Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf
steht in unverkennbarem Zusammenhang mit der Steuerreform. Die
Steuererleichterungen für neueingeführte Prooduktionszweige
- darum handelt es sich in dieser Vorlage - werden deshalb separat
und beschleunigt von der Mehrheit beschlossen, um einem bestimmten
Unternehmen, der Mährisch-Ostrauer Stickstoffabrik, große
Vorteile schon früher zuschanzen zukönnen. Die
Vorlage hat also ausgesprochen protektionistischen Charakter.
Überhaupt ist es ein Gesetz, das der Protektionswirtschaft
weitesten Spielraum gewährt. Denn im § 1 des Gesetzes
wird die Gewährung von Steuererleichterungen ausschließlich
dem Ermessen und Wohlwollen der Bürokratie überlassen.
Was das verhängnisvolle Wort "kann" unter dem Einfluß
der Parteienwirtschaft z. B. im Bodenamt zum Hohne der Gerechtigkeit
zu bedeuten hat, das weiß ja längst die ganze Welt.
Man komme uns nicht mit der im Motivenbericht zu dieser sonderbaren
Vorlage aufgestellten Behauptung, es handle sich im vorliegenden
Falle um eine volkswirtschaftlich sehr bedeutende Angelegenheit.
In Wirklichkeit dreht es sich ganz klar um eine rein kapitalistische
Gründung, an der neben dem Unternehmen selbst in erster Reihe
der Moloch Militarismus interessiert ist. Auch die im Motivenbericht
enthaltene Bemerkung, daß man deshalb Mährisch-Ostrau
zum Standort der Fabrik gewählt hat, weil dort große
Arbeitslosigkeit herrscht, imponiert uns nicht. Abgesehen davon,
daß in vielen anderen Städten der Republik gleichfalls
große Arbeitslosigkeit vorhanden ist, verdankt die Èechoslovakei
die schlechte Konjunktur gerade in Mährisch-Ostrau zunächst
dem miserablen Handelsvertrag mit Polen. Waren wir im Handelsverkehr
mit Polen im Vorjahr mit 118 Millionen Kronen passiv,
so sind wir heuer schon mit über 600 Millionen Kronen passiv.
Mit Rücksicht auf den höchst einseitigen, unverhüllt
protektionistischen Charakter der Vorlage haben wir den Antrag
auf Zurückweisung an den Budgetausschuß gestellt, wo
er im Verein mit der großen Steuervorlage verhandelt werden
soll.
Vom prinzipiellen Standpunkt aus möchte
ich dem Herrn Finanzminister Dr Engliš gegenüber
bemerken, daß ein bekannter Steuerfachmann mit vollem Recht
erklärt hat, die Steuerbefreiung sei die roheste und primitivste
Form der staatlichen Produktionsförderung. Dieses
Mittel möge wohl für halbkultivierte Agrarstaaten anwendbar
sein, passe jedoch absolut nicht für ein industriell so hoch
entwickeltes Land wie die Èechoslovakei. In einem bestimmten
Brünner Fall hat der Finanzminister erklärt,
man möge nicht das Aktienkapital durch Steuerabschreibungen
auffüllen. Dieser richtige Grundsatz wird in Mähr.-Ostrau
aber nicht zur Anwendung gebracht. Es handelt sich bei diesem
Gesetz um die Fortsetzung jener für die gesamte Volkswirtschaft
des Staates verhängnisvollen Politik, auf Kosten der Allgemeinheit
bestimmten kapitalistischen Gruppen große finanzielle Vorteile
zu sichern. Schon beim Zollkampf haben wir gesehen, daß
sich in dieser Beziehung die Agrarier und Industriellen einträchtig
zusammenfanden. Sie verstanden es, sich gegenseitig große
wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Dasselbe Schauspiel beobachteten
wir übrigens bereits im alten Österreich und in vielen
anderen Ländern ergibt sich das gleiche Bild. Der frühere
Gegensatz zwischen Agrarismus und lndustrialismus ist schon längst
überwunden. Beide haben sich vereinigt, um gemeinsam das
Volk auszubeuten und den Staat zum gehorsamen Werkzeug zu machen.
