Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den eigentlichen
Gegenstand eingehe, muß ich mich kurz mit den Vorfällen
der gestrigen Sitzung und mit der Behandlung des Immunitätsfalles
Kalina durch den Berichterstatter Votruba beschäftigen.
Der Berichterstatter hat nach Ablauf der Debatte erklärt,
daß jeder anständige Mensch die Art und Weise, wie
sich Kalina verteidigt hat, als unanständig bezeichnen
und zurückweisen muß. Der Vorwurf ist an und für
sich vollständig ungerechtfertigt, weil Kalina nur
die Tatsachen für sich sprechen ließ. Es ist aber unerhört,
daß der Berichterstatter zu solchen Ausdrücken greift
und sich zum Sittenrichter über Kollegen aufspielt. Wir müssen
in gleicher Weise erklären, daß jeder anständige
Mensch die Art und Weise, wie sich der Berichterstatter Votruba
gestern benommen hat, als unanständig bezeichnen und
zurückweisen muß. (Sehr richtig!)
Nun zum Gegenstande selbst. Ich hätte
mich nicht zum Worte gemeldet, wenn nicht das Verhalten der deutschen
Regierungsparteien zu den vorliegenden Militärvorlagen geradezu
zu einer Kritik herausgefordert hätte. Die Parteien haben
es bisher nicht der Mühe wert gefunden, ihre Stellung zu
diesen wichtigen Vorlagen irgendwie zu begründen, ihre durchhaus
befremdende Haltung der Bevölkerung gegenüber eingehend
klarzulegen; es hat sich bisher kein einziger zu Worte gemeldet
und keiner ist bisher in die Rednerliste eingetragen. Dieses Schweigen
enthebt aber die deutschen Parteien nicht von der Verantwortlichkeit,
denn sie machen sich an den Vorlagen vollständig mitschuldig,
und das wollen wir für alle Zukunft und vor aller Welt einmal
feststellen und festgehalten wissen. Sie sprechen deshalb nicht,
weil der Gegensatz ihrer jetzigen zu ihrer früheren Haltung
dadurch aufscheinen würde, denn gerade von ihnen gilt mit
Recht das Wort: Tempora mutantur et nos mutamur in illis,
die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen. Wer hätte
vor Jahr und Tag voraussagen können, daß die deutschen
Parteien wetteifern werden mit dem èechischen Herrenvolke
in patriotischer Begeisterung, um dem
èechischen Militarismus jene Mittel zur Verfügung
zu stellen, die er zur Erringung der größtmöglichen
Schlagkraft braucht, einer Schlagkraft und Schlagfertigkeit, die
der Niederhaltung des deutschen Volkes in erster Linie dient und
die den gegenwärtigen Zustand der Schandfriedensverträge
in Mitteleuropa aufrechterhalten will!
Ein rascher Wechsel hat sich bei diesen Parteien
vollzogen, und es wird gut sein, ein wenig zurückzugreifen
und jene Ansichten bekanntzugeben, die sie früher über
den Militarismus hatten. In der 23. Sitzung des Abgeordnetenhauses
vom 23. November 1920 jammerte der Abg. Budig, daß
"unser saurer Schweiß diesem Moloch Militarismus geopfert
werden soll". In der 27. Sitzung vom 30. November 1920 führte
Abg. Bobek von der christlich-sozialen Partei aus: "Während
wir der Meinung sind, daß die Zeit der sinnlosen Militärspielerei,
die nichts anderes als den Großmachtkitzel der Massen stärkt,
vorüber ist, glauben die anderen, daß gerade hier die
Wurzel der Großmachtstellung des Staates liegt". In
der 17 6. Sitzung vom 5. Dezember 1922 führte Abg. Scharnagl
folgendes aus: "Wenn Sie bei diesem Gesetze Ihr Gewissen
erforschen würden und daran dächten, wie Sie es vor
dem Jahre 1914 im alten Wiener Reichsrat bei derartigen Vorlagen
gemacht haben, so werden Sie sich keineswegs darüber wundern
wenn ich sage: Keinen Mann und keinen Heller für den Moloch
Militarismus! Sie haben dasselbe auch im alten Wien gesagt. Wir
fordern deshalb nach wie vor den Abbau des Militarismus."
