Hohes Haus! Die Beratungen über die Steuerreform
im Budgetausschuß und im Abgeordnetenhaus zeugen von dem
völligen Zusammenbruch und von der Hohlheit des èechoslovakischen
Parlamentarismus. Mit einer beispiellosen Geschwindigkeit, die
eine ernste und sachliche Beratung unmöglich machte, hat
der Budgetausschuß die Vorlage durchgepeitscht.
Die Erledigung der Arbeiten ist ein Rekord an Geschwindigkeit,
aber auch an Unverantwortlichkeit. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Zierhut.)
Ganz besonders gilt das von dem überaus
tief in die bestehenden Verhältnisse eingreifenden Gesetz
über die Regelung der Finanzen der territorialen Selbstverwaltungskörper,
über das wir noch besonders sprechen werden. So wird das,
was Sie Demokratie und Parlamentarismus nennen, in seiner ganzen
Hohlheit aufgezeigt und es wird uns leicht gemacht, den Massen
darzulegen, wie wenig Wert und Hoffnung man gerade auf das Parlament
zu legen braucht.
"Wir legen den Grund für unsere
Wirtschaft, vielleicht auf lange Jahre..." Mit diesen fast
feierlichen Worten hat der Herr Finanzminister Dr. Engliš
sein Exposée abgeschlossen, das er bei der Vorlage
des Gesetzentwurfes über die direkten Steuern im Budgetausschuß
gehalten hat.
Wenn wir heute, nach Abschluß der Beratungen
dieses Ausschusses, den Bericht des Budgetausschusses, der als
Druck Nr. 1000 dem hohen Hause zugekommen ist, überprüfen,
müssen wir feststellen, daß es wohl gelungen ist, die
Kodifizierung der Steuergesetzgebung, soweit sie die direkten
Steuern betrifft, durchzuführen. Dagegen kann man mit dem
sachlichen Inhalt keineswegs einverstanden sein. Wir Nationalsozialisten
fordern entsprechend unseren Parteigrundsätzen von einer
Neuordnung des gesamten Steuerwesens, daß sie das Ziel haben
muß, die Arbeit zu fördern, daß sie das arbeitslose
Einkommen zu treffen habe und vor allem den Boden-, Handels- und
Börsenwucher unmöglich mache. Die Abschaffung der ungerechten
indirekten Steuern - Verbrauchs- und Massensteuern - und die Durchsetzung
einer stark gestaffelten Einkommensteuer entspricht neben Aufstellung
höchstmöglicher Besteuerung des Renteneinkommens, der
Luxusaufwände und der Börsengewinne, den Forderungen
unseres Programmes.
Was leistet aber das Gesetz über die indirekten
Steuern? Zunächst stellen wir fest, daß es sich nicht
um eine wirkliche Steuerreform in dieser Vorlage handelt, da sich
die Gesetzesbestimmungen überhaupt nur auf die direkten Steuern
beziehen, während die Frage der indirekten Steuern vollkommen
unverändert bleibt. Die Ursache dieser halben Reform ist
ganz klar: das System der Besteuerung, das in der Èechoslovakei
durchgeführt wird, ist in kurzen Worten folgendes: immer
umfassendere Belastung der breiten Massen der Bevölkerung
mit Massensteuern und immer größere Befreiung der wirklich
großen Einkommen. Ganz wortwörtlich hat der Herr Finanzminister
dieses Ergebnis der Steuerreform in seiner
Rede im Budgetausschuß vom 8. April folgendermaßen
gekennzeichnet: "Die Bedeutung der Steuerreform für
unsere Wirtschaft beruht vor allem in der Möglichkeit, neue
Kapitalien zu schaffen." Daß diese Kapitalien nicht
bei den Kleingewerbetreibenden, Bauern, Arbeitern und Angestellten
sich bilden, ist klar, sie werden sich aber bei den ohnehin schon
großen Vermögen zu noch weiteren Vermögensvermehrungen
steigern. Wenn z. B. ein Einkommensteuerträger, der bei einem
Einkommen von Kè 630.000 bisher 153.587 Kè
Steuern zahlte, von nun ab nur mehr 93.000 Kè zahlen und
somit jährlich um mehr als 60.000 Kè mehr Einkommen
durch Steuernachlaß haben wird, dann bedeutet das tatsächlich
einen Zuwachs seines Einkommens um 10%. Die Tendenz
der Steuerreform wird uns durch folgende Feststellung klar;
1. Die Einkommensteuer wird stark ermäßigt,
wodurch in größtem Maße nur die großen
Einkommensteuerträger gewinnen.
