Úterý 19. øíjna 1926

Die Phrasen über die Zusammenarbeit der Nationen, die angeblich durch diese Regierung verkörpert werden soll, sind selbstverständlich nicht ernst zu nehmen, diese Phrasen haben nur die Aufgabe, den wirklichen Inhalt der Regierungspolitik zu verschleiern, nämlich die kapitalistische Profitpolitik. Wir haben hier einen Beweis für diesen Charakter der Politik der Regierung auch in den Worten, die Herr Ministerpräsident Švehla in seiner Regierungserklärung über die Krise verlor. Der Herr Ministerpräsident hat uns versprochen, daß die Regierung die Krise studieren werde. An und für sich wäre dieser Satz nur lächerlich, denn es ist einfach lächerlich, wenn die Regierung in einer Zeit, wo sich die Wirtschaftskrise von Tag zu Tag verschärft, wo sich der Hunger in der Arbeiterklasse immer mehr verbreitet, wenn die Regierung in dieser Zeit der rasch vorwärtsschreitenden Krise ankündigt, daß sie die Krise studieren wolle. Aber der wirkliche Sinn dieses Satzes besteht darin, daß die Regierung nicht imstande ist, etwas Positives gegen die Krise zu unternehmen, weil diese Krise nicht nur mit eine Folge der Politik der allnationalen Regierungskoalition und zum guten Teil auch der heutigen Regierung, d. h. ihrer Mehrheit, die bereits im Frühling in diesem Hause aufgerichtet wurde, ist, sondern weil diese Krise und ihre Verschärfung direkt ein Rechnungsposten in der Politik dieser neuen Regierung ist. Denn die Arbeitslosigkeit und der Hunger sollen ja das Mittel sein, um die Arbeiter niederzuzwingen, sie niederzuschlagen und ihnen die Stabilisierungsmaßnahmen, die diese Regierung plant, aufzuzwingen. Daß diese Regierungsmehrheit auch nicht die geringste Maßnahme zur Linderung der Krise durchzuführen gedenkt, haben wir ja von dieser Stelle aus dem Munde des Herrn Dr. Viškovský gehört, des Sprechers der èechischen Agrarier, der über die Anerkennung der Sowjetregierung sprach. Herr Viškovský hat uns hier erläutert, daß diese Regierung wohl eventuell geneigt wäre, die Sowjetregierung de jure anzuerkennen, daß sie aber abwarten wolle, also gewissermaßen politische Bedingungen stellen wolle. Das ist natürlich kein ernstlicher Angriff gegen die Sowjetregierung, denn die Sowjetregierung ist auf die Anerkennung durch die Èechoslovakei und durch die èechisch-deutsche bürgerliche Koalition wirklich nicht angewiesen, es handelt sich vielmehr um einschneidende Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise, gegen die Absatzkrise der èechoslovakischen Industrie, deren Notwendigkeit auch von kapitalistischer Seite eingesehen wird. Indem diese Regierung laut Erklärung des Herrn Viškovský nicht gewillt ist, eine Anerkennung der Sowjetregierung durchzuführen und damit normale politische und Handelsbeziehungen mit Sowjetrußland herzustellen, erklärt die Regierung rundwegs, daß sie nicht in der Lage ist, auch nur eine einzige wirksame Maßnahme gegen die Krise, gegen die Arbeitslosigkeit durchzuführen, weil eben die Krise und die Arbeitslosigkeit die Mittel sein sollen, um die Arbeiterklasse niederzuringen. Die Regierungsparteien wissen ganz gut, daß es sich in diesem Kampf jetzt darum handelt, die ganze wirtschaftliche Macht des Kapitalismus und die ganze politische Macht des Staates einzusetzen, um diese Politik durchzusetzen, und die Regierungsparteien wissen genau so gut, und die Arbeiterparteien sollten dies ebenso gut wissen, daß auf der anderen Seite das Proletariat die Durchführung der Pläne dieser deutsch-èechischen Regierungskoalition nur verhindern kann, wenn es seine ganze wirtschaftliche und politische Macht als Klasse in die Wegschale wirft. Aber wir sehen, daß es noch gute Wege hat, bis das Proletariat so weit ist, denn wir hören aus verschiedenen Reden und Artikeln der èechischen Sozialisten, daß sie nicht gewillt sind, diese ganze Macht des Proletariates gegen die heutige deutsch-èechische Regierungskoalition einzusetzen, sondern daß sie die Spitze ihrer Oppositionsankündigungen abstumpfen mit ihren Erklärungen, daß sie gegen diese Regierungskoalition eine loyale Opposition durchführen wollen. (Výkøiky posl. Wünsche.)