(Výkøiky posl. dr. Koberga.) In
der 229. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 22. November 1923
gab der jetzige Vizepräsident Zierhut vom Bund der
Landwirte zu bedenken, daß diese militärischen Ausgaben
unproduktiv sind und noch Arbeitskräfte der wirklichen Produktion
entziehen. Unter diesem überspannten Militarismus leidet
besonders die Landbevölkerung. (Výkøiky
posl. dr. Koberga.) Das war im Jahre 1922
und ich könnte Ihnen ähnliche Forsetzungen aus den Jahren
1923, 1924 und 1925 bringen; ich unterlasse es, um Sie nicht zu
ermüden und greife nur das Jahr 1922 heraus. Der gewesene
Abgeordnete Böhr sprach damals in der 127. Sitzung
am 26. Jänner 1922: "Vor einer Stunde hat die Mehrheit
des Hauses gegen unsere Stimmen wie auch gegen einige nicht zur
geeichten slavischen Regierungsmehrheit gehörigen Stimmen
dem unersätzlichen Moloch Militarismus wieder eine halbe
Milliarde geopfert, nach den im Budgetausschuß schon für
das Heerwesen vorgeschriebenen Milliarden eine so erstaunlich
unwirtschaftliche und nach der Tagung von Washington und den warnenden
Worten Amerikas besonders befremdliche und unfriedliche Hinopferung."
Sie sehen aus diesen wenigen Aussprüchen, die beliebig erweitert
werden könnten, daß die deutschen Regierungsparteien
damals eine durchaus andere Haltung zum èechischen Militarismus
einnahmen. Nun, meine Verehrten, die Politik schreibt nicht vor,
daß man seine Ansicht konsequent vielleicht auch nur ein
Jahr und länger beibehalten muß, aber der Anstand schreibt
vor, daß man in grundsätzlichen prinzipiellen Fragen
sich konsequent bleibt, daß man seine Haltung nicht
ändert. Und hier beim èechischen Militarismus handelt
es sich doch um eine grundsätzliche Angelegenheit. Die Herren
stehen übrigens auch heute noch auf dem Standpunkte, daß
der èechische Militarismus durchaus überflüssig
sei, denn die "Deutsche Presse" vom 22. März d.
J. schrieb darüber: "Die aktivistischen Parteien, vor
allem die deutsche christlich-soziale Volkspartei haben nie ein
Hehl daraus gemacht, daß sie keine Kriegsschwärmer
sind, daß sie allgemein und gleichzeitig die Abrüstung
aller Staaten ersehnen und dagegen sind, daß das Heer, so
lange es als solches besteht, als politisches Werkzeug von den
Parteien und von der Mehrheitsnation mißbraucht wird."
Bei dieser Haltung ist es umso unbegreiflicher, daß sie
es anlaßlich der Behandlung der Militärvorlagen
nicht verstanden haben, sich durchzusetzen und umso unbegreiflicher
deshalb, weil sie ja wissen, welchem Zwecke der èechische
Militarismus in erster Linie dient, wem durch die sinnlosen und
wahnwitzigen Rüstungen im Ernstfalle
gedient sein soll. Das ist eine Frage, die für alle klar
ist, nicht bloß für die Èechen, sondern auch
für uns Deutsche, trotz der schönen Worte und schönen
Reden, die der Staatspräsident Masaryk
über Frieden und Versöhnung
hie und da von sich gibt, trotz der eifrigsten Beteuerungen
der Friedensliebe der Èechoslovakischen Republik durch
unseren geschäftigen Außenminister Dr. Beneš
bei jedem passenden und unpassenden
Anlaß. Aber niemand darf sich darüber täuschen,
daß das alles nur Worte sind, daß die Èechoslovakei
in ihrem Verhalten Deutschland gegenüber durch ihre Bündnispolitik
mit Frankreich durchaus festgelegt und bestimmt ist.
Ich erinnere daran, wie sich die Èechoslovakei die ganzen
Jahre hindurch Deutschland gegenüber verhalten hat, ich erinnere
an ihr Eintreten für Polen und gegen Deutschland bei der
Aufteilung Oberschlesiens, ich erinnere an die werktätige
Unterstützung der französischen Wahnwitzpolitik anläßlich
des räuberischen Ruhreinfalles, wo Beneš sogar
die Absicht hatte, selbst in Schlesien einzumarschieren, wenn
er die Folgen und Wirkungen dieses wahnwitzigen Schrittes auf
die eigenen sudetendeutschen Staatsbürger nicht gefürchtet
hätte. Schließlich erinnere ich an die Mobilisierung
gegen Ungarn und an die damalige ganz merkwürdige Auffassung
des Begriffes Demokratie, obwohl wir uns eigentlich als Demokraten
jeder Einmischung in fremde Verhältnisse hätten enthalten
müssen. So sehen in Wirklichkeit die Taten der èechoslovakischen
Außenpolitik gegenüber Deutschland und Ungarn aus.
