Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur
die Tatsache, daß die Absicht besteht, heute die Parlamentstore
zu schließen, veranlaßt mich heute hier einen Gegenstand
zu behandeln, der eigentlich ursächlich mit dem in Verhandlung
stehenden Gegenstand nicht im Zusammenhang steht. Der in Verhandlung
stehende Gegenstand wurde meines Erachtens zur Genüge und
vollständig nach allen Richtungen durch meine Kollegen Dr
Keibl und Matzner ausgeschöpft, die restlos
zu den einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzesantrages Stellung
genommen haben und die klipp und klar nachgewiesen haben, daß
es sich nicht um eine tatsächliche Unterstützung der
hartbedrängten Katastrophengebiete handelt, sondern
um eine großzügige Augenauswischerei der deutschen
Regierungsparteien. Es ist bezeichnend für die Art und Weise,
wie die deutsch-èechische Regierung in diesem Staate anläßlich
einer solchen gewaltigen Hochwasserkatastrophe, die über
das deutsche Gebiet Schlesiens und Nordböhmens hereingebrochen
ist, diese. Angelegenheit bagatellisiert, indem es der Herr Minister
des Innern nicht einmal der Mühe wert findet, hier im Hause
zu erscheinen und seine Erklärungen öffentlich abzugeben.
Ja, nicht genug daran, er unterläßt es sogar überhaupt,
auf der Regierungsbank zu erscheinen. Es ist aber bezeichnend
für alle Minister, daß sie es nicht der Mühe wert
gefunden haben, bei der Besprechung dieser für einen großen
Teil zumindest von Steuerzahlern wichtigen Sache Interesse aufzubringen
und hier im Hause zu erscheinen.
Es würde zu weit führen, wollte ich
diesen einführenden Worten zu diesem Gegenstande noch etwas
hinzufügen. Ich sehe nur die Verpflichtung in mir, bei dieser
Gelegenheit unbedingt auf die Tatsache hinzuweisen, daß
neben den Hochwasserkatastrophengebieten, die wir wiederholt schon
in den letzten Jahren als solche aufscheinen sahen, es auch Gebiete
gibt, in welchen sich diese Katastrophen in größeren
Zeiträumen wiederholen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit
nur darauf hinweisen, daß eines dieser Hochwassergebiete
auch den Weltkurort Karlsbad umschließt, der als eine der
wichtigsten Steuerquellen in diesem Staate entsprechend ausgepreßt
wird, dem man aber bis zum heutigen Tage nicht jenes Interesse
gewidmet hat, um die drohenden Hochwasserkatastrophen abzulenken.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß
bereits am 12. Juli 1921 (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
ein von mir eingebrachter Resolutionsantrag
von diesem Hause einstimmig angenommen wurde, in welchem die Regierung
aufgefordert wurde, das seit Jahrzehnten fertiggestellte Projekt
betreffend die Regulierung der Tepl endlich in Angriff zu nehmen.
