Also genau so wie bei den indirekten Steuern,
trägt auch bei den direkten Steuern die werktätige Bevölkerung
die Hauptlasten, während für die Besitzklasse alle möglichen
Erleichterungen und Begünstigungen geschaffen werden. Mit
welcher Sorgfalt werden die Fatierungen der Bank- und Industrieunternehmungen
sowie der Geldmagnaten ausgearbeitet, wie vielfach werden Juristen
und Steuerfachleute zur Begutachtung als Ratgeber herangezogen,
wie werden die kühnsten Experimente angewendet, um dem Fiskus
ein Schnippchen zu schlagen! Man sucht in diesen Kreisen vergebens
nach der sogenannten Steuermoral. Sind an diesen trostlosen Zuständen
nicht auch die Finanzbehörden schuld? Der Steuerbeamte sollte
zugleich der Ratgeber und Vertrauensmann des Steuerträgers
sein, er soll die Wahrheit erforschen und dem Recht, gleichgültig,
ob es zugunsten des Fiskus oder des Steuerträgers geschieht,
zum Siege verhelfen. Wie strenge sind nach dieser Richtung die
Instruktionen in Deutschland! Wie sucht man dort die Steuermoral
mit rechtlichen und sittlichen Mitteln zu heben. Und bei uns?
Wenn so ein armer Steuerträger in bescheidener Weise an den
Schalter tritt und sich demütig eine Frage erlaubt, in wievielen
Fällen wird er da nicht angefahren und eingeschüchtert,
so daß er ratlos und verzagt aus dem Zimmer flüchtet!
Wie setzen nicht so viele Beamte ihren Stolz darein, die Steuerleistung
von Jahr zu Jahr zu erhöhen, um die Aufmerksamkeit von oben
auf ihre Tüchtigkeit zu lenken. Und wie machtlos und unbeholfen
steht die Mehrzahl der Steuerträger dieser Willkür gegenüber!
Ja, es steht ihm wohl das Recht zu, im Rekursweg gegen solche
Willkürakte anzukämpfen, aber es fehlt ihm die Rechtskundigkeit
und die Fähigkeit, um diesen Weg mit Erfolg zu beschreiten.
Und ist einer wirklich kundig, so wird es ein Leidensweg von jahrelanger
Dauer, bis er eine günstige Erledigung in den oberen Instanzen
findet. Inzwischen wird der Rechtfindende mit allen Schikanen
gequält, der Steuerexekutor wendet ihm seine besondere Aufmerksamkeit
zu, denn bekanntlich muß die vorgeschriebene Steuer erlegt
werden, gleichgültig ob sie zu Recht besteht oder nicht.
Er wird zur Steuerbehörde vorgeladen und dort wird mit allen
Mitteln auf ihn eingewirkt, seinen Rekurs zurückzuziehen.
All diesen Schikanen steht er wehrlos und ohnmächtig gegenüber.
Meist handelt es sich um solche Summen, die eine Zuhilfenahme
eines juristischen Beirates nicht vertragen, weil die Kosten hiefür
in vielen Fällen die Höhe des angefochtenen Betrages
erreichen oder übersteigen. Steuermoral kann daher nicht
einseitig verlangt werden und es muß die Finanzverwaltung
darauf achten, daß Ungerechtigkeit, Willkür und schikanöse
Behandlung auf alle Fälle vermieden werden. Aber noch eines!
Der administrative Apparat muß so funktionieren, daß
die Vorschreibungen unmittelbar erfolgen, daß die gesamte
Agenda ordnungsgemäß und rechtzeitig erledigt werde.
Wenn wir einen kleinen Blick in die Vorlage
selbst machen, um die Unterschiede, die sich da zwischen den besitzlosen
Klassen und den besitzenden Klassen ergeben, einer kritischen
Betrachtung zu unterziehen, so finden wir z. B. bei der Personaleinkommensteuer
neben der Lohnsteuer das Recht des Selbständigen auf eigene
Fatierung. Die Lohnsteuer wird unbekümmert abgezogen, wenn
das Lohneinkommen eine bestimmte Höhe wöchentlich oder
monatlich erreicht, während die Besitzenden, die Selbständigen
warten, bis das Jahr verflossen ist, bis es wirklich klar wird,
wie hoch sich ihr Einkommen beläuft, wie weit sie ihrer Fatierungspflicht
Genüge zu leisten haben. Genau so ist es mit dem Existenzminimum.
