Ètvrtek 23. listopadu 1922

Wie notwendig die Reform ist, sehen wir schon, wenn wir einen Blick auf die Ausgaben der Finanzverwaltung werfen. 1820 Millionen Kronen geben wir für die Finanz verwaltung aus. Die Summe aller direkten Steuern ist nur um 15 Millionen K höher, vorausgesetzt, daß diese Steuern halbwegs richtig präliminiert sind. Wir hegen gerade in dieser Richtung sehr starke Zweifel. Der Herr Generalberichterstatter Dr. Srdínko hat allerdings berichtet, daß die Erträgnisse der Jahre 1920 und 1921 sehr günstige sein, aber dochzugleich vermerkt, daß bei den 2544 Millionen Kronen Mehrerträgnis ganz gewaltige Steuerrückstände früherer Jahre mit einbezogen sind. Aber wenn wir uns die Veranschlagung der direkten Steuern betrachten und da finden, daß z. B. die allgemeine Erwerbsteuer heuer um 21 Millionen Kronen höher präliminiert ist, die besondere Erwerbsteuer mit 40 Millionen Kronen, da steigen uns starke Bedenken auf, ob es möglich sein wird, im kommenden Jahre solche Steuersummen einzunehmen.

Wir denken an die Krise, an die ungeheuere Erwerbslosigkeit, an die Verluste, die viele Betriebe erleiden werden und es müßte geradezu eine Hochkonjunktur eintreten, wenn es möglich sein sollte, solche Steuersummen zu erwirtschaften. Fast noch krasser ist das Verhältnis bei der Einkommensteuer. Im heurigen Jahre ist diese mit 633 Millionen, für das nächste Jahr aber mit 801 Millionen Kronen eingestellt. Aber Tausende von kleinen Beamten und Zehntausende von Arbeitern werden infolge der Wirtschaftskrise im nächsten Jahre der Einkommensteuer überhaupt nicht unterliegen. Dabei sind die Vorschreibungen vielfach so weit im Rückstande, daß es einfach unmöglich sein wird, von dieser Schichte die Personaleinkommensteuer einzubringen. Noch gewaltiger ist die Steigerung bei der Rentensteuer, 50 Millionen gegen 29 Millionen im heurigen Jahr. Wir wissen nicht, worauf diese ganz gewaltige Steigerung zurückzuführen ist. Denkt vielleicht die Regierung daran, daß sie die Kriegsanleihe einlösen wird und infolgedessen viel mehr Renten zur Vergebührung kommen werden? Denkt sie daran, daß es möglich sein wird, infolge einer günstigen Konjunktur es zuwege zu bringen, daß wir doppelt so viele Rentner haben werden, als heuer?

Wir glauben nicht daran. Es scheint aber so zu sein. Denn es ist auch die Tantiemensteuer, die Steuer auf die Geschenke an die Verwaltungsräte, anstatt mit 7 Millionen für 1922 mit 20 Millionen Kronen präliminiert. Und der Herr Finanzminister hat ja sehr gute Beziehungen zu den Banken und muß es wissen, ob es möglich sein dürfte, solche Steuern hereinzubringen. Uns wäre das nur ein Beweis, daß in der Zeit der Wirtschaftskrise, in der Zeit der schwersten Not für große Teile der Bevölkerung, besonders der industriellen Bevölkerung, das Bankenkapital und die Herren Aktionäre auch heute noch sehr gute Geschäfte machen. (Výkøiky na levici.)