2. Während diesen Millionengeschenke gemacht
werden, wird die Einkommensteuer infolge niedriger Festsetzung
der Einkommengrenze auf solche Schichten der Bevölkerung
ausgedehnt, die bisher faktisch keine Steuern bezahlten, durch
das System der Steuerabzüge vom Lohne.
3. Die Rentensteuer dagegen wird ermäßigt.
Zur gleichen Zeit steigen die Massensteuern ununterbrochen. Sie
bestehen derzeit aus folgenden Posten: Umsatzsteuer, welche im
Budget 1927 mit 1900 Milionen Kronen, figuriert, Zölle 1043
Millionen Kronen, Spiritussteuer 392 Millionen Kronen, Getränkesteuer
299 Millionen Kronen, Kohlensteuer 280 Millionen Kronen, Fahrkartensteuer
707 Millionen Kronen, Zündwarensteuer 19 Millionen Kronen,
Fleischsteuer 18 Millionen Kronen und Amtshandlungen 35 Millionen
Kronen, zusammen 4660 Millionen Kronen - was allein gegenüber
der Belastung mit Massensteuern im Vorjahr bei den gleichen Posten
einer Erhöhung von 800 Millionen Kronen gleichkommt.
Es vollzieht sich also, was ganz deutlich zu sehen ist, eine Umschichtung
der Einnahmsquellen des èechoslovakischen Staates, welche
das allergrößte Interesse der Bevölkerung
beanspruchen könnte und die sich darin ausdrückt, daß
der Umfang und die Bedeutung der Massensteuern im Rahmen des Staatshaushaltes
immer größer und größer werden. Tatsächlich
werden heute nicht viel mehr als 25% der gesamten Staatseinnahmen
aus den direkten Steuern gedeckt, während mehr als 3/4
aller Einnahmen den indirekten Steuern zuzurechnen sind. Wir geben
ohne weiteres zu, daß die Einnahmen aus den Massensteuern
der Finanzverwaltung angenehmer sind, weil sie den Vorzug haben,
rasch und ohne Widerstände eingetrieben zu werden und weil
sie bedeutende Summen in sehr kurzer Zeit aufzubringen vermögen.
Welche volkswirtschaftliche Folgen aber die Übersteuerung
des Konsums bringen muß, ist ganz klar: Sinken der Kaufkraft
und damit das Versiegen der Absatzmöglichkeit im Inland und
Arbeitslosigkeit.
Damit wird dieser Staat, der ohnehin mit einem
großen Teile seiner ganzen Industrie auf den Absatz im Auslande
angewiesen ist, in noch höherem Maße vom Export abhängig.