Das Existenzminimum ist nicht valorisiert, es bleibt weit hinter
dem zurück, was die Steuerträger zu fordern berechtigt
sind. Auf der anderen Seite aber sehen wir, daß die Besitzklasse
für das Jahr 1927 überhaupt keine Steuergrundlage hat
und daß sie sich in diesem Jahre austoben kann, um ihre
stillen Reserven und alle hinterzogenen Beträge zu realisieren,
indem ihr hier eine Atempause gewährt wird, um für die
weitere Anhäufung von stillen Reserven für die Zukunft
Raum zu schaffen.
Wenn wir uns die Erwerbsteuer ansehen, die
Schmälerung der Besteuerungsgrundlage, wenn wir die ungleiche
Behandlung betrachten, die zum Ausdruck kommt bei dem kleinen
Manne und bei den großen Industrieunternehmungen, bei den
kleinen Konsumgenossenschaften und bei den großen Industriebanken,
dann kommt uns wieder die Ungerechtigkeit so recht zum Bewußtsein,
die sich in der Steuerreform austobt. Wenn wir erwägen, daß
die Ersparungen der Banken durch die Steuerreform mindestens 40
% nach dem heutigen Betrag erreichen werden, wenn wir sehen,
daß 8 Banken in die Lage kommen, mindestens 50 Millionen
Kronen an Steuerlasten im Jahre nach dem neuen Steuersystem zu
ersparen, dann zeigt sich die Ungerechtigkeit gegenüber den
Steuerträgern in der Personaleinkommensteuer im vollen Lichte.
Und nicht nur hier, sondern auch bei der Hauszinssteuer, bei der
Hausklassensteuer sehen wir dasselbe Bild. Beobachten Sie, wie
der Schloßbesitzer und wie der Mieter behandelt wird, welche
Lasten dieser durch die Hauszinssteuer zu tragen hat, und Sie
finden wieder die Ungleichmäßigkeit der Behandlung
in einer ganz außerordentlichen Weise. Die Rentensteuer
bildet überhaupt keine Grundlage für die Besteuerung.
Der Staat, die Finanzbehörden glauben, sie müssen den
Weg für neue Staatsanleihen freimachen und suchen auf diese
Weise die Kapitalistenklasse zu gewinnen, um recht viel Staatsanleihen
in ihren Besitz zu übernehmen, und um so die Aufnahmsfähigkeit
des Marktes für Staatsrenten zu sichern.
In den Strafbestimmungen und in den Allgemeinen
Bestimmungen legen Sie das Recht des Steuerträgers in einseitiger
Weise fest. Mit einem Wust von Paragraphen, die förmlich
einem Drahtverhau mit Stacheldraht gleichen, umgibt sich die Finanzverwaltung,
schließt sie ihr Recht in völlig hermetischer Weise
ab und sagt den Zensiten: Ich gebe Euch zwar das Rekursrecht und
Ihr könnt im Berufungsverfahren Euer Recht suchen, aber vergesset
nicht, daß Euch auch die Kosten des Verfahrens auferlegt
werden können, während von mir die größten
Fehler gemacht, ja sogar parteiische Entscheidungen ungestraft
hinausgegeben werden können. Die Finanzverwaltung kennt zwar
die Haftung, die im bürgerlichen Gesetzbuch und im Handelsgesetz
festgelegt ist, sie weiß, daß auch der Richter in
bestimmten Fällen für seine Verfügungen haftet,
hütet sich aber sehr, hieraus die Konsequenzen zu ziehen
und auch in ihrem Wirkungskreis die Haftung, bezw. subsidiäre
Haftung der unterstellten Organe für deren Verfügungen
anzuerkennen. Zu der ungeheuren Macht des Obrigkeitsstaates kommen
also einseitig noch die allgemeinen und Strafbestimmungen in weit
stärkerem Maße, als dies jemals bestanden hat. Nicht
einmal so viel Recht geben Sie dem Steuerträger, daß
er die Komissionsmitglieder in die Steuer- und in die Berufungskommission
selbst wählen kann, Sie behalten es der Finanzverwaltung
vor, die Mitglieder zu ernennen und wollen von vornherein die
Dienstnehmer, also den weitaus größten Teil der Steuerträger
von diesem Amte ausschalten. Die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter
werden aus den Reihen der Finanzbeamten ernannt, also Personen,
von denen man nicht behaupten kann, daß sie frei und unbeeinflußt
entscheiden, und dies alles im Namen der Demokratie, im Namen
der Gerechtigkeit. Ja, die Herren von der Koalition bringen nicht
einmal den Mut auf, das Spitzel- und Angebertum, das sich heute
allerorts breitmacht und von den Fiskalisten in zärtlicher
Weise gehegt und gepflegt wird, zu beseitigen. Sind dies die Mittel
zur Hebung der Steuermoral? Man fühlt sich förmlich
ins Mittelalter versetzt und es fehlt nur noch das Recht, durch
brutale Folterungen die gewünschten Geständnisse von
den Steuerträgern zu erpressen.
