Der zweite Schritt, mit dem wir uns schon im
Ausschuß zu beschäftigen haben, ist, daß man
das Wahlrecht bei der Verwaltungsreform für die Bezirke und
Gaue verschlechtern will. Da kommt man über die Frage des
Soldatenwahlrechtes noch leichter hinweg, indem man die Grenze
des wahlfähigen Alters auf 24 Jahre hinaufgesetzt und außerdem
noch eine Verschlechterung vorgenommen hat durch die einjährige
Seßhaftigkeit. Wenn wir uns aber die Reden der Regierungsparteiler
und insbesondere unserer deutschen Regierungsparteiler anhören,
so kommen wir darauf, daß das noch nicht alles ist, sondern
daß die Herrschaften noch ganz andere Absichten haben. Wir
haben uns vor kurzem im Budgetausschuß anläßlich
der Beratung der Steuervorlagen mit der Frage der Möglichkeit
der Sanierung der Gemeindefinanzen beschäftigt und haben
auseinandergesetzt, daß es nicht angeht, die Gemeinden noch
mehr zubevormunden, als sie ohnehin bevormundet sind und daß
die Sanierung der Gemeindefinanzen auf eine ganz andere Art und
Weise möglich wäre. Und da hat einer der Führer
der deutschen Regierungsparteien, der Koll. Windirsch,
es für notwendig befunden auseinanderzusetzen, daß
die Bevormundung der Gemeinden, der autonomen Verwaltungen vollkommen
gerechtfertigt sei. Zur Begründung hat er angeführt,
daß in den Gemeinden jene, die nichts zahlen, darüber
beschließen, was die andern zu zahlen haben. (Výkøiky.)
Uns ist das, was wir vom Koll. Windirsch
gehört haben, ja nichts Neues. Als wir vor 30 und über
30 Jahren den Kampf um Erweiterung des Wahlrechtes führten
und insbesondere auch das Wahlrecht für die Gemeindevertretungen
forderten, haben wir in allen unseren Versammlungen, wo uns Gegner
entgegengetreten sind, vernehmen können, daß eine solche
Forderung unberechtigt sei, denn die Arbeiter zahlen ja nichts.
Und wir haben vor dreißig und vierzig Jahren den Herrschaften
eben auseinandersetzen müssen, daß die Arbeiter zahlen
und daß es die Arbeiter sind, welche in den Gemeinden und
nicht nur in diesen, sondern auch im Staate nicht nur die indirekten
Abgaben zu tragen haben, sondern auch durch die sogenannten direkten
Steuern und Umlagen belastet werden, die auf dieselben abgewälzt
werden; wir haben schon vor 30 und 40 Jahren ihnen auseinandersetzen
müssen, daß die Zinssteuer nicht bezahlt wird von den
Hauseigentümern, sondern bezahlt wird von den Mietparteien
und daß auch die Erwerbsteuer, auf die sie sich mitunter
soviel einbilden, nicht bezahlt wird von den Unternehmern, Fabrikanten
oder Gewerbetreibenden, sondern überwälzt wird mit allen
Umlagen, die darauf lasten, allen Zuschlägen, als Regiekosten,
die eben aufgebracht werden müssen entweder von den Arbeitern
oder von den Konsumenten, und daß es ein Unsinn ist, wenn
man sagt, daß die Arbeiter nicht zahlen und daher kein Recht
haben sollen. Aber es zeigt uns diese Argumentation, wie sie vom
Koll. Windirsch schon wieder ins Treffen geführt wurde,
welcher Wind weht und welche Absichten bestehen. Es zeigt uns,
daß die Herrschaften nicht halt zu machen beabsichtigen
bei dem, was sie jetzt in Vorschlag bringen, sondern, wenn es
nach ihrem Wunsche geht, daß auch noch eine Verschlechterung
der Gemeindewahlordnung und vielleicht auch anderer Wahlordnungen
vorgenommen wird. Wenn ich sage: andere Wahlordnungen, so natürlich
nur dann, wenn sie die qualifizierte Mehrheit zu erreichen vermögen.
Da ist das Hindernis groß, bei der Gemeindewahlordnung leider
nicht und da ist vielleicht die Möglichkeit vorhanden, die
Mehrheit zu erlangen. Daß Sie also noch solche Absichten
haben und, daß wir mit dieser Vorlage nur mit dem ersten
Schritt einer reaktionären Tat zu rechnen und diesen ersten
Schritt abzuwehren, uns aber schon für den Kampf zu rüsten
haben, den wir später gegen diese Parteien zu führen
haben werden.