Alles andere, was ganz oder halb offiziös
gesagt und beteuert wird, ist Unsinn, ist Schaumschlägerei,
lediglich zum Einseifen für den guten deutschen Michel, der
in seiner Gutgläubigkeit alles für bare Münze nimmt
und sich übertölpeln läßt. Wir täuschen
uns auch darüber nicht, wenn anläßlich
des Amtsantrittes des neuen èechoslovakischen Gesandten
in Berlin Dr. Chvalkovský wieder
dem Präsidenten Hindenburg gegenüber wunderbare Worte
gefunden und aufrichtige Glückwünsche ausgesprochen
wurden für das Gedeihen des Deutschen Reiches. Worte dienen
dazu, um Gedanken zu verbergen. Das gilt in erster Linie für
die Diplomatie. Sie dienen dazu, um geschickt die wahre Gesinnung
verbergen zu können. Das haben früher auch die deutschen
Regierungsparteien gewußt. Abg. Luschka sagte in
der 123. Sitzung am 20. Jänner 1922: "Der Hauptzweck
ist und bleibt, die politische und wirtschaftliche Verkslavung
des gesamten deutschen Volkes im Interesse der französischen
Machtpolitik zu besorgen. Es ist daher nur selbstverständlich,
daß wir zur Innen- und Außenpolitik der Regierung
kein Vertrauen haben können." Die Innen- und Außenpolitik
hat sich nicht geändert, wohl aber haben die deutschen Regierungsparteien
eine Änderung ihrer Haltung vollzogen. Für mich, beziehungsweise
für unsere Partei besteht kein Zweifel, daß
es der sehnlichste Wunsch der Èechoslovakischen Republik
ist und war, Deutschland dauernd zu schwächen, es niederzuhalten.
Die ganze èechoslovakische Außenpolitik ist beherrscht
von einer furchtbaren Angst vor dem unaufhaltsamen
Fortschreiten und der Entwicklung des Deutschen Reiches, von der
Angst vor der deutschen Tüchtigkeit.
In diesem Zusammenhange gefällt mir unser
lieber Kollege Špaèek,
der nationaldemokratische Abgeordnete und Legionärmajor,
der für seine großen Verdienste während
des Weltkrieges soeben durch ein Restgut belohnt wurde, viel besser,
denn er zeigt die wahre Gesinnung des èechischen Staates,
beziehungsweise des èechischen Volkes, wobei ich noch ausdrücklich
feststellen muß, daß Herr Abg. Špaèek
nicht als nationaldemokratischer
Abgeordneter hier gesprochen hat, sondern als Berichterstatter,
also auch als solcher der deutschen Koalitionsparteien und daß
seine Äußerungen die Meinung der ganzen deutsch-èechischen
Koalition bedeuten. Herr Špaèek machte
aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er sagt es so, wie er
sich es denkt im übrigen waren sich auch die deutschen Regierungsparteien
schon seinerzeit klar darüber, denn Abg. Windirsch sagte
in der 96. Sitzung am 22. November 1921 über diesen Herrn
Abg. Špaèek, als dieser im Budgetausschuß
die Äußerung getan hatte: " Das müssen Sie
sich gefallen lassen, daß Sie hier unterdrückt werden,"
dieses Bekenntnis lasse einen tiefen Blick in die èechische
Seele tun. Das trifft zu. Die Herren Abg. Windirsch
und Genossen haben das allerdings
heute vergessen. Sie stellen sich blindlings hinter den Abg. Špaèek
selbst in einem solchen Falle, wenn es
Äußerungen gegen das deutsche Volk von sich gibt.
Wir wollen uns einmal mit dem Fall Špaèek
noch ein wenig näher beschäftigen.
Was hat der Abg. Špaèek als Berichterstatter
hier zur Begründung der Militärvorlagen erwähnt?
Er erklärt es als eine unbestrittene Tatsache, daß
als einziger Feind neben Ungarn für den èechoslovakischen
Staat das benachbarte Deutschland in Betracht komme.
Er hat sich also ganz klar ausgesprochen. Im übrigen hat
außer ihm der Abg. Ježek in dieselbe
Kerbe geschlagen, der gleichfalls erklärte: "Wir müssen
gegen Deutschland rüsten, es ist unser einziger Gegner."