Karpathorußland zeigt bezüglich der direkten Steuern aber das Gegenteil. Während in Böhmen, Mähren und Schlesien die Steuern, die ich angeführt habe, einen Mehrertrag von 250 Millionen Kronen bringen sollen, ist in Karpathorußland die Summe der direkten Steuern von 10 auf 6 Millionen herabgesetzt. Wenn wir diese Steuerveranlagung betrachten, drängt sich wohl unwillkürlich die Überzeugung auf, daß das Erträgnis deshalb so hoch veranschlagt wurde, um das Defizit, das bei diesem Voranschlag ursprünglich 6 Milliarden betragen haben soll, auf die jetzt im Voranschlage stehende Summe von 878 Millionen Kronen herabzudrücken. Wir haben eine ungeheuere Belastung aller Steuerbeamten. Die Vorschreibungen sind weit im Rückstande und die Arbeit der Beamten wird noch dadurch verschlimmert, daß in rein deutschen Gegenden die Doppelsprachigkeit die Abwicklung der Geschäfte ungemein erschwert. Wir haben keine Übersicht, wieviel der Ertrag der einzelnen Steuern ausmacht. Es ist aber wohl sicher, daß es heute noch Abgaben, Steuern und Gebühren gibt, deren Einhebung größere Summen erfordert, als die betreffenden Steuern an und für sich einbringen. Wir brauchen nicht nur eine Verwaltungsreform, wir brauchen auch eine Steuerreform. Nur ein Beispiel gestatten Sie mir hier anzuführen. In keinem modernen Staat wird in der Gesetzgebung noch der Zustand bestehen, daß Arbeitergenossonschaften, Konsumnvereine der Arbeiter bei der Besteuerung des Reingewinnes den Aktiengesellschaften und den Banken gleich gestellt werden. Die Überzahlung der Preise, welche die eigenen Mitglieder in ihrem Geschäfte leisten, werden in der Èechoslovakei den Gewinnen der Aktionäre, der Kuponschneider gleichgestellt. Und nicht nur dieses krasse Unrecht besteht; wir vermissen gänzlich Unterstützung, die in anderen Staaten diesen wirtschaftlichen Korporationen der Arbeiter gegeben wird, in dem Voranschlag dieses Staates. Wir haben eine so große Masse von Steuern, daß sich immer mehr und mehr auch in anderen Kreisen, als den nur sozialisti schen, die Überzeugung durchringt, daß wir an Stelle dieser Steuern womöglich zu einer einzigen direkten Steuer kommen müssen.

Was wir weiter verlangen müssen, ist, daß endlich Steuerschätzungskommissionen gewählt werden, daß die Ernennungen aufhören und die Arbeiter endlich einen Einfluß in diesen Steuerschätzungskommissionen erhalten. Unser Standpunkt der Steuerpolitik dieses Staates gegenüber ist gegeben: wir brauchen nur einen Blick zu werfen auf die Aufbringung und die Verteilung der Steuern und er kann nicht anders sein, als ablehnend. Die Verbrauchssteuern zum Beispiel betragen bei Branntwein und Getränken zusammen im kommenden Jahr 745 Millionen Kronen. Sie sind um 7 Millionen höher präliminiert. Die Zuckersteuer ist mit 147 Millionen Kronen fes tgesetzt, fast auf ihrer diesjährigen Höhe, die Fleischsteuer soll 10 Millionen mehr einbringen. Da ist bei alldem doch zuerst darauf hinzuweisen, daß eine ganz wesetliche Verbilligung dieser Waren zu verzeichnen ist, und zwar beim Zucker um 40% gegen das Vorjahr, bei Getränken - Bier u. s. w. - durchschnittlich um 25 %, während die Steuern trotz alldem noch eine Erhöhung bringen sollen. Im Verhältnisse zum Werte wird also die Steuer um soviel drückender, als tatsächlich eine Preisverbilligung eingetreten ist. Dabei verweise ich darauf, daß dieser Staat für die verkommenen Opfer des Alkoholgenusses kein Geld übrig hat. 13 Millionen Kronen weist im ganzen der Staatsvoranschlag zur Bekämpfung der Syphilis, der Lungentuberkulose und des Alkoholismus aus. Unser Initiativantrag, daß aus dem Erträgnis der Getränkesteuer 2 % zur Bekämpfung des Alkoholismus gewidmet werden sollen und vor allem für die Kinder von Trinkern vorgesorgt werden möge, ist immer noch nicht in Verhandlung gezogen. Trotz niedrigerer Preise, niedrigerer Löhne höhere Steuern, das ist das Fazit des Budgets.