Das einzig Reale von den bisherigen Kundgebungen der Regierung ist das, was uns der Herr Finanzminister Dr. Engliš über das Budget, über die Staatsfinanzen vorgetragen hat und das, was wir über die Steuerreformvorlage, die die Regierung plant, bisher erfahren haben. Wir erinnern uns, daß, als beinahe vor einem Jahr der Herr Minister Dr. Engliš das Portefeuille des Finanzministers übernahm, er damals als Minister auch von sozialistischer Seite begrüßt wurde, mit der Begründung, daß er eine Autorität auf dem Gebiete der Finanzwissenschaft sei, daß er imstande sei, Ordnung in das Budget und in die Staatsfinanzen zu bringen. So wurde sein Kommen damals begrüßt, von einem ganz vagen allgemeinen Standpunkt, daß Ordnung in die Finanzwissenschaft des Staates hineingebracht werden müsse. Wir haben die ersten Schritte des Herrn Finanzministers beobachten können. Worin bestanden sie? Erstens in der Zuckersteuererhöhung, zweitens in der Vorlage über die Spiritussteuer und dann in der Vorlage über die Verlängerung der verschiedenen Zuschläge zu verschiedenen Steuern, sowie in einer absoluten Ablehnung jedweder Ermäßigung der Einkommensteuer für die arbeitende Klasse. Wir erinnern uns, wie unsere Anträge im Jänner dieses Jahres in Bezug auf die Herabsetzung der direkten Steuerlasten für die arbeitenden Klassen, in Bezug auf die Hinaufsetzung des Existenzminimums usw. abgelehnt wurden und wie an Stelle dessen Herr Finanzminister Dr. Engliš den bekannten Feldzug gegen die Arbeiterklasse in der Form der Steuerabzüge von dem Lohneinkommen durchführte, und wir erinnern uns leider ebenso gut, daß wir die Hilfe der beiden sozialistischen damaligen Regierungsparteien nicht fanden, daß sie damals dem Herrn Finanzminister Dr. Engliš in diesem Bestreben sekundierten und sich ebenfalls auf den Standpunkt stellten, daß die Steuerlast der arbeitenden Klasse nicht im mindesten herabgesetzt werden dürfe, und daß sie alle unsere eingebrachten Anträge ablehnten. So hat damals für die ersten Schritte seiner Steuer- und Finanzpolitik der Finanzminister Dr. Engliš die Zustimmung der beiden sozialistischen Parteien gefunden und was er uns heute vorlegt, ist nichts weiter als die logische Fortsetzung der Politik, die er damals kurz nach seinem Amtsantritt inaugurierte. Wir haben schon damals gesagt, daß wir dazu einen Finanzminister vom wissenschaftlichen Range des Herrn Dr. Engliš nicht gebraucht hätten, daß das, was er uns damals bescherte, jeder x-beliebige Beèka oder irgend ein anderer Kommis des Bankkapitals ebenfalls getroffen hätte. Aber heute können wir schon zu einer andern Ansicht kommen. Heute müssen wir der Tüchtigkeit des Herrn Finanzministers alle Anerkennung zollen, denn was er uns hier in Bezug auf das Budget vorgelegt bat, was er uns in Bezug auf die Steuerreform ankündigt, das ist wirklich ein Meisterwerk, ist wirklich ein Fortschritt in der ganzen Steuerpolitik dieses Staates, ist ein Meisterwerk gegen die Stümperei des Herrn Beèka und der bisherigen Finanzminister. Aber freilich, von welchem Gesichtspunkte ist es ein Meisterwerk? Dieses Budget und diese Steuerreform sind ein Meisterwerk vom Gesichtspunkte des Kapitalismus, sie sind ein Meisterwerk vom Gesichtspunkte der Interessen der besitzenden Klassen und sie sind ein Meisterwerk als Anschlag gegen die arbeitenden Klassen. Nicht nur das Budget, sondern vor allem die angekündigte Steuerreform sind zugeschnitten auf die Interessen der besitzenden Klassen und gegen die arbeitenden Klassen. Und so haben wir wieder einmal eine glänzende Bestätigung dessen, daß das, was sich in der heutigen bürgerlichen Gesellschaft Wissenschaft nennt, nichts anderes ist als die Dirne des Kapitalismus und vor allem die Finanzwissenschaft, die der ganzen kapitalistischen Wirtschaft am nächsten steht. Und diesen Dienst der Wissenschaft im Interesse