Und merkwürdigerweise hat gestern auch ein èechischer
Gewerbeparteiler Jiráèek dasselbe
gesagt. Er hat ausdrücklich auf die von Ungarn und Deutschland
drohende Gefahr hingewiesen. Ich muß in diesem Zusammenhange
die merkwürdige Tatsache feststellen, daß die deutsche
Regierungspresse sich über diese Reden vollständig ausschweigt,
darüber hinweggeht, ja sie scheinbar zu vertuschen sucht,
denn die heutige "Deutsche Presse", vom 30. März,
sagt über Jiráèek:
"Abg. Jiráèek, èechischer
Gewerbeparteiler, verweist darauf, daß man bei der Absicht,
eine Miliz zu schaffen, den politischen Verhältnissen
zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Heute kann kein Staat ohne
Heer bestehen." Alles andere aus der Rede hat der Berichterstatter
nicht herausgefunden und merkwürdigerweise sagt auch die
"Deutsche Landpost" nicht viel darüber:
"Der èechische Gewerbeparteiler Jiráèek
erklärte, ohne Armee könne kein Staat bestehen.
Der Konflikt zwischen Jugoslavien und Italien seien ein Beweis,
daß auch die Èechoslovakische Republik nicht unbewaffnet
bleiben könne. Dabei wolle die Èechoslovakei
weiterhin ihre bisherige Friedenspolitik betreiben." Das
ist alles. Es ist geradezu auffällig, diese einseitige Berichterstattung,
und es macht den Eindruck, daß sich die Herren dessen schämen,
was ihre Koalitionskollegen eigentlich gesagt haben. Die Äußerungen
des Herrn Kollegen Berichterstatters Špaèek
haben in der deutschen Regierungspresse
eine begreifliche Aufregung hervorgerufen, und wir lesen in der
"Deutschen Presse" vom 24. März, daß der
Klub der deutschen christlichsoz. Volkspartei sich in seiner Sitzung
mit diesen Äußerungen beschäftigt hat. "Er
bedauert, daß dadurch die bisherige, von den Mehrheitsparteien
eingehaltene pazifistische Richtung gestört wurde. Der Klub
wird gemeinsam mit den übrigen deutschen Regierungsparteien
Schritte tun, um die durch diese Vorfälle hervorgerufene
Unruhe in befriedigender Weise aus der Welt zu schaffen. Jedenfalls
muß von maßgebender Seite zu diesen Äußerungen
Stellung genommen werden, die nicht ohne Korrektur bleiben dürfen."
Die "Deutsche Presse" vom 25. d. M. wußte zu berichten,
daß die Špaèek afäre
einer Bereinigung entgegengeht, obwohl noch keine Mitteilungen
ausgegeben wurden. Es sei aber sicher, daß die Angelegenheit
in einer durchaus entsprechenden und ganz befriedigenden Weise
erledigt werden wird. Die Öffentlichkeit erwartet jedenfalls,
daß die Äußerungen, wenn sie so gefallen sind,
wie die Berichte lauten, von maßgebender Seite korrigiert
werden.
Am 26. März berichtet die "Deutsche
Presse", daß der Abg. Špaèek
einer Unterredung beim Ministerpräsidenten
Švehla beigezogen wurde, wobei die deutschen Vertreter
die Äußerungen wiedergaben, wie sie in der Parlaments-Korrespondenz
angeführt wurden. Abg. Špaèek erklärte,
er habe diese Äußerungen nicht gebraucht. Wegen der
Ausdrucksweise, erklärte er weiter, werde er im Parlament
eine entsprechende Erklärung abgeben. (Posl. Špaèek:
Stane se!) Dem gegenüber aber sagt
der Abg. Špaèek in
"Moravsko-slezský denník", daß das
alles nicht wahr sei, daß er sich allerdings nicht mehr
genau an den Wortlaut erinnern könne, er habe aber sein Referat
vollständig objektiv gehalten und wenn er es gesagt habe,
dann habe er Rücksicht auf die geographische Lage und auf
die sicherste strategische Möglichkeit genommen, die unser
Generalstab bei Bearbeitung der Operationspläne berücksichtigen
muß. Abg. Špaèek besteht
also nach wie vor darauf, diese Äußerungen in dem Zusammenhang
gebraucht zu haben. Wer hat also recht, bzw. wer lügt hier?
Ist diese Äußerung so gebraucht worden oder nicht?
