daß es wieder ein èechischer Redner sein mußte, der im Budgetausschuß dem Herrn Finanzminister vorhielt, daß man sogar eine große Millionenpost nicht mehr in das Verzeichnis der Staatsschulden aufnahm und damit èechische und deutsche Öffentlichkeit über den Stand der Verschuldung des Staates täuschte. Es ist das vor einem Finanzminister, den man wenigstens persönlich bisher für einen Gentlemann hielt, eine sehr unfaire Handlungsweise, wenn man nicht glauben muß, daß vielleicht hinter seinem Rücken etwas geschieht, wofür er seinen Namen hergeben muß, wofür er die Verantwortung trägt, ohne von dem Inhalte dessen, was in seinem Namen geschieht, vollständig unterrichtet zu sein.

Eine Post hat mich außerordentlich interessiert. Der Finanzminister erwartet als Ertrag der vierten Staatsanleihe 7 1/2 Milliarden. Davon glaubt er, werden 3.750,000.000 K alte österr. Kriegsschuldpapiere sein, die er übernimmt und abstempelt, und 3.750,000.000 K die die Bevölkerung, die Steuerträger ihm bewilligen werden. Ich beneide ihn nicht um seinen rosen-roten Optimismus, da er soeben feststellen mußte, daß bis Mitte Oktober überhaupt nur 370 Millionen gezeichnet wurden. Woher der Herr Finanzminister den Glauben dazu nimmt, daß bis Ende des Jahres der zehnfache Betrag aufgebracht werden wird, das Geheimnis möchte uns der Herr Finanzminister verraten. (Výkøik: Das Christkindel wird es bringen!) Möglich, daß es das Christkindel bringt, aber es wird englisch reden müssen, sonst wird es nicht gut verstanden werden. Und andererseits, wenn der Herr Finanzminister nicht zu sehr auf das èechische Ohr gehört hätte, sondern ein wenig auch auf das Verständige, was wir ihm empfehlen, und die volle Übernahme der Kriegsanleihe bewilligt hätte, es hätte vielleicht im Jahre 350 Millionen erfordert, aber die Staatsanleihe hätte eine ganz andere Wirkung. Und nun will der Herr Finanzminister nach der vierten Staatsanleihe, von der er Neuzahlungen von 3ÿ7 Milliarden erwartete, bis zum Oktober erwartete - die Zeichnungsfrist wurde inzwischen allerdings bis 15. Dezember verlängert - und die nur 370 Millionen einbrachte, nun will er jemand davon überzeugen, daß es ihm gelingen soll, außerdem im Kreditwege zu In vestitionen noch im Jahre 1921 3 Milliarden aufzubringen. Wenn das der Dr. Engliš vollbringt, dann ist er der größte Wundertäter auf der Welt, der viel größer wäre als der Jud Süß als Finanzdirektor im alten Württemberg.

Die Investitionen! Das ist auch so ein schönes Kapitel. Dinge, die bezahlt werden müssen und die angeblich auf Jahre hinaus der ganzen Volkswirtschaft Vorteile bringen und für die auch die Nachkommen deswegen zahlen müssen, weil auch die Nachkommen davon Vorteile haben und ihre Wirtschaft davon befruchtet werden wird.

Es hat schon ein deutscher Kollege darüber gesprochen. Ich will aber doch, um das Lächerliche dieses Voranschlages zu beleuchten, noch ein paar Ziffern bringen. Offenbar haben unfähige Köpfe, die im alten Österreich etwas davon gehört haben, daß es Unterschiede gibt zwischen einem ordentlichen und außerordentlichen Budget und Investitionen, einfach paar Ziffern dahin und dorthin eingesetzt und der hohe Budgetausschuß, bezw. dessen Mehrheit hat dies einfach unterschrieben. Ich will nicht davon reden, daß da Kasernbauten darin stehen, aber, meine Herren, ein Straßenbau im Religionsfondgut in Neudek mit 29.000 K oder eine Wasserleitungsergänzung mit 6000 K für eine Tabakfabrik, das gehört denn doch nicht in ein Investitionsbudget und daß die Herren von der Mehrheit solche Dinge nicht mit Entrüstung von sich gewiesen haben, bezeugt uns den Unernst, mit dem Sie selbst die Verwaltung der Gelder Ihres eigenen Staates betrachten. (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.)