Die indirekten Steuern zusammen sind viermal so hoch präliminiert, als die direkten Steuern, nämlich mit 7033 Millionen Kronen. 500 Kronen betragen die indirekten Steuern allein per Kopf der Bevölkerung. Das ist eine so riesige Steuerlast, daß sie die Arbeiter in ihrer Lebenshaltung auf das allerschwerste bedrückt, daß sie weit über die Wirtschaftskraft der Arbeiter hinausgeht, weil sie einen sehr großen Teil ihres Lohneinkommens wegnimmt, aber ebenso in gar keinem Verhältnisse zur Stärke der Volkswirtschaft in diesem Lande steht. Im Voranschlage sind zwei Steuern, die Kohlen- und die Warenumsatzsteuer, niedriger präliminiert. Es ist schon an das ungeheuere Unrecht erinnert worden, das durch den Bestand der Warenumsatzsteuer gegeben ist. Ihr Verfasser, der frühere Finanzminister Dr. Engliš, hat diese Steuer selbst als die sozial ungerechteste charakterisiert und sie deshalb zeitlich begrenzt. Sie soll nur bis Ende des nächsten Jahres eingehoben werden, woran jedoch nach den Ausführungen des jetzigen Finanzministers gar nicht mehr zu denken ist. Trotz aller Konsolidierungsschlagworte jedes èechischen Ministers und Politikers werden wird es wahrscheinlich erleben, daß die Steuer trotzdem weiter bestehen wird, obzwar bei ihrer Schaffung Voraussetzung war, daß sie nur in den außerordentlichen Verhältnissen der Nachkriegszeit begründet ist und in dem Momente verschwinden müsse, wo man zu einer regelmäßigen geordneten Budgetierung gelangt. Dabei wirkt die Steuer, wo sie pauschaliert ist, jetzt noch weit mehr verteuernd, als im Vorjahre. Wir haben billigere Preise, aber immer noch dieselben Steuersätze. Bei Fett z. B. beträgt bei der Pauschalierung der Steuersatz jetzt 4 1/2 %, während er im Frühjahr 2% betrug. Ebensoschwer drückt die Kohlensteuer. Ich verweise nur auf die Anträge, die von unserem Klub auf Beseitigung dieser Steuer gestellt worden sind, die wohl 1050 Millionen Kronen einbringen soll, wovon der Staat selbst für seinen eigenen Kohlenverbrauch ein Drittel bezahlen muß, jener Steuer, die zum Grabe unserer Industrie wird. Wir verlangen nicht nur die Beseitigung der Kohlensteuer, sondern auch die Beseitigung der Ausfuhrprämien für Kohle, wir verlangen, daß Arbeit geschaffen werde für die feiernden Bergarbeiter, daß die Kohle nicht auf den Halden zerfällt, sondern wirklich exportiert wird.

Eine ganz merkwürdige Post finden wir noch in diesem Voranschlag. Die "právní poplatky", die Rechtsgebühren; da ist die Erhöhung eine ganz ungeheuerliche, und zwar von 291 Millionen in diesem Jahr auf 480 Millionen Kronen im nächsten Jahr. Da scheint das umgekehrte Argument wirken zu wollen wie bei den sonstigen direkten Steuern. Vielleicht macht sich die Regierung die Hoffnung, daß durch die ungeheuere Masse von Konkursen, die jetzt erfolgen, eine sehr gewaltige Erhöhung der Rechtsgebühren eintreten wird.

Die Monopole, das Salz-, Süßstoff-, das Sprengstoffmonopol sollen bei Ausgaben von nur etwas über 1/2 Millionen Kronen den Ertrag von fast 52 Millionen Kronen bringen. Es ist uns leider in dem Bericht kein Einblick in die Wirtschaft der staatlichen Betriebe gegeben, so wenig wie beim Tabak, der ebenfalls einen ganz bedeutenden Mehrertrag bringen soll, fast 150 Millionen Kronen mehr als in diesem Jahre. Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, daß dem Hause ein Antrag unseres Klubs vorliegt, daß das wiederholte Ersuchen der Beamten in den Tabakfabriken endlich berücksichtigt und sie anstatt in die Gruppen C und D der Staatsbeamten in die B- und C- Klasse eingereiht werden. Davon, daß der Staat auch aus dem Lotteriespiel, also aus allen möglichen Untugenden seiner Bürger hohe Gewinne zu ziehen beabsichtigt, nur so nebenbei.

Im diesjährigen Budget sind die Ausgaben für Karpathorußland separat angeführt. Es betragen dort die Gesamteinnahmen der Finanzverwaltung 50 Millionen und die Ausgaben 36 Millionen oder 72% der Gesamteinnahmen. Aber es ist interessant, einmal das gesamte Budget dieses Ländchens näher zu untersuchen. Da finden wir Gesamtausgaben von 396 Millionen und Gesamteinnahmen von nur 230 Millionen, also ein Defizit von 165 Millionen in diesem Gebiete mit seinen 200.000 Einwohnern. Dabei sind die Ausgaben des Ministeriums des Innern, für Gendarmerie und nationale Verteidigung noch nicht eingerechnet. Heute haben wir gerade über diesen Landstrich und das dort herrschende Elend so traurige Bilder vorgeführt erhalten, daß wir uns fragen müssen, wo denn die Erfolge der èechischen Verwaltungskunst in diesem Gebiete bleiben. Wir können leider nicht untersuchen, wie es in der Slovakei steht. Aber wohl mag auch dort zutreffen, daß der èechische Staat in diese Gebiete ungeheuere Mittel steckt, daß aber die Voraussetzungen für eine gedeihliche Anwendung derselben in diesem Lande fehlen, das jahrhundertelang in völliger Unkultur unter der ungarischen Herrschaft gehalten wurde.

