Wohl, im neuen Strafgesetzentwurf ist ja auch
manche Wendung zum Besseren zu finden; was aber bedeutet das,
gemessen an der großen Schuld! Es glauben so viele Menschen,
daß sie mit harten Strafmaßnahmen einen Damm gegen
den Strom des Übels aufrichten könnten, und dieselben
Menschen wehren sich mit Händen und Füßen dagegen,
daß man des Übels Quelle verstopfe. Jede Sozialpolitik
- man denke nur an den Kampf der Regierungsparteien gegen die
Sozialversicherung - ist ihnen ein Greuel, und so werfen sie denn
die Opfer des heutigen Systems lieber in das Strafhaus. Wie aber
sieht dieses Strafhaus aus! Die Kollegin Blatny hat eine
Reihe dieser Strafhäuser besucht und sie uns geschildert
als Stätten, in denen man sehr wenig von diesem
Zustande bemerken kann, den man mit dem Namen "Kultur"
belegt. Wir haben da fast ausnahmslos von überfüllten
Räumen, von schlechten Wasser- und Kanalanlagen, von rückständigen
Heizungs- und Beleuchtungseinrichtungen gehört, davon noch
gar nicht zu reden. daß die hauptsächlichste Aufgabe
unerfüllt bleibt, die Strafe nicht als ein Mittel zur Befriedigung
von Rachegelüsten, sondern als Mittel zur Besserung der Menschen
zu nützen. In diesem Staat, dessen Gefängnisse durchwegs
vollgestopft sind, hat man sich ja bekanntlich das Unglaubliche
geleistet, eine große Strafanstalt in eine Kaserne zu verwandeln
und die bisher dort untergebrachten 1200 Gefangenen in die anderen,
schon überfüllten Strafhäuser aufzuteilen, so daß
man Jugendliche mit rückfälligen Verbrechern zusammensperrte
und aus Strafhäusern, die Besserungsanstalten sein sollten,
Schulen des Verbrechens gemacht hat. In der großen Strafanstalt
Bory bei Pilsen, in der bekanntlich schon einmal eine Typhusepidemie
wütete, wurde festgestellt, daß das Nutz- und Trinkwasser
durch vom Rost zerfressene Röhren geleitet wurde, das Kanalwasser
in Verbindung mit dem Trinkwasser kam und daß diese Tatsache
lange Zeit hindurch immer und immer wieder durch das Physikat
hervorgehoben worden war, immer leider vergeblich. Man hat dort
den Sträflingen ein Essen verabreicht, in dem sich wohl kein
Fett, dagegen aber Mäusekot vorfand und dem Appetit der Sträflinge,
der darunter zu leiden begann, wurde mit Ohrfeigen nachgeholfen,
mit denen die Aufseher außerordentlich freigebig waren.
Nimmt man dazu das veraltete, kaum mehr funktionierende Heizsystem
und das ebenso schlimme Beleuchtungswesen, so kann man sich schon
ein Bild der Anstalt machen. Der neue Direktor dieser Anstalt,
der human ist und bessernd wirkte, geht jetzt aus mir unbekannten
Gründen aus dem Staatsdienst. Ähnlich sieht es in Mürau
aus, wo man zwar eine große Strafanstalt, aber keine Kanalisation
hat und der Staat noch immer mit dem Senkgrubensystem paradiert,
die Wasserröhren selbstverständlich auch vom Roste zerfressen
sind, im Sommer fast überhaupt kein Wasser da ist, so daß
man sich einen Begriff davon machen kann, was bei dieser Strafanstalt
der Ausbruch eines Feuers bedeuten würde, und ähnlich
steht es um die Musteranstalt Pankrác, wo man ebenfalls
keine Kanalisation kennt. Dazu überall Raumnot, das Zusammenpferchen
von Erstbestraften mit Vorbestraften, total veraltete Arbeitsmethoden
und Arbeitsbehelfe, sodaß der Sträfling aus dieser
Beschäftigung durchaus nichts für seinen späteren
Existenzkampf in der Welt sich aneignen kann, kurz: Überall
Zustände in den Gefängnissen, die ein Hohn sind auf
einen modernen Strafvollzug und eine Gefahr für die öffentliche
Gesundheit und Sicherheit. Es sieht also sehr traurig aus um die
Kultur. Die Bücher in den Gefängnisbibliotheken sind
ebenso wenig geeignet, im guten Sinn auf den Sträfling einzuwirken
und die Zeitung, die man für die Sträflinge einmal eingeführt
hat, war so oft schon der Gegenstand des Spottes gewesen, daß
ich darüber weitere Worte nicht mehr verlieren will. Man
hat diese "Noviny" einmal eine im Strafgesetz
nicht vorgesehene Strafverschärfung genannt und hat damit
vielleicht am besten den Nagel auf den Kopf getroffen. Es war
nicht schlechter, teilweise wesentlich besser im alten Österreich
und die Èechoslovakische Republik, die
mit ihrer Entösterreicherung auf keinem Gebiete sehr Erfreuliches
geleistet hat, darf sich am allerwenigsten rühmen, auf dem
Gebiete des Strafvollzuges fortschrittlicher zu sein, als es der
alte Kaiserstaat gewesen ist.
