Ètvrtek 23. listopadu 1922

Auch die so wichtige Frage der Woh nungsreform ist seitens der Gemeinden nicht zu lösen, weil die Mittel fehlen, weil der Staat hier für die Bevölkerung viel zu - wenig tut. Man kann also wohl im Gegensatz zur Ansicht des Berichterstatters sag n, daß die finanzielle Lage der Gemeinden unerträglich geworden ist. Das System der Zuschläge zu den direkten Steuern ist eben schon längst unzulänglich und andere sichere Einnahmsquellen, eine gewisse Steuerhoheit der Gemeinden, ist unbedingt vonnöten. Ich erinnere daran, daß diese Überzeugung nicht bloß in un seren Kreisen, sondern auch in den Kreisen der èechischen Kommunalpolitiker vor handen ist. Ich nenne hier den bekannten Prager Stadtrat, Dr. Langer, wenn ich nicht irre, ein Sozialdemokrat, der wieder holt auf Gemeindekonferenzen, wie zum Beispiel in Preßburg und anderswo die Notwendigkeit dieser Steuerhoheit und der Änderung des bisherigen Systems betont hat. Er hat richtig gesagt, daß der Staat die Realsteuern sich vorbehält, statt sie an die Gemeinden abzuführen. Ich erinnere auch daran, daß es den Gemeinden verboten wird, Zuschläge zur Personaleinkommen steuer einzuheben, ohne ihnen dafür Ersatz zu bieten. (Posl. Jokl: Mit Ausnahme von Hultschin!) Ich wollte eben sagen, daß Hultschin eine gewisse Ausnahme bildet, wo die Gemeinden diese Zuschläge einheben. Ich weiß nicht, wie das kommt, ich weiß nicht, welche Steuermaßregeln in Hultschin in der Beziehung möglich sind. (Výkøiky na levici.)

Sehr schlecht hat sich für die Gemeinden das System der direkten Einhebung der Umlagen mit Hilfe der staatlichen Steuerämter bewährt, was seit dem 1. Jänner 1921 geschieht. Ich will auf dieses Kapitel nicht näher eingehen, weil wir gestern in einer Interpellation diese Sache gründlich auseinandergesetzt haben, worin wir dringend Abhilfe wünschen und weil mein Kollege Beutel darüber gesprochen hat. Sicher ist, daß dieses System auf die Dauer nicht haltbar ist. Wenigstens müssen Überweisungen in ganz anderem Ausmaß vollzogen werden und die offenkundige Absicht, die man klar und systematisch verfolgt: die Gemeinden kurz zu halten und sie zu drosseln, muß fallen. Ich habe hier eine kleine Liste der Rückstände, welche die Steuerämter den einzelnen Gemeinden schulden. Ich greife nur einige wenige Beispiele heraus. Bodenbach hat für heuer zu fordern 737.000 Kronen - ich runde die Summen ab - Tetschen, eine nicht sehr große Stadt mit 10.000 Einwohnern, die ohnedies bis über den Hals in Schulden steckt, hat für heuer zu fordern 193.000 Kronen und für das Vorjahr außerdem 108.000 Kronen. Arnau hat zu bekommen 295.000 für heuer, 293.000 Kronen für das Vorjahr. In Asch ist es noch ärger. Die Gemeinde Asch bekommt für das heurige Jahr noch 340.000 und für das Vorjahr 1,174.000 K. (Hört! Hört!) Außig hat für heuer zu bekommen 4,887.000 Kronen. (Posl. Taub: Ob der Staat auch die 10 % Verzugszinsen zahlt!) Ich wollte eben hervorheben, daß der Staat von den Steuerträgern, wenn sie mit den Steuern im Rückstande sind, sofort 10% Verzugszinsen einhebt, aber den Gemeinden seine Rückstände in keiner Weise vergütet. Selbst kleine Gemeinden, wie Böhm. Kamnitz haben vom Staate noch große Summen zu fordern: Letzteres 45.000 für heuer und noch 150.000 vom Vorjahr. B. Kamnitz ist eine kleine Stadt von 5000 Einwohnern. Arg ist es noch in Brüx. Die Brüxer Stadtgemeinde hat noch zu fordern für heuer 2,240.000. Schlimm ist es auch in Dux. Es hat für heuer noch zu fordern 561.000 Kro nen und für das Vorjahr 1,635.000 K. Am allerärgsten ist es nach dieser kurzen Liste in Gablonz. Dieses hat heuer über 2 Millionen und für das Vorjahr 2,140.000 Kro nen zu fordern. Man kann wohl sagen, es geht in die Milliarden, was der Staat den Gemeinden vorenthält. Das kann absolut nicht so weiter fortdauern und es ist durchaus keine Übertreibung, wenn man sagt, die Gemeinden stehen vor dem Bankerott.

