Støeda 30. bøezna 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 71. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve støedu dne 30. bøezna 1927.

1. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 402 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand eingehe, muß ich mich kurz mit den Vorfällen der gestrigen Sitzung und mit der Behandlung des Immunitätsfalles Kalina durch den Berichterstatter Votruba beschäftigen. Der Berichterstatter hat nach Ablauf der Debatte erklärt, daß jeder anständige Mensch die Art und Weise, wie sich Kalina verteidigt hat, als unanständig bezeichnen und zurückweisen muß. Der Vorwurf ist an und für sich vollständig ungerechtfertigt, weil Kalina nur die Tatsachen für sich sprechen ließ. Es ist aber unerhört, daß der Berichterstatter zu solchen Ausdrücken greift und sich zum Sittenrichter über Kollegen aufspielt. Wir müssen in gleicher Weise erklären, daß jeder anständige Mensch die Art und Weise, wie sich der Berichterstatter Votruba gestern benommen hat, als unanständig bezeichnen und zurückweisen muß. (Sehr richtig!)

Nun zum Gegenstande selbst. Ich hätte mich nicht zum Worte gemeldet, wenn nicht das Verhalten der deutschen Regierungsparteien zu den vorliegenden Militärvorlagen geradezu zu einer Kritik herausgefordert hätte. Die Parteien haben es bisher nicht der Mühe wert gefunden, ihre Stellung zu diesen wichtigen Vorlagen irgendwie zu begründen, ihre durchhaus befremdende Haltung der Bevölkerung gegenüber eingehend klarzulegen; es hat sich bisher kein einziger zu Worte gemeldet und keiner ist bisher in die Rednerliste eingetragen. Dieses Schweigen enthebt aber die deutschen Parteien nicht von der Verantwortlichkeit, denn sie machen sich an den Vorlagen vollständig mitschuldig, und das wollen wir für alle Zukunft und vor aller Welt einmal feststellen und festgehalten wissen. Sie sprechen deshalb nicht, weil der Gegensatz ihrer jetzigen zu ihrer früheren Haltung dadurch aufscheinen würde, denn gerade von ihnen gilt mit Recht das Wort: Tempora mutantur et nos mutamur in illis, die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen. Wer hätte vor Jahr und Tag voraussagen können, daß die deutschen Parteien wetteifern werden mit dem èechischen Herrenvolke in patriotischer Begeisterung, um dem èechischen Militarismus jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die er zur Erringung der größtmöglichen Schlagkraft braucht, einer Schlagkraft und Schlagfertigkeit, die der Niederhaltung des deutschen Volkes in erster Linie dient und die den gegenwärtigen Zustand der Schandfriedensverträge in Mitteleuropa aufrechterhalten will!

Ein rascher Wechsel hat sich bei diesen Parteien vollzogen, und es wird gut sein, ein wenig zurückzugreifen und jene Ansichten bekanntzugeben, die sie früher über den Militarismus hatten. In der 23. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 23. November 1920 jammerte der Abg. Budig, daß "unser saurer Schweiß diesem Moloch Militarismus geopfert werden soll". In der 27. Sitzung vom 30. November 1920 führte Abg. Bobek von der christlich-sozialen Partei aus: "Während wir der Meinung sind, daß die Zeit der sinnlosen Militärspielerei, die nichts anderes als den Großmachtkitzel der Massen stärkt, vorüber ist, glauben die anderen, daß gerade hier die Wurzel der Großmachtstellung des Staates liegt". In der 17 6. Sitzung vom 5. Dezember 1922 führte Abg. Scharnagl folgendes aus: "Wenn Sie bei diesem Gesetze Ihr Gewissen erforschen würden und daran dächten, wie Sie es vor dem Jahre 1914 im alten Wiener Reichsrat bei derartigen Vorlagen gemacht haben, so werden Sie sich keineswegs darüber wundern wenn ich sage: Keinen Mann und keinen Heller für den Moloch Militarismus! Sie haben dasselbe auch im alten Wien gesagt. Wir fordern deshalb nach wie vor den Abbau des Militarismus." (Výkøiky posl. dr. Koberga.) In der 229. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 22. November 1923 gab der jetzige Vizepräsident Zierhut vom Bund der Landwirte zu bedenken, daß diese militärischen Ausgaben unproduktiv sind und noch Arbeitskräfte der wirklichen Produktion entziehen. Unter diesem überspannten Militarismus leidet besonders die Landbevölkerung. (Výkøiky posl. dr. Koberga.) Das war im Jahre 1922 und ich könnte Ihnen ähnliche Forsetzungen aus den Jahren 1923, 1924 und 1925 bringen; ich unterlasse es, um Sie nicht zu ermüden und greife nur das Jahr 1922 heraus. Der gewesene Abgeordnete Böhr sprach damals in der 127. Sitzung am 26. Jänner 1922: "Vor einer Stunde hat die Mehrheit des Hauses gegen unsere Stimmen wie auch gegen einige nicht zur geeichten slavischen Regierungsmehrheit gehörigen Stimmen dem unersätzlichen Moloch Militarismus wieder eine halbe Milliarde geopfert, nach den im Budgetausschuß schon für das Heerwesen vorgeschriebenen Milliarden eine so erstaunlich unwirtschaftliche und nach der Tagung von Washington und den warnenden Worten Amerikas besonders befremdliche und unfriedliche Hinopferung."