Es kommt dazu, daß dieser Staat mit neuen
Schreckgesetzen noch eine weitere Reihe von Fußangeln für
die Staatsbürger gelegt hat, sodaß also auch dadurch
schon viele Menschen, die alles andere, nur keine Verbrecher sind,
die Möglichkeit erlangen können, mit den soeben gekennzeichneten
Strafanstalten in engste Berührung zu kommen. Noch immer
besteht hier das Terrorgesetz, dessen Aufgabe es ist, den Widerstand
der Schwächeren gegenüber der Unterdrückung durch
die wirtschaftlich Starken nach Möglichkeit zu schwächen.
Man spricht Arbeiter nach dem Terrorgesetz schuldig, wenn sie
auf schwer belehrbare Kameraden einen Druck ausüben wollen,
damit sie nicht ein Werkzeug in der Hand des Unternehmers
bleiben; aber man läßt es ruhig zu, daß in Gemeinden,
die von Bürgerlichen verwaltet werden, die Arbeiter in den
städtischen Betrieben in gelbe Organisationen gepreßt
werden. Das hat man natürlich von allem Anfang an gewußt,
daß das so kommen werde, und es entspricht eben auch nur
dem Klassencharakter des Staates, daß er auf diesen Zustand
mit dem Terrorgesetz hingearbeitet hat. Noch immer ist die Demokratie,
die dieses Staates Leitstern angeblich sein soll, geschändet
durch das Schutzgesetz, durch ein Gesetz, mit dessen Hilfe man
sich aller unbequemen Personen entledigen kann, wessen man nur
will. Wir haben heute eine Regierungsmehrheit, die zum Teil aus
Parteien besteht, welche dieses Schutzgesetz ebenso scharf als
richtig als die Todeswaffe gegen die Demokratie bezeichnet haben,
aber wir haben anläßlich der Auslieferung von 5 oppositionellen
Abgeordneten an das Schutzgesetz gesehen, daß diese Parteien
inzwischen brav umgelernt haben und bereit sind, diese Schande
weiter zu verteidigen.
Über die Konfiskationspraxis habe ich
schon im Ausschuß gesprochen, ich könnte aus der Praxis
noch viele, viele Fälle anführen, die ein Beweis für
die totale Rechtsunsicherheit wären, die gerade auf diesen
Gebiete herrscht. Es ist bald so weit, daß eine Zeitung,
um sicher zu sein, daß sie nicht vom Staatsanwalt ruiniert
werde, nur die Meldungen der offiziellen und offiziösen Presse
nachdrucken dürfte. Aber selbst das wäre noch kein sicherer
Schutz gegen die Willkürakte der Staatsanwälte. Der
"Karlsbader Volkswille" hat einmal eine ihm durch seinen
Prager Korrespondenten telephonisch übermittelte Notiz des
"Prager Abendblattes", also eines Regierungsblattes,
nachgedruckt und der "Volkswille" ist damit prompt konfisziert
worden, denn der Staatsanwalt hatte gefunden, daß mit dieser
dem Regierungsblatt entnommenen Notiz eine ganze Anzahl schwerer
Vergehen gegen die Sicherheit des Staates begangen worden wäre.
Aber nicht einmal wir hier im Parlament haben einen Schutz. So
wurde gestern vom Präsidium dieses Hauses eine Vorbringung
meines Kollegen Kaufmann konfisziert, ein Zustand, an den
man im alten Kaiserstaate Österreich auch nicht gedacht hätte.