Es ist selbstverständlich, daß wir
gegen diese Vorlage in aller Schärfe Stellung nehmen müssen,
weil wir wissen, daß diese Vorlage nicht nur eine Verschlechterung
des verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechtes
ist, sondern daß diese Vorlage, wie ich schon sagte, nichts
anderes ist als der erste Schritt der reaktionären Handlungen
der deutsch-èechischen Koalitionsparteien, welchen wir
jetzt vor uns haben. (Souhlas a potlesk nìm. soc.-demokratických
poslancù.)
Hohes Haus! Wir haben von einem der Berichterstatter zu diesen
Regierungsvorlagen hören müssen, daß nur Deutschland
und Ungarn die Feinde der Èechoslovakei seien und als einzige
dafür in Betracht kommen und wir haben
erst gestern wieder aus dem Munde eines Redners der nationaldemokratischen
Partei, des Herrn Abg. Ježek,
eine fanatische Hetzrede gegen Deutschland vernehmen müssen.
Letzterer hat Deutschland nicht nur der geheimen Militärorganisation
und der Wiederaufrichtung seiner Militärmacht bezichtigt,
sondern auch, gestützt auf das dreckigste Blatt, das in Deutschland
gedruckt wird, "Die Welt am Montag" des Herrn von Gerlach,
ein einziges Lied des Hasses gegen Deutschland gesungen, ja er
hat förmlich mit dem Ruf: "Die Gefahr kommt von
Deutschland" darauf hingewiesen, daß die Armee der
Èechoslovakei vorbereitet und reorganisiert werden müsse
und daß die vorliegenden Gesetzentwürfe dieser Voraussetzung
dienen. Wir fragen die deutschen Regierungsparteien,
ob auch sie bereit sind, die Rüstungen dieses Staates gegen
Deutschland vorbereiten zu helfen? (Výkøiky
na levici.) Aber wir fragen da nicht nur
die Herren von den deutschen Regierungsparteien, sondern wir fordern
von ihnen als Sudetendeutsche, daß sie hier in diesem
Saale auftreten und die Herren von der èechischen Regierungskoalition
fragen, ob das der Zweck der Zusammenarbeit von Gleichen unter
Gleichen ist. (Souhlas poslancù nìm. strany nár.-socialistické.
- Rùzné výkøiky.)
(Další èást øeèi posl.
Krebse byla usnesením pøcdsednictva posl. snìmovny
ze dne 24. bøezna 1927 podle §u
9, lit m jedn. øádu vylouèena z
tìsnopisecké zprávy. Viz str. 318 této
tìsnopisecké zprávy.)
Místopøedseda Stivín
(zvoní): Volám
pana øeèníka za tento výrok k poøádku.
Posl. Krebs (pokraèuje):
Das wird nichts ändern an den geschichtlichen Tatsachen.
Es ist eine sehr bestrittene Frage, ob die èechoslovakische
Armee im entscheidenden Augenblick den Wert besitzen wird, der
einerseits den gewaltigen Geldopfern, andererseits
den Hoffnungen auf Sicherung entspricht, die von der Staatsnation
an ihre Existenz geknüpft werden. Ob das Zeitalter des hochentwickelten
Flugwesens, des Gaskrieges und anderer sogenannter Errungenschaften
der Wissenschaft kleine Staaten von der Grenzführung
der Èechoslovakei überhaupt ihre Armeen werden zur
Geltung bringen können, das ist eine Frage, die man sehr
eingehend und wissenschaftlich erörtern müsste. (Výkøiky
posl. inž. Junga.) Es mag sehr leicht
sein, daß all die ungeheuerlichen Geldopfer, daß all
die Opfer an Zeit und Wohlstand, die dieses Land für seine
Armee bringt, sich eines schönen Tages als vollständig
ergebnislos herausstellen könnten. Mag dem nun sein wie immer:
Dieser Staat hat nun einmal seine Armee, die leitenden Staatsmänner
glauben ihrer nicht entraten zu können und selbst der Optimismus
des Herrn Präsidenten Masaryk, der bekanntlich erst
jüngst vor einem hundertjährigen Frieden predigte, kann
Euch nicht davon überzeugen, daß die Dinge zwecklos
seien. Wenn nun eine Armee da ist - das begreift sicher jederman
und auch wir begreifen es - so müssen Sie sich dieses Instrumentes
bedienen, die Rekruten müssen ausgebildet, einexerziert werden;
wozu hätten Sie sie denn sonst einberufen? Dazu braucht man
auch Instruktoren. Der Herr Minister für Heerwesen hat daher
dem Hause ein Gesetz über die länger dienenden Unteroffiziere
vorgelegt und im Wehrausschuß sehr beweglich Klage darüber
geführt, daß die Armee nicht genügend Unteroffiziere
habe und daß die Chargen einfach nicht beim Militär
bleiben wollen. Sie denken sich eben wahrscheinlich heute wie
einst, vor Jahren: "Was brauchen wir das Militär, gebt's
uns Flašku her. Seien wir froh, daß wir die Sache vom
Halse haben." Diesem Übelstand, daß die Soldaten
sich zum längeren Dienste in der Armee nicht mehr entschließen
mögen, soll nun das Gesetz Nr. 849 betreffend die Versorgung
der länger dienenden Unteroffiziere abhelfen.