Unter diesen Umständen klingt es durchaus nicht sonderbar,
wenn in agrarischen Blättern vom Schlage der "Deutschen
Landpost" triumphierend berichtet wird, daß sich die
èechische Schwerindustrie der Agrarpartei anschließen
will. Der Anschauung, als ob zwischen Industrie und Landwirtschaft
unlösbare Gegensätze bestünden, wird
hier dadurch ein Schnippchen geschlagen. Uns sind die Zusammenhänge
dieser nur scheinbar unnatürlichen Liebe ja wohl bekannt,
ist es doch das gemeinsame kapitalistische Interesse an der Ausbeutung
der großen breiten Massen, das nicht nur die Agrarier deutscher
und èechischer Zunge zusammenführte, sondern auch
das Bündnis zwischen Industriellen und Agrariern im Zollkampfe
schuf.
Nun kommt die Lösung der Steuerfrage.
Die Industriellen wollen hiebei möglichst viel profitieren
und darum ihre Anbiederung an die Agrarier die heute mit Hilfe
der Christlichsozialen und Gewerbeparteiler die Macht der Agrarkapitals
repräsentieren. Teilung der Beute auch bei diesem politischen
Geschäft: Das ist der Sinn und der Zweck der Annäherung
der Industriellen an die heute den Staat beherrschenden
Agrarier. Die èechische Industrie ist es nicht allein,
welche hier dem Drange ihres Geldsacks folgt, auch die deutsche
Industrie wird den Weg zu den Fleischtöpfen der Agrarier
zu finden wissen, um wenigstens einige Brosamen vom reichgedeckten
Tische der gnadenspendenden agrarischen Machthaber zu erhaschen.
Man denke nur, was bei Staatslieferungen herausschauen kann, wenn
man es mit den maßgebenden Herrschaften nicht verdirbt!
Dieser Tage betonten die führenden Männer der èechischen
Industrie auf einer Prager Tagung des "Svaz",
wenn die Handelspolitik eines Exportstaates betrieben werden solle,
müßten die Steuerverhältnisse dementsprechend
geregelt werden. Es paßt ihnen in dieser Richtung nicht,
daß die Regierung im Entwurf über die Regelung der
Finanzen der Selbstverwaltungskörper nachträglich die
Erhöhung der autonomen Zuschläge von 410 auf 610% vorgesehen
hat, und zwar für den sicher oft vorkommenden Fall, daß
die normalen Zuschläge in den betreffenden Gemeinden zur
Verzinsung und Amortisierung der Schulden nicht hinreichen, die
bis 1. Jänner 1928 kontrahiert werden. Neben der Regelung
der Steuersätze sei eine Herabsetzung der Steuerlasten für
die produktiven Schichten, besser gesagt Kapitalisten, nur durch
die Beschränkung der hohen Gemeindeumlagen zu erreichen.
Das werden sich die Agrarier nicht zweimal sagen lassen. Auch
sie sind geschworene Feinde erhöhter Gemeindeumlagen, die
zu Gunsten der Gesundheit und sozialen Fürsorge der arbeitenden
Bevölkerung, für das Schulwesen, für die Straßenbauten,
Beleuchtung usw. verwendet werden sollen.
Daß die deutschen Unternehmer um kein Haar besser sind als
die èechischen und ebenfalls gegen die Gemeinden und Bezirke
losgehen und gleichfalls die Autonomie der Selbstverwaltungskörper
untergraben, obgleich sie der oppositionellen
deutschen Nationalpartei angehören, sehen wir im Bezirk Tetschen.
Dort haben die Vertreter der Deutschen Nationalpartei im Interesse
der großen Fabrikanten alle Jahre, auch jetzt wieder, gegen
den Voranschlag des Bezirkes Einwendungen erhoben. Diesmal beanständen
sie die angeblich zu hohen Gehälter der Beamten, die Ausgaben
für das im Bau befindliche Kinderheim und die geplante Anlage
einer Dampfheizung im Verwaltungsgebäude. Die Autonomie der
Gemeinden ist der deutlichste Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes,
das aber die deutschen Kapitalisten um des schnöden Mammons
willen leicht preisgeben. Statt aus verkehrten Ersparungsgründen
zu bürokratisieren, ist eine Erweiterung der Autonomie im
Interesse der Gesamtheit dringend notwendig. Abbauen und sparen
auf Kosten des ärmsten Bruders der Nation, das ist das gemeinsame
Leitmotiv der Schlotbarone und derer von Ar und Halm. Beiden gemeinsam
ist der Drang, in der ärgsten Ausbeutung und sozialen Unterdrückung
das Heil der Produktion zu sehen. Sie haben nichts gelernt aus
den Erfahrungen Amerikas und neuerdings Deutschlands, wo die Erkenntnis
reift, daß eine gutbezahlte Arbeiterschaft die beste Gewähr
für einen starken inneren Markt ist, der gleicherweise der
Landwirtschaft wie der Industrie zugute kommt. Wir sehen gerade
jetzt an den beweglichen Klagen der Geschäftswelt über
den heurigen überaus schlechten Geschäftsgang zu Weihnachten,
welch immense Bedeutung der Arbeiterschaft als Verbraucher zukommt.