Unter diesem Drucke leben alle Staatsbürger,
ob sie nun Anhänger der Majoritätsparteien oder der
Opposition sind, und Tausende von Flüchen werden von all
denen geschleudert werden, die unter den Härten dieser Bestimmungen
schuldlos werden leiden müssen.
Und nun ein Wort über die Strafbestimmungen.
Mit geradezu satanischer Härte greift man zu den schwersten
Strafen, mit Arrest und Geld sollen alle die bestraft werden,
die sich gegen dieses Gesetz vergehen. Uns fällt es nicht
ein, den zu einem System ausgearteten Steuerbetrug der Besitzklasse
auch nur im mindesten zu schützen, aber gerade die Besitzenden
werden Mittel und Wege finden, sich ihrer Pflicht zu entziehen,
hängen bleiben werden in den Maschen nur die Kleinen, die
Unwissenden. Für uns ist aber der Gedanke furchtbar, daß
eine Administrativbehörde Strafurteile fällen kann,
wo jedem Angeklagten die Verteidigung beengt ist, wo Kläger
und Richter in einer Person vereinigt ist. Haben wir nicht zur
Genüge das geheime Verfahren bei Gefällsübertretungen
kennen gelernt? Wissen wir nicht, daß hiebei die grausamsten
Ungerechtigkeiten verübt wurden? Alles im Namen des Gesetzes,
im Namen der Gerechtigkeit, im Namen der nimmersatten Finanzbehörden.
Als Kulturstaat sollen und müssen wir Rücksicht nehmen
auf die Öffentlichkeit, auf die Gesetzgebung und das herrschende
Recht in den Nachbarstaaten und sollen mit sittlichen Mitteln
die allgemeine Steuermoral erwecken. Straffolgen haben noch keinen
Mörder von der Ausführung vorsätzlichen Mordes
abgehalten, sie haben aber auch die Zahl der Schwerverbrechen
nicht zu vermindern vermocht und wir halten auch im Steuerrecht
die unerhörten Strafen nicht für das richtige Mittel,
abschreckend zu wirken.
Ziehen Sie die Öffentlichkeit im Steuerwesen
mehr heran, lassen Sie der gerechten Kritik freien Raum, unterdrücken
Sie nicht mit roher Gewalt die Kontrolle, so werden Sie damit
einen wirksameren Schutz gegen Lumperei und Steuerschwindel schaffen,
als durch die Strafbestimmungen dieses Gesetzes. Die Ungerechtigkeiten
der Strafbestimmungen und der Allgemeinen Bestimmungen, durch
welche den Finanzbehörden eine Machtfülle von Gewalt
und einseitiger Bevorzugung übergeben wird, reihen sich würdig
in dieses Reformgesetz ein und seinem ganzen Aufbau nach muß
es sich auswirken als ein Ausnahmegesetz, in welchem die besitzende
Klasse bevorzugt und gehätschelt wird, während der andere
Teil, die werktätige Bevölkerung, die große Masse,
trotz der schweren Belastung durch die indirekten Abgaben keinerlei
nennenswerte Erleichterung erfährt. Die Steuerreform ist
zu einem Klassengesetz im Klassenstaate geworden und wir sehen
die deutschen Landbündler, die Christlichsozialen, die Gewerbepartei,
wie sie jauchzend um ein paar Brosamen wegen die Interessen des
kleinen Mannes preisgeben und mit Haut und Haar dem großen
Kapital verkaufen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.
