Hohes Haus! (Hluk.) Über einen
Antrag, der nach der Wahl der Antragsteller selbst im sozialpolitischen
und im Budgetausschusse verhandelt werden sollte, liegt lediglich
der Bericht des Budgetausschusses vor. Der sozialpolitische Ausschuß
hat den Bericht nicht erstattet, und was der Budgetausschuß
vorlegt, ist illegal, ist ein Bruch der Geschäftsordnung
und reiht sich würdig jenen parlamentarischen Tathandlungen
an, die nie eine Ehrensäule, eher eine Schandsäule des
Parlamentarismus in diesem Staate gewesen sind. (Souhlas na
levici.) Und wenn es die heutige Zoll- und Koalitionsmehrheit
zu den Übrigen legt, so sprechen wir über eine solche
Verhandlung unser tiefstes Bedauern aus und legen dagegen Verwahrung
ein. Innerhalb weniger Tage soll eine Vorlage durchgepeitscht
werden, welche eines der größten staatspolitischen
Probleme beinhaltet. (Hluk. - Místopøedseda
inž. Dostálek zvoní.) Man
sieht, wie es den Herren selbst um die Besserstellung des kleinen
Klerus ist, da sie eine Komödie daraus machen. Die Herren
machen sich aus der sozialen Not des kleinen Klerus eine Komödie.
(Hluk.) Der Antrag der Herren Abgeordneten Ing. Dostálek,
Dr. Mièura, Zoch,
Petroviè, Dr. Tiso
und Genossen über die Regelung der Gehälter der
Geistlichkeit der vom Staate anerkannten Kirchen und Religionsgenossenschaften
entspringt dem Willen der ecclesia militans - und hier hat man
es klar vor Augen gesehen - dem Staate ein Diktat aufzuerlegen
und die längst fällige Abgrenzung der Rechtssphäre
zwischen Staat und Konfessionsgemeinschaften ad kalendas graecas
zu vertagen und ehedem freiheitliche bürgerliche Parteien
als Trabanten vor den Siegeswagen der ecclesia militans zu spannen.
Deswegen spannt man dieses Gesetz mit den Staatsbeamtenvorlagen
zusammen, indem man behauptet, es müsse hiebei auch die Regelung
der Einkünfte jener öffentlichen Funktionäre vorgenommen
werden, die für den Staat die Matriken führen, wobei
man verschweigt, daß die Herren die Matriken für ihre
Religionsgemeinschaften führen und nur subsidiär für
den Staat, und wobei man verschweigt, daß diese Funktionäre
in anderen Dingen wie z. B. in der Erfüllung der Wehrpflicht
allen anderen Staatsbürgern gegenüber weitaus begünstigt
sind. (Rùzné výkøiky.)
Místopøedseda inž. Dostálek
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. Patzel (pokraèuje):
Das ist ja wie in einer Judenschule oder
oder wie im polnischen Sejm. Wir würden uns diese Diskussion
gefallen lassen über eine provisorische Regelung der Angelegenheit,
allerdings nicht durch Verordnung, sondern durch Gesetz, aber
eben nur eine provisorische Regelung. Hier aber hat man, nachdem
der Versuch, eine dauernde Regelung durch einen Ermächtigungsparagraphen
in das Gesetz hineinzuschmuggeln, mißlungen ist, das Parlament
mit einem Antrage überfallen, der ein Schleudermachwerk letzter
Güte darstellt. Für diese Behauptung werde ich hier
von diesem hohen Hause den Wahrheitsbeweis antreten.
Es ist wahr, man hat sich im Berichte des Budgetausschusses,
der ein illegales Werk ist, wie ich wiederhole, zur gewissen Änderungen
an der Vorlage verstanden. Diese Änderungen sind aber nur
eine Verschleierung der ursprünglichen Absichten und, was
das Charakteristische ist, sie sind geradezu eine Verschlechterung
der Situation derer, für die etwas gebracht werden soll,
für die ganz armen Geistlichen, zugunsten derer, die schon
mehr haben. Denen, die genug haben, wird gegeben, denen aber,
die wenig haben, wird nicht gegeben, was man ihnen versprochen
hat. Auch das soziale Mäntelchen fällt bei dieser Vorlage
vollständig in sich selbst zuzusammen. (Výkøiky
na levici.) Wenn wir früher einen
Initiativantrag eingebracht haben, wurde ängstlich darüber
gewacht, daß wir den § 41 der Verfassungsurkunde ein
halten, daß wir bei jedem Antrage, der den Staat auch nur
einen Heller kostet, genau die Bedeckung nachweisen und begründen.