Nun gestatten Sie einige Bemerkunggen zu den Zöllen. Wir haben eine Gesamteinnahme an Zöllen, - Karpathorußland hinzugerechnet - von 679 Millionen, das sind 145 Millionen mehr, als im Jahre 1922. Da ist es ebenfallls interessant, die Einhebung der Zollspesen zu kontrollieren. Es gibt der Staat für Grenzfinanzschutz, Zollämter und Zollrückerstattungen 200,505.297 Kronen oder rund 30 % der ges amten Zolleinnahmen wieder für die Verwaltung aus. Dazu kommt im Investitionsbudget noch ein Posten von 85 Millionen für Erbauung neuer Zollämter. Aber weit schlimmer ist es, wenn man Karpathorußland in diesem Punkte allein betrachtet. Da betragen die Ausgaben der Zollverwaltung 15 Millionen, die Einnahmen aber nur 3 Millionen, also ein Defizit von über 12 Millionen. Wir haben hier die Tatsache, daß die Einhebung. 5mal mehr kostet als der Steuerertrag ausmacht. Wir wenden uns gegen die Zollpolitik dieses Staates, welche immer mehr zu einer Hochschutzzollpolitik wird. Die Zollkoeffizienten sind bereits im Dezember des vorigen Jahres endgültig festgesetzt und veröffentlicht worden. Seitdem haben wir jedoch bei sehr vielen Waren eine nicht unbeträchtliche Verbilligung zu verzeichnen. Der Stand des Kronenkurses ist im damaligen Wertverhältnis gegen heute 1: 2 1/2. Unser Zollsystem baut sich auf Gewichtszöllen auf und schon allein dadurch wirken die Zölle so, daß sie heute um das 1 1/2fache oder um soviel, als die Waren sich verbilligt haben, im Verhältnis zum Werte der Ware sich höher stellen. Selbst die Handelskammern, die sonst immer die berufensten Vertreter der Hochschutzzollpolitik waren, haben auf ihrer letzten Tagung eine Zollermäßigung von 30 % als notwendig erachtet. Der Finanzminister aber trägt im Budget diesem Verlangen durchaus nicht Rechnung und erklärt, daß er die Höhe der jetzt geltenden Zollsätze als Kompensation für den Abschluß neuer Handelsverträge in der Hand behalten müsse. Wenn es so wäre, könnten wir vielleicht diesen Zustand noch einige Zeit erträglich finden, aber der Staat müßte dann einmal Ernst machen mit dem Abschluß neuer Handelsverträge. Auch da dürften nicht nur Versprechungen gegeben werden, sondern die Regierung müßte alles tun, um unsere Wirtschaft neu zu beleben und für Industrie und Handel neuen Absatz zu schaffen. Wir haben bisher nur seitens des Ackerbauministers in der Zollfrage eine klare präzise Erklärung erhalten. Er tritt dafür ein, entweder die Industriezölle abzuschaffen oder Agrarzölle neu einführen. Zum Teil haben wir sie schon. Wir werden uns aber gegen jede solche Bestrebung, die auf nichts anderes hinausläuft als die Lebenshaltung der Arbeiter, die infolge der. Wirtschaftskrise ohnedies fast unerträglich ist, weiter zu bedrohen, auf das Schärfste wenden, denn der Nutzen dieser Zölle würde nicht den Kleinlandwirten nützen, vielmehr nur von den Großagrariern eingestrichen werden. Wir verlangen, daß die Zollmauern, mit denen sich die Èechoslovakische Republik immer mehr und mehr umgibt, abgebaut werden. Wir verlangen, daß den kostspieligen Behinderungen unseres Handelsverkehres Einhalt getan wird und daß ein großes einheitliches Wirtschaftsgebiet an Stelle der jetzigenkleinen Staaten in Mittel- Europa geschaffen werde. Wir verlangen das nicht allein, - viele Wirtschaftspolitiker, u. a. der frühere Minister Schuster haben sich zu derselben Ansicht bekannt und es offen ausgesprochen, daß trotz aller Währungsunterschiede die Schaffung eines solchen Zollgebietes möglich ist, und daß die Existenz unserer Industrie und der Industriearbeiterschaft in diesem Staate nur dann gesichert sein kann, wenn es uns gelingt, dieses einheitliche größere Wirtschaftsgebiet tatsächlich zu bekommen.