Und so fällt uns, der deutschen sozialdemokratischen
Arbeiterpartei, die Aufgabe zu, die Aufklärung hinauszutragen
in die Reihen unserer Brüder und Schwestern, sie aufzurütteln
aus der Dumpfheit und Verzweiflung, in welche sie eine ungerechte
Verteilung der Lasten gestürzt hat, und dann wehe, wehe Ihnen!
Die Geschichte kennt keine Ausnahme. Alle die, die sich heute
frohlockend auf ihre Macht stützen, sie werden Rede und Antwort
stehen müssen, und unsere Sorge wird es sein, daß ein
Strafgericht über sie herniedergehe, wie dieser unerhörte
Verrat es verdient. Eine Lehre können wir auch aus diesem
Reformwerk ziehen: Die heutige Gesellschaft ist unfähig,
die großen Probleme der Zeit zu lösen, dem Sozialismus
bleibt es vorbehalten, den heutigen Obrigkeitsstaat neu zu formen
und die Lasten gleichmäßig und gerecht aufzuteilen.
Die menschliche Arbeit ist die Quelle aller Werte, wie die Natur,
insbesondere die Erde, die Quelle aller Stoffe ist, in welchen
sich die Werte verkörpern. Die menschliche Arbeit wird aber
auch die Quelle der neuen Gesellschaftsreform, die im Sozialismus
verkörpert, Gleichheit und Recht zu schaffen berufen ist.
Im Namen meines Klubs, des Klubs der deutschen
sozialdemokratischen Arbeiterpartei, habe ich nachstehende Erklärung
abzugeben:
"Das erste Wort bei der Beratung der
Steuerreform im Plenum des Abgeordnetenhauses ist der entschiedenste
Protest gegen die Methoden, welche auch bei der Verhandlung dieses
umfangreichen Elaborates, das eine außerordentlich komplizierte
und schwierige Materie zum Gegenstande hat, von der Mehrheit des
Hauses angewendet worden sind. Vier Monate lang haben sich die
Verhandlungen im Budgetausschuß hingeschleppt, aber nicht
etwa, weil eine gründliche, gewissenhafte Beratung stattgefunden
hat, nicht, weil die Anregungen und Vorschläge der Opposition
in ernste Erwägung gezogen wurden, sondern weil die Beratungen
durch den Schacher im Schoße der Mehrheitsparteien immer
wieder unterbrochen wurden und oft auf Wochen hinaus ins Stocken
gerieten. In geheimen Koalitionsberatungen in der Osmièka,
welche offenbar die von deutsch-aktivistischer Seite angekündigte
Überwindung der Pìtka darstellen soll, ist der Regierungsentwurf
gründlich umgearbeitet worden, in der Geheimküche der
Koalition wurde die Reform gebraut. Die verfassungsmäßige
Körperschaft, der Ausschuß, durfte dann über die
Anträge der Mehrheitsparteien reden, aber zu sagen hatte
er nichts. Immer im letzten Momente, immer erst bei der Beratung
des bestimmten Kapitels wurden die Anträge der Regierungsmehrheit
vorgelegt, so daß die Opposition gar nicht in der Lage war,
sie gründlich zu studieren und die ganze gewissenhafte Vorbereitungsarbeit,
der wir uns unterzogen haben, fast völlig entwertet wurde.