Sie sehen aus diesen wenigen Aussprüchen, die beliebig erweitert werden könnten, daß die deutschen Regierungsparteien damals eine durchaus andere Haltung zum èechischen Militarismus einnahmen. Nun, meine Verehrten, die Politik schreibt nicht vor, daß man seine Ansicht konsequent vielleicht auch nur ein Jahr und länger beibehalten muß, aber der Anstand schreibt vor, daß man in grundsätzlichen prinzipiellen Fragen sich konsequent bleibt, daß man seine Haltung nicht ändert. Und hier beim èechischen Militarismus handelt es sich doch um eine grundsätzliche Angelegenheit. Die Herren stehen übrigens auch heute noch auf dem Standpunkte, daß der èechische Militarismus durchaus überflüssig sei, denn die "Deutsche Presse" vom 22. März d. J. schrieb darüber: "Die aktivistischen Parteien, vor allem die deutsche christlich-soziale Volkspartei haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie keine Kriegsschwärmer sind, daß sie allgemein und gleichzeitig die Abrüstung aller Staaten ersehnen und dagegen sind, daß das Heer, so lange es als solches besteht, als politisches Werkzeug von den Parteien und von der Mehrheitsnation mißbraucht wird." Bei dieser Haltung ist es umso unbegreiflicher, daß sie es anlaßlich der Behandlung der Militärvorlagen nicht verstanden haben, sich durchzusetzen und umso unbegreiflicher deshalb, weil sie ja wissen, welchem Zwecke der èechische Militarismus in erster Linie dient, wem durch die sinnlosen und wahnwitzigen Rüstungen im Ernstfalle gedient sein soll. Das ist eine Frage, die für alle klar ist, nicht bloß für die Èechen, sondern auch für uns Deutsche, trotz der schönen Worte und schönen Reden, die der Staatspräsident Masaryk über Frieden und Versöhnung hie und da von sich gibt, trotz der eifrigsten Beteuerungen der Friedensliebe der Èechoslovakischen Republik durch unseren geschäftigen Außenminister Dr. Beneš bei jedem passenden und unpassenden Anlaß. Aber niemand darf sich darüber täuschen, daß das alles nur Worte sind, daß die Èechoslovakei in ihrem Verhalten Deutschland gegenüber durch ihre Bündnispolitik mit Frankreich durchaus festgelegt und bestimmt ist.