Was das aber für die Wirtschaft bedeutet, in welchem Maße
unsere Währung dadurch immer mehr vom Absatz im Ausland abhängig
wird, das ist eine Schicksalsfrage für die Existenz von Millionen
Menschen. Es muß an dieser Stelle festgestellt werden, daß
die Staatsleitung viele überaus wichtige und günstige
Zeitpunkte aus politischen Gesichtspunkten versäumte, die
zur Wiederanknüpfung alter Wirtschaftsbeziehungen geführt
hätten. Wir sind keine Anhänger nebelhafter internationaler
Wirtschaftsideen. Wir wissen aber, daß jede Abschnürung
der Staaten voneinander ohne Rücksicht auf die naturgegebenen
Verbindungen und auf die Lage im Raume, vernichtende Wirkungen
auslösen muß. Die politische Zerreißung Mitteleuropas
hat schwere wirtschaftliche Nachteile für diese Hälfte
des Erdteiles nach sich gezogen. Sie bedeutete nicht nur die Niederwerfung
eines weltpolitischen Faktors Deutschlands, wurde gleichzeitig
die Unterwerfung auch dieses Gebietes unter die Macht des Weltkapitalismus,
dessen Sitz heute New York ist. Der frühere Finanzsekretär
des britischen Schatzamtes William Graham, der bekanntlich
der Gründer des Finanztrusts ist, stellte fest, daß
die Verschuldung der europäischen Staaten in Amerika im Jahre
1924 12.000 Millionen Dollar, das sind rund 400.000 Millionen
Kè, betrugen, was eine Zinsenlast von
mehr als 20 Milliarden Kronen jährlich bedeutet. Amerika
ist damit zur größten Kapitalsmacht der Erde geworden,
die sich alle Staaten tributpflichtig macht. Das Wort Walther
Rathenaus ist wahr geworden: "300 Männer, die sich alle
gegenseitig kennen, beherrschen die Geschicke der Welt,"
und nach deren Willen soll "Wirtschaft das Schicksal"
der Völker und Staaten sein. Diese Worte können uns
auch den Schlüssel zur Beurteilung unserer Verhältnisse
geben. Wir erkennen, daß die Finanz heute die Schicksale
der Staaten und Völker nach ihren Bedürfnissen gestalten
will und sich überall häuslich einrichtet. Haben wir
nicht vor Kurzem erst die Überführung der Staatsnotenbank
in eine private Aktienbank erlebt, sehen wir nicht den überwuchernden
Einfluß des Bank- und Börsenjudentums auf allen Gebieten
des öffentlichen und Wirtschaftslebens? Ist nicht die ganze
Steuerreform ein einziger Ausdruck des absoluten Sieges der Bank-
und Börsenwelt?
Der Herr Finanzminister hat die Heranziehung
der breiten Massen der Arbeiter und Kleingewerbetreibenden, die
ein Einkommen von 7000 Kronen jährlich besitzen, zur Steuerleistung
damit begründet, daß er sagte: "Wir seien eben
ärmer geworden und müßten darum auf relativ viel
niedrigere Einkommen Steuern legen, als dies in der Vorkriegszeit
der Fall war." Diese Behauptung ist nur zum Teil richtig.
Sie stimmt insoferne, als wir heute einen größeren
Teil des Volkseinkommens an das auswärtige Geldleihkapital
abgeben müssen, als dies in der Vorkriegszeit der Fall war.
Das aber ist nicht die alleinige Ursache. Eine der wichtigsten
Tatsachen, warum unsere Wirtschaftsnot nicht zu beseitigen ist,
besteht in den für unsere Wirtschaft unerhört großen
Bankzinsen, die wir als Zinsknechtschaft bezeichnen. Die Mehrzahl
unserer Wirtschaftsbetriebe, die doch alle auf die Bankverbindungen
angewiesen sind, müssen auch heute noch mehr als 10% Verzinsung
bezahlen. Die Belastung unserer Volkswirtschaft mit Zinsen ist
unerträglich geworden. Sie beträgt mehr als das doppelte
der Friedenszeit. Wir arbeiten heute alle fast ausschließlich
für die Bankkapitalisten. Auf Goldwährung umgerechnet,
ist die Belastung der èechoslovakischen Wirtschaft heute
größer als die gesamte österreichische Wirtschaft
in der Vorkriegszeit, durch die Wiener Banken und durch die
böhmischen und mährischen Banken. Und das, obwohl das
österreichische Wirtschaftsgebiet, was volkswirtschaftliche
Ausdehnung, Kraft, Reichtum und Stabilität anlangt, doch
unendlich stärker und reicher war, als die Èechoslovakei.