Hier aber kommt ein Antrag von der Hälfte der Mitglieder
dieses Hauses und bringt eine Bedeckungsformel, deren sich die
Unterfertiger selbst schämen müssen, wenn sie ihren
eigenen Antrag gelesen haben. Man hat nicht den Mut auszurechnen,
wieviel das Gesetz kostet. Man hat vorher so hinterherum verlauten
lassen, der Antrag Dostálek und Genossen würde
den Staat finanziell mit 150 Millionen Kronen jährlich belasten.
Man erzählt dann sub rosa, die neue Form, die der Budgetausschuß
gefunden hat, erfordere lediglich einen Mehraufwand von 38 Millionen.
Ein Beweis dafür ist uns nicht gegeben worden und auch der
Berichterstatter hat den Beweis nicht gegeben.
Wie salopp der Antrag gemacht wurde, beweist
auch Folgendes: Im Schlußabsatz des Motivenberichtes des
Initiativantrages Dostálek und Genossen ist die
Bemerkung enthalten: "Der mit der Durchführung dieses
Gesetzes verbundene Aufwand ist wie bisher aus den zuständigen,
vom Staate verwalteten Fonds zu bedecken." Nach dem Staatsvoranschlag
für 1926 trägt der katholische Religionsfonds in diesem
Jahre 2.7
Millionen. Die Herren Antragsteller würden sich schön
bedanken, wenn man sie bei ihrem eigenen Antrag packen und für
die Durchführung dieses Gesetzes ihnen lediglich diese 2.7
Millionen jährlich überantworten würde! (Sehr
richtig!) Ich muß schon sagen, eine derart schlampige
Ausarbeitung, die geradezu eine Verhöhnung des Parlamentes
ist, haben wir auch in diesem Parlament in den letzten 6 Jahren
nicht gesehen. Dabei ist das ein Antrag mit den Unterschriften
der Mehrheit dieses Hauses. Es ist leichtfertige Schülerarbeit.
(Trvalý hluk komunistických poslancù.)
Und nun gestatten Sie mir, etwas auf das
Problem einzugehen. (Hluk na levici trvá.)
Místopøedseda inž. Dostálek
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. Patzel (pokraèuje):
Wenn man den Mut hat, als offener Gegner
einer solchen Vorlage aufzutreten, dann wird einem oft aus katholisch-klerikalen
politischen Kreisen entgegengehalten: "Gebt uns das Kirchenvermögen
und den Religionsfond unversehrt wieder und wir werden an den
Staat keine Ansprüche stellen." Gestatten Sie mir eine
kleine geschichtliche Untersuchung, inwieweit dieses Argument
der Wahrheit entspricht. Ich sage Ihnen: Wenn die Herren mit dieser
Revindikationstheorie kommen, dann begeben sie sich auf Glatteis,
es könnten sonst die toten Protestanten von 1620 aufstehen
und verlangen, daß man ihnen wiedergebe, was man ihnen zur
Zeit der Gegenreformation genommen hat. (Sehr richtig!) Da
kommen wir auf eine Revindikationstheorie, von der die Anhänger
der ecclesia militans wahrscheinlich nichts werden wissen wollen.
Wir müssen also den Status nehmen, wie er sich unter Österreich
rechtlich entwickelt hat. Die erste Form von Staatsbeiträgen
zu dem Einkommen katholischer Seelsorgegeistlicher finden wir
in einen Vertrag des Kaisers Ferdinand II, des großen Führers
der Gegenreformation aus dem Jahre 1630, mit dem damaligen Papst.
Hierin wird zugesichert, daß aus der cassa salina, dem Erträgnis
des Salzregals, den katholischen Priestern Zuwendungen gemacht
werden als angebliche Entschädigung für Verluste, die
ihre Kirchengemeinschaft in früheren Zeiten erlitten hat.