Doch wozu viele Worte verlieren. Das Zeichen
der angeblich freien demokratischen Republik ist Unfreiheit und
brutale Gewalttätigkeit gegenüber jedermann, der nicht
in das offizielle Horn mit hineinstößt.
Dem Staat, der in diesem Geiste regiert ist.
bewilligen wir keine Mittel, denn jede Krone, die wir ihm geben,
kommt doch nur in den Kriegsschatz, mit dem der Kampf gegen uns,
gegen die Masse des arbeitenden Volkes geführt wird. Wir
lehnen das Budget auch der Justizverwaltung ab, weil diese Verwaltung
schlecht ist, rückständig ist, gewalttätig ist.
Es kann uns die Tatsache, daß an der Spitze der Justizverwaltung
augenblicklich ein Deutschbürgerlicher steht, darüber
nicht hinwegtrösten, daß das nationale Unrecht auf
dem Gebiete der Rechtsprechung fortdauert und es kann uns nicht
mit Hoffnungen auf eine Besserung des sozialen Charakters in der
Justiz erfüllen, daß der Minister just einer der reaktionärsten
Parteien entnommen ist. Wir wissen, daß diese unsere Haltung
nichts ist als ein Protest, aber wir begnügen uns auch nicht
mit dem Protest. Die Parteien, die die heutige Mehrheit bilden,
haben nur den einen Zweck im Auge: damit die Reaktion zu festigen.
Aber was sie damit gegen ihren Willen tun, wird sich bald stärker
bemerkbar machen, als ihnen lieb ist: Indem sie den Zeiger der
Zeit zurückdrehen wollen, zeigen sie erst recht dem Volk,
wieviel es geschlagen hat. Das große Erwachen draußen
am Lande wird nicht ausbleiben.
Der internationalen Verständigung der
Bourgeoisie wird die Verständigung der Völker
folgen, der Abbau und endlich einmal der Sturz der Klassenherrschaft.
Wir begrüßen als eines der Zeichen dafür, daß
die Wirkung auf èechisch-proletarischer Seite schon eingetreten
ist, besonders die jüngsten Ausführungen des Genossen
Bechynì
in diesem Hause. Das Bündnis der Kramáø,
Spina und Mayr-Harting wird, was reif zum Fallen
ist, nicht aufhalten, es wird diesen Fall praktisch nur beschleunigen!
(Potlesk a souhlas nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, heute
leider nicht zum Gegenstand sprechen zu können, ich bedauere,
mich mit den Schulfragen nicht auseinandersetzen zu können
wie es notwendig wäre und obwohl Vieles und Wichtiges bei
dieser Gelegenheit zu sagen wäre.
Die Rede des Abg. Windirsch am gestrigen
Tage zwingt mich aber, mich zunächst mit seinen Ausführungen
zu beschäftigen, weil sie nicht unwidersprochen bleiben dürfen,
weil sie sonst geeignet wären, eine weitgehende Verwirrung
in der Öffentlichkeit anzurichten und weil sie von den geschichtlichen
Vorgängen während des Umsturzes leicht ein falsches
Bild in der Öffentlichkeit erzeugen könnten. Denn, was
Windirsch gestern gesagt hat, hat die Dinge geradezu auf
den Kopf gestellt und vollständig verdreht. Ich muß
allerdings sagen, daß ich so viel erbärmliche Würdelosigkeit
von dieser Tribüne aus noch niemals von einem deutschen Abgeordneten
erlebt habe und daß es mir schwer fällt, mich sachlich
damit auseinanderzusetzen, weil der in mir vorhandene Ekel darüber
zu groß ist.