Ich sage Ihnen, Kollege Špaèek,
wir verlangen volle und ganze Aufklärung darüber, wie
die Äußerung gefallen ist, eine Aufklärung, die
eigentlich meines Erachtens in einem solchen Falle in jedem anderen
Parlamente sofort gegeben worden wäre. (Souhlas na levici.)
Sofort hätten sich dort der Außenminister oder
der Innenminister oder der Minister für nationale Verteidigung
erhoben, um den Verdacht einer feindseligen Gesinnung gegen einen
Nachbarstaat zurückzuweisen, mit dem man ja in freundnachbarlichen
Beziehungen steht, die durchaus korrekt sind. (Výkøiky
posl. dr Koberga.)
Sofort hätte dazu Stellung genommen wer
den müssen, um keine Beunruhigung des Landes herbeizuführen.
Was aber geschieht bei uns? Herr Špaèek
spricht darüber, Herr Ježek
droht mit aufgehobener Faust gegen Deutschland und Ungarn, Jiráèek
bläst in dasselbe Horn, aber kein Minister findet es
bis heute für notwendig, eine beruhigende Erklärung
abzugeben. Unerhört ist dieses Vorgehen und ich glaube, Deutschland
wird aus diesem Verhalten selbst die Schlüsse über die
wahre Gesinnung der Èechoslovakei ziehen.
Die deutschen Regierungsparteien aber fragen wir in dieser gewiß
ernsten Stunde, wie sie ein derartiges Verhalten rechtfertigen
können, wie sie sich zufrieden geben können mit einer
derartigen belanglosen und blödsinnigen Erklärung, die
wahrscheinlich das Ganze auf irgend ein Mißverständnis
hinauslaufen lassen wird. Eine solche Selbstgenügsamkeit
der deutschen Regierungsparteien müßte geradezu als
eine Selbstkastration bezeichnet werden. Es scheint aber, daß
die Herren sich mit einer ganz bescheidenen Erklärung zufrieden
geben werden, denn die "Deutsche Presse" schreibt ja
heute Folgendes: "Wie wir erfahren, ist es bereits sicher,
daß der durch die Rede des Abg. Špaèek
hervorgerufene Zwischenfall in einer für
die deutschen Regierungsparteien befriedigenden Weise geklärt
werden wird." Mehr wissen die deutschen Regierungsparteien
über die Sache nicht zu berichten. Sie haben nicht Gelegenheit
genommen, den Anlaß nicht benützt, um volle Garantie
zu erhalten, Kautelen für die ganze èechoslovakische
Außenpolitik, die sie ja heute mit verantworten müssen.
Sie behaupten immer in ihren Reden, in den Versammlungen draußen,
daß ihre aktivistische Politik draußen im Reich volle
Billigung gefunden habe und angeblich von den maßgebenden
Regierungsstellen sanktioniert worden sei. Ich will nicht überprüfen,
ob dies wahr ist oder nicht. Ich weiß allerdings das Gegenteil
davon. Aber glauben diese deutschen Regierungsparteien, daß
dieses Vertrauen bei ihrem jetzigen Verhalten draußen noch
bestehen kann? Glauben sie, daß Deutschland es verstehen
wird, wenn sie mitarbeiten an den Militärvorlagen, an der
Verbesserung der Waffe und des Instruments, das einst sich gegen
Deutschland selbst kehren wird?
Ich erkläre daher, daß unsere Partei
eine ausführliche und ausreichende Erklärung über
diesen Fall verlangt und sich nicht damit begnügen wird,
daß einfach die Sache wieder vertuscht oder durch eine ungenügende
Erklärung aus der Welt geschafft wird. Wir verlangen dies
umsomehr, weil gerade wieder jetzt unerwarteter Weise,
aber gerade zur rechten Zeit der Vorhang weggezogen wurde und
uns in den Abgrund blicken ließ, der so recht zeigt, daß
die èechischen Regierungsparteien auch heute nicht daran
denken, ihre Haltung dem deutschen Volke gegenüber irgendwie
zu ändern oder einer Revision zu
unterziehen. Ich meine die Nachricht, die der "Berliner Börsencourier"
gestern über das famose Dienstbuch gebracht hat, über
die "Dienstvorschriften der èechoslovakischen Wehrmacht,
ein praktisches Handbuch für aufklärende Erziehung der
Soldaten, ein Lehrbehelf für die unterrichtenden
Offiziere und Unteroffiziere," mit Erlaß des Ministeriums
für nationale Verteidigung vom Jahre 1923 genehmigt und im
Verlage dieses Ministeriums erschienen. Was in diesem Dienstbuch
und Lehrbehelf steht, treibt uns die Röte der Empörung
in die Wangen. Denn, meine Herren, hier heißt es, ich greife
nur einige Stellen heraus: "Der Hauptcharakterzug aller Deutschen
ist das Bestreben, andere Völker zu beherrschen." Es
spricht von dem von Preußen gezüchteten Pangermanismus,
der sich auf alle Deutschen übertrug. "Es gibt in Europa
kein so kriegerisches und eroberungssüchtiges Volk wie die
Deutschen. Dieser germanische Wesenszug hat sich seit jeher geoffenbart.