des Kapitalismus, diese Herabwürdigung der Wissenschaft zur Dirne des Kapitalismus treibt Herr Dr. Engliš so weit als Finanzminister, daß er sich sogar hinreißen läßt, uns hier über die Krise, über die Arbeitslosigkeit und über die Teuerung offenkundig Unwahrheiten vorzutragen, Dinge, die mit den Tatsachen im. Wirtschaftsleben, im Leben der arbeitenden Klassen in schroffem Widerspruch stehen. Er bringt uns Ziffern über die Arbeitslosigkeit vor, die den Tatsachen ins Gesicht schlagen, er bringt uns Ansichten über die Krise, wie daß wir den Höhepunkt der Krise angeblich überschritten hätten, wo doch von Tag zu Tag Hunderte und Tausende von Arbeitern aufs Pflaster geworfen werden. Er bringt uns Ziffern über die Teuerung vor, während die Erfahrung des täglichen Lebens uns zeigt, daß die Teuerung immer schlimmere Dimensionen annimmt. Und was die Liebedienerei dieser Wissenschaft gegenüber den besitzenden Klassen anbelangt, sehen wir, daß sie sogar in sein Konzept ihre Schatten wirft. Ich verweise z. B. nur auf die Bestimmungen in dem neuen Steuergesetz, in der sogenannten Steuerreform, über die Grundsteuer. Die wissenschaftliche Überzeugung des Herrn Dr. Engliš müßte ihm selbstverständlich klar und deutlich sagen, daß die heutige Form der Vorschreibung der Grundsteuer durchaus veraltet ist, daß hier eine Reform notwendig wäre, aber der Einspruch der Agrarier hat es zustande gebracht, daß Herr Dr. Engliš in dieses sein Reformwerk die Grundsteuer in ihrer alten Form der Bemessung auf Grund des Katastralreinertrages hineingenommen hat. Das Diktat der Agrarier ist auch hier für den Wissenschaftler maßgebend. Darüber dürfen wir uns selbstverständlich nicht wundern, denn hier handelt es sich um Fragen, die nicht Fragen der Wissenschaft sind, nicht Fragen der gegenseitigen Überzeugung mit Argumenten, sondern hier handelt es sich um ausgesprochene Fragen des Klasseninteresses, und das sind nicht Fragen der Wissenschaft, nicht Fragen der Diskussion, sondern Machtfragen, so wie alle wirtschaftlichen und politischen Fragen in dieser Gesellschaft pure Machtfragen sind. Bei dieser Gelegenheit möchte darauf hingewiesen werden, daß von demselben Gesichtspunkte aus die andern Fragen beurteilt werden müssen, wie die Frage der Rationalisierung, die Frage der Zoll- und Handelspolitik oder die Frage des Bankenkredits. Und alle diese Fragen, wenn sie angeschnitten werden in der Öffentlichkeit und wir die großen Auseinandersetzungen lesen - Auseinandersetzungen, in denen sich auch Arbeiterblätter und Funktionäre der Arbeiterbewegung bemühen darzulegen, wie heute ihre verschiedenen Ideen über Rationalisierung, Handelspolitik usw. - wären, so sehen wir auf der andern Seite, daß diese Argumentation vollständig vergebens ist, weil es sich in jeder Frage um Machtfragen handelt, Rationalisierung ist eine sehr schöne Sache, die Rationalisierung der ganzen Produktionsorganisation in jedem Betriebe. Aber wie stehen die Dinge heute? Die Dinge stehen so, daß über die Art der Durchführung der Rationalisierung und darüber, zu wessen Gunsten die Rationalisierung ausschlägt, wem sie Profit und wem sie Schaden bringt, so lange die Kapitalisten über die Produktion verfügen, selbstverständlich diese auf Grund ihrer wirtschaftlichen Macht entscheiden und jedwede Rationalisierung, die durchgeführt wird, solange die Kapitalisten den Produktionsapparat in der Hand haben, selbstverständlich eine Rationalisierung im Profitinteresse der Kapitalisten sein wird und eine Rationalisierung, die den Arbeitern eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen, eine Herabdrückung ihrer Lebenslage bringten wird. Wir haben auf der anderen Seite eine Zollund Handelspolitik, aber gerade, ohne daß wir uns über dieses Thema sehr verbreiten müßten, gerade die heutige Äußerung des Herrn Dr. Viškovský über die