Davon aber, was die andern verloren haben, was jene verloren haben,
die man hier in Prag geköpft hat, die evangelischen Geistlichen,
die hinaus ins Exil gehen mußten, nach Sachsen und nach
den masurischen Gegenden, wo sie neue Kolonien gründeten,
davon wird nicht gesprochen. Aber diese Entwicklung hat immerhin
geradezu ungeheuerliche Formen angenommen, bis dann die kirchenpolitische
Gesetzgebung Kaisers Josef II. in diese Systemlosigkeit Ordnung
zu bringen suchte, indem Kaiser Josef II. eine Anzahl katholischer
Klöster säkularisierte, aber nicht, um das Vermögen
für den Staat zu behalten, sondern um das Vermögen der
Besorgung und Bezahlung gottesdienstlicher Funktionen zuzuführen.
Kaiser Josef II. bildete bekanntermaßen aus dem inkamerierten
Vermögen aufgelöster Klöster den Religionsfond.
Wie dieser aufgeklärte Despot das Verhältnis zwischen
Staats- und Kirchengemeinschaft auffaßte, darüber sind
interessante Äußerungen in dem bekannten Kabinettschreiben
vom 17. Jänner 1783 an den Freiherrn von Khlesel enthalten.
Das sind Auffassungen, die heute noch ernsthaft diskutiert werden
können. Der Kaiser schrieb damals: "Die staatliche Fürsorge
für den Seelsorgeklerus ließe sich auf zwei Wegen denken:
Entweder der Staat übernimmt alle geistlichen Einkünfte
der gesamten Monarchie und mißt einem jeden einen hinlänglichen
Gehalt aus, oder er erhebt den Bestand des geistlichen Vermögens,
sieht, wie weit er mit demselben auslangen könne, und wo
und wann sich ein wirklicher Abgang gegen den Bedarf äußert
und nirgends ein Überfluß mehr vorhanden wäre,
so ersetzt er denselben aus Staatsmitteln. Ich will mich nur an
diesen zweiten Weg, so zwar der weitwendigste ist, insoweit einstweilen
halten, als die Unmöglichkeit, mit demselben zum Ziel zu
gelangen, sich nicht äußert, wo alsdann ersterer, als
der unfehlbarste müßte ergriffen werden."
Kaiser Josef stand bekanntlich auf dem Standpunkte
der Einziehung alles Kirchenvermögens, um die Drohnen zu
beseitigen, und diejenigen, welche wirklich geistliche Funktionen
gegenüber der Bevölkerung vollziehen, ordentlich und
angemessen zu bezahlen, ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt
zu gewähren. Das war der Grundsatz, den er in einem andern
Reskript aussprach, der Grundsatz der Generalverteilung, damit
nicht der eine in Üppigkeit und Wohlsein schwelge, während
der andere Amtsbruder, der draußen mit dem Kleinen, dem
Arbeiter und Bauern zusammenkommt, ein klägliches Dasein
führe. (Souhlas na levici.)
Man sagt uns, der Staat habe den Religionsfond
schlecht verwaltet. Wie liegen die Dinge wirklich? Auch da ist
ganz wertvoll, in der Geschichte zu prüfen und den Dingen
nachzugehen. Kaiser Josef bestimmte in einem seiner Edikte, daß
der Inhaber wohlhabender Pfründen aus jenem Überschuß,
den er zum Leben nicht mehr brauche, einen Teil für den Religionsfond
herzugeben habe, damit aus diesem - das war ein guter Gedanke
der christlichen Kommunität - der arme Geistliche bezahlt
würde. (Sehr gut!) Er ordnete an, daß von allen
nach der Fassion des Jahres 1782 mit über 600 Gulden dotierten
Benefizianten ein Beitrag an den Religionsfonds zu entrichten
sei. Wie aber verhielten sich jene, die immer die christliche
