Ètvrtek 16. prosince 1926

10. Øeè posl. Hackenberga (viz str. 1526 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Als im alten Österreich im Jahre 1906 die Wahlreform geschaffen wurde, das neue Wahlgesetz beschlossen war, haben die deutsch-bürgerlichen Parteien im Parlamente die Forderung aufgeworfen, daß auch gleichzeitig für das neu zu wählende Haus eine Geschäftsordnung auszuarbeiten sei, um die Arbeitsfähigkeit des auf Grund des allgemeinen Wahlrechtes gewählten Hauses zu sichern und zu verhindern, daß durch Obstruktion die Arbeiten des Hauses gestört werden könnten. Damals war es unser Führer, Dr. Viktor Adler, der einem solchen Ansinnen entgegentrat und auseinandersetzte, daß es nicht das Recht des alten Hauses sei, die Geschäftsordnung des neuen Hauses auszuarbeiten, sondern daß das auf Grund des allgemeinen Wahlrechte gewählte selbst und einzig befugt sei, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Die Machthaber der Èechoslovakischen Republik haben das aber anders gehalten. Sie haben in der Revolutionsnationalversammlung eine Geschäftsordnung beschlossen, die für die gewählte Nationalversammlung maßgebend geworden ist und ein Teil der Vertreter der bürgerlichen Parteien in der Revolutionsnationalversammlung hat die Erfahrungen, die sie im alten Österreich als Obstruktionsparteien zu machen Gelegenheit hatten, bei der Ausarbeitung dieser èechoslovakischen Geschäftsordnung auch benützt. Sie haben eine Geschäftsordnung zusammengestellt, durch welche jede Obstruktion verhindert werden sollte, sie haben herbeigeführt, daß nicht nur die Obstruktion, sondern auch die Betätigung kleiner Gruppen in diesem Hause verhindert wird. Und sie haben insbesondere herbeigeführt eine Knechtung der Minderheiten in diesem Staate, beziehungsweise eine Knechtung der Vertreter der Minderheiten in diesem Parlament. Aus allen diesen Gründen war es unser Bestreben, seit wir in das Parlament eingezogen sind, eine Abänderung dieser Geschäftsordnung herbeizuführen. Wir haben bis jetzt im Hause 4 Abänderungsanträge. Ein Antrag stammt von unserer Gruppe, der deutschen sozialdemokratischen Fraktion, einer vom deutschen Verband, ein Antrag wurde eingebracht unter dem Namen Patzel, Spina und unterfertigt von einer Reihe deutsch-bürgerlicher Parteien, die heute in der Regierung sitzen und deren Vertreter die Möglichkeit haben, für die Verwirklichung dessen, was sie damals beantragten, innerhalb der Regierungsmehrheit einzutreten. Außerdem sind eingebracht zwei Anträge von den Mehrheitsparteien, der eine, mit dem wir uns gegenwärtig zu beschäftigen haben, und ein Antrag, der eine Abänderung des § 40 der Geschäftsordnung anstrebt. Wir haben nun gemeint, daß, wenn schon vier solcher Anträge vorliegen, die Möglichkeit doch gegeben sein sollte, über alle diese Abänderungsanträge, die gestellt wurden, unter einem zu verhandeln. Wir deutschen Sozialdemokraten haben nicht nur eine Abänderung der Geschäftsordnung in dem Sinne verlangt, um den kleinen Gruppen die Möglichkeit der Betätigung ohne fremde Unterstützung zu geben, wir haben uns auch bemüht, daß sich ein eigens hiezu eingesetzter Ausschuß, ein sogenannter Geschäftsordnung-Ausschuß mit der Reform, mit der Novellierung der Geschäftsordnung beschäftige. Es ist uns bisher nicht gelungen, im Plenum des Hauses die Erledigung dieses unseres Antrages zu erzielen, es ist uns auch bisher nicht gelungen zu erzielen, daß im Verfassungsausschuß über den von uns gestellten und dem Verfassungsausschuß zur Erledigung zugewiesenen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung verhandelt werde. Die Herren der Majorität haben es auch nicht für notwendig gefunden, daß im Zusammenhang mit den zwei Anträgen, die sie selbst auf Abänderung der Geschäftsordnung stellten, auch unsere Anträge verhandelt werden. Und nun, meine Herren, wurden dem Verfassungsausschuß nicht nur der Antrag, mit dem wir uns beschäftigen, zugewiesen, sondern in der ersten Sitzung des Verfassungsausschusses hat der Herr Dr. Halla als Berichterstatter nicht nur über den Antrag referiert, über den wir heute verhandeln, sondern gleichzeitig auch über den Antrag der Mehrheitsparteien, durch welchen der § 40 der Geschäftsordnung geändert werden soll. Als wir aber mit dem Begehren kamen, daß auch unsere Anträge verhandelt werden sollen und als wir uns erlaubten, eine Reihe von Anträgen zur Änderung der Geschäftsordnung im Ausschuß selbst einzubringen und die Geschäftsordnung einer Kritik zu unterziehen, als wir insbesondere die deutschbürgerlichen Parteien, die in der Regierung sitzen, aufmerksam machten, daß eine Reihe unserer Anträge wortwörtlich aus dem Antrag Patzel-Spina abgeschrielen waren und daß diese Parteien nun Gelegenheit haben werden, zu diesen ihren eigenen Anträgen auf Änderung der Geschäftsordnung Stellung nehmen, in welchen die Regelung der Sprachenfrage in der gesetzgebenden Körperschaft erfolgen soll, wurde den Herren der Mehrheitsparteien und insbesondere den deutschbürgerlichen Regierungsmameluken ein bißchen ungemütlich und sie haben darauf hingewirkt, daß eine Trennung der beiden Anträge vorgenommen wird. Auch der Vertreter der Nationaldemokraten Herr Dr. Hajn erklärte, es sei die Frage der Änderung der Geschäftsordnung gar nicht aktuell und es genüge, wenn man den einen Antrag in Verhandlung ziehe.