Es ist heuer schon der Fall, daß die Gemeinden in den größten Schwulitäten stecken; was wird aber erst im nächsten Jahre werden? Die schreckliche Zeit der Krise macht es unmöglich, die Steuerrückstände einzutreiben, alle Bemühungen in dieser Beziehung werden erfolglos sein. In einem Jahr werden die Gemeinden buchstäblich am Ende ihres Lateins sein und ich weiß nicht, was dann der Staat unternehmen wird. Der Staat gibt momentan höchstens gute Ratschläge, aber genügend finanzielle Mittel sind von ihm nicht zu bekommen. Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Berichterstatter Dr. Srdínko zur Kenntnis bringen, welche Forderungen eigentlich die deutschen Gemeinden und Bezirke aufstellen, um eine Sanierung der Gemeindefinanzen herbeizuführen. Die Hauptversammlung des Verbandes deutscher Selbstverwaltungskörper hat am 1. Oktober in Gablonz getagt und dort eine Reihe von Forderungen aufgestellt. Es sind 14 Punkte, aber es sind korrektere Forderungen als die berühmten 14 Punkte Wilsons. Es wird unter anderem gefordert:

1. Erschließung weiterer ergiebiger Steuerquellen, Beteiligung am Erträgnis der Einkommensteuer, Einführung der Besteuerung nach dem periodisch festzustellenden gemeinen Wert u. s. w.,

2. Entlastung der Gemeinden von den Arbeiten des übertragenen Wirkungskreises oder angemessene Entschädigung für diese Arbeiten und die damit verbundenen Kosten,

3. allgemeine Erhöhung des Anteiles der Selbstverwaltungskörper am Erträgnis der Luxussteuer und, solange sie besteht, der Umsatzsteuer, Ausschaltung jedes administrativen Ermessens bei Bemessung dieses Anteiles,

4. größeren, jedoch industrie- und handelsarmen Gemeinden, insbesondere Schulstädten und Garnisonstädten sind besonders erhöhte Anteile an den staatlichen Steuererträgnissen zu gewähren. Außer dem ist ihnen eine Überschreitung der Höchstsätze der Gemeindeabgaben und -Gebühren in einem den örtlichen Verhält nissen entsprechendem Maße zu bewilligen.

Ich will nicht alles vorlesen, ich möchte nur noch erwähnen, daß dieser Verbandstag selbstverständlich auch die Einlösung der Kriegsanleihe gefordert hat.