Nächstenliebe im Munde führen? Noch hatte der Leichnam
Kaiser Josefs kaum die Ruhestätte in der Kapuzinergruft gefunden,
kam der Säkular- und Regularklerus und versuchte sich diesem
Gebote zu entziehen. Mit Hofdekret vom 28. Juni 1793 wurde die
Säkulargeistlichkeit befreit mit Ausnahme der Herren Bischöfe,
so daß nunmehr die Erzbischöfe, die ein Jahreseinkommen
von über 18.000 Gulden hatten, und die Bischöfe, die
ein Jahrespersonaleinkommen von über 12.000 Gulden hatten,
verpflichtet waren, von dem Überfluß 7 1/2% an
den Religionsfonds zu restituieren. Die Regulargeistlichkeit aber,
welche die reichsten Stifte und Klöster besaß, erzwang
sich vom schwachen Kaiser Franz eine Pauschalierung ihrer Beiträge
an den Religionsfonds. (Hört! Hört!) Und, meine
Herren, wie werden diese Beiträge geleistet? Als man im Jahre
1874 im alten Österreich das Gesetz über die Beiträge
der katholischen Geistlichkeit zum Religionsfond schuf, um aus
einem Wirrwarr zu geregelten Verhältnissen zu kommen, stellte
damals der Motivenbericht der Regierung zum Gesetz Nr. 51 vom
Jahre 1874 fest, daß die reichsten Stifte und Klöster
sich um ihre brüderliche Hilfeleistung für die arme
Geistlichkeit herumgedrückt haben. Das reiche Schottenstift
in Wien - und die Herren haben sich um die Steuer immer zu drücken
verstanden - das so reich war, daß es aus Besitz und Einkommen
48.000 Gulden Staatssteuer zahlen mußte und gezahlt hat,
verstand sich nur zu 800 Gulden Beitrag für die armen Religionsfondspfarrer,
das Stift Melk, das 30.000 Gulden Staatssteuer zahlte, 1050 Gulden,
Klosterneuburg mit 54.000 Gulden Staatssteuer 7946 Gulden, in
Böhmen zahlte das reiche Stift Strahov 2533 Gulden, Tepl
2110 Gulden, Politz 1624 Gulden, Braunau 630 Gulden, Emaus 210
Gulden, Margarethen 240 Gulden, Ossegg 744 Gulden, das reiche
Hohenfurth 840 Gulden und die Kreuzherren 714 Gulden. Aus Böhmen
flossen dem Religionsfond durch diese Beiträge also 11.705
Gulden zu. Aus Mähren kamen 2377 Gulden, und zwar zahlte
das Stift Raigern 697 Gulden und Paltenberg 252 Gulden. Aus Schlesien,
wo reiche Pfründen sind, ist in den Religionsfond durch diese
70 Jahre kein Heller Beitrag der Stiften und Klöster geflossen!
Nun sagt der Bericht des konfessionellen Ausschusses des Wiener
Abgeordnetenhauses damals: Aus Kärnten, Krain, Küstenland,
Dalmatien, Schlesien und der Bukowina war niemals ein Pauschalbeitrag
des Regularklerus im Staatsvoranschlag ersichtlich. (Hört!
Hört!) 270 wohlhabende Klöster aus allen
Gebieten Westleithaniens haben ganze 70 Jahre keinen einzigen
Gulden zum Religionsfonds bezahlt, um armen Brüdern auszuhelfen.
Da hat nicht mit Unrecht der Bericht des Herrenhauses, des immer
gutkatholisch gesinnten Herrenhauses, damals gesagt, daß
es doch notwendig erscheint, die Solidarität der kirchlichen
Zwecke endlich einmal herzustellen. Wir sehen, wie die Herrschaften
immer die Solidarität der kirchlichen Zwecke gefühlt
haben. Sie sehen, wie wir Recht haben zu verlangen, daß
nun einmal doch innerhalb der Kreise, die da wohlhabend und in
Seide und Schmuck und in wallenden Gewändern einhergehen,
erst einmal die christliche Nächstenliebe richtig geübt
wird.