Nun noch ein Wort zu den Investitionen. Die Regierung hat 2999 Millionen Kronen für Investitionen ausgeworfen, die im nächsten Jahre durchgeführt werden sollen. Wir würden es lebhaft begrüßen, wenn es möglich wäre, diese Summe tatsächlich für Investitionen ausgeben zu können. Aber wir hegen den allerstärksten Zweifel darein. Gerade hier haben wir kein Progr amm, sondern sind rein auf fiktive Ziffern angewiesen und schon deshalb haben wir keinen Glauben an die Durchführung, ganz abgesehen davon, daß diese Durchführung nur geschehen kann, wenn es gelingt, Kredite zu beschaffen. Da steht es wieder so, daß bei dem mangelnden Vertrauen des Inlandes in die Finanzwirtschaft dieses Staates doch wieder nur ausländische Kreditein Frage kommen können. Wir haben das gesehen bei der Bauanleihe, welche die Bautätigkeit beleben sollte, die aber ein volles Fiasko erlitten hat: 85 Millionen anstatt der erhofften 1000 Millionen Kronen. Wir verweisen beim Kapitel "Investitionen" auf die arge Vernachlässigung der deutschen Gebiete. Gerade dort, wo es am allerdringendsten nötig ist, Arbeit zu schaffen, in den großen deutschen Industriegebieten, sollen ganze 8% dieser Investitionskredite ausgegeben werden. In den 3 nordböhmischen Bezirken Warnsdorf, Rumburg und Schluckenau finden wir zusammen ganze 100.000 Kronen eingestellt. Der Herr Generalberichterstatter Dr. Srdínko hat über die im Vorjahre und heuer durchgeführten Investitionen berichtet. Es sollen verbaut und für Investitionszwecke ver wendet worden sein im Jahre 1921 1812 Millionen und im Jahre 1922 bis zum 30. September 1060 Millionen, zusammen 2878 Millionen. Davon sind gedeckt worden durch die Verkehrsanleihe, Bauanleihe, Elektrifiziere ungsanleihe und aus der englischen Anleihe zusammen 1678 Millionen, 1194 Millionen sind als Vorschüsse aus der Staatskasse entnommen worden. Das ist eine offene Verletzung des Finanzgesetzes. (Sehr richtig!) Dieses bestimmt im Ar tikel 2, daß "alle Einnahmen, sowohl die ordentlichen als auch die außerordentli chen, nur zu den in den einzelnen Kapiteln angegebenen Zwecken verwendet werden dürfen". Es hätte also, um Überschüsse, die in einzelnen Ressorts erzielt werden, für Investitionszwecke zu verwenden, das Parlament befragt und seine Zustimmung eingeholt werden müssen. Das ist nicht geschehen, und obzwar es offenkundig ist, daß einer Bewilligung zur Verwendung solcher Überschüsse für Bau- und Investitionszwecke kein Widerstand in diesem Hause erwachsen wäre, ist das Parlament einfach achtlos beiseite geschoben worden. Die Zustimmung zum vorgelegten Budget verweigern wir, weil dieses Budget in allen seinen Teilen das Bild des bürgerlichen Klassenstaates zeigt, weil es die Arbeiter schaft belastet und selbst ihren kulturellen Forderungen fast nirgendsRechnung trägt. Unsere Ablehnung soll zugleich ein Protest sein gegen die bisherige verderbliche Steuer- und Zollpolitik dieses Landes. (Souhlas a potlesk na levici.)

7. Øeè posl. Hoffmanna (viz str. 978 tìsnopisecké zprávy):