Ich erinnere daran, wie sich die Èechoslovakei die ganzen Jahre hindurch Deutschland gegenüber verhalten hat, ich erinnere an ihr Eintreten für Polen und gegen Deutschland bei der Aufteilung Oberschlesiens, ich erinnere an die werktätige Unterstützung der französischen Wahnwitzpolitik anläßlich des räuberischen Ruhreinfalles, wo Beneš sogar die Absicht hatte, selbst in Schlesien einzumarschieren, wenn er die Folgen und Wirkungen dieses wahnwitzigen Schrittes auf die eigenen sudetendeutschen Staatsbürger nicht gefürchtet hätte. Schließlich erinnere ich an die Mobilisierung gegen Ungarn und an die damalige ganz merkwürdige Auffassung des Begriffes Demokratie, obwohl wir uns eigentlich als Demokraten jeder Einmischung in fremde Verhältnisse hätten enthalten müssen. So sehen in Wirklichkeit die Taten der èechoslovakischen Außenpolitik gegenüber Deutschland und Ungarn aus. Alles andere, was ganz oder halb offiziös gesagt und beteuert wird, ist Unsinn, ist Schaumschlägerei, lediglich zum Einseifen für den guten deutschen Michel, der in seiner Gutgläubigkeit alles für bare Münze nimmt und sich übertölpeln läßt. Wir täuschen uns auch darüber nicht, wenn anläßlich des Amtsantrittes des neuen èechoslovakischen Gesandten in Berlin Dr. Chvalkovský wieder dem Präsidenten Hindenburg gegenüber wunderbare Worte gefunden und aufrichtige Glückwünsche ausgesprochen wurden für das Gedeihen des Deutschen Reiches. Worte dienen dazu, um Gedanken zu verbergen. Das gilt in erster Linie für die Diplomatie. Sie dienen dazu, um geschickt die wahre Gesinnung verbergen zu können. Das haben früher auch die deutschen Regierungsparteien gewußt. Abg. Luschka sagte in der 123. Sitzung am 20. Jänner 1922: "Der Hauptzweck ist und bleibt, die politische und wirtschaftliche Verkslavung des gesamten deutschen Volkes im Interesse der französischen Machtpolitik zu besorgen. Es ist daher nur selbstverständlich, daß wir zur Innen- und Außenpolitik der Regierung kein Vertrauen haben können." Die Innen- und Außenpolitik hat sich nicht geändert, wohl aber haben die deutschen Regierungsparteien eine Änderung ihrer Haltung vollzogen. Für mich, beziehungsweise für unsere Partei besteht kein Zweifel, daß es der sehnlichste Wunsch der Èechoslovakischen Republik ist und war, Deutschland dauernd zu schwächen, es niederzuhalten. Die ganze èechoslovakische Außenpolitik ist beherrscht von einer furchtbaren Angst vor dem unaufhaltsamen Fortschreiten und der Entwicklung des Deutschen Reiches, von der Angst vor der deutschen Tüchtigkeit.

In diesem Zusammenhange gefällt mir unser lieber Kollege Špaèek, der nationaldemokratische Abgeordnete und Legionärmajor, der für seine großen Verdienste während des Weltkrieges soeben durch ein Restgut belohnt wurde, viel besser, denn er zeigt die wahre Gesinnung des èechischen Staates, beziehungsweise des èechischen Volkes, wobei ich noch ausdrücklich feststellen muß, daß Herr Abg. Špaèek nicht als nationaldemokratischer Abgeordneter hier gesprochen hat, sondern als Berichterstatter, also auch als solcher der deutschen Koalitionsparteien und daß seine Äußerungen die Meinung der ganzen deutsch-èechischen Koalition bedeuten. Herr Špaèek machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er sagt es so, wie er sich es denkt im übrigen waren sich auch die deutschen Regierungsparteien schon seinerzeit klar darüber, denn Abg. Windirsch sagte in der 96. Sitzung am 22. November 1921 über diesen Herrn Abg. Špaèek, als dieser im Budgetausschuß die Äußerung getan hatte: " Das müssen Sie sich gefallen lassen, daß Sie hier unterdrückt werden," dieses Bekenntnis lasse einen tiefen Blick in die èechische Seele tun. Das trifft zu. Die Herren Abg. Windirsch und Genossen haben das allerdings heute vergessen. Sie stellen sich blindlings hinter den Abg. Špaèek selbst in einem solchen Falle, wenn es Äußerungen gegen das deutsche Volk von sich gibt.