Herr Abg. Windirsch gab zunächst
einen Rückblick über die sudetendeutsche Politik nach
dem Umsturz und basierte dabei auf einer Erklärung des Herrn
Ministerpräsidenten im Budgetausschuß am 8. November,
worin der Herr Ministerpräsident Švehla feststellte,
daß er seinerzeit die Deutschen zur Mitarbeit am Aufbau
des neuen Staates eingeladen habe. Eine darauf abzielende Aufforderung
soll damals an Dr Lodgman ergangen sein. Nun sagt Windirsch
wörtlich: "Wenn diese Mitteilung auf Wahrheit beruht,
woran nicht gezweifelt werden darf, dann hat schon zur damaligen
Zeit die deutsche Führung die größten politischen
Fehler begangen. Sie hat damals vollkommen versagt, so wie das
in verstärktem Maße auch in der Folgezeit in die Erscheinung
getreten ist." Es erscheint mir zunächst lächerlich,
daß Herr Windirsch sich anmaßt, heute ein Urteil
über die sudetendeutsche Führung in den Umsturztagen
und später abzugeben. Es erscheint mir lächerlich, daß
er heute so klug und gescheit sein will, rückschauend Dinge
festzustellen, die er als Erlebender nicht beeinflußt hat.
Er kommt auf Grund dieser Logik zu ganz merkwürdigen Schlüssen.
Er hat weiter in seiner Rede erklärt, daß das, was
damals sich abgespielt habe, eine Lächerlichkeit war. Die
deutschen Vertreter hätten nicht gewußt, schon im alten
Österreich nicht, was bevorstand. Sie mußten aber weiter
wissen, daß Wilsons Grundsatz der nationalen Selbstbestimmung
nur für den Sieger und nicht für den Unterlegenen geprägt
worden ist und daß, insoweit Böhmen in Betracht käme,
der Zusammenhang eines Landes, das topographisch und hydrographisch
von Natur aus ein Ganzes bildet und dessen Geschichte immer schon
einen einheitlichen Wesenszug genommen hat, nicht zerrissen werden
kann. Die deutschen Vertreter hätten nach dem Umsturz die
Groteske der deutsch-böhmischen Landesregierung aufgeführt
und er spricht von einer Episode politischer Lächerlichkeit,
die darin gelegen sein soll, daß die Tätigkeit dieser
Landesregierung eine lächerliche war und sich nicht durchzusetzen
imstande war. Nun, verehrte Anwesende, ich stelle hiezu nur fest,
daß damals alle deutschen Parteien an dieser sudetendeutschen
Freiheitsbewegeung beteiligt waren, alle Parteien ohne Ausnahme,
einschließlich der deutschen Sozialdemokraten und der Herren
vom Bund der Landwirte, wenn auch hier speziell nur der Name des
Dr Lodgman genannt wurde. Auch Windirsch war mit
beteiligt, wenngleich nicht in hervorragender Rolle. Er war während
des Krieges als unentbehrlicher Kriegsgetreidekommissär enthoben,
er war es, der den Bauern das Getreide herauspresste, allerdings
zu seinem persönlichen Vorteile, denn er lebte sehr gut von
der Bezahlung, die er dafür erhielt und er übte dieses
Amt weiter als Beamter des Ernährungsamtes bei einem monatlichen
Gehalt von 3000 Kronen aus. (Výkøiky posl.
Horpynky.) Er hätte Zeit und Gelegenheit
gehabt, damals seine Weisheit und sein Licht leuchten zu lassen.
Im übrigen wird durch diese Darstellung die Wahrheit geradezu
auf den Kopf gestellt, die Wahrheit, die bereits genügend
durch die Veröffentlichungen Dr Lodgmans, Seligers,
Rašíns, Benešs, Tusars und
Masaryks bekannt ist. Wenn Švehla heute die
Dinge anders darstellt und wieder darauf zurückkommt, als
habe er damals den Deutschen den Antrag zur Mitarbeit gestellt,
so wärmt er ein vielfach bereits widerlegtes Märchen
auf. Dr Lodgman hat darüber am 23. Dezember 1923 eine
ausführliche Darstellung geschrieben. Er hat später
neuerdings eine Erklärung veröffentlicht, als hier im
Hause der damalige Hauptberichterstatter des Budgetausschusses
Dr Srdínko wiederum auf diese bewußte Einladung
zurückkam. Er schrieb: Das, was Herr Dr Srdínko
als geschichtliche Tatsache auftischt, ist eine gänzlich
verworrene Darstellung, welche meine Anwesenheit in Prag am 30.