Ich möchte nur eines noch kurz bespre chen, um zu dokumentieren, wie wenig der Staat eine Entlastungder Gemeinden herbei führen will. Mein Kollege Jokl hat schon gestern das Kapitel der Militäreinquartie rungen gestreift und hervorgehoben, daß trotz der angenommenen Resolution im Vorjahre die Regierung noch immer nicht eine Änderung dieses Zustandes, wie er jetzt besteht, herbeigeführt hat. Die Militäreinquartierungskosten sind ungeheuerlich groß. Ich will nur einige wenige charakteristische Zahlen hervorheben. Frei waldau hat z. B. für diese Zwecke ausgegeben 147.000 und retour erhalten nur 77.000. Jägerndorf hat ausgegeben 219.000 Kronen und vergütet bekommen 92.000. Asch hat ausgegeben 115.000, und vergütet erhalten 43.000, Sternberg hat 46.000 aus gegeben und bloß 7000 K retour erhalten. Das sind Zustände, die die Interessen der Gemeinden natürlich schwer schädigen und wir verlangen, daß sich die Regierung ernstlich bemüht, rasch Abhilfe zu schaffen. Ich habe gesagt, daß die Gemeinden in finanzieller Beziehung absichtlich gedrosselt werden. Aber ich möchte hinzufügen und es näher begründen, daß die ganze Politik der Mehrheit darauf hinaus geht, das Eigenleben der Gemeinden immer mehr im Stumpfe der Zentralisation und des staatlichen Bürokratismus zu ersticken. Man will die selbständige Existenz der Gemeinden aufheben, man will den Gedanken der Selbstverwaltung zerstören. Man stellt die früheren Prinzipien, welche die Mehrheit vertrat, direkt auf den Kopf und statt Föderalismus, statt Selbstverwaltung wird strengster Zentralismus gehandhabt. Ich möchte an einem Beispiel charakterisieren, wie sehr die Bewegungsfreiheit der Gemeinden systematisch eingeschränkt wird. Es betrifft die Verstaatlichung der Polizei, auf die Genosse Schäfer auch gestern schon kurz hingewiesen hat. In Reichenberg ist die Polizei bereits verstaatlicht worden. Die Lokalpolizei soll weiter ver staatlicht werden in Brünn, Znaim, Iglau, Mährisch Ostrau, Troppau, Karlsbad und Eger. Man spricht auch davon, daß selbst in kleineren Städten wie Tetschen-Boden bach, Aussig usw. die Polizei verstaatlicht werden soll. An dem Reichenberger Beispiel kann man sehr viel lernen. Das Ministerium des Innern hat auf Grund des Gesetzes vom 16. März 1920 eine staatliche Polizeidirek tion eingerichtet und die ganze Agenda, welche die Ortspolizei bisher ausgeübt hat, der staatlichen Polizeidirektion überwiesen. Nicht bloß die öffentliche Sicherheit ist der staatlichen Polizei überwiesen worden, auch das Vereins- und Versammlungs wesen, die Preßpolizei, die Straßenpolizei, die Theaterpolizei, die Sittenpolizei, dann aber auch die Ausübung des polizeilichen Strafrechtes auf Grund des Prügelpatentes vom 20. April 1854. Bloß das Meldewesen ist in Reichenberg noch nicht verstaatlicht, aber es ist möglich, daß dies in nächster Zeit geschieht. Wie wird nun dort amtiert? Da möchte ich aus einem Bericht, den die "Reichenberger Zeitung" kürzlich brachte, einiges vorlesen. Die Reichenberger Stadt vertretung hat eine eigene Protestkund gebung veranstaltet, wo gegen die Ver staatlichung der Polizei und gegen die übrige Knebelung der Gemeindeautonomie lebhaft Einspruch erhoben wurde.

In diesem Berichte heißt es: "Es gibt keine harmlose Unterhaltung, zu welcher nicht ein èechischer Polizeibeamter ent sendet würde, welchem dafür vom Unter nehmer eine hohe Geldentschädigung ge zahlt werden muß". Es ist ärgerr als früher im alten Österreich und doch spricht man immer von Entösterreicherung. Außerdem steht das Spitzeltum in Blüte. Der Bericht sagt: "Der Polizeidirektion wurden nur èechische Beamte zugewiesen, An die Spitze der Polizeimannschaft wurde ein èechischer Legionär gestellt, die Amtierung in der deutschen Stadt Reichenberg ist rein èechisch und die deutsche Bevölkerung bekommt èechische Vorladungen; mit dem Magistrat wird ebenfalls nur èechisch verkehrt". Es wurde in der Reichenberger Stadtvertretung die Frage aufgeworfen: "Was bezweckt der Staat mit der Errichtung einer Polizeidirektion?" und die Antwort lautete: "Lediglich die Knebelung und Èechisierung der deutschen Bevölkerung". Aber die Mehrheit und die Regierung gehen noch weiter, um die Bewegungsfreiheit der Gemeinden einzuschränken. Schon vor Jahren sind die Finanzkommissionen auf Grund des Gesetzes vom 7. Feber 1919 geschaffen worden, welche eine Kontrolle über die Gebarung der Gemeinden ausüben und eine Aufsichtsinstanz sind, die sich aber nicht in allen Fällen bewährt hat. Ich möchte daran erinnern, daß auch das Präsentationsrecht der Gemeinden bei der Anstellung von Lehrpersonen so gut wie aufgehoben ist auf Grund des Gesetzes vom 9. April 1920. Nicht der Lehrer wird angestellt, den die Gemeinde befürwortet, sondern automatisch der Dienstälteste. Also auch hier hat die Gemeinde nicht mehr das Recht, den Mann sich zu wählen, der die meisten Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und eingearbeitet ist.