Das agrarische Sprüchlein, daß alle Welt Geld hat,
wenn der Bauer Geld hat, wie es uns in der Zolldebatte seinerzeit
auch gesagt wurde, ist bei uns nicht zugetroffen.
Das Bündnis der Industriellen und Agrarier
in der Steuerfrage ist allen sichtbar in dieser Vorlage, die wir
eben verhandeln, wie in dem von der Regierung vorgelegten großen
Steuerentwurf, wo das Streben vorwaltet, bei gleichzeitiger Entlastung
der besitzenden Klassen die besitzlosen Klassen und Minderbemittelten
noch weiter zu belasten. Solange kein Abbau der indirekten Steuern
erfolgt, die das Dreifache der direkten ausmachen und von den
wirtschaftlich Schwächsten viel stärker empfunden werden
als von den Reichen, kann von einer wirklichen Steuerreform nicht
die Rede sein. Und solange der Staat pro Kopf und Jahr über
700 Kè Steuern einhebt, während
die autonomen Lasten in den historischen Ländern nur 177
Kè betragen, hat die Regierung nicht das geringste moralische
Recht, anderen das Sparen anzuempfehlen. Sie mag nur bei sich
selbst mit dem Sparen anfangen, etwa beim Militarismus,
bei der Kongrua, bei der Propaganda im In- und Auslande und bei
hundert anderen Anlässen, dann brauchten sich die Herren
vom Zentralindustriellenverband, dem "Svaz" und die
deutschen Fabrikanten nicht auf die angeblich zu hohen und unerschwinglichen
Umlagen der Gemeinden und Bezirke zu berufen. Wenn die Industrie
durch fortschreitende Rationalisierung die Erzeugungskosten so
herabdrücken will, daß sie ihren Stand in der Weltwirtschaft
zumindest sichert, dann mögen die diversen Wortführer
der lndustriellen, Dr. Hodáè, Ing. Novák,
lng. Dvoøáèek oder
wie sie sonst heißen mögen, ihren Kampf vor allem gegen
die hohen unproduktiven Ausgaben des Staates richten, die Gemeinden
jedoch ungeschoren lassen. Die Tatsache, daß sie in der
Hauptsache die sozialen Lasten gleich den Agrariern herabdrücken
wollen, alles übrige jedoch unangetastet lassen, kennzeichnet
so recht ihre antisoziale, erzreaktionäre Einstellung zum
Steuerproblem. Daß wir eine derartige volksfeindliche Politik
aufs schärfste bekämpfen, ist selbstverständlich.
Wir sind selbstverständlich gerne bereit,
günstige Vorbedingugngen für die Entwicklung der heimischen
Volkswirtschaft schaffen zu helfen, es darf aber nicht auf Kosten
des arbeitenden Volkes gehen. So sehr die Klagen der Steuerzahler
in der Richtung berechtigt sind, daß die Finanzverwaltung
für die in der lnflationszeit vorgeschriebenen Steuern nachträglich
mit gutem Geld bezahlt haben will, können wir doch nicht
zugeben, wenn behauptet wird, daß die Industriellen oder
Agrarier in der Steuerfrage allzuhart behandelt werden. Beide
Teile verstehen es nämlich ausgezeichnet, sich vom Steuerzahlen
möglichst zu drücken. Sie haben mit Hilfe ihrer Rechtsvertreter
ein ausgeklügeltes System eingerichtet, wobei sie sich Millionen
ersparen. Ich kenne Advokaten, die als Steuerberater der Fabrikanten
zu großem Vermögen gelangt sind.