Werte Damen und Herren! Von den 19.370,980.639 Kronen, die die Staatsausgaben ausmachen, entfallen auf die "notwendigen" Ministerien weitaus mehr als auf jene Ministerien, welche nicht als so notwendig erscheinen. Es ist da eine Art politischen Relativismus zu bemerken. Es kommt auf den Standpunkt an, von dem aus man das Budget betrachtet, und so finden wir, daß z. B. die Ministerien des Innern, der Landwirtschaft und des Handels namhafte Steigerungen erfahren, während andere nicht so "notwendige" Ministerien sich Abstriche gefallen lassen müssen, z. B. entfallen, das ist sehr lehr reich, auf das Ministerium für Landwirt schaft rund 773.9 Millionen, auf das Mini sterium für soziale Fürsorge 735.8 Mil lionen. Es scheint also, daß die Aufzucht und Pflege der berühmten böhmischen Rinder und Schweine notwendiger oder ebenso notwendig ist, als die Vorsorge für Menschen. Zur geistigen Ausbildung sind ausgewiesen rund 889 Millionen oder etwas 4.6% de gesamten Staatsausgaben. Im vorigen Jahre betrugen die Ausgaben für das Schulwesen noch 5 %. Wir sehen also eine Abnahme bei diesem nicht so notwendigen Ressort. Selbstverständlich müssen die Mehrheitsparteien dafür sorgen, daß dieses System gestützt wird. Und was könnte eine bessere Stütze sein als Militarismus, Säbel und Polizeiknüppel. Und so erfahren wir denn, daß die Aus gaben für den Militarismus 14·4% der Staatsausgaben ausmachen. Wenn man den Voranschlag betrachtet und wenn man die jüngste Geschichte dieses jungen Staates einigermaßen studiert, hat man als Lehrer immer die Empfindung, daß es ist wie bei Kindern: die Kinder haben die Gewohnheit, die neuen Hefte sehr sauber und sorgfältig zu beginnen und, wenn das Heft zu Ende geht, allmählich schleuder hafter und nachlässiger zu werden. Jeder Vergleich hinkt. Aber wir finden auch in der jungen Staatsgeschichte, soweit sie sich in den erlassenen Gesetzen spiegelt, eine wundervolle Darstellung von Ver sprechungen und Verheißungen. Man nehme nur z. B. den ersten Paragraphen des Verfassungsgesetzes vom 29. Februar 1920, oder man nehme beispielsweise den Motivenbericht zum Paritätsgesetz vom 23. Mai 1919. Ich würde als Lehrer sofort einen Einser unter diese wunderbare stili stische Leistung setzen. Verheißungen haben wir in großer Menge, leider aber sind sie nicht verwirklicht worden. Es ist uns verheißen worden die Trennung der Schule von der Kirche, die Trennung der Schule und des Staates und anstatt dessen erleben wir eine Steigerung für die Kultuszwecke um 9 Millionen. Wir sind nicht nur nicht in der Lage, von einer Entöster reicherung zu sprechen, im Gegenteil, wir verösterreichern uns von Tag zu Tag immer mehr, und es wird allmählich das Wort Grillparzers auch in diesem Staate Geltung haben, daß der Kultus den Unterricht er schlagen wird. Eine Kleinigkeit, die wie eine Pikanterie wirkt, hat unser Genosse Jokl gestern erzählt, als er jene Bestimmung des neuen Dienstreglements vorlas, in welcher ausdrücklich geboten ist, daß eine Militärabteilung, sofern sie einem Priester mit dem Allerheiligsten begegnet, ihm die militärische Ehrenbezeigung leisten muß. Ich muß es mir versagen, auf Einzelheiten zurückzukommen und möchte hier nur zur Charakteristik des Schulbudgets einige wenige Ziffern anführen. Die Schule ist ein wichtiges und not weniges Kulturinstrument, ein Werkzeug zur Aufklärung und Bildung der Massen. Aber bei uns in diesem Staate wird alles und jedes vergiftet. Einmal durch die rückschrittliche Tendenz und zum andern durch den nationalistischen Einschlag, der sich natürlich auch in unserem Schulwesen breit macht. Das erfahren wir bei einem flüchtigen Überblick, soweit er möglich war. Die deutschen allgemeinen und tech nischen Hochschulen erhalten im Jahr 1923 einen Betrag von etwa 24.058 Millionen, während auf die èechischen allgemeinen und technischen Hochschulen ein Betrag von 101.468 Millionen entfallen, Das ist ein Verhältnis von 19 zu 81, ein schreiendes Mißverhältnis. Das wird aber noch viel krasser, wenn man die Dotie rungen für einzelne Hochschulen ver gleicht. Es handelt sich hier um Sacherfordernisse, nicht um Personalaufwand; da erhält z. B. die Prager èechische Hochschule 8 1/2, die deutsche Hochschule rund 4 1/3 Millionen, die Brünner èechische Hochschule ist mit 17.6, die Preßburger mit 6.9 Millionen dotiert. Darin ist die Bena ch teiligung des deutschen Hochschulwesens ausgedrückt, die sich natürlich auch an allen anderen Unterrichtsanstalten zeigt. Das trifft z. B. auch zu bei den Handels hochschulen. Diese èechische Handelshochschule erhält 1.7 Millionen - eine deutsche Handelshochschule gibt es nicht. Die Bergakademie in Pøíbram ist mit 2 1/2 Millionen dotiert. Die Deutschen haben überhaupt keine solche Anstalt. Die tierärzt liche Hochschule ist mit 5 1/2 Millionen dotiert. Die Deutschen haben da vielleicht die landwirtschaftliche Akademie in Tetschen-Liebwerd, die vom ganzen Aufwand für das Hochschulwesen 425.000 K, also einen Pappenstiel, erhält. Ähnlich ist es mit den deutschen Mittelschulen. Da scheint zwar auf den ersten Blick keine Benachteiligung vorzuliegen. Wenn man aber eine Prüfung anstellt, finden wir, daß sich die Kosten für eine deutsche Mittelschule auf etwa 294.000, aber für eine èechische auf.374.000 Kronen stellen. Genau so ist es auch bei den übrigen Schulen, u. a. bei den Lehrerbildungsanstalten. So sieht also das Schulwesen, genauer betrachtet, aus; auf eines muß man besonders hinweisen, daß der Aufwand für das Volksschulwesen überhaupt aus dem Voranschlage nicht zu ersehen ist. Sehr interessant aber ist ein Blick auf Titel 10, Seite 250, der vom Denkmalschutz und der Unterstützung wissenschaftlicher Veranstaltungen, Vereine usw. spricht. Da erhält die èechische Akademie der bildenden Künste rund 1 Mill. Alle übrigen Anstalten ind ebenfalls bedacht, und der deutsche Förderungsverein, der gewissermaßen den Keim einer Akademie darstellt, bekommt eine Dotation von 200.000 K, also nicht einmal 3 %, während der Gesamtaufwand dieses Titels 6,694.000 K beträgt. An Musikschulen bestehen 2 èechische Konservatorien, 1 Konservatorium in Brünn. Die Deutschen besitzen ein einziges aus Privatmitteln erhaltenes Konservatorium. Der Aufwand für die Musikschulen beträgt 2.6 Mill. Kronen. Wie die Theater dotiert sind, das ist aus dem Voranschlag nicht zu ersehen, aber wahrscheinlich und nicht nur wahrscheinlich, sondern gewiß ist, daß die deutschen Theater sich mit einer außerordentlich geringen Zuwendung werden begnügen müssen. Es wären noch - das habe ich vorhin vergessen - die Handelsakademien zu erwähnen. Es bestehen 9 deutsche mit durchschnittlich je 579 Schülern und 22 èechische Anstalten mit durchschnittlich 424 Schülern. Die allgemeinen Aufwendungen für die sogenannte "Národní Osvìta" sind außerordentlich gering. Es fehlt jeder große und würdige Zug. Wir vermissen diese eigentliche Aufklärungsarbeit, die doch ungeheuer notwendig ist.