Die Frage der Straßentafeln, der Bezeichnung der Gassen und Plätze, ist ein Kapitel für sich. Auch hier zeigt sich sehr deutlich der Wille, die Freiheit der Gemeinden einzuschränken. Höchst bezeichnend ist auch das Folgende: Im "Prager Abendblatt" kann man fast jeden Tag lesen, daß das Ministerium zugestimmt hat, daß diese oder jene Gemeinde im deutschen wie im èechischen Gebiet, getrennt wird. Es ergibt sich dadurch eine furchtbare Zersplitterung im Gemeindewesen. Anderswo, z. B. Deutschland, bemüht man sich, Gemeinden zusammenzulegen, große Kommunen zu schaffen, damit sie ihre Aufgaben wirklich erfüllen können. Wir sind ein Land mit kleinen Gemeinden, ein Land, das fast lauter Dörfer besitzt, während Deutschland zahlreiche Großstädte hat. Statt hier zu vereinen, zu verschmelzen, zu stärken, tut man das Entgegengesetzte und schafft Kleinwesen von Kommunen, mit denen die Herren wahrscheinlich früher fertig werden, als mit größeren Gemeinden.

Ich möchte weiters erwähnen, daß der Staat auch in das Gesundheitswesen eingegriffen hat, indem er die Gesundheits polizei mit Hilfe des § 20 des ersten Nachtrags zu den Gemeindeordnungen in seine Hand nimmt. Am 1. Jänner 1923 sollen nach diesem Gesetz die Gemeinde- und Distriktsärzte verstaatlicht werden. Nun ist es aber merkwürdig, daß bis heute, also knapp 5 Wochen vor der genannten Frist, noch keine Durchführungsverordnung erschienen ist, daß die Ärzte mit ihrer Existenz sozusagen in der Luft hängen, nicht wissen, wie ihre Zukunft ausschaut. Ich will über die Ärzte selbst nicht sprechen. Es ist aber sicher merkwürdig, daß man für sie 13 Millionen K weniger in das Budget eingesetzt hat, offenbar in der Absicht, die Gehälter der Gemeinde- und Distriktsärzte zu verkürzen. Das ist ebenfalls ein Kapitel für sich. Mir liegt vor allem das Interesse der Gemeinden und der Bezirke am Herzen und wir müssen daher Protest gegen die Gefahr erheben, die durch den Gesundheitsminister resp. das Ministerium heraufbesschworen wird, daß ab 1. Jänner kein Gesundheitsdienst mehr möglich ist, wenn die Ärzte vom Staate nicht rechtzeitig übernommen werden. Die Gemeinden haben selbstverständlich keine Verpflichtungen mehr gegenüber den Ärzten. Es besteht die Eventualität, daß die Ärzte streiken und sagen: "Wenn uns der Staat nicht zahlt, werden wir nichts mehr machen". Es besteht die Gefahr, daß es keine Krankenbesuche für die Armen mehr geben wird, keine Totenbeschau, oder es kommt so, was durchaus möglich ist, daß die Ärzte den Staat auf Erfüllung seiner Pflichten einfach klagen. Es wäre ein ganz merkwürdiger Vorgang und sehr sonderbar, wenn der Staat tatsächlich geklagt werden müßte auf Einhaltung der Gesetze. Wenn die Regierung, wenn Pater Šrámek glaubt, daß die Gemeinden weiter die Kosten für die Gemeindeärzte und die Bezirke für die Distriktsärzte übernehmen werden, wird er sich wohl sehr irren. Die Gemeinden und Bezirke werden es ablehnen, für den Staat mehr Geld auszugeben als sie ohnedies schon tun müssen. Ich möchte die Regie rung auffordern, diesem Skandal vorzubeugen, und die Distrikts- und Gemeinde ärzte wirklich zu übernehmen unter Um ständen, die menschlich und vernünftig genannt werden können. Ich möchte außer dem darauf hinweisen, daß noch die Gefahr besteht, daß die Straßenverwaltung, die Armenverwaltung und sämtliche Wohltätigkeitsanstalten aus den Händen der Gemeinden in die der Staatsverwaltung übergehen können, daß der Staat seine Hand auch nach diesen Zweigen der Gemeindeverwaltung ausstreckt, und dann wäre eigentlich die Gemeinde mit ihrer Selbständigkeit so gut wie fertig.