Im Rahmen dieses Regulierungsprojektes, so hieß es in diesem
Resolutionsantrag weiter, ist die Errichtung von Talsperrbauten
vorgesehen, die den Weltkurort Karlsbad vor Überschwemmungskatastrophen
schützen sollen; die im Jahre 1890 eingetretene katastrophale
Überschwemmung hat einen Millionenschaden angerichtet. Nun
ist die Stadt Karlsbad auch im Frühjabr 1920 von einer gleichen
Katastrophe bedroht gewesen; es war nur dem Zufall, daß
damals die äußeren Zuflüsse der Nebentäler
sich nicht zu einem einzigen Hochwasser vereinigt haben, zu verdanken,
daß Karlsbad dieser ungeheuren Gefahr entronnen ist. In
der Frage der Wiederholung der Hochwasserkatastrophen hat es sich
erwiesen, daß solche Katastrophen sich in gewissen Zeiträumen
wiederholen und für Karlsbad hat man eine solche Zwischenzeit
von ungefähr 40 Jahren errechnet. Es steht daher zu befürchten,
falls diese Berechnung zutrifft, daß wir binnen wenigen
Jahren mit der nächsten Katastrophe zu rechnen haben, Katastrophen,
die in vergangenen Jahrhunderten ganze Teile von Karlsbad dem
Erdboden gleichgemacht haben. (Pøedsednictvi
ujal se pøedseda Malypetr.) Dies
zum Gegenstande selbst. Ich möchte nur bemerken, daß
obwohl diese Resolution am 12. Juli 1924 vom ganzen Hause einstimmig
angenommen wurde, man bis zum heutigen Tage nicht weiter herausgekommen
ist, als über die Abhaltung einer ganzen Reihe von Kommissionen
in diesem Gebiete, mit der jährlich wiederholten Zusicherung,
daß in dem Augenblicke, wo die Staatsfinanzen es gestatten
werden, endlich auch jene Subventionen flüssig gemacht werden,
die zur Ausführung dieser Talsperrbauten benötigt
werden. Das ist das System in diesem Staate. Es wird versprochen,
denn es handelt sich nur um deutsche Gebiete. In den èechischen
Gebieten wird ein ach gebaut, um nach außenhin mit der weiteren
Schiffbarmachung der Elbe protzen zu können,
dabei werden ungeheuere Millionensummen für den Ausbau der
Schiffahrtswege in diesem Staate herausgeworfen. (Výkøiky:
Das ist auch notwendig!) Gewiß, daß
ist auch notwendig, aber ich glaube, daß es die erste Pflicht
des Staates ist, jenen Bevölkerungsteil zu schützen,
der von solchen Hochwasserkatastrophen ständig bedroht ist.
Nachdem ich kurz zu diesem Gegenstand gesprochen
habe, will ich zu den einführenden Worten zurückkehren,
in welchen ich auseinandergesetzt habe, daß mich die Situation
zwingt, und zwar der beabsichtigte Schluß der Parlamentstagung
noch am heutigen Tage einen Gegenstand in Erörterung zu ziehen,
der neuerlich beweist, wie die deutsche Bevölkerung in diesem
Staate trotz der Versicherung des Ministerpräsidenten Švehla
"Gleiche unter Gleichen", auch unter der deutsch-èechischen
Regierung behandelt wird. Ich glaube, heute ist sich jeder einzelne
Bewohner in der Èechoslovakischen Republik schon dessen
bewußt geworden, daß auch nach Einsetzung der sogenannten
deutsch-èechischen Regierung die Deutschen
doch nur als Nation dritten oder vierten Ranges in diesem Staate
behandelt werden. Diese Tatsache wird durch Übergriffe der
politischen Behörden erster Instanz erhärtet, von den
andern Instanzen gar nicht zu sprechen, wobei ich mir bewußt
bin, daß diese ersten Instanzen immer nur über Weisung
der politischen Behörden zweiter Instanz handeln, nachdem
sich diese ihre Weisungen vom Ministerium des Innern geholt haben.
Was die Bevölkerung nach der Durchführung der sogenannten
Verwaltungsreform zu erwarten hat, erhellt schon aus dem Vorgehen
einer ganzen Reihe von Bezirksverwaltungen und ich möchte
in erster Linie das Vorgehen der Neudeker politischen Bezirksverwaltung
hervorheben, mit ihrem Bezirkshauptmann, besser gesagt Bezirkspascha
an der Spitze. Die Leitung des Bundes der Deutschen in Böhmen
hat bekanntlich schon vor Monaten um die Bewilligung zur Durchführung
der satzungsmäßigen Hauptversammlung und der damit
alljährlich im Zusammenhang stehenden Veranstaltung des Bundes
der Deutschen in Böhmen angesucht. Die Bewilligung
zur Durchführung dieser Veranstaltung wurde unter Zl. 1094/2
A vom 21. Mai 1927 zwar erteilt, jedoch unter folgenden einschränkenden
Bedinungen. Jetzt bitte ich besonders die anwesenden èechischen
Kollegen, soweit sie mit größeren
èechischen Veranstaltungen in ihrem Heimatgebiet betraut
sind, mir zuzuhören und bekanntzugeben, ob auch gegen èechische
Festveranstaltungen ähnlich vorgegangen wird. Die Bedingungen
lauten nun: 1. Das Tragen und Aushängen von schwarz-rot-goldenen
Fahnen wird verboten, ebenso wie das Tragen von Abzeichen in diesen
Farben und das Tragen von anderen verfassungswidrigen Abzeichen
und Emblemen. 2. Die Ausschmückung mit Blumen und Girlanden
bei Farbenzusammenstellungen, welche schwarz-rot-gold ergeben
könnten, wird ebenfalls verboten. 3. Zur Teilnahme sonstiger
Vereine und studentischer Verbände am Bundesfest ist die
Bewilligung unter Vorlage der Vereinsstatuten dieser Vereine bei
der Neudeker politischen Bezirksverwaltungs erforderlich. 4. Die
Teilnahme der Schuljugend an diesem unpolitischen Fest ist überhaupt
verboten.
