Pátek 25. èervna 1926

14. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 2651 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Der èechische Parlamentarismus hat schon manche sonderbare Blüten gezeitigt. Sein em Boden ist unter anderm auch die berüchtigte Vìtšina entsprossen, jenes merkwürdige Gebilde von Kindlichkeit und Brutalität, das da glaubt, sich gegen die Minderheit alles herauszunehmen zu können. Diesem Umstande vor allem ist es zuzuschreiben - und ich habe gestern im Immunitätsausschuß schon darauf verwiesen - daß es in diesem Hause zu der von der jeweiligen Mehrheit so verpönten lärmenden Obstruktion kommt. Einzelne èechische Parteien haben im alten Österreich öfter und freudig obstruiert. Die Jungèechen zum Beispiel, also die Partei des Herrn Dr Karl Kramáø, hat die Obstruktion in das österreichische Parlamentsleben überhaupt eingeführt. Es ziemt sich in diesem Augenblick daran zu erinnern, daß es diese Herren waren, die im Jahre 1893 im böhmischen Landtag den Ausgleich zu Falle brachten und bei dieser Gelegenheit einen recht solennen Sturm aufs Präsidium unternahmen. Heute tun sie unendlich entrüstet. Die Erinnerung an diese Zeit mag ein Warnungszeichen für jene deutschen Parteien sein, die da glauben, dieser Partei jemals trauen zu können. Angehörige einer anderen èechischen Partei haben im Wiener Reichsrat nicht nur stundenlange Reden gehalten, sondern sie haben auch Pfeifen, Kindertrompeten, ja um zu zeigen, daß sie mit dem Fortschritt gehen, elektrische Läutwerke benützt, sie haben ferner ihre Gewandtheit im Werfen von Aktenbündeln und Tintenfässern bewiesen. Einzelne von diesen Herren sitzen auch noch auf den Bänken dieses hohen Hauses. Niemandem ist es aber damals eingefallen, sie etwa dafür zur Verantwortung zu ziehen, weil nämlich das alte Österreich, der Polizeistaat, wie sie ihn heute nennen, das Obstruktionsrecht anerkannte. Er anerkannte es, trotzdem man dort mit der Minderheit etwas anders, nämlich weitaus besser verfuhr als im Prager Parlament. Nur einer ist sehr konservativ geblieben. Er hat schon im alten Österreich das Obstruktionsrecht nicht anerkannt.

Es war der èechische Vizepräsident des österreichischen Reichsrates Dr. Karl Kramáø, der 1897 die Polizei ins Haus rief. Man weiß also, welcher Tradition die Prager Parlamentspolizei entsprungen ist. (Souhlas.) In den ersten Zeiten des èechischen Parlamentarismus schwang noch die Erinnerung an das vergangene Heldenzeitalter der Obstruktionen mit. In der Erwartung, stets unter sich, in der Vìtšina zu bleiben, ersann man daher eine Geschäftsordnung, die Obstruktionen unmöglich machen sollte. Sie hat sie zwar nicht unmöglich, wohl aber wirkungslos gemacht. Das aber nur deshalb, weil Sie das Parlament zur reinen Abstimmungsmaschine herabwürdigen ließen, die im größten Lärm auf das "Hände hoch" des Berichterstatters oder einer anderen beliebigen Person, die oben steht, glänzend funktioniert. Im Laufe der Zeit hat so mancher der Herren seine obstruktionistische Vergangenheit völlig vergessen und gebärdet sich nachgerade in entzückender Naivität so, als ob er niemals etwas von Obstruktion, am allerwenigsten von einer, die er selbst gemacht hat, wüßte.

Vor Jahren wurde Kollege Dr. Baeran dem Staatsanwalte überliefert und ins Elend gestürzt, weil er eine harmlose Stinkbombe geworfen hat. Gestern haben die Vertreter der beiden èechischen sozialistischen Parteien, die an der Entwicklung der Dinge im hervorragenden Maße mitteiligt und mitschuldig sind, (Souhlas.) - das ist Ihre Tragik im Immunitätsausschusse gerade auf den Fall Baeran verwiesen, den Sie seinerzeit mitkonstruiert haben. Das ist wohl der Gipfelpunkt der Geschmacklosigkeit und Heuchelei. Oder sind die Herren, seitdem sie das bittere Brot der Menšina essen müssen, bekehrte Sünder geworden? Es wäre hier unter uns Weltkindern Freude darüber, wenn wir es glauben würden. Vor kurzem haben Sie selbst noch im Immunitätsausschuß fröhlich für Auslieferungen gestimmt.

27 Abgeordnete, also nahezu ein Zehntel der Mitglieder des Abgeordnetenhauses, wurden vom Gerichte zur Auslieferung verlangt. Ein hiesiges Blatt erinnert im heutigen Leitaufsatz daran, daß es vor 305 Jahren ebenfalls 27 waren, die in unserer Nähe vor dem gegenwärtig festlich hergerichteten Altstädter Rathaus dem Henker Ferdinands des Blutigen überantwortet wurden. Die Ironie der Geschichte will es nicht nur, daß die 27 von heute - selbst zumeist Èechen - von Èechen vor Gericht gefordert werden, sondern daß sich unter ihnen auch Angehörige der èechischen Sozialisten finden, jener Partei, die für sich den Titel der staatserhaltenden Partei in Anspruch nimmt und daraus die Berechtigung ableitete, den Staat auf ihre Art zu reinigen. Nicht aber etwa von Korruptionen, beileibe nicht, sondern zu reinigen insbesondere die Ämter von allen Deutschen. Auf der Liste der zur Auslieferung verlangten stand auf der Name des Dr Franke, des berüchtigten Abbauministers, der Tausende und Abertausende von deutschen Staatsangestellten ins Elend stieß und gegen den wir seinerzeit die Anklage eingebracht haben, allerdings vergeblich, denn eine Krähe hackt der andern kein Auge aus - und damals bestand im èechischen Lager noch die Solidarität der Krähen. (Posl. Patzel: Bratr Franke! - Posl. dr Franke: Øeknìte to dr Kramáøovi. Vždy to mùžete napravit, máte pro to vìtšinu! Celní vìtšina vám to odhlasuje! - Posl. Patzel: Ein böses Gewissen haben Sie doch!) Er verträgt alles, er hat eine dicke Haut. (Posl. dr Franke: Dìlal jsem svou povinnost, ale ti páni se ke mnì zachovali nádhernì!)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid.