Die Volkswirtschaft wird also systematisch
ausgesaugt. Gerade jetzt können wir wieder einmal sehen,
wie das Bankkapital seine Profite ins Trockene bringt. Wir erleben
jetzt an der Börse einen förmlichen Taumel. Kurssteigerungen
sind zu verzeichnen, die geradezu unglaublich in einer sogenannten
stabilisierten Wirtschaft klingen. Es stiegen im Laufe eines Jahres
Länderbankaktien von 604 auf 702, Schöller u. Co. von
2263 auf 2850, Skoda-Aktien von 719 auf 926, Prager Eisenindustrie
von 778 auf 1500, Solo von 662 auf 1365, Nordbahn von 2635 auf
5700, Koliner Spiritus von 1110 auf 2100, Nordböhmische Kohlen
von 1575 auf 3150, Königsdorfer Zement von 1620 auf 3480.
Es sind also Kurssteigerungen von 16 bis 110% zu verzeichnen,
d. h. es haben eine Reihe von Wertpapieren ihren Kurswert verdoppelt.
Aber das blieb ja nicht allein. Schon vorher sind die Staatsanleihen
gewaltig im Kurs gestiegen. So sind nach Berechnungen des "Prager
Börsen-Courier" also eine einwandfreie Quelle, die uns
das mitteilt, bis zum Ende Jänner 1927 die verschiedenen
Staatsanleihen um 31/4 Milliarden Kronen im Kurswert gestiegen.
Was bedeutet denn das? Der naive Spießbürger liest
die Kurssteigerungen in seinem Leibblatt und freut sich. Er hat
keine Ahnung, daß die Zeche er und alle jene Menschen zahlen
und erarbeiten müssen, die nicht zur ehrsamen Gilde der Bankkapitalisten
gehören. Um wie viele Millionen wird der Zinsetat der Banken
mehr ausmachen nach diesen Kurssteigerungen als bisher? Und alle
diese Millionen und Milliarden müssen die Arbeiter, Angestellten,
die darlehensuchenden Kleingewerbetreibenden, kurz alle wirklich
arbeitenden Menschen aufbringen. Der Finanzminister beklagt sich
über die Überspannung der Zinssätze, die Wirtschaft
leidet unter ihr, ja droht zusammenzubrechen und was geschieht?
Man macht eine Steuerreform, die dem Bankkapitalismus noch größere
Gewinne ermöglicht als bisher. In ihr triumphiert nicht nur
das sogenannte bürgerlich-konservative Regierungssystem,
sondern vor allem der durch sie zur restlosen Herrschaft gelangte
Bankkapitalismus.
Aber nicht nur das System der Verteilung der
Lasten haben wir bei der Besprechung der Steuerreform auszugreifen,
sondern auch die Höhe der laufenden Staatsausgaben. Wir haben
in den Jahren 1919 bis 1927 nicht weniger als 146,683 Millionen
Kronen ausgegeben und nur 135,863 Millionen Kronen eingenommen.
Der Staat lebt also zweifellos weit über
seine Verhältnisse. Er muß daher auch die drückendsten
Steuern einheben und wenn er auch auf der Seite der direkten Steuern
mit den vorliegenden Gesetzen eine Erleichterung schafft - für
welche Kreise, habe ich schon ausgeführt - verschärft
er doch die Besteuerung bei den indirekten Massensteuern. Wir
haben tatsächlich eine durchschnittliche Steuerbelastung
von 1207 Kronen pro Kopf und Jahr, was also nahezu 5000 Kronen
auf die vierköpfige Familie ausmacht. Das ist eine ungeheuer
große Summe. Und darum sind auch die indirekten Steuern
- Zucker, Getränke, Kohle, Verkehr usw. - so außerordentlich
hoch. Gegen diesen Steuerdruck gibt es nur ein Mittel: Herabsetzung
der Staatsausgaben für alle überflüssigen und entbehrlichen
Bedürfnisse.
Und nun zu den einzelnen Kapiteln der. Steuerreform!
Die Einkommensteuer ist im Durchschnitt um 40% des bisherigen
Steuersatzes ermäßigt worden. Das bedeutet eine sehr
große Entlastung der Steuerträger. Aber auch hier muß
man diesen Satz leider sehr stark einschränken. Durch die
Festsetzung der steuerfreien Einkommensgrenze auf nur 7000 Kronen
werden viele Tausende neue Steuerträger geschaffen und herangezogen.