Ich werde mir gestatten, mich sachlich über
dasselbe auszusprechen. Wenn die Heeresverwaltung sich im Rahmen
des alten Zertifikatistengesetzes gehalten hätte,
würde man das von unserem Standpunkte aus zwar nicht billigen
können, aber doch begreifen. Aber die Èechoslovakei
entösterreichert sich bekanntlich ununterbrochen. Man hat
sich daher auch mit dem österreichischen Zertifikatistengesetze
nicht begnügt, sondern in der heute dem Hause zur Beschlußfassung
vorgelegten Gesetzesvorlage ein Gesetz vorgelegt in einer Form,
die wesentlich weitergehend ist als das alte Gesetz, das aus dem
Jahre 1872 stammt. In Zukunft sollen die mit dem Zertifikat beteilten
länger dienenden Unteroffiziere nach einer achtjährigen
Militärdienstzeit nicht nur in alle Staatsdienste eintreten
können, sondern nach § 2 der Gesetzesvorlage Absatz
2 in die Dienste aller öffentlich-rechtlichen Korporationen
und Anstalten, auf die sich der § 212 des Gehaltsgesetzes
bezieht, zugelassen werden müssen. Das heißt, daß
nunmehr die Krankenhäuser, die Krankenkassen, die Gemeindevertretungen
und Bezirksverwaltungskommissionen und die Versicherungsanstalten
gezwungen sein werden, ihre freiwerdenden Stellen mit länger
dienenden Unteroffizieren zu besetzen. Der Absatz 3 desselben
Paragraphen bestimmt weiter, daß auch alle Stellen in Privatbetrieben,
die dem Transport dienen, Straßenbahnen etc. und aller Dampfschiffahrtsgesellschaften
für sie reserviert werden müssen, dann die Stellen von
Unternehmungen und Betrieben, in denen der Staat mit der Aktienmehrheit
beteiligt ist, ferner jene, die dauernd vom Staate subventioniert
werden oder Betriebe, zu deren Führung eine Konzession nötig
ist. Jede Privatfirma, die heute Staatslieferungen hat, oder die
von einer Konzession oder Lizenz abhängt. wird von nun ab
gezwungen sein, Militärpersonen einzustellen. Auf die Außerachtlassung
der gesetzlichen Bestimmungen sind schwere Strafen gesetzt. Alle
offenen Posten dieser Unternehmungen müssen rechtzeitig dem
Ministerium für Nationalverteidigung unterbreitet werden,
welches die Ausschreibung besorgt. Die Folgen dieses Gesetzes
werden unabsehbare sein. Dieses Gesetz ist viel schlimmer als
das Legionärgesetz, weil es von langandauernder Wirkung sein
wird und weil dadurch Tausende Stellen in Privatunternehmungen,
die bisher von Deutschen besetzt wurden, für uns verloren
gehen, ja ich behaupte, daß dieses Gesetz in seiner Wirkung
auf unseren deutschen Arbeitsplatz von einer ähnlichen Wirkung
sein wird wie es die Bodenreform in Bezug auf deutschen Bodenbesitz
war. (Sehr richtig! - Rùzné výkøiky
na levici.) Herr Minister Udržal
hat zwar im sozialpolitischen Ausschuß
versichert, daß das nationale oder politische Moment keinerlei
Berücksichtigung finden werde. (Posl. inž.