Wir wollen uns einmal mit dem Fall Špaèek noch ein wenig näher beschäftigen. Was hat der Abg. Špaèek als Berichterstatter hier zur Begründung der Militärvorlagen erwähnt? Er erklärt es als eine unbestrittene Tatsache, daß als einziger Feind neben Ungarn für den èechoslovakischen Staat das benachbarte Deutschland in Betracht komme. Er hat sich also ganz klar ausgesprochen. Im übrigen hat außer ihm der Abg. Ježek in dieselbe Kerbe geschlagen, der gleichfalls erklärte: "Wir müssen gegen Deutschland rüsten, es ist unser einziger Gegner." Und merkwürdigerweise hat gestern auch ein èechischer Gewerbeparteiler Jiráèek dasselbe gesagt. Er hat ausdrücklich auf die von Ungarn und Deutschland drohende Gefahr hingewiesen. Ich muß in diesem Zusammenhange die merkwürdige Tatsache feststellen, daß die deutsche Regierungspresse sich über diese Reden vollständig ausschweigt, darüber hinweggeht, ja sie scheinbar zu vertuschen sucht, denn die heutige "Deutsche Presse", vom 30. März, sagt über Jiráèek: "Abg. Jiráèek, èechischer Gewerbeparteiler, verweist darauf, daß man bei der Absicht, eine Miliz zu schaffen, den politischen Verhältnissen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Heute kann kein Staat ohne Heer bestehen." Alles andere aus der Rede hat der Berichterstatter nicht herausgefunden und merkwürdigerweise sagt auch die "Deutsche Landpost" nicht viel darüber: "Der èechische Gewerbeparteiler Jiráèek erklärte, ohne Armee könne kein Staat bestehen. Der Konflikt zwischen Jugoslavien und Italien seien ein Beweis, daß auch die Èechoslovakische Republik nicht unbewaffnet bleiben könne. Dabei wolle die Èechoslovakei weiterhin ihre bisherige Friedenspolitik betreiben." Das ist alles. Es ist geradezu auffällig, diese einseitige Berichterstattung, und es macht den Eindruck, daß sich die Herren dessen schämen, was ihre Koalitionskollegen eigentlich gesagt haben. Die Äußerungen des Herrn Kollegen Berichterstatters Špaèek haben in der deutschen Regierungspresse eine begreifliche Aufregung hervorgerufen, und wir lesen in der "Deutschen Presse" vom 24. März, daß der Klub der deutschen christlichsoz. Volkspartei sich in seiner Sitzung mit diesen Äußerungen beschäftigt hat. "Er bedauert, daß dadurch die bisherige, von den Mehrheitsparteien eingehaltene pazifistische Richtung gestört wurde. Der Klub wird gemeinsam mit den übrigen deutschen Regierungsparteien Schritte tun, um die durch diese Vorfälle hervorgerufene Unruhe in befriedigender Weise aus der Welt zu schaffen. Jedenfalls muß von maßgebender Seite zu diesen Äußerungen Stellung genommen werden, die nicht ohne Korrektur bleiben dürfen." Die "Deutsche Presse" vom 25. d. M. wußte zu berichten, daß die Špaèek afäre einer Bereinigung entgegengeht, obwohl noch keine Mitteilungen ausgegeben wurden. Es sei aber sicher, daß die Angelegenheit in einer durchaus entsprechenden und ganz befriedigenden Weise erledigt werden wird. Die Öffentlichkeit erwartet jedenfalls, daß die Äußerungen, wenn sie so gefallen sind, wie die Berichte lauten, von maßgebender Seite korrigiert werden.

Am 26. März berichtet die "Deutsche Presse", daß der Abg. Špaèek einer Unterredung beim Ministerpräsidenten Švehla beigezogen wurde, wobei die deutschen Vertreter die Äußerungen wiedergaben, wie sie in der Parlaments-Korrespondenz angeführt wurden. Abg. Špaèek erklärte, er habe diese Äußerungen nicht gebraucht. Wegen der Ausdrucksweise, erklärte er weiter, werde er im Parlament eine entsprechende Erklärung abgeben. (Posl. Špaèek: Stane se!) Dem gegenüber aber sagt der Abg. Špaèek in "Moravsko-slezský denník", daß das alles nicht wahr sei, daß er sich allerdings nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern könne, er habe aber sein Referat vollständig objektiv gehalten und wenn er es gesagt habe, dann habe er Rücksicht auf die geographische Lage und auf die sicherste strategische Möglichkeit genommen, die unser Generalstab bei Bearbeitung der Operationspläne berücksichtigen muß. Abg. Špaèek besteht also nach wie vor darauf, diese Äußerungen in dem Zusammenhang gebraucht zu haben. Wer hat also recht, bzw. wer lügt hier? Ist diese Äußerung so gebraucht worden oder nicht? Ich sage Ihnen, Kollege Špaèek, wir verlangen volle und ganze Aufklärung darüber, wie die Äußerung gefallen ist, eine Aufklärung, die eigentlich meines Erachtens in einem solchen Falle in jedem anderen Parlamente sofort gegeben worden wäre. (Souhlas na levici.) Sofort hätten sich dort der Außenminister oder der Innenminister oder der Minister für nationale Verteidigung erhoben, um den Verdacht einer feindseligen Gesinnung gegen einen Nachbarstaat zurückzuweisen, mit dem man ja in freundnachbarlichen Beziehungen steht, die durchaus korrekt sind. (Výkøiky posl. dr Koberga.)