So wurden die Beratungen eines Gesetzes von geradezu fundamentaler
Bedeutung für die Lebensverhältnisse der Bevölkerung
und die Entwicklungsmöglichkeiten der Volkswirtschaft zur
bloßen Formalität herabgedrückt. Aber die Krönung
dieser Methoden ist die Beratung im Plenum. Zur Verhandlung eines
Gesetzes von solchem Umfange und von solcher Bedeutung gibt man
uns gerade eine Woche Zeit. Nachdem die Steuerreform jahrelang
vorbereitet wurde, nachdem sie ein halbes Jahr im Hause gelegen
ist, soll nach dem Diktat der Mehrheit, dem sich das Präsidium
als willfähriges Werkzeug unterordnete, bis zum 12. Mai,
bis zu einem bestimmten knapp bemessenen Termin der Entwurf in
beiden Lesungen verabschiedet sein, damit auch die bloße
Kritik des Gesetzes in die der Koalition genehmen Grenzen gebannt
wird, damit auch die Möglichkeit, die Bevölkerung über
Inhalt und Auswirkungen der Neuregelung aufzuklären, auf
das von der Mehrheit gnädigst gestattete Maß reduziert
werden kann. In diesem Vorgehen erblicken wir eine Vergewaltigung
der Minorität, wie sie selbst in der an ähnlichen
Vergewaltigungen reichen parlamentarischen Geschichte der Èechoslovakei
vereinzelt dasteht. Aber dieser plumpe parlamentarische Trick
wird seine Wirkung verfehlen. Zu kraß ist das Unrecht, das
an den Massen der arbeitenden Bevölkerung auch durch
diese Steuerreform wieder begangen wird, zu deutlich ist die Begünstigung
der Besitzenden, die in ihr enthalten ist, als daß man die
Erkenntnis dieser Tatsache durch irgendwelche Mittelchen verhindern
könnte. Dieser Steuerreform ist das Urteil schon durch die
Feststellung gesprochen, daß sie eine Herabsetzung der direkten
Steuern just in einer Zeit vornimmt, da die breiten Massen die
Lasten der Verbrauchssteuern kaum mehr zu ertragen vermögen.
Die Zölle auf Getreide und Vieh, auf Fett und Fleisch, ja
selbst auf Kartoffeln und Heringe wurden erhöht, die Zuckersteuer,
das Spiritussteuer wurde hinaufgeschraubt, die Umsatzsteuer wird
mit wachsender Strenge eingetrieben, so daß sie trotz sinkenden
Konsums immer höhere Erträge liefert, aber die Steuern
für die Besitzenden, für die Industriellen und Landwirte
setzt man herab. Nach dem Voranschlag für 1927 betragen die
direkten Steuern 2.167 Millionen, die indirekten 6.494, ja wenn
man die Reinerträgnisse der Monopole und der Tabakregie,
die den Charakter indirekter Steuern haben, dazu rechnet, sogar
7.844 Millionen. Volle vier Fünftel der Steuerlasten bedrücken
den Massenverbrauch, gar nicht zu reden von den hunderten Millionen,
welche die Arbeiterklasse als Einkommensteuer entrichtet und die,
während gleichzeitig den Großkapitalisten alle möglichen
Begünstigungen und Nachlässe gewährt werden, von
den armseligen Löhnen mit aller Strenge und selbst für
die zurückliegenden Jahre eingetrieben worden sind. Aber
die Steuerreform setzt die Steuern für die Besitzenden herab.
Der Finanzminister Dr Engliš hat selbst zugeben müssen
- es geschah dies auf der Manifestationsversammlung der Industriellen
- daß die wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem einen
Abbau der von ihm als Geschäftssteuern bezeichneten indirekten
Steuern erfordern würden, die steigende Teuerung, die wachsende
Arbeitslosigkeit, das klägliche Lohnniveau machen die Abbürdung
aller Lasten, welche die Lebensbedürfnisse verteuern, zur
dringendsten Notwendigkeit, aber die Steuerreform setzt die Steuern
für die Kapitalisten und Agrarier herab.
Die Industriellen vor allem haben nach dieser
Reform geschrien und ihre Beschleunigung immer und immer wieder
verlangt. Das allein beweist uns schon, was das Wesen dieser Reform
ist. Wenn sich die Industriellen heute unzufrieden stellen, wenn
ihnen die Ermäßigung der Steuersätze, die einschneidende
Verkürzung der Bemessungsgrundlage, die Drosselung der autonomen
Umlagen noch zuwenig ist, so können solche Beschwerden niemanden
täuschen, der aus der Lektüre der Dividendenschätzungen
und Bilanzen ersehen kann, daß die kapitalistischen Unternehmungen
im Krisenjahr 1926, das so viel Not und Elend über die Arbeiterklassen
gebracht hat, fast durchwegs dieselben, ja zum Teil sogar höhere
Gewinne erzielt haben, als im Konjukturjahre 1925 und dies unter
der Geltung der jetzigen angeblich so unerträglich hohen
Steuersätze. Diese Tatsache beweist unwiderleglich, daß
die Steuerreform nicht den Zweck hat, der notleidenden Industrie
bessere Konkurrenzbedingungen zu schaffen, sondern daß sie
ausschließlich von der Tendenz erfüllt ist, die kapitalistischen
Profite noch zu vergrößern.