Alle Eroberungen seit Bismarck waren Gewaltakte und wurden mit
Hilfe von Lügen und unmoralischen Mitteln durchgeführt.
Das Deutsche Reich riß die Deutschen in seinen Bann und
trieb sie zur Barbarei. Seit Wilhelm II. glaubte jeder Deutsche,
daß sein Volk berufen sei, andere zu beherrschen, ihnen
seine Kultur, Organisation, seine Gesetze einzuimpfen. Soldaten,
Gelehrte, Professoren, Lehrer, Industrielle, alle verbreiteten
diese aufgeblasene Überheblichkeit."
Und so in diesem Tone geht es weiter. Ich muß
zunächst Verwahrung einlegen gegen eine derartige Auffassung,
gegen eine derartige Schmähung und Beleidigung des ganzen
deutschen Volkes, gegen die schamlose Verdrehung von Tatsachen,
welche die Wahrheit auf den Kopf stellt, gegen die Herabsetzung
der Anerkennung deutscher Größen, wie Fichte, Hegel.
Schopenhauer, Nietzsche und Bismarck, denen das kleine
èechische Volk nichts ähnliches an die Seite zu stellen
hat; wir legen Verwahrung dagegen ein, daß das deutsche
Volk als moralisch minderwertig hingestellt wird, daß die
alte Lüge von den deutschen Barbaren sogar von amtswegen
verbreitet wird und daß dieser Unsinn in die Köpfe
des èechischen Nachwuchses und auch der deutschen Jugend,
welche zu Militärdiensten einberufen wird, eingetrichtert
wird. Ich erkläre, gerade bei diesem Anlasse umso feierlicher
und nachhaltiger: Wir bekennen uns stolz
zu diesem deutschen Volke und wir sind ihm auch in diesen Tagen
der èechischen Knechtschaft Treue zu halten gewillt, wir
denken nicht daran, uns einschmelzen zu lassen und zu guten Èechoslovaken
zu werden. Weil die Èechen national empfinden,
müssen sie unsere Haltung verstehen und begreiflich finden.
Sie müssen sich sagen, daß derartige Instruktionen
und Bücher für das deutsche Selbstbewußtsein unerträglich
sind. Wir verlangen, daß dieses Buch sofort beseitigt wird
und ich stelle an den Herrn Minister für nationale Verteidigung
die Frage, ob er bereit ist, dieses Buch sofort außer Kraft
zu setzen, weil er selbst empfinden muß, daß ein derartiges
Buch in der heutigen Zeit unmöglich ist. Wir fragen auch
die deutschen Regierungsparteien, ob sie dafür sorgen wer
den, daß in Hinkunft derartige Beleidigungen des deutschen
Volkes nicht mehr vorkommen, ob sie dafür sorgen werden,
daß alle amtlichen Vorschriften, Verordnungen und Lehrbücher
in jeder Hinsicht auf ihren In halt überprüft werden.
Genug Skandal, daß nach so viel Monaten einer deutsch-èechischen
Regierung es niemand der Mühe wert gefunden hat, die Bücher
auf ihren Inhalt zu prüfen. Unbegreiflich ist es aber noch,
wenn die deutsche Regierungspresse und wieder in erster Linie
die "Deutsche Presse" derartige Verunglimpfungen
des deutschen Volkes noch schweigend duldet, bzw. zu entschuldigen
sucht, wie es in der heutigen Nummer unter dem Titel "Ungeschickte
Verteidigung" geschieht, weil die deutsche Zeitung "Bohemia"
diese Sache aufgegriffen und an den Pranger gestellt hat. Soviel
über unsere Haltung im allgemeinen.