Oktober 1918 benützt, um die èechischen Politiker
wieder einmal als versöhnliche und demokratisch denkende
Menschen ins helle Licht zu setzen. Es ist also wohl nach all
dem klar, daß eine derartige Aufforderung an die deutschen
Parteien im Augenblick des Umsturzes nicht erfolgt
ist, sie würde auch den Worten Rašíns
widersprechen, der bekanntlich sagte: "Mit Rebellen verhandeln
wir nicht." Wenn es aber Švehla heute trotz besseren
Wissens wieder aufgreift, dann macht es mir den Eindruck, als
ob er die Schuld an den Vorfällen gern auf die anderen schieben
möchte und es ist merkwürdig, daß Herr Windirsch
trotz dieser klaren Darstellung auf deutscher Seite heute
Švehla, weil es ihm in den Kram paßt, mehr glaubt,
als den deutschen Gewährsmännern. Im übrigen, selbst
wenn es so gewesen wäre, wenn die Darstellung Švehlas
richtig ist, dann hat Švehla im Budgetausschuss sogar
versöhnende bzw. erklärende Worte gefunden, er sagte
nämlich ausdrücklich: "Ich kann heute sogar Lodgmans
Haltung begreifen; Völker können nicht über Nacht
vergessen, was geschehen ist, die Verhältnisse waren für
eine Versöhnung und Verständigung eben nicht reif."
Windirsch sagt, wie ich vorhin vorlas. daß die deutschen
Politiker der damaligen Zeit darüber im klaren sein mußten,
daß Wilsons Grundsatz von der nationalen Selbstbestimmung
nur für die Sieger und nicht für die Unterlegenen geprägt
worden ist. Er vergaß oder weiß wahrscheinlich nicht,
daß wir alle damals gläubigen Herzens die Worte Wilsons
aufnahmen, er vergaß, daß wir an die Ehrlichkeit der
Friedensunterhändler glaubten, denn das deutsche Volk hat
ja unter dem Zwange des Glaubens an das heilige Recht der Selbstbestimmung,
das Wilson verkündet hatte, seine Waffen abgeworfen und zur
Seite gestellt. Es ist wohl tiefbeschämend, wenn heute Windirsch
kommt und unsere ganze nationale völkische Freiheitsbewegung,
die getragen war von der idealen Begeisterung für dieses
heilige Recht der Selbstbestimmung, wenn er hinausgeht und diese
wichtige Periode der deutschen Geschichte als eine Groteske, als
eine Episode politischer Lächerlichkeit bezeichnet.
Wenige Menschen, behaupte ich, werden den traurigen Mut aufbringen,
in einer solchen perfiden Weise ihr eigenes Nest zu beschmutzen.
Bei den Èechen, behaupte ich, sind solche Charaktere kraft
ihres Nationalbewußtseins unmöglich,
denn, wenn bei den Èechen ein Mann aufgestanden wäre,
wie gestern Windirsch,
wenn jemand die Auslandsrevolution Masaryks, die Taten
der Legionäre derart lächerlich gemacht hätte,
der Mann wäre am nächsten Tage weggefegt worden von
dem Unmut der Bevölkerung, er wäre geradezu zerrissen
worden, er hätte sich nicht mehr in der Gesellschaft ehrlicher,
aufrichtiger Männer zeigen dürfen. (Posl. Knirsch:
Er ist Klubobmann des Bundes der Landwirte, der deutschen Bauern!)
Ich bedauere die Tatsache, daß die Deutschen in ihrer
Würdelosigkeit so tief gesunken sind. Sie sind außerordentlich
gerecht gegenüber den Gegnern, gegen sich selbst, gegen das
eigene Volk, gegen die eigenen Volksgenossen sind sie bis zur
Bewußtlosigkeit ungerecht, sie gehen in der nationalen Würdelosigkeit
so weit - um sich nur gefällig zu zeigen - Dinge zu behaupten,
die sich niemals oder nicht so zugetragen hatten. Das, was Windirsch
gestern hier gesagt hat, muß in schärfster Weise
mit der sittlichen Entrüstung aller deutschen Volkskreise
zurückgewiesen werden und deswegen bin ich gezwungen, mich
mit der Sache noch ein wenig zur Klarstellung zu beschäftigen.
Richtig ist, daß der Umsturz die deutschen Kreise unerwartet
getroffen hat, daß wir darauf nicht vorbereitet waren. Richtig
ist, daß das Selbstbestimmungsrecht, wie es Wilson verkündet
hatte, tatsächlich später nur für die Sieger galt.