Zu dieser Bestimmung ist zu sagen, daß
es geradezu unfaßbar ist, daß sich ein Leiter einer,
wenn auch nur untergeordneten Behörde, im 20. Jahrhundert
herausnehmen darf, das Tragen von Abzeichen und Fahnen in schwarz-rot-goldenen
Farben als verfassungswidrig zu bezeichnen. Es sollte dieser Leiter
der politischen Bezirksverwaltung in Neudek, dessen Aufgabe es
doch ist, für die Wahrung der öffentlichen Interessen
der bodenständigen Bevölkerung im Rahmen seines Gebietes,
u. zw. auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zu wirken, bekannt
sein, daß in der Verfassungsurkunde von verfassungswidrigen
Abzeichen und Emblemen überhaupt nicht die Rede ist, daß
weiter in den Abzeichen und Emblemen, sowohl des Bundes der Deutschen
in Böhmen, als auch anderer unzähliger deutscher Vereine,
u. zw. auf Grund der behördlichen Bewilligungen die schwarz-rot-goldenen
Farben enthalten sind, daß er also im Gegenteil auf Grund
der Verfassungsbestimmungen verpflichtet wäre, das
Tragen dieser behördlich gestatteten Abzeichen und Embleme
nicht nur zu gestatten, sondern in jeder Beziehung unbedingt zu
schützen vor den Übergriffen allfälliger aufgehetzter
èechischer Minderheiten. Wenn man diesen Vorgang an seinem
geistigen Auge vorüberziehen läßt,
erinnert man sich unwillkürlich an einen Ausspruch, den einmal
Staatspräsident Masaryk getan hat, u. zw. als er bei
einer Gelegenheit den Satz prägte, daß die Politik
kleiner Nadelstiche als dumm bezeichnet werden müsse. Wenn
man unter den Verbotsbestimmungen den Punkt 2 liest, daß
die Auschmückung mit Blumen und Girlanden, falls sich die
Zusammenstellung schwarz-rot-gold ergebe, verboten ist, so kann
man eine solche Verfügung gewiß als Musterbeispiel
einer sehr kleinlichen Nadelstichpolitik bezeichnen. Weiter ist
es geradezu als unsinnig zu bezeichnen, daß man all den
tausenden Vereinen, die auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen
seit Jahrzehnten ihre Vereinstätigkeit ausüben, heute
vorschreiben will, daß sie erst unter Vorlage der Vereinsstatuten
bei der Neudeker Bezirksverwaltung ansuchen müssen, ob sie
teilnehmen dürfen. Wir wissen genau, warum man solche Erlässe
hinausgibt. Man weiß, wenn die Deutschen wieder so ungeschickt
sein würden und diesen Erlaß befolgen würden und
tausende und abertausende Ansuchen einbrächten, so
werden diese Ansuchen eben nicht erledigt und diesen Vereinen
die Teilnahme an dieser Bundesveranstaltung unmöglich gemacht.