Und nun möchte ich auf einiges weniges, das mir ebenfalls außerordentlich und notwendig erscheint, kurz eingehen, denn ich will die mir zur Verfügung stehende Redezeit nicht überschreiten. So haben wir z. B. im Sommer dieses Jahres das kleine Schulgesetz beschlossen. Dieses Schulgesetz ist bis heute noch nicht zur Gänze durchgeführt. Wie notwendig das wäre, zeigt das Fortdauern der Schuldrosselungen. Ich will Sie mit Zahlen, mit diesen traurigen kulturschänderischen, kulturmörderischen Daten nicht aufhalten, wir haben darüber ja so viel gesprochen.

Ich will auf einen einzigen Fall, auf den Gablonzer Schulbezirk, hinweisen. Dort be standen im Oktober 1915 rund 284 Klassen, und im November dieses Jahres sind 70 Klassen gestrichen worden. Das ist also ein Ausfall von 25% sämtlicher Klassen und diese Kinder sind noch besonders durch die Tuberkulose gefährdet. Diese Art der Dros selungen ist nicht nur, wie gesagt, kultur schänderisch und kulturmörderisch, sie be weist auch Rückständigkeit in der Auffassun g, denn sie verurteilt auf der einen Seite tausende und abertausende Lehrer zum Müßiggang, indem sie mit ihren Familien auf Wartegebühr gesetzt sind, buch stäblich Hunger leiden müssen, auf der anderen Seite sind hunderte und hunderte Lehrer in überfüllten Klassen zu einem Dasein gezwungen, von dem der Laie sich keine Vorstellung machen kann. Das ist ein Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft, das ist nicht nur unsozial, es ist auch durchaus unrationell und unwirtschaftlich gedacht und gehandelt. Derselbe Grundzug zeigt sich ja bei anderen Gelegenheiten und auf anderen Gebieten, wenn zum Beispiel zur Arbeitslosenunterstützung unzulängliche Beträge ausgeworfen werden, auf der anderen Seite aber vermieden wird, produktive Arbeitslosenunterstützung zu organisieren. In uñserem arbeitenden Volk ist noch ein Fond von sittlicher Kraft vorhanden. Trachten Sie, daß diese sittliche Kraft nicht etwa zerbrochen, zermürbt und zerstört wird, denn die Leute wollen keine Arbeitslosenunterstützung, sie wollen Arbeit. Genáu so wollen nun auch diese Lehrer beschäftigt werden, sie wollen nicht als Schmarotzer bloß ihre Tage genießen. Das kleine Schulgesetz ist noch nicht durchgeführt. Beschlossen haben Sie es, und Sie haben, vielleicht in einer Anwandlung von Gerechtigkeitsgefühl, damit die Drosselungen nicht mehr weiter gehen können, auch den § 7, Abs. 2, angenommen, nach welchem die Drosselung, eine Zurückführung einer höherorganisierten Schule, eine Einschränkung der Klassenzahl nicht erfolgen darf, wenn die Schülerzahl mehr als 60 beträgt in einer Klasse. Das ist ohnedies wenig genug, und jetzt kommt die Behörde und wagt nicht einmal, dieses Geringe, das Sie beschlossen haben, durchzuführen. Wir haben einen Erlaß des Ministeriums vom 24. August dieses Jahres und einen solche des Landesschulrates vom 26. August dieses Jahres, und die Durchführung gerade dieses Paragraphes ist unterblieben. Es ist höchste Zeit, daß das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur die vollständige Durchführungsverordnung zu diesem Gesetze herausgibt, und auch dahin trachtet, daß das im Juni beschlossene Lehrergehaltsgesetz zur Durchführung kommt, damit die Vorschußwirtschaft aufhöre. Die volle Durchführung des kleinen Schulgesetzes ist eine brennende Notwendigkeit, denn nicht nur das deutsche Schulwesen, auch das magyarische und èechische Schulwe en ist bedroht, wenn die Durchführungsveror nung nicht ehestens herauskommt.