So stehen wir heute also nur vor der Verhandlung des Antrages auf Vermehrung der Vizepräsidentenstellen, Ordner und Schriftführer. Auch da müssen wir wieder feststellen, daß nicht den Wünschen des Parlaments entsprochen werden soll, sondern daß es sich bei der Vermehrung der Vizepräsidentenstellen einzig und allein darum handelt, den Hunger einzelner Regierungsparteien zu stillen. Das Präsidium hat, wie in der Debatte schon mehrfach hervorgehoben wurde, in der Geschäftsordnung eine ganz hervorragende Stellung. Das Präsidium hat in vielen Fällen für das Parlament und für die parlamentarische Betätigung wichtige Beschlüsse zu fassen. Es setzt den Tag der Sitzung fest, den Arbeitsplan der gesetzgebenden Körperschaft, es entscheidet über die Handhabung der Geschäftsordnung und einzelner seiner Bestimmungen im Parlamente und es ist selbstverständlich, daß daher die Parteien des Parlamentes an einer Vertretung im Präsidium ein großes Interesse haben und um so mehr haben müssen, weil wir infolge der eigenartigen Verhältnisse, die sich hier entwickelt haben, die Obmännerkonferenz oder den Ältestenrat vermissen müssen, wie diese Körperschaft in verschiedenen Parlamenten geheißen wird, und weil alle Verfügungen und Vereinbarungen nur innerhalb des Präsidiums der gesetzgebenden Körperschaft getroffen werden.