Diese haben sich bisher der Steuerpflicht entzogen. Das
soll jetzt durch die Lohnabzüge verhindert werden. Wir haben
den Antrag gestellt, die Einkommensgrenze auf Kè 15.000
festzusetzen. Die Regierungsmehrheit hat der Aufwertung des Friedensbetrages,
der K 1600 betragen hat, nicht zugestimmt, obzwar
dies bei den Strafbestimmungen sehr ausgiebig geschieht. Das ist
deshalb besonders verwunderlich, weil ihr gewisse Kreise bisher
angehörten, die ein eminentes Interesse an der Erhöhung
der steuerfreien Einkommensgrenze haben. Das sind nicht nur die
Kleinlandwirte und Kleingewerbetreibenden, sondern auch die Arbeiter,
so schrieb die "Sudetendeutsche Arbeit", das Organ der
christlichsozialen Gewerkschaften: in Zwittau, in ihrem ersten
Heft des Jahres 1927 (Jänner-Feber-Ausgabe) wörtlich
Folgendes (auf Seite 30): "Es soll nicht verkannt
werden, daß die zwei Gesetzentwürfe über die èechoslovakische
Steuerreform einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustande
beinhalten. Die Arbeiterschaft ist allerdings mit dem Inhalt durchaus
nicht zufrieden. Die Höhe des steuerfreien
Einkommens ist mit 7000 K festgelegt. Wir müssen erneut darauf
hinweisen, daß das steuerfreie Einkommen auf wenigstens
14.000 K erhöht wird, und daß insbesondere kinderreichen
Familien größere Begünstigungen eingeräumt
werden, wie sie der Entwurf aufweist. Es ist eine unverzeihliche
Schattenseite des Entwurfes, daß er die Frage der indirekten
Steuern ganz unberührt läßt. Gerade diese Steuergruppe
ist es, die den Verbraucher am allermeisten bedrückt und
die Wirtschaft nicht wenig empfindlich schädigt." Wir
stellen fest, daß es den Christlichsozialen nicht gelungen
ist, die Forderungen ihrer Gewerkschaften durchzusetzen und daß
sie trotzdem für die Steuerreformgesetze stimmen, von denen
ihr eigenes Organ sagt, daß die Arbeiter mit ihrem Inhalte
nicht zufrieden sein können. Aber nicht nur in der Frage
der Höhe der steuerfreien Einkommensgrenze, auch in der Frage
der Abzugspauschalien waren die Regierungsparteien unerbittlich.
Wenn sie in der Frage der Steuerüberwälzung, Tragung
der Steuer durch den Unternehmer, die nach § 341 verboten
ist, in letzter Stunde eine Abänderung dahingehend einbrachten,
daß die Bestimmungen dieses Paragraphen erst ab 1. Jänner
1932 in Kraft treten soll, so kann man doch die Hoffnung aussprechen,
daß die bis dahin notwendig werdenden Parlamentsneuwahlen
den Angestellten und Arbeitern ebenso wie den fortschrittlich
gesinnten Gewerbetreibenden und kleinen Landwirten Gelegenheit
geben werden, eine Parlamentsmehrheit zu wählen, die hoffentlich
auf einem sozialeren Standpunkt stehen wird, als die heutige Mehrheit.
Der Steuerträger soll seine Steuer selbst
zahlen; diese Begründung ist äußerst sachlich
und scheint wie eine wissenschaftliche Formel, sie trägt
ohne weiters auf den ersten Blick das Zeichen der Richtigkeit.
Aber, meine Herren, wenn Sie von der Regierungsmehrheit konsequent
an der Durchführung dieses Grundsatzes festhalten, dann werden
wir sehr bald von einer ganzen Reihe von Steuern abgehen müssen.
Dann werden diese direkten Steuern ein anderes Gewand bekommen
müssen. Wie steht es z. B. mit der Hauszinssteuer? Auch die
Hauszinssteuer ist eine direkte Steuer und dürfte nach den
Aussprüchen des Herrn Finanzministers und aller Gleichgesinnten
nicht überwälzt werden. Und wie ist es in Wirklichkeit?