Anerkennung der Sovjetunion zeigt uns deutlich, daß die besitzenden Klassen diese Frage von ihrem rein politischen Klasseninteresse aus beurteilen und auch in dieser Frage, bei der der bejahende Standpunkt, nämlich einfach die Anerkennung, Herstellung normaler politischer und Handelsbeziehungen so klar auf der Hand lag, sehen wir, daß sie nicht imstande sind, diese Frage zu bejahen, nicht vom Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Einsicht, weil sie vielleicht zu dumm wären, um das einzusehen, sondern weil ihr politisches Interesse dem entgegensteht. Wir haben hier mit der Frage der Rationalisierung auch die Frage der Erneuerung unseres Produktionsapparates angeschnitten, die Frage der Verbesserung unseres Produktionsapparates. Auch das ist eine schöne Sache theoretisch, aber wenn die Frage praktisch gestellt wird, so sehen wir, daß ein großes Hindernis der Verwirklichung all dieser Pläne die Frage des Bankkredites ist, die Diktatur des Bankkapitals, das der Industrie die Kapitalien nur zu ungeheuer hohem Zinsfuß und zu ungeheuer hohen Spesen hergibt, und es ist wiederum eine Machtfrage: Wer ist imstande das Bankkapital zu zwingen, der Industrie billige Kredite zu geben, wer ist imstande die Diktatur des Bankkapitals und die Diktatur des Finanzkapitals zu brechen? Was die Frage der Zoll- und Handelspolitik anlangt, so sehen wir auf der einen Seite, daß es unsere Kapitalisten ausgezeichnet verstehen, auch von den Schattenseiten der Zoll- und Handelspolitik zu profitieren, wir sehen, wie unsere Kapitalisten, wenn sie nicht imstande sind, am Export unserer Industrieprodukte nach Jugoslavien und nach Ungarn zu verdienen, einfach nach Jugoslavien und Ungarn gehen und ihr Kapital dort investieren bei der Errichtung von Betrieben, die die Konkurrenz der dortigen Industrie gegen die unsere wieder verschärft. Und wer will sie, diese Kapitalisten zwingen zu einer vernünftigeren, wie man sagt, Zoll- und Handelspolitik, wenn ihr Interesse verknüpft ist mit dem Aufkommen, dem Gedeihen, den Profiten von Unternehmungen, die von unserer schlechten Handelspolitik leben? Und wenn wir in der letzten Zeit Vorstöße von Seite des Großkapitals gegen diese Zoll- und Handelspolitik erleben, Vorstöße in der Richtung einer Beseitigung all dieser Zollschranken, Vorstöße in der Richtung einer Inaugurierung der Freihandelspolitik, bis zur Forderung der vereinigten Staaten Europas - vom wirtschaftlichen Gesichtspunkte gesehen, ohne Zollschranken, so sehen wir, daß, bevor noch die ersten Schritte zur Verwirklichung dieser Idee gemacht wurden, das Großkapital, das schwerindustrielle Kapital bereits Vorbereitungen getroffen hat, durch Bildung gewaltiger Eisentrusts, um auch, wenn dieses Ziel erreicht würde, es zu benützen, die neuen wirtschaftlichen Machtverhältnisse in Europa zu benützen, um die ganze Produktion zu monopolisieren. Wenn jetzt in einem Manifest, das heute veröffentlicht wurde, ausgerechnet die Vertreter des internationalen Bankkapitals sich für den Freihandel einsetzen, so zeigt das klar und deutlich, daß diese Frage ebenfalls nicht gelöst wird vom Standpunkt irgendwelcher unvernünftigen oder vernünftigen Handelspolitik, daß bei der Beibehaltung der bestehenden wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse selbstverständlich das Großkapital imstande sein wird, auch wenn dieses Ziel, das sich die verschiedenen Ideologen setzen die Vereinigten Staaten von Europa mit der Beseitigung der Zollschranken - verwirklicht würde, in diesen Tagen schon das Großkapital gerüstet wäre und die Verwirklichung dieses Zieles nicht den Arbeitern, sondern nur dem Großkapital Vorteil bringen würde. Die Bourgeoisie bei uns weiß ganz gut, daß es sich hier um keine wissenschaftlichen Fragen handelt, sondern um Fragen des Klasseninteresses, um Machtfragen und aus diesem Grunde hat