Wie bemerkt: Wir sehen deutlich das prinzipielle Streben der Mehrheit, den Gemeinden den Lebensfaden abzuschneiden und den Zentralismus und den Bürokratismus zu stärken. Wenn man sich an den Ausspruch von der "höheren Schweiz" erinnert, worunter man sich vorstellen muß: Selbstverwaltung, Entgegenkommen gegen Minderheiten, Gemeinden und Bezirke, unde wenn ma dies mit den Tatsachen vergleicht, kommt man darauf, daß es kein ärgeres Geflueker geben kann, als wenn dieses Wort vor der höheren Schweiz heute noch hin und wieder gebraucht wird. In der alten Monarchie, die auf Gesetzen aufgebaut war, die schon lange Jahrzehnte zurückliegen, war der Grundsatz maßgebend: "Die Grundlage des freien Staates ist die freie Gemeinde." Wir leben in einer angeblich demokratischen Republik, die angeblich in der Welt voran ist, die durch nichts mehr übertroffen werden kann. Hier aber sehen wir den praktisch angewendeten Grundsatz der Zwangsverwaltung des Staates gegenüber den Gemeinden und Bezirken und vor allem natürlich gegen die Minderheiten, die man als staatsgefährlich oder sonst wie immer bezeichnet, was selbstverständlich nicht zutrifft. Wir erheben daher mit allem Nachdruck und aller Energie gegen diese Bürokratisierung, gegen diese Zentralisierung, gegen diese Drosselung des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden und Bezirke Protest und wir werden alles daransetzen, daß das Ideal der Nationaldemokraten, die in diesem Hause und in diesem Staate eine unheilvolle Rolle spielen, nicht zur Tatsache werde. Das Ideal der Nationaldemokraten scheint darin zu bestehen, daß sie den Staat nach altem zaristischen Muster einrichten, wo auch eine allmächtige Bürokratie jeden freien Hauch, jeden Fortschritt im Sinne der Selbstverwaltung und der Demokratie erstickte. Das Ende des zaristischen Staates ist bekannt. Wenn die Politik der Mehrheit so weiter wütet, wird auch der èechoslovakische Staat bald nicht mehr auf Rosen gebettet sein. Wir warnen noch einmal vor einer Fortsetzung dieser Politik. Wir werden auch in Zukunft eintreten für das freie Recht der Gemeinden und Bezirke, für das Selbstverwaltungsrecht der Völker. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Budiga (viz str. 959 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Einberufung des Parlaments geschieht immer so, daß die Budgetberatung terminiert ist. Es wird der ganze Komplex der Fragen und Erörterungen eingezwängt in eine verhältnismäßig kurze Beratungszeit, damit eigentlich keine Gelegenheit geboten ist, die Wahrheit zu sagen, es wird sozusagen der Maulkorb umgehängt. Schon diese Tatsache allein kennzeichnet das herrschende System der Unterdrückung, welches auf allen Gebieten existiert und diesem Staate eigen ist. Aber trotzdem bringt er noch den Mut auf zu behaupten, er sei ein Hort der freiheitlichen Entwicklung seiner Völker, darunter auch jener, die zu Zwangsbürgern in diesem Staate verurteilt sind. Wir auf den Bänken der deutschen Opposition sind uns ja darüber vollkommen klar, daß alles das, was wir anläßlich der Wechselrede beim Staatsvoranschlag vorbringen, in der Sache selbst belanglos ist, da am Staatsvoranschlag uns zuliebe ja doch nichts geändert wird. Wir werden aber trotzdem nicht ermangeln, von dieser Stelle aus die schärfsten Anklagen gegen die Regierung zu erheben, eine Regierung, zu der wir nicht nur kein Vertrauen, sondern das größte Mißtrauen ebenso wie gegen den Staat haben. Wenn die Regierung und die Herren von der Rechten tatsächlich wollen, daß dieser Staat, an dem sie mit ganzem Herzen hängen, das ist, was er sein soll, dann müssen sie auch bestrebt sein, den übrigen Völkern das Leben in diesem Staate zu ermöglichen. Der Herr Ministerpräsident hat aber mit keinem einzigen Worte davon gesprochen, daß er das zu tun bereit sei. Im Gegenteil, man hat uns die Gleichberechtigung abgesprochen. Wie die nationale Gleichberechtigung im Staate aussieht, kann man am deutlichsten sehen, wenn man den Voranschlag zur Hand nimmt. Bei den Zuwendungen findet man, daß die Deutschen absolut nicht das bekommen, was ihnen auf Grund ihrer Kopfzahl und Steuerleistungen gebührt, sondern kaum 36% davon. Nehmen wir ein anderes Kapitel, z. B. die Beamten und Angestellten, so erhalten wir kaum mehr den dritten Teil von dem, was uns zusteht. Wir müssen verlangen, daß wir überall, in allen Ämtern deutsche Beamte haben, besonders in den Zentralämtern, und daß auch bei der Aufstellung des Staatsvoranschlages deutsche Beamte mitarbeiten.