Sofort hätte dazu Stellung genommen wer den müssen, um keine Beunruhigung des Landes herbeizuführen. Was aber geschieht bei uns? Herr Špaèek spricht darüber, Herr Ježek droht mit aufgehobener Faust gegen Deutschland und Ungarn, Jiráèek bläst in dasselbe Horn, aber kein Minister findet es bis heute für notwendig, eine beruhigende Erklärung abzugeben. Unerhört ist dieses Vorgehen und ich glaube, Deutschland wird aus diesem Verhalten selbst die Schlüsse über die wahre Gesinnung der Èechoslovakei ziehen. Die deutschen Regierungsparteien aber fragen wir in dieser gewiß ernsten Stunde, wie sie ein derartiges Verhalten rechtfertigen können, wie sie sich zufrieden geben können mit einer derartigen belanglosen und blödsinnigen Erklärung, die wahrscheinlich das Ganze auf irgend ein Mißverständnis hinauslaufen lassen wird. Eine solche Selbstgenügsamkeit der deutschen Regierungsparteien müßte geradezu als eine Selbstkastration bezeichnet werden. Es scheint aber, daß die Herren sich mit einer ganz bescheidenen Erklärung zufrieden geben werden, denn die "Deutsche Presse" schreibt ja heute Folgendes: "Wie wir erfahren, ist es bereits sicher, daß der durch die Rede des Abg. Špaèek hervorgerufene Zwischenfall in einer für die deutschen Regierungsparteien befriedigenden Weise geklärt werden wird." Mehr wissen die deutschen Regierungsparteien über die Sache nicht zu berichten. Sie haben nicht Gelegenheit genommen, den Anlaß nicht benützt, um volle Garantie zu erhalten, Kautelen für die ganze èechoslovakische Außenpolitik, die sie ja heute mit verantworten müssen. Sie behaupten immer in ihren Reden, in den Versammlungen draußen, daß ihre aktivistische Politik draußen im Reich volle Billigung gefunden habe und angeblich von den maßgebenden Regierungsstellen sanktioniert worden sei. Ich will nicht überprüfen, ob dies wahr ist oder nicht. Ich weiß allerdings das Gegenteil davon. Aber glauben diese deutschen Regierungsparteien, daß dieses Vertrauen bei ihrem jetzigen Verhalten draußen noch bestehen kann? Glauben sie, daß Deutschland es verstehen wird, wenn sie mitarbeiten an den Militärvorlagen, an der Verbesserung der Waffe und des Instruments, das einst sich gegen Deutschland selbst kehren wird?