die deutsche und èechische Bourgeoisie ihren Interessenzusammenschluß in dieser Regierungsmehrheit und in dieser Regierungskoalition vollzogen. Mit der Frage des Zusammenlebens der Nationen in diesem Staate hat selbstverständlich diese deutschèechische Regierungskoalition nicht das mindeste zu tun. Es ist eine Frage des Zusammenlebens der Bourgeoisien in diesem Staate. Die èechische Bourgeoisie ist zu schwach, um die jetzige Periode der Stabilisierungspolitik aus eigener Kraft zu einem erfolgreichen Ende für den Kapitalismus zu führen, und deshalb war sie gezwungen, die Bourgeoisien der anderen Nationen zur Mithilfe heranzuziehen. Dabei haben selbstverständlich auch internationale Rücksichten, wie z. B. des Staatskredits usw. eine Rolle gespielt. Die deutsche Bourgeoisie ist selbstverständlich mit Freude auf dieses Angebot, auf diese Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit der èechischen Bourgeoisie eingegangen. Es hieß der deutschen Bourgeoisie in ihrer Argumentation zu viel Recht geben wenn man sagen wollte, daß dieser Schritt in irgendeinem scharfen Gegensatz zur bisherigen Politik der deutschen Bourgeoisie stand. Wir wissen, nach dem Umsturz hat die deutsche Bourgeoisie ebenfalls das Losungswort vom Selbstbestimmungsrecht aufgegriffen, aber wir wissen ebenso gut, daß die deutsche Bourgeoisie bis zum Umsturz vom Selbstbestimmungsrecht nie etwas wissen wollte, daß die deutsche Bourgeoisie immer auf Seite einer Politik der Vergewaltigung anderer Nationen stand. Wir kennen die Kriegsziele, die die deutsche Bourgeoisie draußen im Reiche und hier im alten Österreich aufstellte. Diese Kriegsziele sprachen eine sehr deutliche Sprache. Es ist klar, warum die deutsche Bourgeoisie mit dem Selbstbestimmungsrecht erst kam, nachdem ihre ganzen Kriegspläne zusammengebrochen waren, die Losung war für die deutsche Bourgeoisie nur eine Notwehrlüge und die deutschen Kapitalisten haben diese Lösung nie ernst genommen. Sie haben von allem Anfang an nach Gründung dieses Staates ihren wirtschaftlichen Ausgleich mit der èechischen Bourgeoisie und mit dem èechischen Staate vorbereitet. Von Schritt zu Schritt haben die deutschen Kapitalisten ihr Zusammenarbeiten auf wirtschaftlichem Gebiet mit den Èechen beschlossen, mit den èechischen Kapitalisten organisiert, so weit organisiert, daß wir heute von einer schroffen Abgrenzung des deutschen und èechischen Kapitals überhaupt nicht sprechen können, daß heute die Grenzen zwischen deutschem und èechischem Kapital verwischt sind. Die èechischen Agrarier, wie überhaupt die Agrarier in diesem Staate haben es ebenfalls verstanden, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu organisieren. Ich verweise auf den Zusammenschluß der èechischen und deutschen agrarischen Wirtschaftsgenossenschaften und was das Politische anlangt, so haben wir deutlich genug gesehen, daß die deutsche Bourgeoisie schon in den Jahren 1918 und 1919, in jedem Falle, wo ihr die deutsche Arbeiterschaft auf die Kappe stieg, nach der èechischen Staatsgewalt gerufen hat. Die deutsche Bourgeoisie hat sich immer mit der èechischen Staatsmacht ausgesöhnt, wenn sie diese èechische Staatsmacht gegen deutsche Arbeiter brauchte. Ich erinnere nur z. B. an den Dezember 1920, wo alle deutschen Partei en sich in diesem großen Kampfe auf die Seite des èechischen Staates, auf die Seite der allèechischen Koalition gestellt haben. Ich erinnere an das Jahr 1923, wo die deutschen Parteien den Widerstand gegen die Annahme des Gesetzes zum Schutze der Republik in diesem Hause vollständig aufgegeben haben. Ich erinnere an das Jahr 1924, wo der parlamentarische Zusammenschluß der deutschen Parteien in der Zeit der Budgetberatung ebenfalls durchgeführt wurde, aber nicht um den Kampf gegen diesen Staat und gegen dieses System zu führen, sondern, wie dies seinerzeit der