Wie sieht es aber erst mit den Schulen aus? Ich will darüber nicht sprechen, weil ein anderer Kollege dieses Thema behandeln wird. Ich will nur darauf verweisen, wie die Gleichberechtigung bei den Landesausschußbeisitzern aussieht. Wo ist da unser Recht? Im Bodenamt haben wir überhaupt keine Vertreter, weder einen Beamten, noch ein Mitglied in der Verwaltungskommission. Wir haben gar keine Kontrolle über die saubere Wirtschaft, die dort existiert. (Pøedseda Tomášek ujal se pøedsednictví.)

Wir fordern die uns gebührende Rücksichtnahme auf allen kulturellen und wirtschaftlichen Gebieten; aber wir sind nur zum Zahlen gut genug. Das deutsche Volk hat ein Recht darauf zu wissen, wie die Staatsausgaben verwendet werden, was mit den sauer verdienten Steuerkronen geschieht und wer die Nutznießer derselben tatsächlich sind. Das deutsche Volk hat aber auch ein Recht darauf zu wissen, wie die Voranschläge der Länder und die Rechnungsabschlüsse aussehen. Man regiert absolutistisch, man macht, was man will, die Bevölkerung hat gar keine Kontrolle über die Gelder, welche von den einzelnen Landesausschüssen ausgegeben werden.

Dem Steuersystem, welches die Grundlage der Volkswirtschaft bildet, fehlt eigentlich die Moral, um den Völkern das Steuerzahlen begreiflich zu machen. Es fehlt in der Steuergesetzgebung das richtige Verständnis, sonst könnte man nicht solch unsinnige Steuern vorschreiben, wie dies jetzt der Fall ist. Wir Steuerträger sind alle an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt und können das, was von uns verlangt wird, nicht mehr leisten. Aber auch die Steuerexekutoren werden nicht mehr imstande sein, aus den ausgepumpten Gegenden noch irgendwelches Geld herauszuschinden. Die Landwirtschaft, besonders die kleine und mittlere, zahlt z. B. jetzt 10- bis 15mal soviel wie im alten Österreich. Die Einnahmen betragen dagegen nur 4- bis 5mal soviel, als früher. Das schlimmste ist, daß bei diesem wirtschaftlichen Elend noch die Vermögensabgabe gezahlt werden soll. Die Vermögensabgabe ist eine Anomalie geworden und bedarf dringend einer Abänderung und Ergänzung. Es ist ganz ausgeschlossen, daß die Vermögensabgabe und besonders die Wertzuwachsabgabe in der vorgeschriebenen Art gezahlt werden könnte. Die meisten Steuerzahler haben kein Geld, und besonders die Landwirte haben infolge der schlechten Jahre ihre Ersparnisse zusetzen müssen und sind bereits aufs Schuldenmachen angewiesen. Änlich verhält es sich auch mit den meisten übrigen Ständen. Dabei spielt auch die Kriegsanleihe eine wichtige Rolle. Ohne volle Einlösung der Kriegsanleihe kann von der Zahlung einer Vermögensabgabe durchaus keine Rede sein. Von einer gerechten Lösung dieser Frage hängt auch die Lösung des Staatsproblems ab. Das Gefühl, dás unsere Bevölkerung hat, ist, daß die Steuerschraube arbeitet. Der Steuerträger muß einfach zahlen. Das Budget wird scheinbar ordnungsmäßig erledigt, eine wirkliche Kontrolle haben wir aber nicht. Wir müssen aber eine solche verlangen, damit es nicht wie heuer vorkommt, daß uns erst jetzt der Rechnungsabschluß vom Jahre 1919 vorgelegt wird. Welche Wirtschaft bei uns herrscht, sieht man ja daraus, daß im Obersten Kontrollamt nicht einmal konstatiert werden konnte, wieviel seinerzeit der Beamte Katolický gestohlen hat. Es ist das eine saubere Wirtschaft.