Über den Inhalt der Militärvorlagen
selbst will ich kein Wort verlieren, weil Kollege Keibl im
Namen unseres Klubs dazu ausführlich gesprochen und unsere
Bedenken vorgebracht hat. Es war eine starke Zumutung an die deutschen
Regierungsparteien, daß sie die Militärvorlagen und
gleich ihrer 5 an der Zahl, bzw. morgen die sechste Vorlage -
weil sie gerade im Bewilligen drin sind - schlucken sollen, daß
man den deutschen Regierungsparteien derartig schwere und für
die Zukunft sich außerordentlich schwer auswirkende Vorlagen
vorzulegen sich getraut hat. Nach all dem, was wir bisher in diesem
Staate mitgemacht haben, nach all dem, was wir die ganzen 8 Jahre
hier schweigend erdulden mußten, was wir heute bei diesem
Anlaß nicht wieder schmerzlich wiederholen wollen - war
es schon eine außerordentlich starke Zumutung für die
deutschen Regierungsparteien, die immer und immer wieder erklärt
hatten, sie bestünden auf Wiedergutmachung all dieser zugefügten
Schäden, daß man sie eintreten ließ, bzw. daß
sie eingetreten sind, ohne Wiedergutmachung zu verlangen. Es war
eine sehr starke Zumutung, daß sie den Staatsvoranschlag
mit den vielen Millionen für deutschfeindliche Zwecke schlucken
mußten, ohne einen Posten daran ändern zu können.
Es war eine starke Zumutung besonders auch im Hinblick auf ihre
Wähler, daß sie die Umsatz- und Luxussteuer stillschweigend
hinnehmen mußten, den Militärrüstungsfond bewilligten.
Was aber hier nunmehr durch die Militärvorlagen verlangt
wird, das scheint mir das Maß des Möglichen doch etwas
stark zu überschreiten. Gerade die deutschen aktivistischen
Parteien müssen in Verfolg ihrer Politik, welche ja auf Aufrechterhaltung
des èechischen Staates hinzielt - weil angeblich
nach Dr. Spina eine Losreißung der deutschen
Gebiete unmöglich ist und diese Gebiete nun einmal zusammengehören
- gerade sie müssen, wenn sie es ernst mit dem èechischen
Staat meinen, auf den Abbau des èechischen Militarismus
dringen, im wohlverstandenen Interesse des
Staates, weil der Geist, der sich hier in diesen Militärgesetzen
auswirkt und zum Ausdruck kommt, der Geist der Zerstörung
ist, ein Geist, dessen Auswirkungen wir in den nächsten Jahrzehnten
werden beobachten können. Der Geist der Zerstörung,
der sich im ganzen èechischen Volk in seiner Geschichte
zeigt, in den hussitischen Stürmen, in der Zerstörungssucht,
in den Wirren des 30jährigen Krieges. Das praktische Handbuch
für die aufklärende Erziehung der Militärpersonen
sagt Ihnen, daß das èechische
Volk eine Taubennatur besitze. Wir aber wissen aus der Geschichte
und aus der Erfahrung, daß das nicht der Fall ist. Durch
das Wettrüsten zeigt die èechoslovakische Republik
am besten, welches Geistes Kind sie ist, welcher Geist sie beherrscht
und daß sie nicht daran denkt, auf dem
Wege friedlicher Vereinbarung irgendwelche Änderungen in
Zukunft an den Friedensverträgen vorzunehmen, in einer Zeit,
wo sogar die Großmächte sich dazu verstehen müssen,
einzugestehen, daß die Friedensverträge in der heutigen
Form nicht aufrecht erhalten werden können und daß
gewisse Änderungen werden vorgenommen werden müssen.
Bei unserer Einstellung zum èechoslovakischen Staate könnte
uns also die Haltung der deutschen Regierungsparteien vollständig
gleichgültig sein. Aber wir behaupten,
daß es unrichtig ist, wenn die deutsche Öffentlichkeit
über den Stand der Dinge hinweggetäuscht wird, wenn
man ihr vieles verschweigt, was im Interesse der Wahrheit gesagt
werden müßte. Es ist gewiß eine Unannehmlichkeit,
seine heutige Haltung den breiten Wählermassen plausibel
machen zu wollen und auch derartige unverdauliche Vorlagen verdaulich
zu machen. Es ist interessant, was die deutschen Regierungsparteien,
bzw. ihre Presse gerade darüber zu schreiben weiß.