Man bringt uns nun ein solches Gesetz, mit
dem man nicht eine vorübergehende Maßnahme schaffen,
sondern für alle Zeiten diese Frage außer Diskussion
stellen will. Man bringt uns aber keine Aufstellung darüber,
wie groß heute das eigentliche Vermögen der einzelnen
Konfessionen und Religionsgemeinschaften ist, man gibt uns keine
Ziffern darüber, was für Besitz und Vermögen der
Religionsfonds in Wirklichkeit hat. Das Gesetz Nr. 51 vom Jahre
1874, von dem ich eben gesprochen habe, mit seinem Motivenbericht,
besteht heute noch formell, ist nicht aufgehoben, und wir haben
keine Statistik, in welcher Weise heute noch die wohlhabenden
Pfründenbesitzer zum Religionsfonds beitragen. Das,
meine Herren, kann doch kein Ausweis sein, wenn es im Staatsvoranschlag
für das Jahr 1925 heißt, daß dem katholischen
Religionsfonds in der Èechoslovakei 4,076.212 Kronen zufließen
sollen, während dieser Betrag für das Jahr 1926
nur mehr mit 2,706.991 Kronen errechnet wird. Da kommt man auf
eine charakteristische Tatsache. Den Herren, die das nicht wissen,
empfehle ich, immer für Studienzwecke die alten österreichischen
Staatsvoranschläge zur Hand zu nehmen, welche klare Darstellung
diese bieten, auch auf dem Gebiete des Religionsfondes. Der Voranschlag
des Ministeriums für Kultus und Unterricht in Wien hat jedem
Staatsbürger die Möglichkeit geboten, bei jedem einzelnen
Religionsfondsgeistlichen festzustellen wieviel er bekommt. Da
sind nun auch einzelne Ziffern, die ich nur so vergleichsweise
anführen will, recht interessant, um den Ansprüchen
jener entgegenzutreten, die uns diesen Gesetzentwurf gebracht
haben. Schon das ist charakteristisch, daß nach dem Voranschlag
für das letzte Friedensjahr die Einkünfte des
katholischen Religionsfonds für Böhmen, Mähren
und Schlesien in Vorkriegskronen - ich betone: Vorkriegskronen
- 2,582.897 Kronen betragen sollten, während jetzt in der
Èechoslovakischen Republik der Religionsfonds in der verminderten
èechoslovakischen Krone, die doch etwas anderes ist als
die österreichische Vorkriegskrone, 2,706.991 Kronen trägt.
Da scheint es mir, meine Herren, daß es mit den Beitragsleistungen
derjenigen, die von ihrem Überfluß etwas hergeben könnten,
recht dünn und mager bestellt ist.
Aber darüber hat doch die gesetzgebende Körperschaft
das Recht, Aufschluß zu verlangen, daß auch diejenigen
beitragen, die im Überfluß leben. Auch das ist so ganz
charakteristisch! Der katholische Religionsfonds hat in der Èechoslovakei
ein einziges Gut, das ist das Religionsfondsgut Neudek im Erzgebirge.
Sein Reinertrag wurde im letzten Friedensjahr errechnet - nach
allen Ausgaben und Abschreibungen - mit 215.410 Kronen. In der
Èechoslovakei wird der Ertrag, und zwar in den
Jahren, wo Holz geschlagen und verkauft wurde - wir haben es selbst
gesehen - mit 989.000 Kronen errechnet. Meine Herren, wir fragen
uns auch - das heißt, wir brauchen uns nicht zu fragen,
wenn wir diese Dinge kennen - warum sich die Herren einer
friedlichen Lösung der Dinge widersetzen, sich als
Gegner aufspielen, wenn man verlangt, daß die Èechoslovakische
Republik entweder nach eigenen Anträgen oder wenigstens in
Fortsetzung der kirchenpolitischen Gesetzgebung des alten Österreich
das Problem des Verhältnisses zwischen
Kirche und Staat aus der Welt schafft. (Souhlas na levici.)
Auf etwas will ich hinweisen: Alle Kirchen
und Religionsgemeinschaften haben, wenn sie leben, wenn sie existenzberechtigt
sein, wenn sie vom Staate anerkannt sein sollen, ihre Pfarrund
Kultusgemeinden gründen müssen auf Grund des Gesetzes
Nr. 68 vom Jahre 1874, im östlichen Gebiete des Staates
besteht ein ganz analoges Gesetz aus dem alten Ungarn. Die Èechoslovakische
Republik hat dann die Kirchenverfassung dieser Kirchengemeinden
übernommen, Änderungen verlangt und sie bestehen hier
zu Recht. Ganz anders stehen die Dinge mit
den Rechtsverhältnissen der katholischen Kirche. Es hat zwar
auch das alte Österreich in demselben Jahre 1874 ein Gesetz
geschaffen über die Konstituierung der katholischen Pfarrgemeinden,
das Gesetz Nr. 50 vom Jahre 1874, von dem der Motivenbericht des
Herrenhauses sagt, daß es einer der wichtigsten Schritte
zur Lösung der großen kirchenpolitischen Fragen ist.