Aber geradezu aufreizend muß es wirken,
daß selbst die Agrarier die Gelegenheit benützen, auch
ihre wahrhaft ganz und gar unzureichende Steuerleistung noch herabzudrücken.
Seit der Einführung des geltenden Systems der direkten Steuern
hat sich die allgemeine Erwerbsteuer in den historischen Ländern
auf das Fünfzehnfache, die besondere Erwerbsteuer auf das
Einundzwanzigfache, die Personaleinkommensteuer auf das Hundertzwanzigfache,
die Grundsteuer aber nur auf das Vierfache vermehrt. Und trotzdem
wird auch diese Steuer noch herabgesetzt, das Steuerprivilegium
der Agrarier noch ausgebaut. Betrachten wir demgegenüber
die Behandlung der wirtschaftlich Schwachen. Heller für Heller,
Krone für Krone wird die Einkommensteuer von Lohn der Arbeiter
allwöchentlich eingetrieben, ohne Rücksicht darauf,
ob das Gesamteinkommen im Jahresdurchschnitt den Abzug rechtfertigen
würde, ohne Rücksicht darauf, ob Krankheit oder andere
drückende Lasten, die sonst Steuerermäßigungen
zur Folge haben, den Arbeiter treffen oder nicht. Beim Proletarier
erinnert sich der Staat der Erfüllung der Steuerpflicht bis
zum letzten Rest, beim Kapitalisten verläßt man sich
unter nicht ganz ernst gemeinten Strafandrohungen auf die Steuermoral.
Ja die Mehrheitsparteien haben die Stirn aufgebracht,
den Arbeitern für das zweite Halbjahr 1927 den doppelten
Steuerabzug aufzuerlegen. Während Sie den Kapitalisten im
Übergangsjahre die Möglichkeit geben, ihre Bilanzen
mit steuerfreien Reserven vollzustopfen und so den Eintritt in
das neue Steuersystem mit einem Extraprofit zu feiern, sollen
die Arbeiter in 6 Monaten die Steuern eines Jahres bezahlen und
die verspätete Erledigung der Koalitionspakeleien mit Hunger
und Elend büßen. Nicht minder empört uns die Lösung
des Problems des steuerfreien Minimums. Dieselbe Steuerreform,
die Spekulationsgewinne schonend genug behandelt, setzt das Existenzminimum
mit 7.000 Kronen fest, was nicht nur hinter der Steigerung der
Lebenshaltungskosten, sondern selbst hinter der Geldentwertung
weit zurückbleibt. Wenn diese Vorlage Gesetz wird, wird der
Millionär Hunderttausende an Einkommensteuer ersparen, aber
der arme Teufel wird nach wie vor sich den Bissen vom Mund absparen
müssen, um seiner Steuerpflicht zu genügen. Genau so
wie mit der Einkommensteuer verhält es sích mit allen
Ertragssteuern.
Sowohl dem kleinen Gewerbetreibenden wie dem
kleinen Landwirt wird ein steuerfreies Existenzminimum verweigert.
Die Steuerreform schont die Kapitalseinkommen, fördert die
Besitzanhäufung, läßt steuerfreie Abschreibungen
in weitestem Umfange zu, aber die harte Arbeit des kleinen Landwirtes,
die unsichere Existenz des Kleingewerbetreibenden wird neben der
Einkommensteuer noch mit Ertragssteuern belastet.
Wie die Arbeiter, so werden auch ihre Organisationen
behandelt. Während die agrarischen Genossenschaften fast
durchwegs steuerfrei bleiben, sollen die Steuersätze für
die Konsumgenossenschaften gegenüber der Regierungsvorlage
verdoppelt werden. Der Bespitzelung und der Denuntiation aber
wird durch neue Strafbestimmungen Tür und Tor geöffnet.