Wir finden auf allen Gebieten der Staatsverwaltung kolossale Ziffern für Personalauslagen, welche für 1923 7640 Millionen, das ist um 167 Millionen Kronen mehr ausmachen, als es früher der Fall gewesen ist. Wir begrüßen es, daß endlich einmal die Durchrechnung der Dienstjahre platzgreifen, die Pensionsfrage geregelt und das Unrecht gegenüber den Altpensionisten durch Gleichstellung mit den übrigen Pensionisten beseitigt werden soll. Ich möchte nur wünschen, daß das Versprechen auch tatsächlich in Erfüllung geht. Wir vermissen einen Abbau des Beamtenapparates, wie dies in der Ersparungskommission angeregt wurde. Es wird ja bei den Beamten abgebaut, aber nur bei uns Deutschen, und es ist bisher noch kein einziger èechischer Beamter und Angestellter entlassen worden, obwohl der frühere Eisenbahnminister selbst zugeben mußte, daß bei der Eisenbahn allein nicht weniger als 30.000 Beamte und Angestellte, darunter 8000 Legionäre, zuviel sind. Diese überfüssigen Beamten kosten nicht weniger als 500 Millionen Kronen jährlich dem Staate. Da darf man sich nicht wundern, wenn unser Bahnbetrieb, trotzdem wir die höchsten Frachtsätze haben, gleichwohl keinen Ertrag abwirft. Es wäre viel gescheiter, wenn man die Bahnen an Privatgesellschaften verpachten und entpolitisieren würde, anstatt daß man die noch bestehenden Privatbahnen aus national-chauvinistischen Gründen in den Betrieb des Staates übernimmt. Durch die Züchtung eines künstlichen Bürokratismus von Protektionskindern wird die Moral der übrigen Beamten untergraben.

Es wurde schon von verschiedenen anderen Seiten darauf hingewiesen, daß das Heer von Beamten zuviel Geld kostet und daß in dieser Beziehung auch gespart werden solle. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß tüchtige Beamte angestellt werden sollen, die etwas leisten können, die arbeitsfreudig sind und die man auch entsprechend bezahlt. Wie sieht es aber bei uns aus? Die tüchtigsten und fähigsten Leute werden nicht nach ihrer Fähigkeit verwendet und ausgenützt, sondern ent weder ganz beseitigt oder sie bekommen höchstens untergeordnete Stellen. Junge èechische Beamten dagegen, denen die Erfahrung fehlt, werden vielleicht die Vorgesetzten der an Jahren bedeutend älteren deutschen Beamten.

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, daß sich der Staat im Stadium der Konsolidierung befindet und der Herr Finanzminister Dr. Rašín hat dieses Wort durch die Behauptung unterstrichen, wir wir wären der einzige Staat in Mittel europa, der ein normales Budget hat, will sagen ein Budget, bei dem die Ausgaben durch die Einnahmen gedeckt sind, nur ein Abgang von 667 Mill. sei vorhanden; man denke nicht daran, neue Steuern ein zuführen oder die alten zu erhöhen. Der Herr Finanzminister scheint jedenfalls nicht zu wissen, daß wir eigentlich mehr als dreimal soviel Steuern zahlen, wie im Vorjahre und wie vor zwei Jahren, als unsere Krone, wie vorhin erst Herr Koll. Kostka erwähnt hat, in Zürich auf 5 bis 7 Cent. gestanden ist. Dem Herrn Finanzminister ist nur darum zu tun, ein möglichst normales Budget vorzulegen. Ob dabei die Steuertrträger zugrunde gehen, ist ihm ganz schnuppe.