Zahlt die Hauszinssteuer tatsächlich der Hausbesitzer oder
zahlt sie nicht der Mieter? Können Sie mir irgendwo und irgendwann
einen Fall sagen, wo der Hausbesitzer diese Hauszinssteuer aus
Eigenem zahlen würde? Nirgends ist das so. Und ist das nicht
bei einer ganzen Reihe anderer Steuern ebenso? Werden nicht die
Steuern aller Art überwälzt? Sehen wir das nicht bei
allen Steuern, z. B. bei der Umsatzsteuer, selbst bei der pauschalierten,
wird diese nicht gleichfalls überwälzt? Überall
geht eine Überwälzung der Steuer von dem Steuerabführer
auf den eigentlichen Konsumenten vor sich und es ist keine Frage,
daß diese Redewendung: "Jede soll seine Steuer selbst
zahlen" ein sehr zwei schneidiges Schwert in den Händen
der Regierungsmehrheit und wie begründet dieser Standpunkt
ist. Wir haben ausführlich unseren Standpunkt bei den Beratungen
begründet und haben darauf hingewiesen, daß die Steuer
der Angestellten tatsächlich ein integrierender Bestandteil
des Einkommens Lohnes und Gehaltes darstellt. Wir haben auf Grund
einer ganzen Reihe von Beweiser förmlich diese Tatsache erhärtet
und nach gewiesen. Die Regierungsmehrheit hat sich nur zu einer
Verschiebung des Zeitpunktes entschossen, bis zu dem diese Gesetzesbestimmung
in Kraft tritt.
Wenn wir uns den anderen Steuerkategorien zuwenden,
so kommen wir zunächst zur Erwerbsteuer. Ich werde auch dieses
Kapitel nur ganz kurz besprechen, weil wir bei der Spezialdebatte
die Möglichkeit haben werden, dort ausführlich unseren
Standpunkt zu begründen. Die Erwerbsteuer bildet in ihren
beiden Formen den Gegenstand der schwersten Kämpfe nicht
nur der Opposition mit der Mehrheit, sondern auch innerhalb der
einzelnen Gruppen der Mehrheit selbst. Wenngleich die jetzige
Fassung unseren Anträgen noch lange nicht Rechnung trägt,
ist doch festzustellen, daß es wenigstens gelungen ist,
die ungeheuerliche Fassung der ersten Regierungsvorlage zu Fall
zu bringen. Wäre diese Gesetz geworden, dann hätten
wir die sonderbare Tatsache erlebt, daß alle Steuergruppen
eine Ermäßigung erfahren hätten, während
gerade der Kleingewerbetreibende eine Erhöhung seine Erwerbsteuer,
die für ihn wegen der Umlagenzuschläge von besonderer
Wichtigkeit ist, erlebt hätte. Das ist wenigstens zum Teil
verhindert worden. Die Hauszinssteuer erfährt ebenfalls eine
Ermäßigung. Diese ist aber in Wirklichkeit nur eine
scheinbare. Die Herabsetzung des Steuersatzes auf 12 bezw. 8%
wird deshalb in Wirklichkeit nicht ausgewertet werden, weil eine
Reihe von Abzugsposten, die früher möglich waren, jetzt
nicht mehr zugestanden werden und weil weiters auch die Bruttoertragssumme,
nicht so wie bisher die Nettosumme als Besteuerungsgrundlage dient.
Die Regelung der Grundsteuer ist auch durch das vorliegende Gesetz
nicht endgiltig erfolgt. Der seit fast einem Jahrhundert geltende
Kataster wurde auch diesmal einfach übernommen und die nötige
Reform der Besteuerung insbesondere des Großgrundbesitzes,
nicht durchgeführt. Die Rentensteuer und die Tantiemensteuer
zeigen am deutlichsten den Charakter der ganzen Vorlage auf. Schon
im Motivenbericht hieß es, daß auch nach dem 28. Oktober
1918 bei den verschiedenen staatlichen Emissionen im Interesse
der staatlichen Kreditpolitik die Befreiung der Rentensteuer diesen
Papieren zugesichert wurde, damit der Staatskredit nicht leide.