Der stolze Bau unserer genossenschaftlichen Organisation wird
auch durch diesen Angriff nicht erschüttert werden, aber
in offen zur Schau getragener Gehässigkeit gegen die Institutionen
der Arbeiterschaft tritt der arbeiterfeindliche Geist der Vorlage
geradezu handgreiflich zutage.
Vielleicht das größte Verbrechen
aber begeht die Reform an der Selbstverwaltung. Sie verstopft
die wichtigste Einkommensquelle der Gemeinden, sie unterwirft
ihr Budgetrecht nicht nur der formalen, sondern auch der materiellen
Kontrolle der Aufsichtsbehörden, die insbesondere nach Durchführung
der famosen Verwaltungsreform vom bürokratischen und fiskalistischen
Geist durchdrungen sein werden. Sie bedroht die Bürgermeister
mit Strafen, und selbst mit der Absetzung, falls sie mehr Sorge
für die sozialen und kulturellen Bedürfnisse ihrer Gemeinde
als Respekt vor den Steuerprivilegien der Besitzenden zeigen sollten,
sie macht die Finanzwirtschaft der Gemeinden von Zuschüssen
aus Fonds abhängig, in deren Verwaltung gleichfalls die Bürokraten
und die reaktionären Parteien das entscheidende Wort sprechen
werden. Das Gesetz über die Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper
wird so zum Totengräber der Selbstverwaltung und es wird
in dem Buch der Schande, das die Geschichte den deutschen Regierungsparteien
schreiben wird, auf einem besonderen Blatt mit unauslöschlichen
Lettern stehen, daß sie den deutschen Gemeinden, daß
sie dem letzten Rest deutscher Selbstverwaltung in diesem Staate
kapitalistischen Profitinteressen zuliebe einen geradezu tödlichen
Stoß versetzt haben.
Ganz im Geiste der materiellen Bestimmungen
sind auch die Vorschriften über das neue und vereinheitlichte
Steuerverfahren gehalten. Sie setzen ernannte Kommissionen an
Stelle gewählter, sie verdrängen die Arbeiterschaft
vollständig aus ihnen, sie schließen der Gleichberechtigung
der Geschlechter zum Hohn die Frauen von ihnen aus, kurz sie machen
auch die Steuerveranlagung zum Privileg der herrschenden Klassen.
Drakonische Straf- und Eintreibungsbestimmungen,
die für die kleinen Steuerträger unerträgliche
Härten mit sich bringen, werden für die besitzenden
durch Stundung, Abschreibung und Strafablaß ungefährlich
und unwirksam gemacht. Wenn das neue Steuerstrafverfahren gut
wäre, wozu bedürfte es dann neben den schon bestehenden
Gesetzen gegen die Presse noch eines besonderen Schutzgesetzes
für die Steuerbehörden und die Steuerkorruptionisten,
das der ohnehin überlasteten Klassenjustiz neue Opfer zutreiben
wird?
So ist die Steuerreform in ihrer Gesamtheit
und fast in allen ihren Einzelheiten ein würdiges Produkt
der bürgerlichen Klassenpolitik. Haß gegen die Arbeiter,
Haß gegen die Selbstverwaltung, Rücksichtslosigkeit
gegen die wirtschaftlich Schwachen, aber Botmäßigkeit
gegenüber den Besitzenden spricht aus allen Paragraphen.
Wir lehnen dieses Werk zur Gänze ab, und wenn wir uns bemüht
haben und auch im Plenum bemühen werden, es durch Abänderungsanträge
zu verbessern, so bedeutet dies keineswegs eine Zustimmung zu
seinen Grundzügen. Wir sagen vielmehr dem Entwurf und dem
ganzen System, dessen Ausdruck er ist, unseren schärfsten
Kampf an, den wir auch nach Gesetzwerdung der Vorlage fortführen
werden. Wir werden gegenüber dem Votum des Hauses das Urteil
der Bevölkerung über die Steuerpolitik der Mehrheit
anrufen und wir sind fest überzeugt, daß gerade diese
Steuerreform zur Aufklärung der Massen über den wahren
Inhalt bürgerlicher Politik wesentlich beitragen und die
bevorstehende Abrechnung der breiten Massen mit ihren offenen
und versteckten Feinden beschleunigen wird. (Souhlas
a potlesk poslancù nìm. soc.-demokratické
strany dìlnické.)