Nun sollte man meinen, daß man, wenn schon eine Vermehrung der Vizepräsidentenstellen vorgenommen wird, dem berechtigten Verlangen der einzelnen Parteien dieses Hauses, welche nicht entsprechend vertreten sind und kraft ihrer Stärke das Anrecht auf eine Vertretung hätten, durch diese Änderung der Geschäftsordnung eine Vertretung zu sichern bestrebt wäre. Dem ist nun nicht so, sondern die Vermehrung der Vizepräsidentenstellen soll nur deshalb vorgenommen werden, um den Hunger zweier Mehrheitsparteien nach Mandaten zu stillen. Sie betrachten die ganze Frage des Präsidiums als ein Privileg der Mehrheitsparteien. Daß sie das so betrachten, haben wir aus den letzten Vorgängen in den beiden Häusern der Nationalversammlung ersehen. Ich erinnere Sie an den Vorfall im Senat, wo man daran gegangen ist, bei der Änderung der politischen Konstellation den Beschluß zu fassen, eine Neuwahl des Präsidiums des Senates vorzunehmen, nicht um eine Vermehrung der Präsidentenstellen herbeizuführen, sondern um herbeizuführen, daß der bei der Konstituierung des Senates gewählte Präsident seines Mandates verlustig erklärt wird und daß an seine Stelle ein Vertreter der Mehrheitsparteien komme. Ja, wo steht es denn geschrieben, daß der Vorsitzende der gesetzgebenden Körperschaft unbedingt der Mehrheitspartei angehören müsse? Nehmen Sie sich z. B. - und Sie belieben ja immer auf das Ausland zu blicken und manches, was im Ausland geschieht, nachzuahmen - nehmen Sie sich z. B. den Berliner Reichstag, wo der Präsident einer Partei entnommen ist, die nicht in der Regierung vertreten ist und nicht der Mehrheit angehört! Dasselbe ist auch schon in Frankreich geschehen. Sie aber glauben, daß das Präsidium das Privileg der Mehrheit in der gesetzgebenden Körperschaft selbst sei und so handeln Sie auch in den Ausschüssen. Wir haben das Beispiel vor einigen Tagen im sozialpolitischen Ausschuß erlebt. Es wurde über diesen Vorfall auch bereits im Laufe dieser Debatte hier gesprochen. Auch da will ich darauf verweisen, wie anders es in dem viel gelästerten alten Österreich gewesen ist, wo Ihre Bürgerlichen nicht nur im Präsidium saßen, sondern wo auch Abgeordnete Ihrer Nationalität sogar Vorsitzende des wichtigsten Ausschusses, des Budgetausschusses sein konnten zu einer Zeit, wo diese Parteien sich in der Opposition befanden. Oder wenn wir das jetzige Österreich heranziehen, so sehen Sie z. B. als Vorsitzenden des wichtigsten Ausschusses, des Hauptausschusses, den Sozialdemokraten Dr Renner, obwohl die Partei in Opposition steht und nicht in der Regierung vertreten ist. Nehmen Sie sich also ein Beispiel an den Zuständen des Auslandes, wo sie gut sind, und nicht an den schlechten Verhältnissen. Es ist nicht unbedingt notwendig, daß der Vorsitzende eines Ausschusses einer der Mehrheitsparteien angehören muß. Wie solche Vorsitzende eines Ausschusses beschaffen sind, wie sie mit den Parteien verkehren, wie sie die Geschäftsordnung kennen oder nicht kennen, dafür ein Beispiel für die Herren der Agrarpartei insbesondere. Der Klub der deutschen sozialdemokratischen Partei hat Gewicht darauf gelegt, daß der Untersuchungsausschuß, dem ein Antrag auf Untersuchung der Prager Vorfälle bei den Demonstrationen in Frage der Zölle zugewiesen worden ist, einberufen werde und es hat der Vorsitzende unseres Klubs an den Herrn Obmann des Untersuchungsausschusses in dieser seiner Funktion eine Zuschrift gerichtet. Der Vorsitzende unseres Klubs hat folgende Antwort bekommen, die ich Ihnen wörtlich verlesen werde. Auf einem Kaszettel, wie er gewöhnlich zur Einbringung von Interventionen von den Abgeordneten benützt wird, hat aus seiner Heimat der Obmann des Untersuchungsausschusses an den Klub der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten folgende Zuschrift gerichtet (ète):

"Antonín Kaòourek, rolník v Strunkovicích.