Damals aber war es doch die Leimrute für den deutschen Gimpel,
damals glaubten wir daran, wie ich vorhin sagte. Wir glaubten
auch für uns an die friedliche Vereinigung mit dem deutschen
Mutterlande. Wir sahen nicht ein, wie Windirsch, daß
die topographischen und hydrographischen Verhältnisse von
Böhmen uns zwingen, unbedingt in diesem Lande zu bleiben,
wir sahen nicht ein, daß aus der Geschichte der Schluß
abgeleitet werden kann, daß wir auch für alle Zukunft
in diesem Lande zu bleiben gezwungen sind. Gerade die Geschichte
Böhmens zeigt ja, daß es durch Jahrhunderte
hindurch bis in die Neuzeit ein integrierender Bestandteil
des deutschen Reiches gewesen ist. Und dann, warum sollten uns
die topographischen und hydrographischen Verhältnisse zwingen,
hier zu bleiben, warum konnte die Grenze nicht längs der
Sprachgrenze gezogen werden? Das war hier in Böhmen ganz
ohne Zweifel leicht möglich, das war auch bei uns in Nordmähren
und Schlesien möglich, ja die topographischen und hydrographischen
Verhältnisse zwangen vielfach gerade zum Anschluß an
Deutschland, denn bei uns geht der Zug nach Preussisch-Schlesien
gegen Breslau hinaus. Das gleiche gilt von Südmähren,
wo die ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse nach Niederösterreich
gegen Wien hinzwingen. Wenn Windirsch daraus den Schluß
zieht, daß alles beisammenbleiben müßte, dann
verstehe ich die Logik und Geschichte nicht, warum man bei den
Friedensverträgen ausgerechnet gewisse Gebiete willkürlich
auseinandergerissen hat, warum man in Südmähren, bei
Gmünd, Znaim und Feldsberg willkürlich die Grenze gezogen
hat, mitten durch Teschen die Grenze legte, wo eigentlich auch
die wirtschaftlichen Verhältnisse dazu gezwungen hätten,
diese Gebiete beisammen zu lassen.
Diese Gründe sind in gar keiner Weise
maßgebend und zwingend. Und dann, meine Herren, was hätten
wir nach Herrn Windirsch im damaligen Zeitpunkte eigentlich
tun sollen? Sollten wir unsere Heimat mit den Waffen verteidigen?
Gewiß, es hätte das sehr viel für sich gehabt.
Gewiß, ich persönlich stehe auch auf dem Standpunkte,
wenn es möglich gewesen wäre, daß wir unser Recht
bei der Friedenskonferenz dann ganz anders hätten durchsetzen
können - siehe die Kärntner bei der Verteidigung ihres
Landes - wenn es möglich gewesen wäre, ein Heer zur
Verteidigung aufzubringen. Aber vergegenwärtigen Sie sich
den Zustand, in dem wir uns damals befanden: Unser Heer dezimiert
durch die schweren Verluste, die die Regimenter während
des Krieges erlitten haben, noch zum Schluß aufgerieben
beim vergeblichen Ansturm, als sie beim Übergang der èechischen
Regimenter noch einmal in die Front eingesetzt worden waren. Die
Wenigen kamen nach einer Reise voller Demütigung nachhause
zurück. Sie hatten ihr nacktes Leben gerettet. Wer wollte
damals von unseren Leuten noch kämpfen? Es ist begreiflich,
daß die Begeisterung nicht sehr groß war. Und die
Heimat? Die Heimat, das Hinterland war zermürbt und ausgehungert,
verhungert, während auf der anderen Seite, in den
èechischen Gegenden, Getreide und Lebensmittel zur Genüge
vorhanden waren. Es war wenig verlockend, den Kampf weiter zu
führen und weiter zu hungern. Wem sollen wir heute daraus
einen Vorwurf machen? Der sudetendeutschen Landesregierung?
Was hätte sie angesichts dieser Verhältnisse tun sollen?
Oder dem Volke, daß es nicht weiter kämpfen wollte?
Auch das nicht. Denn das Volk in seiner Zermürbtheit hörte
auf die Mießmacher und Nutznießer, wie sie sich damals
zuhause während des Krieges und nach dem Umsturz umtrieben.