Ich erkläre daher, daß unsere Partei eine ausführliche und ausreichende Erklärung über diesen Fall verlangt und sich nicht damit begnügen wird, daß einfach die Sache wieder vertuscht oder durch eine ungenügende Erklärung aus der Welt geschafft wird. Wir verlangen dies umsomehr, weil gerade wieder jetzt unerwarteter Weise, aber gerade zur rechten Zeit der Vorhang weggezogen wurde und uns in den Abgrund blicken ließ, der so recht zeigt, daß die èechischen Regierungsparteien auch heute nicht daran denken, ihre Haltung dem deutschen Volke gegenüber irgendwie zu ändern oder einer Revision zu unterziehen. Ich meine die Nachricht, die der "Berliner Börsencourier" gestern über das famose Dienstbuch gebracht hat, über die "Dienstvorschriften der èechoslovakischen Wehrmacht, ein praktisches Handbuch für aufklärende Erziehung der Soldaten, ein Lehrbehelf für die unterrichtenden Offiziere und Unteroffiziere," mit Erlaß des Ministeriums für nationale Verteidigung vom Jahre 1923 genehmigt und im Verlage dieses Ministeriums erschienen. Was in diesem Dienstbuch und Lehrbehelf steht, treibt uns die Röte der Empörung in die Wangen. Denn, meine Herren, hier heißt es, ich greife nur einige Stellen heraus: "Der Hauptcharakterzug aller Deutschen ist das Bestreben, andere Völker zu beherrschen." Es spricht von dem von Preußen gezüchteten Pangermanismus, der sich auf alle Deutschen übertrug. "Es gibt in Europa kein so kriegerisches und eroberungssüchtiges Volk wie die Deutschen. Dieser germanische Wesenszug hat sich seit jeher geoffenbart. Alle Eroberungen seit Bismarck waren Gewaltakte und wurden mit Hilfe von Lügen und unmoralischen Mitteln durchgeführt. Das Deutsche Reich riß die Deutschen in seinen Bann und trieb sie zur Barbarei. Seit Wilhelm II. glaubte jeder Deutsche, daß sein Volk berufen sei, andere zu beherrschen, ihnen seine Kultur, Organisation, seine Gesetze einzuimpfen. Soldaten, Gelehrte, Professoren, Lehrer, Industrielle, alle verbreiteten diese aufgeblasene Überheblichkeit."

Und so in diesem Tone geht es weiter. Ich muß zunächst Verwahrung einlegen gegen eine derartige Auffassung, gegen eine derartige Schmähung und Beleidigung des ganzen deutschen Volkes, gegen die schamlose Verdrehung von Tatsachen, welche die Wahrheit auf den Kopf stellt, gegen die Herabsetzung der Anerkennung deutscher Größen, wie Fichte, Hegel. Schopenhauer, Nietzsche und Bismarck, denen das kleine èechische Volk nichts ähnliches an die Seite zu stellen hat; wir legen Verwahrung dagegen ein, daß das deutsche Volk als moralisch minderwertig hingestellt wird, daß die alte Lüge von den deutschen Barbaren sogar von amtswegen verbreitet wird und daß dieser Unsinn in die Köpfe des èechischen Nachwuchses und auch der deutschen Jugend, welche zu Militärdiensten einberufen wird, eingetrichtert wird. Ich erkläre, gerade bei diesem Anlasse umso feierlicher und nachhaltiger: Wir bekennen uns stolz zu diesem deutschen Volke und wir sind ihm auch in diesen Tagen der èechischen Knechtschaft Treue zu halten gewillt, wir denken nicht daran, uns einschmelzen zu lassen und zu guten Èechoslovaken zu werden. Weil die Èechen national empfinden, müssen sie unsere Haltung verstehen und begreiflich finden. Sie müssen sich sagen, daß derartige Instruktionen und Bücher für das deutsche Selbstbewußtsein unerträglich sind. Wir verlangen, daß dieses Buch sofort beseitigt wird und ich stelle an den Herrn Minister für nationale Verteidigung die Frage, ob er bereit ist, dieses Buch sofort außer Kraft zu setzen, weil er selbst empfinden muß, daß ein derartiges Buch in der heutigen Zeit unmöglich ist. Wir fragen auch die deutschen Regierungsparteien, ob sie dafür sorgen wer den, daß in Hinkunft derartige Beleidigungen des deutschen Volkes nicht mehr vorkommen, ob sie dafür sorgen werden, daß alle amtlichen Vorschriften, Verordnungen und Lehrbücher in jeder Hinsicht auf ihren In halt überprüft werden. Genug Skandal, daß nach so viel Monaten einer deutsch-èechischen Regierung es niemand der Mühe wert gefunden hat, die Bücher auf ihren Inhalt zu prüfen. Unbegreiflich ist es aber noch, wenn die deutsche Regierungspresse und wieder in erster Linie die "Deutsche Presse" derartige Verunglimpfungen des deutschen Volkes noch schweigend duldet, bzw. zu entschuldigen sucht, wie es in der heutigen Nummer unter dem Titel "Ungeschickte Verteidigung" geschieht, weil die deutsche Zeitung "Bohemia" diese Sache aufgegriffen und an den Pranger gestellt hat. Soviel über unsere Haltung im allgemeinen.