Jung: Man kennt das! Das hat man beim Abbaugesetz auch gesagt!)
Wir kennen ja ministerielle Erklärungen
sehr genau. Er hat aber auch gesagt - und das ist sehr wichtig,
ich zitiere wörtlich - daß "bei der Unterbringung
der länger dienenden Unteroffiziere in der Slovakei in erster
Linie auf die Angehörigen der slovakischen Nation gesehen
werden wird". Ich bitte, meine Herren, daraus sieht man ja.
daß seine erste Mitteilung nicht richtig ist. Denn wenn
auf die Nation nicht gesehen wird, darf der Minister doch nicht
auf die Unteroffiziere in der Slovakei in erster Linie Rücksicht
nehmen. Wir bestreiten den Slovaken durchaus nicht das Recht auf
Unterbringung ihrer Söhne in der Heimat. Ganz im Gegenteil,
wir stimmen voll mit ihnen überein und wir gönnen ihnen
die Erfüllung ihrer Wünsche. Aber wir fragen den Herrn
Minister Udržal, wenn er
diese Garantie einem Volk von nicht ganz 2 Millionen gibt, warum
gibt er nicht dieselbe Zusicherung mit einem noch größerem
Rechte einer Nation von 31/2 Millionen (Souhlas
na levici.) und ich frage wiederum die Regierungsparteien
deutscher Nation, wo sie geblieben sind, und warum keiner seinem
Regierungskollegen bei diesem Anlaß auf die Schulter geklopft
und gesagt hat: Wenn Du das den Slovaken garantierst, warum garantierst
Du das nicht auch uns Sudetendeutschen? Auch für uns, meine
Herren, muß das öffentlich ausgesprochen werden, nicht
in geheimen Zirkeln oder in geheimen Flüstergesprächen
in den Couloirs. Ich glaube nicht einmal, daß diese gesprächsweisen
Auslassungen des Ministers Udržal im
Wehrausschuß überhaupt einen praktischen Wert haben,
wenn sie nicht im Gesetze verankert sind. Aber immerhin ist es
Zeit, von der vollständigen Mißachtung zu sprechen,
die man von Seite der Herren Minister den deutschen Regierungsparteien
gegenüber an den Tag legt, wenn man nicht einmal eine solche
Gleichstellung mit dem slovakischen Volke auch für uns Deutsche
durchsetzen konnte. (Posl. inž. Jung: Wer sich
selbst entwürdigt, darf vom anderen keine
Achtung verlangen!) Jawohl, der
darf sich nicht darüber beschweren, wenn man über ihn
zur Tagesordnung übergeht, wenn man ihn mit Fußtritten
regaliert, wenn er mißbraucht wird.
Wir fragen die Regierungsparteien deutscher
Nation, warum sie den Herrn Minister Udržal nicht
bewegen konnten, eine gleiche Erklärung für die Sudetendeutschen
abzugeben. Daß der Eintritt deutscher Unteroffiziere in
die Laufbahn der länger dienenden Unteroffiziere gar keine
Gewähr dafür bietet, daß sie auch wirklich eine
staatliche Anstellung erhalten, dafür sorgt schon der Text
des Gesetzes. Im § 6, Abs. 2 b heißt es ausdrücklich,
daß die Bedingung zur Verleihung eines vorbehaltenen Dienstplatzes
unter anderem sein wird, daß der längerdienende Unteroffizier
gut qualifiziert ist. Zu dieser Qualifikation gehört auch
die Kenntnis der èechischen Staatssprache. Wir Deutschen
haben Staatsangestellte gehabt, die Prüfungskommissäre
in der èechischen Staatssprache waren und von denen man
trotzdem nachher erklärt hat, daß sie die Staatssprache
nicht genügend beherrschen, worauf sie entlassen
wurden. Wir wissen alle, wie man diese Dinge mißbraucht,
wie man diese Bestimmung von der Qualifikation bezüglich
der Sprachkenntnisse mißbraucht, und wir wissen auch, daß
auch das wieder eine Fußangel für unsere Soldaten sein
wird, die sich vielleicht der Hoffnung hingeben werden,
daß der Dienst beim èechoslovakischen Heere vielleicht
ihnen eine Anstellung nach § 7 des Gesetzes ermöglichen
werde. Wir fragen da aber auch die Regierungsparteien, wo sie
waren, als diese gesetzlichen Bestimmungen niedergelegt
worden sind. Wissen sie nicht, daß tausende und abertausende
Anstellungsmöglichkeiten in den deutschen Gemeinden, Bezirken,
Dampfschiffahrtsgesellschaften, auf den Klein- und Privatbahnen,
bei den Aktiengesellschaften und anderen privaten Unternehmungen
den Deutschen verloren gehen werden? Das bedeutet nach der Massenvertreibung
der Deutschen aus dem Staatsdienst - ich kann es nicht anders
bezeichnen als eine Massenvertreibung - eine neue ungeheuerliche
Vernichtung der bisherigen deutschen Existenz, des deutschen Arbeitsplatzes,
und das noch dazu mit deutschen Stimmen! (Sehr richtig!)