Wir haben uns immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, welche
Begründung man eigentlich der eigenen Wählerschaft gegenüber
bringen wird, und wir waren erstaunt zu lesen und zu hören,
daß die deutschen aktivistischen Redner in den Versammlungen
draußen sich einfach auf den Grundsatz stellten, wie der
Abg. Kunz seinerzeit erklärte, daß es selbstverständlich
ist, daß die Parteien, die durch den Eintritt in die Regierung
den Staat anerkannt haben, ihm nun eben auch die Steuern und die
Soldaten bewilligen müssen. Wir waren erstaunt zu hören,
daß die "Deutsche Presse" ebenso wie die christlichsoziale
Partei nur Gewicht darauf legt, die unbegrenzte Verlängerung
der 18monatigen Dienstzeit zu beseitigen und eine Terminierung
für zwei Jahre verlangt. Noch verwunderlicher aber war es,
als wir am 16. Feber 1927 von den großen Erfolgen lasen,
welche die deutsche christlichsoziale Partei bei der Beratung
dieses Gesetzes erzielt hat, als wir nämlich am 17. Feber
lasen, daß es in erster Linie ihrer Einwirkung und ihrem
mannhaften Auftreten zu danken ist, daß die vormilitärische
Erziehung gefallen ist, ihrer erfolgreichen Bemühung der
18monatliche Präsenzdienst nur auf zwei Jahre verlängert
wird, weiter, daß die Landwehr geschaffen wird. "Wenn
dieses Projekt zur Durchführung gelangt, so ist es in erster
Linie unseren Vertretern im Parlament zu verdanken. Auch das ist
das Verdienst der deutschen christlichsozialen Abgeordneten, die
Heeresleitung von dem Plane die Fortdauer der längeren Dienstzeit
auf unbestimmte Zeit zu fordern, abgebracht zu haben." Nun,
meine Damen und Herren, was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist,
daß eine Terminierung der 18monatlichen Dienstzeit in gar
keiner Weise erfolgt ist, daß der Landesverteidigungsminister
Udržal sie ausdrücklich
abgelehnt hat und erklärt hat, er denke erst dann
daran, sie durchzuführen, bis er die 8000 Unteroffiziere
haben werde. Irgendwelche Garantien wurden nicht geschaffen. Man
sagt: "Wenn wir nicht dafür gewesen wären, dann
hätten eben die èechischen sozialistischen Parteien
dafür gestimmt." Nun, ich meine,
die deutschen Regierungsparteien hätten es darauf ankommen
lassen müssen, sie hätten die Probe auf das Exempel
zu machen gehabt. In gleicher Weise ist der angebliche Erfolg
bezüglich der Landwehr geradezu lächerlich. Denn was
wird nun mehr geschehen. Bei der jährlichen Assentierung
werden einfach 4000 junge Leute mehr assentiert werden, es werden
dann 8000 entlassen werden nach vielfachen Bittgängen und
Gesuchen und das wird man als besondere Gnade, als besonderes
Geschenk für diese selbständigen Existenzen darzustellen
wissen. Wie man damit umgehen wird, hat der Abg. Scharnagl
in der 176. Sitzung am 5. Dezember des Jahres 1922 gesagt,
als das Gesetz über die Erleichterung der Dienstpflicht der
Gegenstand der Aussprache war. Er sagte, daß die Deutschen
nicht zufrieden sein können, wenn wir von vornherein wissen,
daß diese Begünstigungen im Gesetze hauptsächlichst
dem Herrenvolke zugute kommen werden und daß erst an dritter
und vierter Stelle oder überhaupt nicht der deutsche Soldat
an die Reihe kommen werde. Genau so wie damals wird das selbstverständlich
auch heute sein. Genau so ist es auch mit der vormilitärischen
Jugenderziehung, denn der Herr Minister Udržal
hat ausdrücklich erklärt, daß
sie vorläufig zurückgestellt wurde aus finanziellen
Gründen. Im übrigen war es auch kein Verdienst der deutschen
Regierungsparteien, sie beseitigt zu haben, weil sich auch für
dieses Gesetz eine Mehrheit nicht gefunden hätte, genau so
wenig wie für die 18monatliche Militärdienstzeit. Die
Wahrheit ist und das muß neuerdings festgehalten werden,
daß die Dienstzeit vier Monate länger dauert, und wenn
sie länger dauert, daß nur die deutschen Regierungsparteien
daran schuld sind, weil sie dem Gesetze zugestimmt bzw. nicht
seine Abänderung verlangt haben.