Eine zweite außerordentlich brennende Frage, deren Lösung wir verlangen müssen, ist die Frage der Auflösung beziehungsweise Neubildung der Landesschulräte. Diese Neubildung und Umbildung der Landesschulräte ist außerordentlich wichtig. Wenn sie erfolgt, dann muß es so geschehen, daß die nationale Trennung in deutsche und èechische Abteilungen aufrechterhalten wird. Wir sind sehr gespannt darauf, wie die èechischen Sozialdemokraten, unsere èechischen Genossen sich zu dieser Forderung stellen werden, denn am 4. April dieses Jahres haben sie selbst diese nationale Sektionierung der Landesschulräte anerkannt, indem sie einen Beschluß gefaßt haben, in dem es heißt, daß die Landesschulräte heute nicht mehr sind, was sie waren. Durch den Tod und durch den Austritt von Mitgliedern sei ihre Zahl beschränkt und die nationale Sektionierung sei zu einer wirksamen Schulverwaltung unbedingt notwendig. Ja, der Klub der èechischen Sozialdemokraten hat damals am 4. April ausdrücklich seine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß die interministerielle Kommission eine bezügliche Erläuterung hinausgeben konnte, ohne sie zuvor den Parteien vorgelegt zu haben. Und dieser nationalen Sektionierung, ihrer Aufrechterhaltung steht durchaus kein Hindernis entgegen, wenn Sie die Gesetze, die Sie sich selbst gegeben haben, einfach befolgen wollen. Sie haben § 38 des Schulaufsichtsgesetzes vom 9. April 1919. Wenn Sie diesen § 38 genau anschauen, so werden Sie finden, daß dort die Bestimmung enthalten ist, wornach an Stelle der Landesschulräte ein Organ mit der gleichen Funktion zu treten hat. Am 6. November 1920 ist die Umbildung der Bezirksschulräte in Bezirksschulausschüsse vorgenommen worden, und dort ausdrücklich die Sektionierung, das heißt die nationale Zweiteilung, mit Bezug auf diesen § 38 des zitierten Gesetzes, durchgeführt worden. Die Landesschulräte stellen in den nationalen Abteilungen sozusagen den letzten spärlichen Rest der kulturellen Selbstverwaltung dar. Wir werden selbstverständlich dafür eintreten, da dieser letzte Rest uns erhalten bleibt und nicht bedroht wird. Allerdings - und das muß mit aller Klarheit und Entschiedenheit unzweideutig ausgesprochen werden - ist die nationale Autonomie, die nationale Schulverwaltung und die nationale Selbstverwaltung auf das Schwerste bedroht, nicht nur durch die èechische Reaktion, sondern auch durch die deutsche Reaktion, wie wir sie jetzt an den Hochschulen erleben können. Aber eines steht fest, und das mögen alle ohne Unterschied, die sich in den Dienst der Reaktion gestellt haben und die meinen, daß sie mit Gewalt das aufstrebende Proletariat verhindern werden, zur Herrschaft zu gelangen, sich gesagt sein lassen: die Arbeiterschaft wird auch an ihren Schulen nicht rühren und nicht rütteln lassen. (Potlesk na levici.)


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