Wir haben uns bei Gesetzen, die Massenentlassungen
von deutschen Staatsangestellten betroffen haben, wenigstens vor
der Welt beschwören dürfen, weil wir nicht dazu die
Hand geboten haben, bei ihnen mitzuwirken; jetzt aber werden diese
Gesetze mit deutschen Stimmen beschlossen, und das ist das Tragische,
das Ungeheuerliche, das ist die ungeheure Schuld, die die Herren
von den Regierungsparteien auf ihre Schultern laden und für
die sie die gesamte sudetendeutsche Bevölkerung eines Tages
zur Verantwortung ziehen wird. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Wenn die Regierung heute daran geht, für die Unteroffiziere
der èechoslovakischen Armee ein neues Zertifikatistengesetz
zu schaffen, dann muß dieser Anlaß dazu benützt
werden, um das alte Unrecht zur Sprache zu bringen, das an den
Zertifikatisten der alten Armee in zahlreichen Fällen verbrochen
worden ist. Nach dem Umsturz des Jahres 1918, als nicht genügend
aufbauende Mitarbeiter vorhanden waren, interessierte sich das
Ministerium für nationale Verteidigung auch für die
ehemaligen längerdienenden Unteroffiziere deutscher Nationalität
und forderte sie auf, bei der Armee weiter Dienst zu leisten.
Viele deutsche Unteroffiziere, welche 10, 15 ja 20 Jahre Dienstleistung
hinter sich hatten, haben sich bereit erklärt und sind in
die Armee eingetreten, Leute, die sich den Anspruch auf Grund
des Gesetzes vom Jahre 1872 bereits erdient hatten oder sich erdienen
wollten und später eine Staatsanstellung anstrebten. Das
Gesetz vom Jahre 1872 wurde später sistiert, die Unteroffiziere
wurden nicht mehr in Zivilstellungen übernommen, sondern
sollten in der Armee als Gagisten ohne Rangsklasse bis zu ihrer
Pensionierung verbleiben. Im Jahre 1920 wurden die meisten deutschen
Berufsunteroffiziere einfach entlassen, der Jahre lange Militärdienst
selbst in den schlimmsten Zeiten dieser Republik wurde mit einem
Fußtrott belohnt. Infolge der mit der Entlassung verbundenen
Degradierung kamen die Unteroffiziere um ihre Pensionen.
Ich kenne Fälle, die 15 Dienstjahre in der alten Armee und
3 Dienstjahre in der èechoslovakischen Armee hatten. Jeder,
der weniger als 12 Jahre hatte, kam auch um die Abfertigung, nur
in wenigen Fällen wurden Abfertigungen gegeben
und auch da nur in Friedenskronen berechnet, so daß die
Abgefertigten kaum den siebenten Teil der Summe erhielten auf
die sie Anspruch hatten. Dabei mußten die Abgefertigten
bedingungslos und schriftlich erklären, daß sie auf
alle weiteren Ansprüche auf Anstellung verzichten. Nun frage
ich, wo bleiben die Garantien, welche man uns geben will, die
hier im Gesetze angeblich niedergelegt sind, wenn man solche Erfahrungen
mit diesem Staate und dem Ministerium für nationale Verteidigung
schon gemacht hat? Ich bin bereit, dem hohen Hause eine
Liste jener Soldate vorzulegen, die 15 Jahre beim österreichischen
Staat und 3 Jahre im èechoslovakischen Heer gedient haben
und entlassen worden sind mit einem Fußtritt. Ich frage:
Glauben Sie denn, daß wir nach solchen
Erfahrungen Ihren Versicherungen glauben werden? Nur deshalb,
weil sie deutscher Nationalität waren, hat man diese Leute
hinausgeschmissen. Dieser Opfer brutaler Rechtsberaubung wird
in dem vorliegenden Gesetz nicht mit einem einzigen Worte gedacht,
man denkt nicht daran, diese Rechtsberaubung wieder gutzumachen.