Das Verstecken der Reingewinne muß besonders
gut ein Brünner Tuchfabrikant verstanden haben, der nach
Presseberichten seit Bestand des Staates angeblich noch keine
Steuern bezahlt hat, obgleich er in der Nachkriegszeit Millionen
verdient hat. Die Brünner Maschinenfabriks A.-G. rechnet
auch mit großem Entgegenkommen, denn sie will 30 Millionen
Kè schuldige Steuern abgeschrieben haben. Wenn der Staat
mehr als 3122 Milliarden rückständige Steuern zu bekommen
hat, so sind nicht die kleinen Steuerträger
die Hauptschuldigen, sondern meist die großen Unternehmungen.
Im Steuerbezirk Tetschen sind 100% Steuern rückständig,
davon sollen 60% verloren sein. Der Löwenanteil entfällt
auch hier auf die großen Unternehmungen, die zwar Millionen
verdienen, aber dem Staat die Steuern schuldig blieben. Beim Arbeiter,
Kleinlandwirt und Gewerbetreibenden treibt man jedoch die Steuerrückstände
ohne viel Federlesen ein. Auf jeden Fall steht unumstößlich
fest, daß die breiten Massen, welche die indirekten Steuern
von vornherein im Preise der Waren bezahlen müssen und denen
vom Lohn die Steuern abgezogen werden, bis her die Wurzen gewesen
sind. Den Kapitalisten dagegen wird auch in Zukunft die Steuer
gestundet werden. Die Agrarier betreiben das Geschäft des
Steuerabschreibens nicht minder eifrig. Sie haben die Einbringung
von Rekursen und dergleichen im Großbetrieb organisiert.
Ob der Rekurs Aussicht hat auf Erfolg oder nicht, wird kaum untersucht,
die Hauptsache ist, daß für die Parteimitglieder etwas
getan wird, damit die Parteimitglieder getröstet sind. Die
Steuerbehörden sind schon längst auf diese Demagogie
gekommen. In der letzten Zeit hat sogar Herr Finanzminister Dr
Engliš diesen Unfug entsprechend gekennzeichnet.
In der Antwort des Finanzministers auf die Interpellation der
Abg. Weisser und Genossen betreffend die mißlichen
Steuerverhältnisse in den Gemeinden des Adlergebirges, Rokitnitz
und Deschnei, Druck III/182 heißt es: "Es ist zwar
wahr, daß in letzter Zeit in manchen Gemeinden der erwähnten
Orte zahlreiche Ansuchen um Mitteilung der Bemessungsgrundlage
und zahlreiche Berufungen eingebracht worden sind, jedoch kann
dieser Umstand mehr auf Rechnung der betriebenen Agitation gegen
die Steuervorschreibungen überhaupt als auf eine tatsächliche
Übersteuerung gesetzt werden, wofür auch die zahlreichen
vollständig gleichlautenden und aus einer Quelle stammenden
allgemeinen Beschwerden vieler Gemeinden aus den betreffenden
Bezirken zeugen." Wie sehr die Landbündler ihre Steuerkommissionsmitglieder
zum Mißbrauch ihres Amtes erziehen und aus deren Tätigkeit
parteipolitischen Nutzen ziehen, zeigt die nachstehende Bemerkung
des Rundschreibens der Bezirksparteileitung in Böhmisch-Leipa
G. Z. 7, Seite 2 vom 8. Jänner 1926: "Wir ersuchen die
Vertrauensmänner, die Einkommensteuernachlässe nicht
in Sitzungen öffentlich, sondern persönlich bekanntzugeben,
damit dadurch nicht Unstimmigkeiten hervorgerufen werden, weil
der eine mehr, der andere weniger Nachlaß erhalten hat."
Die landbündlerischen Kommissionsmitglieder treiben also
mit den erzielten Steuernachlässen eine ausgesprochene Agitation
im Dorfe. Da sich die öffentliche Bekanntgabe der Resultate
wirklich nicht als praktisch erwies, wählte man auftragsgemäß
die weniger kontrollierbare Form der mündlichen Bekanntgabe
von Mann zu Mann.
Daß es sich auch hier um ein wohl vorbedachtes
System handelt, zeigt uns ferner das Rundschreiben des landwirtschaftlichen
Bezirksverbandes und des Bundes der Landwirte in Podersam vom
5. November 1926, wo auf das günstige Ergebnis der Steuerverhandlungen
vom 29. Oktober dieses Jahres hingewiesen wird, die in Anwesenheit
des Regierungsrates Gregora aus Prag stattfanden. In diesem Zirkular
heißt es: "Das Ergebnis wird gewiß alle unsere
Mitglieder zufrieden stellen. Wir bemerken nur noch dazu, daß
die Notstandsgemeinden, das sind jene, die im Vorjahr von der
Dürre betroffen wurden, überhaupt für das Wirtschaftsjahr
1925, Steuerjahr 1926, aus der Einkommensteuer herausfallen werden."