Über den Inhalt der Militärvorlagen selbst will ich kein Wort verlieren, weil Kollege Keibl im Namen unseres Klubs dazu ausführlich gesprochen und unsere Bedenken vorgebracht hat. Es war eine starke Zumutung an die deutschen Regierungsparteien, daß sie die Militärvorlagen und gleich ihrer 5 an der Zahl, bzw. morgen die sechste Vorlage - weil sie gerade im Bewilligen drin sind - schlucken sollen, daß man den deutschen Regierungsparteien derartig schwere und für die Zukunft sich außerordentlich schwer auswirkende Vorlagen vorzulegen sich getraut hat. Nach all dem, was wir bisher in diesem Staate mitgemacht haben, nach all dem, was wir die ganzen 8 Jahre hier schweigend erdulden mußten, was wir heute bei diesem Anlaß nicht wieder schmerzlich wiederholen wollen - war es schon eine außerordentlich starke Zumutung für die deutschen Regierungsparteien, die immer und immer wieder erklärt hatten, sie bestünden auf Wiedergutmachung all dieser zugefügten Schäden, daß man sie eintreten ließ, bzw. daß sie eingetreten sind, ohne Wiedergutmachung zu verlangen. Es war eine sehr starke Zumutung, daß sie den Staatsvoranschlag mit den vielen Millionen für deutschfeindliche Zwecke schlucken mußten, ohne einen Posten daran ändern zu können. Es war eine starke Zumutung besonders auch im Hinblick auf ihre Wähler, daß sie die Umsatz- und Luxussteuer stillschweigend hinnehmen mußten, den Militärrüstungsfond bewilligten. Was aber hier nunmehr durch die Militärvorlagen verlangt wird, das scheint mir das Maß des Möglichen doch etwas stark zu überschreiten. Gerade die deutschen aktivistischen Parteien müssen in Verfolg ihrer Politik, welche ja auf Aufrechterhaltung des èechischen Staates hinzielt - weil angeblich nach Dr. Spina eine Losreißung der deutschen Gebiete unmöglich ist und diese Gebiete nun einmal zusammengehören - gerade sie müssen, wenn sie es ernst mit dem èechischen Staat meinen, auf den Abbau des èechischen Militarismus dringen, im wohlverstandenen Interesse des Staates, weil der Geist, der sich hier in diesen Militärgesetzen auswirkt und zum Ausdruck kommt, der Geist der Zerstörung ist, ein Geist, dessen Auswirkungen wir in den nächsten Jahrzehnten werden beobachten können. Der Geist der Zerstörung, der sich im ganzen èechischen Volk in seiner Geschichte zeigt, in den hussitischen Stürmen, in der Zerstörungssucht, in den Wirren des 30jährigen Krieges. Das praktische Handbuch für die aufklärende Erziehung der Militärpersonen sagt Ihnen, daß das èechische Volk eine Taubennatur besitze. Wir aber wissen aus der Geschichte und aus der Erfahrung, daß das nicht der Fall ist. Durch das Wettrüsten zeigt die èechoslovakische Republik am besten, welches Geistes Kind sie ist, welcher Geist sie beherrscht und daß sie nicht daran denkt, auf dem Wege friedlicher Vereinbarung irgendwelche Änderungen in Zukunft an den Friedensverträgen vorzunehmen, in einer Zeit, wo sogar die Großmächte sich dazu verstehen müssen, einzugestehen, daß die Friedensverträge in der heutigen Form nicht aufrecht erhalten werden können und daß gewisse Änderungen werden vorgenommen werden müssen.