Dieses Gesetz bestimmt im § 35, daß die Gesamtheit
der in einem Pfarrbezirk befindlichen Katholiken desselben Ritus
eine Pfarrgemeinde bilden, und diese Pfarrgemeinde hat zur Bestreitung
ihrer Auslagen nach § 36 das Umlagenrecht, ebenso wie alle
anderen Religionsgemeinschaften und Konfessionen, die jedoch ihre
Ausgaben aus den Steuern und Abgaben ihrer Mitglieder bestreiten
müssen. Aber nun kommt der Pferdefuß. § 37 dieses
Gesetzes sagt: "Nähere Vorschriften über die Konstituierung
und Vertretung der Pfarrgemeinden, dann über die Besorgung
der Angelegenheiten derselben werden durch ein besonderes Gesetz
erlassen." Und da begann eben der Einfluß von
der anderen Seite, und dieses Sondergesetz ist bis zum heutigen
Tage nicht erschienen und auch die Èechoslovakische Republik
hat diese Lücke nicht ausgefüllt, trotzdem charakteristischerweise
nach 4 Jahren, im Jahre 1878, eine Verordnung erschien, die
provisorisch bis zur Erlassung dieses Gesetzes die Aufgaben der
Kirchengemeinde wie bisher der Ortsgemeindevertretung übertrug,
und trotzdem, was ebenso charakteristisch ist, 20 Jahre später
im alten Österreich das Gesetz Nr. 7 ex 1895 erlassen wurde,
welches die Art der Einhebung und die Art der Umlagen der katholischen
Pfarrgemeinden genau festgestellt. 20 Jahre, nachdem das Gesetz
noch nicht in Kraft gesetzt war, hat man noch ein Ergänzungsgesetz
geschaffen, in dem man bestimmte, von welchen Steuern Umlagen
erhoben werden können, und hat interessanterweise das Umlagenrecht
auf juristische Personen erstreckt, und zwar so, daß sie
je nach der Kopfzahl der Angehörigen der Konfession der betreffenden
Gemeinde zu den Religionsgemeinschaften beitragen sollen. Auch
dieses Gesetz, das die Möglichkeit bietet, die ganze Angelegenheit
außer Streit zu stellen und die katholische Kirche dahin
zu verweisen, daß sie sich wie die anderen konstituiert
und von dem bösen Odium, von dem die Herren immer sprechen,
befreit, daß die Angehörigen anderer wider ihren
Willen zu Leistungen gezwungen werden, auch dieses Gesetz ist
bis zum heutigen Tage nicht durchgeführt. Vielleicht haben
die èechischen Nationalsozialisten im Jahre 1920 einen
großen Fehler begangen, daß sie in der Art
ihres Auftretens mit dem berühmten Antrag Nr. 1 den Bogen
etwas überspannt und die Situation damals so gestaltet haben,
daß heute, wie es scheint, die Gelegenheit für eine
ruhige parlamentarische Behandlung der Frage und für eine
auf vernünftigem Wege herbeigeführte Lösung der
ganzen Angelegenheit ziemlich verschoben erscheint. Und das ist
kein Glück für einen Staat und die Bevölkerung,
wenn die Leidenschaften immer wieder mit diesem Problem aufgewühlt
werden. (Souhlas na levici.)
Die in all den Jahren in den Bezügen der
Geistlichkeit eingetretene Unordnung hat dann das österreichische
Kongruagesetz, ein Provisorium vom Jahre 1885, und ein ordentliches
Gesetz vom Jahre 1898 beseitigt und ebenso ein paralleles Gesetz,
der ungarische Gesetzartikel XIV aus dem Jahre 1898, der allerdings
weiter ging, indem er, insolange die katholische Kirche Zuwendungen
erhält, auch allen anderen vom Staate anerkannten, bezw.
rezipierten Konfessionen und Religiongesellschaften eine staatliche
Unterstützung gewährt. Zweifellos muß man zugeben,
daß heute die Verhältnisse eines großen Teiles
der Geistlichkeit triste sind, daß es unter den kleinen
Landgeistlichen, unter den Geistlichen im Gebirge, Verhältnisse
gibt, die bittertraurig sein mögen und nach Regelung schreien.