Später kommt der parteipolitische Pferdefuß dieser
Steueraktion zum Vorschein: Es heißt im Punkt 5 des Zirkulars
bezüglich der Einsendung der Mitgliederbeiträge für
den Bund der Landwirte pro 1926: "Wir erwarten unter Hinweis
auf den Punkt 1 des heutigen Berichtes ehestens die Einzahlung
der rückständigen Beiträge." Das ist doch
deutlich genug! Unter solchen Umständen, wo klar ersichtlich
ist, daß die unverkennbare Absicht besteht, die Hauptlasten
der Steuern auf die Besitzlosen und minderbemittelten Kreise auch
fernerhin abzuwälzen, können wir nicht einer Vorlage
zustimmen, die im Wesen eine Konzession an die kapitalistische
Klasse ist.
Wie nehmen umsoweniger die Steuerweisheiten
der Regierung und der kapitalistischen Parteien als ein unabänderliches
Evangelium hin, weil auch von ernsten bürgerlichen Volkswirtschaftlern
das System Engliš entschieden bekämpft wird.
Herr Professor Dr Drachovský hat erst diese Woche in der
Böhmischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, daran
wenig gute Haare gelassen. Er kritisierte das Budget pro 1927
als ungünstig und hält die neue Form desselben nicht
für gut. Er sprach auch von der Notwendigkeit einer vernünftigen
Finanzgebarung und der Hebung der Steuermoral - bei den besitzenden
- Klassen natürlich, fügen wir bei.
Ebensowenig wie wir den Agrariern Liebesgaben
in Form von Zöllen bewilligen, ebensowenig stimmen wir offenkundigen
Liebesgaben für die Industriellen zu. Wir lehnen deshalb
diese Vorlage ab.
Noch eins: einer Regierung, deren Chef sich
im Budgetausschuß des Senates ganz offen für den antisozialen
Kurs ausgesprochen hat, müssen wir entschiedenst entgegentreten.
Herr Ministerpräsident Švehla erklärte nämlich,
bei dem bisherigen Vorgehen wurden hauptsächlich drei
Gesichtspunkte beachtet: Fiskus, Lohn und Konsum, aber oft wurde
- angeblich - der Gesichtspunkt der Handelsrentabilität und
der Produktion übersehen. "So dürfen wir in Hinkunft
nicht vorgehen", meinte er offen. Er verkündete zum
Schluß wörtlich, es sei eine unantastbare Wahrheit,
daß jedes Unternehmertum, das lebensfähig sein soll,
rentabel sein muß.
Wenn auch Herr Ministerpräsident Švehla
es nicht zugibt, daß dies eine antisoziale Einstellung
ist, steht doch fest, daß dieses sein wirtschaftliches Glaubensbekenntnis
den ungeteilten Beifall aller Kapitalisten findet. Freilich hat
schon ein Größerer lange vor ihm das innere Wesen des
Kapitalismus viel treffender gekennzeichnet. Unser Karl Marx war
es, der sagte: "Das Kapital hat einen Horror (Grauen) vor
Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur
vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird das Kapital kühn,
10% sicher, und man kann es überall anwenden, 20%, es wird
lebhaft, 50% positiv waghalsig, für 100% stampft es alle
menschlichen Gesetze unter seinen Fuß, 300% - und es gibt
kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr
des Galgens."
Der Herr Ministerpräsident wird selbstverständlich
niemals so drastisch sprechen, wie Karl Marx, aber dafür
ist sein Wort den Kapitalisten aller Grade in diesem Staate ein
Signal in dem Sinne, daß der Ausbeutung der Arbeiterklasse
und der breiten Massen der Verbraucher in erhöhtem Maße
freie Bahn geschaffen werden soll. Diesem antisozialen Kurse,
wie er auch gewissen Äußerungen des deutschen Ministers
Herrn Dr Spina entspricht, sagen wir hiemit den schärfsten
Kampf an. Die deutschen Regierungsparteien machen wir in erster
Linie für die Folgen des antisozialen Kurses mit verantwortlich.
(Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)
Die Bestimmung des § 51 der Geschäftsordnung,
welche die Erteilung einer Rüge im Falle einer Beleidigung
vorsieht, kann sich sinngemäß nur auf bloße Beleidigungen,
Beschimpfungen und Injurien beziehen. Ganz unsinnig muß
daher ein Ersuchen wirken, auf diesem Wege Angriffe und Beschuldigungen
politischer Natur auszutragen, und um solche handelt es sich bei
den Mitteilungen, die ich in der Plenarsitzung des Hauses am 19.
November über die Affäre Koburg - Hodža
gemacht habe. Es handelt sich hier um eine
hochpolitische Korruptionsaffäre, in der nicht nur einzelne
Personen, sondern ganze Parteien und die Regierung selbst verwickelt
sind, und deren Schatten soweit die Annahme der lex Cyrill in
Frage kommt, auch auf dieses Haus fallen. Infolgedessen können
nicht einmal gerichtliche Ehrenbeleidigungen und Betrugsprozesse,
geschweige denn irgendwelche Erklärungen, irgend welche der
zahlreichen Erklärungen möchte ich sagen, von wo immer
sie kommen mögen, die endgültige Erledigung dieser Angelegenheit
bringen. (Sehr richtig! - Hluk.)
Die heutige Erklärung des Herrn Ministers
Dr Hodža ist ein
klassisches Beispiel der Rede eines Angeklagen, der sehr viel
herumredet, um zu verhüllen, daß er recht wenig zu
sagen hat. (Potlesk komunistických poslancù.
- Hluk.) Herr Dr Hodža
hat aber nicht den Versuch gemacht, uns
zu erzählen - und das ist die große Lücke in seiner
Erklärung - was sich ereignet hat an Interventionen und ähnlichen
Eingriffen in der Zeit zwischen der Annahme der lex Cyrill durch
die Nationalversammlung und zwischen dem Zeitpunkt, wo sich herausstellte,
daß die ganze lex Cyrill eine verfehlte Sache gewesen ist
und daß sie die Angelegenheit des Prinzen Cyrill absolut
nicht retten kann. Über diesen Zeitpunkt fehlt uns jedwede
Angabe in der Erklärung des Herrn Ministers Hodža
und dieser Zeitpunkt ist mit entscheidend
in der ganzen Affäre.
Der Herr Minister Hodža hat
sich hier darauf berufen, daß er es nicht notwendig gehabt
hätte, einen Vermittler zu verwenden zwischen sich und den
slovakischen Volksparteilern, weil er die Herren selbst seit 25
Jahren kennt und mit den Herren selbst sehr gut bekannt ist. Nun
es gibt Dinge, über die man auch mit den besten Bekannten
lieber nicht persönlich spricht, bei denen man sich sehr
gerne eines Vermittlers bedient. Ich habe nicht behauptet, daß
ein Vermittler notwendig war, um Beziehungen zwischen Herrn Dr
Hodža und den Volksparteilern
herzustellen, sondern ich habe nur behauptet, daß ein Mittelsmann
tätig war, um der Geldbriefträger zwischen ihnen zu
sein. Darum hat es sich mir gehandelt.
Herr Minister Hodža hat
erklärt und die Bemerkung hier fallen lassen - wahrscheinlich
um doch irgend einen Punkt hier anzuführen, weshalb der Untersuchungsausschuß
nicht notwendig sei - daß er selbst veranlaßt habe,
daß diese Angelegenheit dem Staatsanwalte übergeben
werde. Das ist nichts anderes als eine Verhöhnung des Verlangens
nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Wer
weiß, was bei uns die richterliche Unabhängigkeit bedeutet,
wer eine Ahnung hat von den Zuständen beim Obersten Gerichtshof
(Hluk.) in Brünn, wer die klerikal-ministerielle Korruption
kennt, die sich an den Namen Prouza knüpft, wird wissen,
daß infolgedessen der Staatsanwalt, (Hluk.) der vollständig
abhängig ist von der Regierung, der ein Organ der Regierung
ist, die an dieser Affäre mitbeteiligt ist, daß dieser
Staatsanwalt nicht das Organ ist, das imstande wäre, diese
Affäre zu untersuchen. (Potlesk komunistických
poslancù. - Hluk.) Machen Sie keinen
Versuch, mich zu überschreien. Das gelingt Ihnen nicht. (Rùzné
výkøiky komunistických poslancù.)