An dem Budget wäre in nationaler, wirt schaftlicher, kultureller und sozialer Be ziehung sehr vieles auszusetzen. Ich will nur einiges herausgreifen und darauf ver weisen, daß es mit dieser Wirtschaft nicht so weiter gehen kann wie bisher. Es muß endlich einmal im Staate auch gespart werden, wo es am Platze ist. Und das ist nur möglich durch die weitestgehende Sparsamkeit in allen Zweigen der Staats verwaltung, welche keine Gegenleistung bieten, trotzdem sie viel Geld verschlingen, wie es beim Militarismus, bei der Gendar merie, bei der Polizei, beim Spitzelwesen, bei der Außenpropaganda u. dgl. mehr der Fall ist.

Meine Herren, der Aufwand für nationale Verteidigung beträgt 2775 Mill., dabei sind aber die Investitionen für militärische Angelegenheiten nicht enthalten, und verschiedene andere hiehergehörige Ausgaben finden sich unter anderen Budgetposten vor. Für die Polizei ohne Karpathorußland werden nicht weniger als 273 Mill. und für die Gendarmerie 225 Mill. Kronen ausgegeben. Im alten Österreich ist dad Geldausgeben dem Kriegsminister durchaus nicht so leicht gemacht worden wie in dieser Republik. Wenn dort irgend welche Anforderungen gestellt wurden, wurde von den Beamten eine genaue Begründung verlangt, es mußte um jeden Heller gekämpft werden. Bei uns wird einfach die Post ins Budget eingestellt und die Vìtšina schluckt alles wie eine Ente, kümmert sich um nichts weiter, und wir werden bald einen Zustand erreicht haben, daß das Militär, die Polizei und Gendarmerie allein ein Viertel unserer ganzen Staatsa sgaben verschlingen. Für Errichtung eines Militär- und Polizeistaates hat man stets Geld, für produktive Ausgaben bleibt daher nicht viel übrig. Die Mehrheitsparteien scheinen sich mit dem Gedanken zu tragen, uns mit den Polizeiknüppeln die politischen Meinungen einbläuen zu wollen. Das ist die Freiheit und Demokratie, in der wir leben.

Ich komme zur Besprechung des wirtschaftlichen Teiles des Budgets. Infolge der ganz verfehlten auswärtrtigen Politik wurden unsere auswärtigen Abnehmer zugrunde gerichtet. Infolge der ganz verfehlten inneren finanziellen und wirtschaftlichen Politik befinden wir uns in einer derartigen Wirtschaftskrise, daß alle Stände ohne Unterschied schwer zu leiden haben. Die Arbeiter haben keinen Verdienst, die Arbeitslosenunterstützung reicht bei weitem nicht zur Fristung ihres Lebens aus, der Gewerbetreibende macht kein Geschäft, weil seine beste Kundschaft, der Arbeiter und der Landwirt, kein Geld besitzen. Die Ausgaben gehen aber weiter. Die Gewerbetreibenden und Landwirte schneiden überhaupt in diesem Staatsvoranschlag sehr ungünstig ab. Der Herr Finanzminister und der Herr Ministerpräsident haben anläßlich ihrer Erklärungen ihre Gaben und Wohltaten, ich möchte sagen, nach allen Richtungen ausgeteilt. Der Landwirtschaft und des Gewerbestandes aber haben sie kaum Erwähnung getan.

Beim Kapitel Landwirtschaft beträgt der Gesamtaufwand 773.9 Mill. K. Er stellt sich also zum Gesamtaufwande von 19.3 Milliarden derart, daß knappe 4% für die Landwirtschaft verwendet werden. Das ist sehr, sehr wenig, besonders wenn man bedenkt, daß jeder Kreuzer, welcher für die Landwirtschaft geopfert wird, eine produktive Ausgabe ist, die der Allgemeinheit nach jeder Richtung zugute kommt, daß mit der Förderung der Landwirtschaft selbstredend auch die Ernährung zusammenhängt. Was für die Erweiterung des Schulwesens und des Versuchswesens vorgesehen ist, ist äußerst minimal. Uns liegt besonders das landwirtschaftliche Mittelschulwesen am Herzen, die landwirtschaftlichen Winterschulen und die Haushaltungsschulen. Es wäre höchste Zeit, daß die staatlichen Beiträge für die landwirtschaftliche Winterschule in Zwittau und für die landwirtschaftliche Haushaltungsschule in Trübau - der Besuch derselben wäre mehr als gesichert - mindestens auf das Dreifache erhöht werden, wenn sie ihren Zwecken vollkommen entsprechen sollen.


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