Und ich glaube, daß es im Grunde auch unter den sozialistischen
Parteien gar keinen Menschen gibt, der nicht damit einverstanden
wäre, ein Provisorium zu schaffen, damit die Zeit ausgenutzt
werden kann zu einer ordentlichen Diskussion und ruhigen Festlegung
der Rechtssphäre zwischen Kirche und Staat, um diese Dinge
für immer aus dem politischen Streit auszuscheiden. Aber
da müssen wir uns verwahren, daß man erst im Wege von
Ermächtigungsparagraphen eine Perennierung, eine Verewigung
des jetzigen Zustandes in das Beamtengesetz hineinschmuggeln wollte,
daß wir zu einer Zeit, wo man den Beamten und Lehrern ein
schlechtes Gesetz gibt, wo man die arbeitenden Menschen mit neuen
Steuern belastet und bedrückt, wo man uns Zölle auferlegt,
in der Zeit einer großen wirtschaftlichen Krise zustimmen
sollen, daß hier die Gewaltsverhältnisse dieser Art
von Staatsbürgern für alle Ewigkeit festgelegt und aus
Staatsmitteln getragen werden sollen. Wie ganz anders hat man
im alten Österreich - und das ist gerade für die bürgerliche
Parteien von Interesse - das Problem aufgefaßt! Die bürgerlichen
Parteien scheinen vielfach zu vergessen, daß es einmal ein
freiheitliches Bürgertum gab, das diesem Problem ganz anders
gegenüber stand. Wenn man zu dem von mir erwähnten Gesetz
vom 7. Mai 1874 - das waren die Bestimmungen zur Regelung der
äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche
- den Motivenbericht der damaligen Regierung liest, so wirkt das
den heutigen Verhältnissen gegenüber geradezu erschütternd.
Die Regierung gab im Abgeordnetenhaus eine große, gedanklich
wohldurchdachte geschichtliche Entwicklung aller Ideen vom Josefinismus,
vom Polizeistaat und der Entwicklung der Rechtsverhältnisse
zwischen Kirche und Staat, über die Frankfurter Grundrechte
bis zu den Bestimmungen der österreichischen Märzverfassung
und sagt dann: "Fern von jeder Beeinflussung des Glaubens
und Gottesdienstes ist es daher der staatlichen Gesetzgebung vorbehalten,
die äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen
Kirche sowie jeder anderen Kirche innerhalb des staatlichen Gebietes
zu regeln und zu ordnen. Zu den äußeren Rechtsverhältnissen
aber muß alles gerechnet werden, wodurch diese Kirchengemeinschaften
mit staatlichen Organen in Wechselwirkung treten." Dann kommt
eine kurze Schilderung der Bedeutung der katholischen Kirche.
Das war eine Verbeugung, eine Anerkennung wegen der Zahl ihrer
Mitglieder. Dann heißt es: "Dieser Umstand sowie der
Einfluß der Seelsorgegeistlichkeit auf alle Lebensverhältnisse
der katholischen Bevölkerung und der amtliche Charakter dieser
zur Mitwirkung an verschiedenen öffentlichen Einrichtungen
berufenen Kirchenvorsteher erheischt eine besondere Fürsorge
des Staates in zweifacher Richtung. Denn es wird einerseits zur
durch das Interesse des Staates hervorgerufenen Aufgabe desselben,
im Wege der Gesetzgebung dafür zu sorgen, daß die materiellen
und die gesellschaftlichen Verhältnisse der Seelsorgegeistlichkeit
ihrem erhabenen Berufe und ihrer hervorragenden Stellung entsprechend
geordnet werden, andererseits aber wird es auch zur Pflicht des
Staates, gegenüber der Kirche als Gemeinschaft der sämtlichen
im Staatsgebiete lebenden katholischen Glaubensgenossen nun dafür
Sorge zu tragen, daß die Heranbildung der Kandidaten für
die Seelsorgegeistlichkeit der hohen Aufgabe dieses Standes entspricht,
daß den Übergriffen der kirchlichen Hierarchie innerhalb
des Staatsgebietes energisch entgegengetreten wird und der Mißbrauch
religiöser, gottesdienstlicher Funktionen zur politischen
Agitation hinangehalten, sowie daß das Vermögen der
kirchlichen Genossenschaften zweckentsprechend verwaltet
und verwendet wird." Wenn die Urheber des Antrages und die
Mitunterfertiger bei den èechischen und deutschen bürgerlichen
Parteien sich das zur Richtschnur und zum Muster genommen hätten,
hätten wir andere Diskussionsmöglichkeiten.
Wir könnten uns über diesen Gegenstand sachlich auseinandersetzen
und es würde sich vielleicht ein Weg dazu finden, nicht aber,
indem Sie uns einen Fetzen Papier vorlegen, der nur leere Phrasen
enthält und keine sachlichen Begründungen.