Das ist der Zweck der Übung und dies alles unter der Ägide
der èechisch-deutschen Regierung, unter
der Ägide der ständigen Regierungserfolge der deutschen
Regierungsparteien. Ich behaupte, daß alle diese Erlässe
und Bestimmungen auf nichts anderes hinauslaufen, als nationale
Veranstaltungen im sudetendeutschen geschlossenen Sprachgebiet
auf die Dauer unter Mithilfe der deutschen Regierungsparteien
unmöglich zu machen.
Aber weiter: In einem dieser Erlässe sie
kommen etappenweise heraus - am 7. d. M. hat der Bezirkshäuptling
in Neudek über Weisung von Prag die Teilnahme der deutschen
Schuljugend an diesem großen deutschen Fest verboten.
Nun bitte ich Sie, sich vor Augen zu halten, ob je bei einer Veranstaltung
èechischer Vereinigungen ein solches Verbot erlassen wurde.
Ich erinnere an die Durchführung des Sokolfestes oder auch
der Arbeiterolympiade, wo man Zehntausende
schulpflichtige Kinder in Reih und Glied mitmarschieren sah. Es
ist ganz merkwürdig, daß in dem Augenblicke, wo die
Devise "Gleiche unter Gleichen" ausgegeben wurde, ein
solch ungleiches Maß unter den Augen deutscher Minister,
ohne ihren Widerspruch zu finden, an den Tag gelegt werden kann.
(Výkøiky na levici.) Aber
als eine bewußte Störung des Festes muß es bezeichnet
werden, wenn in einem neuerdings herausgegebenen Ergänzungserlaß
der politischen Bezirksverwaltung Z. 1607/11 das Verbot herausgegeben
wird, daß sowohl auf den Sammelplätzen, als auch während
des Umzuges das Singen verboten wird. Ich bitte sich vor Augen
zu halten, daß bei einer solchen Festlichkeit 25.000, 30.000,
in Karlsbad sogar 70.000 Teilnehmer an dem Festzug gezählt
werden konnten. Man stelle sich vor, es wird diesen 50 bis 70
Tausend deutschen Teilnehmern von der politischen Bezirksverwaltung
sowohl auf den Sammelplätzen als auch während des Festzuges
das Singen verboten.
Pøedseda (zvoni): Prosím,
pane poslanèe, abyste mluvil k vìci.
Posl. inž. Kallina
(pokraèuje): Ich bin überzeugt, daß,
wenn ein solcher Erlaß einer èechischen Festveranstaltung
auch nur zugedacht werden könnte, ein Sturm der Entrüstung
platzgreifen würde. Ich behaupte sogar, daß der größte
Teil der èechischen Kollegen auf diesen Bänken es
geradezu für unmöglich hält, daß ein solcher
blödsinniger Erlaß überhaupt herausgegeben werden
kann. (Hluk.)
Pøedseda (zvoni): Volám
pana posl. inž. Kallinu
k poøádku.
Posl. inž. Kallina
(pokraèuje): In Verhandlung
stehen die Elementarkatastrophen. Das was ich hier geschildert
habe, spielte sich zu einem Zeitpunkte ab, wo die Verwaltungsreform
noch nicht in Kraft getreten ist. Ich bitte sich vor Augen halten
zu wollen, wie es erst aussehen wird, bis diese Elementarkatastrophe,
die mit Hilfe der deutschen Regierungsparteien über uns Sudetendeutsche
gebracht wurde, ihren Einfluß geltend machen wird, bis diese
Verwaltungsreform mit Hilfe der deutschen Regierungsparteien zum
Gesetze erhoben sein wird, die diesen Bezirkspaschas noch weit
größere Rechte in die Hände spielt. Sie können
sich vorstellen, wozu man diese Verwaltungsreform benützen
wird, um die Kirchhofsruhe über unsere sudetendeutschen Gebiete
aufzurichten. Die Zustände sind unhaltbar und es ist bedauerlich,
daß sich Deutsche gefunden haben, die dazu die Hand geboten
haben, daß eine solche Elementarkatastrophe über die
deutschen Sprachgebiete hereinbrechen konnte. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)