Posl. inž. Jung (pokraèuje): Herr Kollege Franke, ich gebe zu, daß es unangenehm ist, wenn man Sie gerade an Ihr Abbauwerk erinnert. (Posl. dr Franke: Já s vámi nepolemisují, pane kolego, s vámi ne, to tomu nerozumíte!) Jetzt, da das Futter knapper und zum Teil ungenießbar geworden ist, hat die Solidarität zeitweilig ausgesetzt. Zeitweilig, ich betone es ausdrücklich. Auf dem genugsam bekannten Wege des Kuhhandels wurden von den 27 zur Auslieferung Verlangten 16 ausgeschieden, 5 Abgeordnete sollen sofort ausgeliefert werden, 6 werden zum Hangen und Bangen in schwebender Pein verurteilt. Die Gründe dieses Vorgehens sind uns klar. Man will im Zeichen des Sokolkongresses und vor dem Hustag die Verbitterung im èechischen Lager nicht ins Unermeßliche steigern. Daher wurden auch ohne nähere Begründung die politisch bedeutsamsten Personen aus dem Verfahren ausgeschieden. Schon dies müßte für alle Deutschen ein Grund sein, sich bei diesem Verfahren jeder Mithilfe zu enthalten, weil diese einmal schlecht gelohnt werden wird. Wir betrachten daher die Mithilfe deutscher Parteien an diesem Werke als einen schweren Fehler. (Posl. Krebs: Und eine Dummheit noch dazu! - Výkøik: Eine Schmach ist es, nicht ein Fehler!) Ich akzeptiere auch das. Für die ablehnende Haltung meines Klubs sind aber auch grundsätzliche Maßnahmen maßgebend. Das Auslieferungsverfahren stützt sich vor allem auf das Schutzgesetz, jenes Gesetz, gegen das wir Deutsche damals noch in geschlossener Front von allem Anfang an ankämpften und das gegen unsere Volksgenossen in der ärgsten Weise mißbraucht wird. Ich brauche nur auf die Prozesse des Fachlehrers Goeth in Iglau und des Hochschülers Schiebel in Troppau, sowie auf einige Auslieferungsbegehren gegen deutsche Abgeordnete hinzuweisen Als Angehörige der in diesem Hause brutal behandelten Minderheit können wir weiters auf das Obstruktionsrecht nicht verzichten. (Souhlas.) Es ist schon sehr bedenklich, wenn der hier landesübliche Parlamentarismus glaubt, der Parlamentswache nicht entraten zu können. Nimmer mehr aber dürfen wir unsere Zustimmung dazu geben, daß auch dem Gericht und dem Staatsanwalt Gelegenheit geboten wird, in die parlamentarischen Verhältnisse sich einzumengen, daß man Sie dazu noch aufruft; denn das bedeutet das tatsächliche Abdanken des Parlamentarismus. Aus diesen Gründen habe ich namens des Klubs der deutschen Nationalsozialisten zu erklären, daß wir gegen den Auslieferungsantrag der Mehrheit des Immunitätsausschusses stimmen werden. Für den Minderheitsantrag Dr Patejdl, Riedl, Koudelka, Køíž werden wir stimmen. (Souhlas poslancù nìm. nár. socialistické strany.)

Vìcná poznámka posl. dr Koberga (viz str. 2658 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Zur Erklärung des Herrn Kollegen Koudelka stelle ich fest, daß mir insofern ein Irrtum unterlaufen ist, als Herr Kollege Koudelka nicht Berichterstatter in der Stinkbombenaffäre Dr Baerans gewesen ist. Wahr ist aber, daß Kollege Koudelka bei dem Auslieferungsbegehren gegen Baeran wegen Spionageverdacht die Rolle eines Berichterstatters so ausgezeichnet versah, daß es eines Staatsanwaltes würdig gewesen wäre. Wahr bleibt weiter, daß Kollege Koudelka bei der Niederringung jeder deutschen Obstruktion immer in den vordersten Reihen kämpfte und mit seinen Klubkollegen dem herrschenden Gewaltsystem der allnationalen Koalition Schergendienste leistete. Wahr bleibt weiter auch, daß die èechischen sozialistischen Parteien gleichgültig welcher Färbung, sich bei der Anwendung aller Gewaltmittel gegen die parlamentarische Minderheit in gar nichts von den èechischen bürgerlichen Parteien unterschieden und daß insbesondere die Amtsführung des Präsidenten Tomášek nicht minder rücksichtslos war als die gegenwärtige. Wir sprechen daher dem Kollegen Koudelka das Recht ab, sich über die jetzige Vergewaltigung der parlamentarischen Minderheit zu entrüsten. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

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