Nemám po ruce jednací øád snìmovny, ale tuším, že je to § 59 jedn. øádu, dle nìhož v pøíloze Vám vracím pøípis.

S úctou Antonín Kaòourek." (Rùzné výkøiky. - Veselost na levici.)

Das ist die Zuschrift, die der von Ihnen gewählte Obmann eines Ausschusses dem Vertreter eines Klubs auf das Begehren nach Einberufung des Ausschusses geschickt hat und vor einem solchen Obmann (Rùzné výkøiky. - Místopøedseda inž. Dostálek zvoní.) eines so wichtigen Ausschusses soll man noch Respekt haben? Wir haben uns natürlich sofort die Geschäftsordnung zur Hand genommen und den § 59 angesehen, welcher von der Art der Durchführung der namentlichen Abstimmung handelt. Was der Herr Obmann des Untersuchungsausschusses mit dieser Zuschrift überhaupt bezwecken wollte und aus welchen Gründen die Berufung auf eine Bestimmung der Geschäftsordnung erfolgte, das ist überhaupt ganz in Frage. Ich habe an dem Beispiel ja nur zeigen wollen, von welchen Qualitäten die Besetzung der Funktionen abhängt, wenn man sich nicht von dem Bedürfnis des Parlamentes, sondern nur von parteipolitischen Erwägungen leiten läßt. Unlängst einmal hat der Herr Abg. Bradáè, der Obmann des Budgetausschusses, ein Referat übernehmen müssen und es wurde dann, nachdem er als Referent nicht mehr den Vorsitz führen konnte, eine Abstimmung im Budgetausschuss vorgenommen, die natürlich auch pünktlich verkracht gewesen ist, es wurde dann der Witz gemacht, daß es gut wäre, wenn schon der Obmann des Ausschusses nicht präsidieren kann, wenn alle seine Stellvertreter zusammengenommen würden, damit kein Malheur passiert. Sie sehen, wohin es führt, wenn man die Besetzung solcher Posten nicht vom Gesichtspunkte des Bedürfnisses, sondern nur von parteipolitischen Erwägungen aus durchführt. Nun haben wir uns natürlich veranlaßt gesehen, den Antrag, den Kollege Dr Meissner im Verfassungsausschuß schon gestellt hat, der aber dort abgelehnt worden ist, aufzugreifen und auch etwas auszugestalten, weil es nicht nur notwendig ist, den kleinen Parteien eine Vertretungsmöglichkeit zu geben, sondern ihnen diese Vertretungsmöglichkeit dadurch zu schaffen, daß sie sich zu Wahlgruppen vereinigen können. Wir verlangen also grundsätzlich dasselbe wie Kollege Dr Meissner, eine proportionelle Vertretung im Präsidium, aber um die zu ermöglichen, soll die Wahlgruppenbildung so herbeigeführt werden, wie z. B. bei der Zusammensetzung von Ausschüssen oder beim Ständigen Ausschuß. Wer es nun wirklich ernst meint mit einer entsprechenden Vertretung im Präsidium, muß für den Antrag stimmen und insbesondere jene Parteien, welche sich heute in der Regierungsmehrheit befinden, aber keine Sicherheit haben, daß sie noch in einigen Monaten in der Mehrheit sein werden, hätten die Pflicht und das Interesse, für einen solchen Antrag zu stimmen. Es ist selbstverständlich, daß wir dem Antrag auf bloße Vermehrung der Vizepräsidentenstellen nicht zustimmen können und ebenso selbstverständlich, daß wir auch kein Interesse daran haben, daß zwei der Mehrheitsparteien in das Präsidium hereinkommen. Aus diesem Grunde werden wir uns auch an der Wahl der Vizepräsidenten nicht beteiligen und überlassen es den deutschen Regierungsparteien, dafür mitzustimmen, daß eine weitere Knechtung der deutschen Oppositionsparteien dieses Hauses vorgenommen wird. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

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