Es gibt auch eigentliche Investitionen. Die 220 Millionen für strategische Bauten in der Slovakei werden Sie bewilligen. Auf den slovakischen Bänken sitzen ja manche, die dazu lachen und vielleicht meinen, daß es mit diesen Bahnen vielleicht bald genau so gehen wird, wie es Österreich vor dem Kriege in Galizien und in Südtirol gegangen ist, wo auch strategische Bahnen gebaut wurden, aber zum Nutzen des Gegners. Aber ich möchte den Herren, die verantwortlich sind, denn doch sagen, wenn sie sich entösterreichern wollen, einzelne Posten des Budgets, wie z. B. das Wasserstraßenprogramm, sind ja direkt aus dem altösterreichischen Budget abgeschrieben, allerdings nur die Ziffern für Prag-Holleschowitz, die für Aussig-Lobositz, Tetschen nur sehr teilweise, wahrscheinlich hat es dazu nicht mehr gelangt. Ich möchte den Herren doch empfehlen, daß alte österreichische Lokalbahnprogramm vom Jahre 1913 einmal zu lesen. Möchten Sie nicht sagen, daß es ganz andere dringendere wirtschaftliche Forderungen gibt? Tatsächlich gibt es nicht nur bei uns in Deutschböhmen, sondern auch bei Ihnen in den èechischen Gebieten viel wichtigere Bahnen zu bauen, als die strategischen Bahnen in der Slovakei, während Sie in ihrem Investitionsprogramm gerade ein kleines Stückchen in Mähren haben, das Sie mit einer Lokalbahn versehen wollen. Wir haben aber z. B. in Südböhmen wunderschöne und große Strecken, die dringend mit Bahnen zu versorgen wären. Schauen Sie doch die an, entwerfen Sie ein Lokalbahnprogramm mit uns, da werden Sie sehr viele Bahnlinien finden, die wir brauchten, aber nicht haben, und wie gesagt, auch in rein èechischem Gebiet. Lassen Sie doch die strategischen Bahnen beim Teufel! Sie werden damit Ihrer Wirtschaft und damit der Wirtschaft des ganzen Staates nicht viel nützen.

Freilich, etwas vermissen wir noch im Staatsvoranschlag und in dieser Beziehung haben Sie sich wirklich allzusehr entösterreichert. Der Staatsvoranschlagg enthält auch ansehnliche Summen für neue Telegraphen- und Telephonbauten. Aber wir möchten schon darauf bestehen, daß für die Durchführung dieser Bauten ein ganz spezifiziertes Arbeitsprogramm vorgelegt wird. Wir haben viel zu wenig Vertrauen, daß ohne entsprechende Sicherungen die Telephonlinien auch wirklich dorthin gelegt werden, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Ich rate Ihnen und empfehle Ihnen da immer wieder den altösterreichischen Staatsvoranschlag zu studieren, um zu sehen, wie diese verhaßtenund verunglimpften österreichischen Bureaukraten dieses Bauprogramm ganz anders entwarfen als Sie, so daß man dort jeden Kilometer Straßenbau und jeden Kilometer Telephonbau ganz leicht spezialisieren und unterscheiden konnte und auch feststellen konnte, für welche Wirtschaftsgebiete gebaut wurde. Wenn Sie uns davon überzeugen wollen, daß in einem Staat Gerechtigkeit obwaltet, dann müssen Sie beschließen, daß solche Bauprogramme erst genehmigt werden müssen.

Etwas kommt mir komisch vor - es ist nur eine Episode - warum nämlich bei der Zentralverwaltung im Kriegsministerium auch ein Kapellmeister ist. Wohl deshalb, weil im Ministerium so viele Hausbälle gegeben werden, oder soll er zeigen, daß das Militär seinen Veranstaltern wie eine große Fidlovaèka erscheint? (Veselost na levici.)

Noch etwas. Ein èechischer Kommunist hat darauf hingewiesen, daß General Pellé mehr Einkommen hat als Präsident Masaryk. Ich glaube, auch auf deutscher Seite dieses Hauses schätzt man Thomas Masaryk etwas höher ein als den Herrn General Pellé. Ich muß es schon sagen, daß ich es unwürdig finde, die Arbeitsleistung des von Ihnen gewählten Präsidenten schlechter zu bezahlen als die Arbeit des Herrn, der Ihr Gendarm ist, der Sie überwachen muß, ob Sie gute Polizeidienste gegen Deutschland leisten.

Nun neben der militärischen auch noch etwas über die geistige Ausrüstung des Staates. Über die Schulausgaben wurde und wird noch gesprochen werden. Ich will nur eines feststellen, daß die "Gazette de Prague" heute die Sache so darzustellen sucht, als würden die Deutschen nicht benachteiligt. Das Blatt wird durch den Unterrichtsminister selbst Lügen gestraft, der im Budgetausschuß erklärt hat, es sei nicht genügend Geld da, um alle Anforderungen zu befriedigen und da das èechische Schulwesen ausgebaut werden müsse, müsse eben an den deutschen Schulen gespart werden. Das ist eine Staatsmoral, für die unter gebildeten Menschen jede Bezeichnung fehlt. Deswegen werden Sie doch nichts erreichen, und wenn Sie mit dem Gelde, das Sie aus den gesperrten deutschen Schulen ersparen, noch so viele kulturelle Beziehungen mit dem Auslande unterhalten, werden Sie die Ihnen erwünschte Wertschätzung und Einschätzung des Auslandes nicht erreichen.

In Paris wird eine Lehrkanzel für die èechische Sprache errichtet, aber - als Abteilung an der Akademie für orientalische Sprachen. Sie sehen also, alles Nachlaufen hinter den Parisern hindert nicht, daß man in Paris die Tch@eques für Bohémiens, für Orientalen ansieht.