Hier gab die Finanzverwaltung ganz offen die Übermacht des
Bankkapitals über dem Staat und seinem Kredit zu, ein Zustand,
der den Staat und die Bevölkerung völlig in die Zinsknechtschaft
des Bankkapitals bringen muß. (Posl. Patzel: Diese
Abzugsposten haben seinerzeit die Èechen im Wiener Parlament
durchgesetzt!) Ja, das war einmal.
Ein bedeutendes Zeichen dafür, wie weit dieser Prozeß
bereits gediehen ist, kann in der Tatsache erblickt werden, daß
es den Großbanken geglückt ist, die Vorzugsstellung,
die bisher die Volksgeldanstalten, Sparkassen, besaßen,
zu beseitigen. Im § 179 wird der bisherige Unterschied zwischen
Sparkassen und Banken im Bezug auf die Rentesteuer beseitigt.
Während die Banken bisher 6% zahlten und die Sparkassen 3%,
wird der Steuersatz nun gleichmäßig auf 3% herabgesetzt
und dadurch den Banken eine große Überlegenheit verschafft.
Die Banken werden noch mehr als bisher die Sparanlagen an sich
reißen, während sie bestimmt nicht gewill sein werden,
die sozialen Funktionen der Sparkassen zu er füllen. Die
Sparkassen waren vor dem Kriege die Träger der Bautätigkeit
durch die Pflege und Gewährung des Hypothekarkredits, den
die Banken in der Regel überhaupt nicht pflegen, weil es
ihnen zu wenig Geld einbringt. Gerade durch die schlechte Lösung
der Krieganleihefrage und die noch immer nicht erfolgte Sanierung
der durch diese in Schwierigkeiten geratenen Sparkassen ist diese
wichtige Funktion unserer Sparkassen verhindert oder sehr eingeengt
worden. Auch das ist ein Kapitel zur Frage der Bauförderung.
Auch die Vermittlung des örtlichen Kreditbedarfes war eine
wichtige Aufgabe der Sparkassen, die die alle Einlagenaufsaugenden
und in den Zentralen verwendenden Bankinstitute niemals im ähnlichen
Umfange erfüllen. Tatsächlich ist es so, daß Sparkassen
den Hauptteil ihres Vermögens nicht nur verwalten, sondern
auch verwenden, während wir bei den Bankinstituten die Tendenz
sehen, Spareinlagen auch aus den kleinsten Orten einzuziehen,
sie in die Zentrale zu bringen und dort zu spekulativen Zwecken
zu verwenden und zwar in der Regel gegen die Interessen der Einleger
selbst und gegen die Interessen der kleinen Sparer.
Die Finanzverwaltung hat durch die Gleichstellung
der Sparkassen mit den Banken, indem sie die Rentensteuer auf
3%, also um 50% für die Banken ermäßigt, auf eine
große Steuersumme aus den Renten, also aus arbeitslosem
Einkommen verzichtet. Die Finanzverwaltung hat sich wiederholt
beschwert, daß wir, die Opposition, bei verschiedenen Steuerkategorien
die Herabsetzung der Steuersätze forderten. Nun verkehrt
sich der Zustand. Wir bieten der Finanzverwaltung die Möglichkeit
einer Mehreinnahme: wir beantragen die Erhöhung der Rentensteuer
auf den bisherigen Banksatz, d. i. auf 6% Bei der Rentensteuer
ist noch ein wichtiger Paragraph, nämlich die Zahl 16 im
§ 174, zu besprechen. Dort wird die Befreiung der
èechoslovakischen Nationalbank von der Rentensteuer ausgesprochen,
obzwar diese Bank eine ganz gewöhnliche auf Gewinn berechnete
Aktiengesellschaft ist, die vor anderen Gesellschaften nur den
Vorzug hat, daß sie ihren Gesellschaftern einen
gesetzmäßigen Gewinn von 6 resp. 8% verbürgt.
Auch diese Bestimmung ist ebenso wie die Umwandlung des Bankamtes
des Finanzministeriums in die sogenannte Nationalbank nur der
Beweis für die Sonderstellung des Bankkapitals in unserer
Wirtschaft und im Staate.