Bei diesem Anlaß muß auch wieder der in diesem Staate
so stiefmütterlich bedachten Kriegsverletzten gedacht werden.
Das vorliegende Gesetz ist das zweite Einstellunggesetz, das erste
betraf die Legionäre, das zweite betrifft die längerdienenden
Unteroffiziere. Wir fragen: Wo ist die Versorgung und das Einstellunggesetz
für die Kriegsverletzten? Die Sachverständigenkonferenz
für Kriegsbeschädigte, die im September 1923 in Genf
tagte, hat Richtlinien für ein Einstellungsgesetz
beschlossen. Der damalige Vertreter der èechoslovakischen
Regierung in Genf gab dort die Erklärung ab, daß in
der nächsten Zeit ein Gesetzenwurf, betreffend die Einstellung
der Kriegsverletzten, dem Abgeordnetenhause vorgelegt
werden würde. Seither sind vier Jahre verflossen, aber das
Versprechen des èechoslovakischen Regierungsvertreters
in Genf ist nicht eingelöst worden. Die Kriegsbeschädigten
können Hungers sterben, das interessiert die Machthaber nicht.
(Výkøiky posl. inž. Junga.)
Ich habe jetzt eine Interpellation an den Finanzminister
überreicht, über einen Kriegsverletzten, der zu 75%
verletzt ist und eine Frau und zwei Kinder hat, achtmal angesucht
hat und immer abgewiesen wurde, während ein 25%iger Kriegsverletzter
èechischer Nationalität ihm vorgezogen
worden ist. Wenn wir solche Dinge hören, dann müssen
wir sagen, von der Tribüne dieses Hauses muß das Wort
ergriffen werden, um diese unerhörten Zustände in diesem
Staate ins rechte Licht zu stellen. (Posl. Myslivec: Na jedné
stranì hlásáte velezradu a na druhé
chcete si dáti platiti!) Also die
Kriegsbeschädigten können ruhig Hungers sterben! Verlangen
Sie nicht von uns Patriotismus, wenn Sie uns so behandeln. (Výkøiky
posl. inž. Junga a Myslivce.) Wir
wollen unsere Steuergelder haben. Wir zahlen wohl keine Steuern?
So lange einem der Staat die Steuern abnimmt, müßt
Ihr uns auch an den Steuern partizipieren lassen. Das wäre
Raub, was Sie da haben wollen. Das ist eine demoralisierende Einrichtung.
(Posl. Myslivec: Vy jste zástupcem Èeskoslovenska
a ne Nìmecka!) Aber entschuldigen
Sie, das hat mit unserer politischen Einstelung gar nichts zu
tun, das hat mit der sozialen Einstellung zu tun. (Posl.
Myslivec: Vy jste hlásal, že musí býti
každý velezrádcem!) Ich
habe erklärt, daß kein deutscher Mensch einen anderen
deutschen Menschen umbringen wird, und Sie als christlicher Mensch
wollen der erste sein, der sich dagegen aufbäumt, daß
andere Menschen ermordet werden sollen. (Posl. Myslivec:
Vy jste zástupce Èeskoslovenska a nesmíte
tak mluvit!) Wir sind Sudetendeutsche
und Angehörige des deutschen Volkes. Da werden Sie uns nichts
dreinreden. Wir sind hier Sudetendeutsche in erster Linie. Die
Herren interessiert es nicht, wenn die Kriegsverletzten Hungers
sterben, das interessiert die Machthaber nicht. Dafür wird
aber das Einstellungsgesetz für die längerdienenden
Unteroffiziere neu beschlossen, das nicht nur Staatsanstellungen,
sondern auch Privatanstellungen noch reserviert und also wird
noch die geringe Möglichkeit, die die Kriegsverletzten haben,
um in der Privatindustrie unterzukommen, diesen Opfern des Krieges
auch noch weggenommen werden. Die Kriegsverletzten werden nirgends
in dieser Republik geschützt, die Opfer des Militarismus
müssen sehn, wie für das Heer Miliardenausgaben gemacht
werden, während ihnen die geringen Renten gestrichen werden
und anderseits jede Anstellungsmöglichkeit geradezu durch
die neue Konkurrenz weggenommen wird. Dieses Vorgehen wird sich
bestimmt einmal rächen, denn die Soldaten von heute werden
sich einmal bestimmt daran erinnern, wie man die Kriegsverletzten
eines andern Krieges behandelt hat und sie werden im geeigneten
Augenblick auch ihre Konsequenzen in diesem Falle ziehen und sich
fragen, ob sie sich ihre Knochen zerschlagen lassen sollen, ob
sie sich zum Krüppel machen lassen sollen um nachher so behandelt
zu werden, wie heute die Kriegsverletzten. Wir fordern entschieden:
1. Beschränkung des Einstellungsgesetzes für längerdienende
Unteroffiziere auf Staatsanstellungen, wie es früher einmal
war. 2. Sicherungen, daß in den sudetendeutschen Gebieten
nur deutsche längerdienende Unteroffiziere angestellt werden,
wie das auch den Slovaken zugesichert worden ist. 3. Die Wiedergutmachung
der Degradierungen und der Wegnahme der Zertifikate bei den längerdienenden
Unteroffizieren deutscher Nation, die dem alten Heere angehört
haben und 4. Herausgabe eines Einstellungsgesetzes für die
bisher noch immer unversorgten Kriegsverletzten.