Bei unserer Einstellung zum èechoslovakischen Staate könnte uns also die Haltung der deutschen Regierungsparteien vollständig gleichgültig sein. Aber wir behaupten, daß es unrichtig ist, wenn die deutsche Öffentlichkeit über den Stand der Dinge hinweggetäuscht wird, wenn man ihr vieles verschweigt, was im Interesse der Wahrheit gesagt werden müßte. Es ist gewiß eine Unannehmlichkeit, seine heutige Haltung den breiten Wählermassen plausibel machen zu wollen und auch derartige unverdauliche Vorlagen verdaulich zu machen. Es ist interessant, was die deutschen Regierungsparteien, bzw. ihre Presse gerade darüber zu schreiben weiß. Wir haben uns immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, welche Begründung man eigentlich der eigenen Wählerschaft gegenüber bringen wird, und wir waren erstaunt zu lesen und zu hören, daß die deutschen aktivistischen Redner in den Versammlungen draußen sich einfach auf den Grundsatz stellten, wie der Abg. Kunz seinerzeit erklärte, daß es selbstverständlich ist, daß die Parteien, die durch den Eintritt in die Regierung den Staat anerkannt haben, ihm nun eben auch die Steuern und die Soldaten bewilligen müssen. Wir waren erstaunt zu hören, daß die "Deutsche Presse" ebenso wie die christlichsoziale Partei nur Gewicht darauf legt, die unbegrenzte Verlängerung der 18monatigen Dienstzeit zu beseitigen und eine Terminierung für zwei Jahre verlangt. Noch verwunderlicher aber war es, als wir am 16. Feber 1927 von den großen Erfolgen lasen, welche die deutsche christlichsoziale Partei bei der Beratung dieses Gesetzes erzielt hat, als wir nämlich am 17. Feber lasen, daß es in erster Linie ihrer Einwirkung und ihrem mannhaften Auftreten zu danken ist, daß die vormilitärische Erziehung gefallen ist, ihrer erfolgreichen Bemühung der 18monatliche Präsenzdienst nur auf zwei Jahre verlängert wird, weiter, daß die Landwehr geschaffen wird. "Wenn dieses Projekt zur Durchführung gelangt, so ist es in erster Linie unseren Vertretern im Parlament zu verdanken. Auch das ist das Verdienst der deutschen christlichsozialen Abgeordneten, die Heeresleitung von dem Plane die Fortdauer der längeren Dienstzeit auf unbestimmte Zeit zu fordern, abgebracht zu haben." Nun, meine Damen und Herren, was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist, daß eine Terminierung der 18monatlichen Dienstzeit in gar keiner Weise erfolgt ist, daß der Landesverteidigungsminister Udržal sie ausdrücklich abgelehnt hat und erklärt hat, er denke erst dann daran, sie durchzuführen, bis er die 8000 Unteroffiziere haben werde. Irgendwelche Garantien wurden nicht geschaffen. Man sagt: "Wenn wir nicht dafür gewesen wären, dann hätten eben die èechischen sozialistischen Parteien dafür gestimmt." Nun, ich meine, die deutschen Regierungsparteien hätten es darauf ankommen lassen müssen, sie hätten die Probe auf das Exempel zu machen gehabt. In gleicher Weise ist der angebliche Erfolg bezüglich der Landwehr geradezu lächerlich. Denn was wird nun mehr geschehen. Bei der jährlichen Assentierung werden einfach 4000 junge Leute mehr assentiert werden, es werden dann 8000 entlassen werden nach vielfachen Bittgängen und Gesuchen und das wird man als besondere Gnade, als besonderes Geschenk für diese selbständigen Existenzen darzustellen wissen. Wie man damit umgehen wird, hat der Abg. Scharnagl in der 176. Sitzung am 5. Dezember des Jahres 1922 gesagt, als das Gesetz über die Erleichterung der Dienstpflicht der Gegenstand der Aussprache war. Er sagte, daß die Deutschen nicht zufrieden sein können, wenn wir von vornherein wissen, daß diese Begünstigungen im Gesetze hauptsächlichst dem Herrenvolke zugute kommen werden und daß erst an dritter und vierter Stelle oder überhaupt nicht der deutsche Soldat an die Reihe kommen werde. Genau so wie damals wird das selbstverständlich auch heute sein. Genau so ist es auch mit der vormilitärischen Jugenderziehung, denn der Herr Minister Udržal hat ausdrücklich erklärt, daß sie vorläufig zurückgestellt wurde aus finanziellen Gründen. Im übrigen war es auch kein Verdienst der deutschen Regierungsparteien, sie beseitigt zu haben, weil sich auch für dieses Gesetz eine Mehrheit nicht gefunden hätte, genau so wenig wie für die 18monatliche Militärdienstzeit. Die Wahrheit ist und das muß neuerdings festgehalten werden, daß die Dienstzeit vier Monate länger dauert, und wenn sie länger dauert, daß nur die deutschen Regierungsparteien daran schuld sind, weil sie dem Gesetze zugestimmt bzw. nicht seine Abänderung verlangt haben.


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