Das einzige Budget, das neben dem Finanzministerium aktiv ist, stellt das des Eisenbahnministeriums. Aber auch hier wird dies nicht allzulange mehr währen, denn ins Uferlose können die Tarife nicht erhöht werden, weil sonst die Volkswirtschaft recht wenig zu verfrachten haben wird. Sie führen die Verwaltung der Eisenbahnen geradezu glänzend. Die Entösterreicherung wird natürlich durchgeführt, dabei wird natürlich nur aus Dienstrücksichten vorgegangen, denn es gibt keinen èsl. Minister keine èsl. Staatsbahndirektion, die deutsche Beamte etwa aus nationalen Rücksichten versetzt. Es sind immer nur dienstliche Rücksichten, aus denen z. B. 50 deutsche Stationsvorstände nach Prag versetzt werden, als Vorstandstellvertreter, oder an Stellen, wo sie nichts leisten können, während man hinaus Leute schickt, die zwanzig Jahre in den Zentralen gesessen sind. Und dann stehen in den Stationen, in denen statt eines deutschen Beamten 3 èechische den Dienst versehen, Dutzende und Dutzende von Eisenbahnwaggons herum, kommen zum Fehlen, die Industrie und das Eisenbahnministerium suchen sie und die Industrie kann nicht liefern, weil die Waggons fehlen. Es müssen neue Waggons bestellt werden: Das Eisenbahnministerium klagt über die lange Umlaufzeit der Wagen und weiß nicht, daß es selbst an diesem Übelstande schuld ist. Und nun will der Staat noch an die Ubernahme des Betriebes der Privatbahnen schreiten! Ich habe zwar nicht die Absicht, die Interessen der Aktionäre der Aussig-Teplitzer, der Buschtìhrader, der Kaschau-Oderberger Bahn zu vertreten, aber die Vorlage wird dem Staate eine hübsche Summe von Prozessen auf den Hals hetzen, aus denen der Staat wahrscheinlich nicht immer gut hervorgehen wird. Und dann wird aus der heutigen Aktivpost des Eisenbahnministeriums schnell eine riesige Passivpost geworden sein.

Auch sonst haben wir alle Ursache, das Budget nach national-politischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Bis heute hat trotz wiederholter Ersuchen aller deutschen Parteien das Ministerium für soziale Fürsorge keine Antwort gegeben, wie denn die Millionen verteilt wurden, welche die alte Nationalversammlung zur Förderung der Wohnungsfürsorge bewilligt hat. Man hat sofort nach Beginn der Aktion die èechischen Verbände verständigt, daß Millionen für Bauzwecke bereit liegen und sie aufgefordert, ihre Ansuchen möglichst schnell einzureichen; und als die deutschen Gemeinden kamen, wurde ihnen die Mitteilung gemacht, das Geld sei weg, es könne nichts mehr gemacht werden. Darum sage ich den Herren auf der èechischen Seite: Wenn Sie wollen, daß wir an eine gerechte Verwaltung glauben sollen, dann müssen Sie uns auch darin zustimmen, daß über die Verwendung der Gelder für die Wohnungsfürsorge eine eigene Rechnung gelegt werde, bzw. daß diese Gelder in Hinkunft nach dem Bevölkerungs-Schlüssel verteilt werden, nach Vereinbarung zwischen deutschen und èechischen Selbstverwaltungskörpern. Es geht nicht an, daß die Stadt Aussig mit ihrem Ansuchen um ein paar 100.000 K für Notstandsbauten abgewiesen wird, während im Staatsvoranschlag eine Million für eine Kaserne eingesetzt wird, die Aussig niemals verlangt hat.

Auch die Volksernährung wird nach rein fiskalistischen Grundsätzen geführt. Eines der bösesten Wickelkinder des Fiskalismus ist die Brot- und Mehlsteuer, die trotz Widerspruches der Deutschen im Ständigen Ausschuß angenommen wurde und deren Undurchführbarkeit sich von Tag zu Tag mehr zeigt. Wenn Sie nicht helfen, diese Steuer bald zu beseitigen, dann kann es passieren, daß die Bevölkerung draußen sie auf einem Wege beseitigt, den Sie im alten Österreich vielfach zur Erreichung von politischen Vorteilen eingeschlagen haben, nämlich via facti. Und in dem Augenblicke, da man der Bevölkerung den Rat gibt, Brot und Mehl im Auslande selbst einzukaufen, hat diese Steuer doch jede Berechtigung verloren, Sie werden nur erreichen, daß selbst Bevölkerungsteile, die früher anders dachten, der freien Wirtschaft immer mehr zuneigen, da man sehen muß, daß nichts anderes helfen kann, als die Ernährung der privaten Initiative zu überlassen. Denn man kann nicht verlangen, daß für Zentralen, die nichts liefern, Millionen bewilligt werden. Und umso komischer wirkt es auf uns, wenn wir im Staatsvoranschlage Posten vorfinden, nicht beim Ministerium für Volksernährung, dort würden sie zu sehr auffallen, sondern beim Finanzministerium, Posten, wie z. B. den Ersatz für allfällige Abgänge in der Getreideanstalt 91 Millionen.


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