Karlsbader "Volkswille" behauptet hat, nur, damit für den Fall des Zerfalles der allnationalen èechischen Regierungskoalition ein einheitlicher deutscher Faktor da sei, um die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierungskoalition aufzunehmen. Daher kann das, was die deutschen Agrarier und die deutschen Christlichsozialen heute durch den Eintritt in die Regierungsmehrheit und in die Regierung selbst getan haben, für uns selbstverständlich keine Überraschung sein. Kann es denn eine Überraschung von unserem Standpunkte des revolutionären, des proletarischen Klassenkampfes, kann es etwas neues sein, wenn sich die Tatsache so deutlich zeigt, daß die Bourgeoisie ihr Klasseninteresse über alles stellt, über alle ihre sonstigen politischen Losungen? Daher sollen wir uns nicht überrascht zeigen und nicht in diesem Punkte Anklagen erheben, wir sollen über etwas anderes nachdenken, darüber, daß das unangenehme bei der ganzen Sache nur ist, daß wir uns überraschen ließen und daß nicht alle Arbeiterparteien in demselben Tempo wie die bürgerlichen Parteien an dem Abbau, an der Beseitigung und Überwindung der nationalen Gegensätze gearbeitet haben, und in der Richtung zum internationalen Zusammenschluß gemeinsam vorgegangen sind. Der größte Fehler ist, daß die bürgerlichen Parteien dem größten Teil der Arbeiterparteien in der Überwindung dieser nationalen Gegensätze und in der Erzielung eines internationalen Zusammenwirkens im Klasseninteresse der Bourgeoisie zuvorgekommen sind. Jede Regierung, die jetzt gebildet wird, jede Regierung, die in dieser Zeit auf dem Boden des kapitalistischen Systems und des kapitalistischen Staates steht, kann nur eine Regierung der politischen und der wirtschaftlichen Reaktion sein, weil anders als durch die Angriffe gegen die arbeitende Klasse, anders als durch die Herabsetzung der Lebenslage der arbeitenden Massen, anders als durch die Aufrichtung eines Regimes gegen die arbeitenden Klassen, die Durchführung der Stabilisierung dieses kapitalistischen Systems nicht möglich ist. Und dürfen wir uns wundern, wenn in einer Zeit, wo die bürgerlichen Politiker die schärfste wirtschaftliche und politische Reaktion verlangen, daß wir ausgerechnet in dieser Zeit die deutsche Bourgeoisie in die Regierung eintreten sehen? Diese deutsche Bourgeoisie, die, ich möchte sagen, die klassische Klasse der Reaktion ist, die deutsche Bourgeoisie, die, von einigen Episoden, die sehr kurz waren, abgesehen, immer in Europa seit Jahrzehnten das festeste Bollwerk der politischen und wirtschaftlichen Reaktion gewesen ist und noch ist.

Wir sehen auch, daß mit dem Augenblick, wo die deutschen Minister in die Regierung eingetreten sind, wo die deutschen Parteien in die Regierungsmehrheit eintraten, wir die wirtschaftliche und politische Reaktion sofort zu spüren bekamen. Und ich meine damit nicht nur die Zollpolitik als Zeichen der wirtschaftlichen Reaktion. In diesem Punkte ist die deutsche Bourgeoisie ja nur den Traditionen ihrer Politik in den Neunzigerjahren in Deutschland treu geblieben. Im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts stand die deutsche Bourgeoisie stets an der Spitze der wirtschaftlichen Reaktion, stets an der Spitze der Hochschutzzollpolitik. Ich meine damit auch nicht nur die kulturelle Reaktion und hier soll man auch das eine nicht vergessen, daß diese kulturelle Reaktion in der Kongruavorlage doch nur in der Erhöhung der Ziffern zum Ausdruck kam. Der Umstand, daß die Kongrua aus den Steuergeldern der Staatsbürger für die Kirche gezahlt werden muß, ist ein Erbe der allnationalen èechischen Koalition. Weder bei uns in der allnationalen Regierungskoalition, noch in Deutschland, noch in Österreich hat man den Mut gefunden, die Trennung der Kirche vom Staate durchzuführen.

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