So lange diese Bedingungen nicht erfüllt
sind, kann keine wahrhaft deutsche Partei, die nicht die
ernstesten Interessen des sudetendeutschen Volkes preisgeben will,
für diese Gesetzesvorlage stimmen. Wir warnen die Regierungsdeutschen
nochmals, ihre Zustimmung zu einem Gesetz zu geben, das eine Blankovollmacht
zur Èechisierung deutscher Arbeitsplätze
ist und fordern die Rückverweisung der Vorlage an den Wehrausschuß.
(Potlesk postancù nìm. strany nár.
socialistické.)
Die Militärvorlagen ergänzen sinngemäß
die Reihe reaktionärer Gesetzvorlagen, die uns von
der deutschèechischen Koalitionsregierung seit ihrem Bestande
beschert werden. So wie auf den übrigen Gebieten der Gesetzgebung
erweist sich bei der Behandlung dieser Vorlagen der deutsche Koalitionspartner
als die verläßlichste, knechtseligste
Stütze der Reaktion. Es sind dieselben Herren, die seit Jahr
und Tag von der nationalchauvinistischen Phrase leben, die das
Maul nicht weit genug aufreißen konnten, als die berufenen
Wortführer im Kampfe um die Verwirklichung der nationalen
Ideale - es sind dieselben deutschnationalen und christlichsozialen
Demagogen, die, solange sie nicht zur Futterkrippe zugelassen
wurden, den Kampf gegen die Methoden der nationalen Unterdrückung
insbesondere gegen die militärische Unterdrückung predigten,
und die jetzt, nachdem man ihnen in ihre empfangsbereiten Hände
die notwendige Anzahl von Kohleneinfuhrscheinen gedrückt
hat, ihre Zustimmung zu den infamsten reaktionären Anschlägen
gegen die breiten Massen der Arbeitenden geben. Es ist noch nicht
solange her, daß die Herren vom Bunde der Landwirte,
der christlichsozialen Partei und der Partei der Kleingewerbetreibenden
in den Wählerversammlungen gegen die Militärlasten,
von denen die Arbeiter und die kleinen Leute in der Èechoslovakei
heimgesucht werden, wetterten. Jetzt pfeifen diese Demagogen bereits
aus einem anderen Loch: Mit ihrer Hilfe konnte es die Regierung
wagen, die sogenannten Militärvorlagen dem Parlament zu unterbreiten.
Man sagt, daß die èechoslovakische Republik auf allen
Gebieten der öffentlichen Verwaltung und der Gesetzgebung
eine getreue Kopie der altösterreichischen
Verhältnisse darstelle. Aber diese Erklärung ist nur
mit der Ergänzung richtig, daß die reaktionären
Maßnahmen in unserer demokratischen Republik alles übertreffen,
was das alte Österreich in dieser Hinsicht geleistet
hat, daß die Reaktion in der Èechoslovakei auf allen
Gebieten der Gesetzgebung die höchsten Triumphe feiert u.
zw. hauptsächlich von dem Augenblick an, von dem ab zwei
Führer des sogenannten Sudetendeutschtums die Ministerbänke
zieren.