Pøedseda (zvoní): Prosím
o klid.
Posl. Kreibich (pokraèuje):
Am lächerlichsten ist die Bemerkung
des Herrn Ministers Hodža,
daß er, wenn er hätte jemandem, den Volksparteilen
bezw. der Bewegung in der Slovakei 2 Millionen spenden wollen,
daß er dazu gewiß andere Quellen gefunden hätte,
als gerade Koburg und Eisler. Das ist die lächerliche Ausrede
eines Spitzbuben, den man beschuldigt, irgendwo gestohlen zu haben,
und der sagt: Ich hätte das Geld anderswo auch nehmen können,
ich war auf das nicht angewiesen. (Potlesk a souhlas
komunistických poslancù. -
Hluk.) Diese lächerliche Antwort ist bezeichnend für
die Art und den Charakter der Erklärung des Herrn Ministers
Hodža. Das vorliegende Disziplinarverfahren
gegen mich ist, und das zeigt auch die Erklärung des Herrn
Ministers, am allerwenigstens geeignet, hier irgend etwas in Ordnung
zu bringen, umsomehr, als die Mehrheit des Immunitätsausschusses
jede Möglichkeit eines Eingehens auf den Inhalt meiner Beschuldigungen
abgelehnt hat. (Slyšte! Slyšte!) Wenn man diese
gegen mich gerichtete Aktion ernst nehmen soll, so müssen
Sie den Beschluß fassen, dieses Disziplinarverfahren zumindest
bis zur Erledigung der mit dieser Affäre zusammenhängenden
gerichtlichen Verfahren, wenn nicht bis zur Beendigung der parlamentarischen
Untersuchung zu vertagen. Sobald Sie sich weder dazu aufschwingen,
noch sich zur Durchführung der parlamentarischen Untersuchung
der ganzen Affäre entschließen, beweisen Sie, daß
dieses Disziplinarverfahren gegen mich nur den Zweck verfolgt,
der parlamentarischen Untersuchung auszuweichen, weshalb ich es
auch ablehne, in diesem Verfahren irgendwelche Angaben zu machen.
Mit dieser Taktik des Ausweichens machen Sie dieses Verfahren
nur lächerlich und Ihre Rüge wird nicht mich, sondern
Sie blosstellen.
Welche Komödie hier gespielt wird, um
auszuweichen, zu verschleiern und zu vertuschen, zeigt deutlich
der Umstand, daß der lnitiativausschuß bis heute noch
nicht einberufen wurde, um die Anträge auf parlamentarische
Untersuchung der Affäre Koburg-Hodža zu
verhandeln. Dabei hat der Vorsitzende dieses Ausschusses, der
Herr Abg. Dubický in der Sitzung des Ausschusses
am 24. November erklärt, er werde die nächste Sitzung
im Laufe des nächsten Tages, also am 25. November einberufen.
Daraus geht klar hervor, wie unsicher sich die agrarischen Korruptionshelden
fühlen. (Výbornì!) Nicht
nur, daß sie alle Hebel in Bewegung setzen, um eine parlamentarische
Untersuchung zu verhindern, diese Ablehnung jeder gründlichen
Untersuchung von Korruptionsaffären war ja auch eine Eigenschaft
der allnationalen Korruptionskoalition. Die neue Koalition bringt
nicht einmal den Mut auf diese Untersuchung glatt abzulehnen,
das feige Ausweichen sogar vor der Entscheidung des lnitiativausschusses
ist ein Beweis für die Angst der Korruptionisten, die ihre
einzige Zuflucht in einem Disziplinarverfahren wegen formaler
Beleidigung suchen.
Das aber ist nichts als ein feiges Auskneifen,
denn es handelt sich hier nicht um bloße Beleidigungen.
Ich habe z. B. niemanden beschuldigt, für sich Geld genommen
zu haben. Ich habe auch mit keinem Worte gesagt, daß
die slovakischen Volksparteiler wußten, daß die 2
Millionen von Cyrill Koburg stammten. Sie konnten ja auch vermuten,
daß das Geld aus einem der bekannten, im Budget enthaltenen
Fonds der Regierung stammt und es würde mich wundern, wenn
eine Partei, die eben zeigt, daß sie für diese geheimen
Fonds ist, die Beschuldigung, solche geheime Gelder auch genommen
zu haben, als eine Beleidigung auffaßte. (Souhlas na
levici.)