Und dann dürfen wir nie vergessen, daß die Èechen
als Verbündete der Entente das sudetendeutsche Gebiet besetzten.
Hätten wir gegen die Verbündeten der Entente, gegen
die Heere der Entente kämpfen sollen?
Herr Windirsch ist heute sehr gescheit
und sagt, wie man es hätte besser machen können und
sollen. Er hält es für einen schweren Fehler, daß
damals die sudetendeutsche Landesregierung Böhmen verlassen
hat, daß sie geflohen ist. Bei uns im Sudetenlande, in Troppau,
ist die Landesregierung des Sudetenlandes geblieben, und der macht
man wieder den Vorwurf, daß sie geblieben und nicht hinausgegangen
ist, um die Möglichkeit einer Auslandspropaganda werktätig
auszunützen. Warum haben damals die Herren das Land verlassen?
Weil sie das Beispiel Masaryks und Beneš's und
ihrer Auslandspropaganda hatten, die gezeigt hatten, das es oftmals
wichtiger ist, im Auslande zu arbeiten als in der Heimat tatenlos
zusehen zu müssen. Wenn die Herren gefangengesetzt worden
wären, hätten sie wahrscheinlich wenig Gelegenheit gehabt,
für das deutsche Volk in seiner Notlage arbeiten und wirken
zu können. Sie haben die Zeit reichlich ausgenützt,
haben Aufklärung hinausgetragen bis zu den Friedenskongressen.
Wir wissen gut, daß allerlei aufklärende Schriften
damals verbreitet wurden. Ich verweise z. B., daß wir selbst
im Kuhländchen eigens Schriften verfertigt haben nur aus
Furcht, daß bei der Neuaufteilung des ganzen Gebietes, bei
Zuerkennung des Selbstbestimmungsrechtes an die Deutschen, wir
in dem Zwickel dort vielleicht dann im èechischen
Staate bleiben würden. Wir wissen, daß diese Schriften
bis zu den Friedenskongressen überall hin getragen wurden.
Und was hat es uns genützt? Nichts, gar nichts. Wem sollen
wir deshalb heute einen Vorwurf machen? Uns
selbst? Daß wir nicht mehr tätig waren? Die Macht der
Lüge war stärker als die Macht unseres Rechtes, und
wir wissen, daß diese Friedenskongresse damals unter dem
Zwange falscher Vorstellungen handelten, daß sie belogen
und betrogen wurden. Siehe Beneš's Memoire III! Warum
macht Herr Windirsch dem Herrn Außenminister Beneš
der damals mit seinen Schriften die Wirklichkeit verschleierte,
uns in diesen Staat auf Grund dieser erlogenen Schriften hereinbrachte,
nicht diesen Vorwurf? Wir wissen heute aus den Veröffentlichungen
Masaryks, Beneš's, Lloyd Georges und anderer,
wie das gemacht wurde, daß die Herren keine Ahnung von der
Zusammensetzung der Bevölkerung, von den Grenzen usw. hatten.
Wir wissen, daß Wilson später darunter seelisch schwer
gelitten hat. Heute sitzt derselbe Herr Windirsch, der
sich als Geschichtsprofessor wohl wenig Ruhm erwerben würde,
mit Herrn Beneš auf derselben Bank. Er hat
das alles vergessen. So, meine Herren, auf diese Weise, mit diesen
Mitteln, kamen wir in den èechoslovakischen Staat
herein.
Nun frage ich: Sollten wir uns gleich ergeben,
überlaufen zum Feinde, Verrat üben, all das vergessen,
vergessen das Wort Masaryks beim Betreten des Landes,
der ausdrücklich sprach: "Der Staat wird ein èechischer
Staat sein?" Sollten wir vergessen all die Taten der Legionäre,
die tausenden Deutschen das Leben gekostet hatten? Es ist begreiflich,
behaupte ich - und Švehla hat uns Recht gegeben -
daß wir uns wehrten, daß wir den Staat, der ohne unser
Wissen und ohne unser Zutun und gegen unseren Willen entstanden
war, der nur als Nationalstatt aufgebaut worden war, ablehnten.
Alle Lebensäußerungen des neuen Staates waren gegen
uns gerichtet: Verfassungsgesetz und vieles andere, die Bodenreform,
das Sprachengesetz und dergleichen, alles Äußerungen,
die gegen das deutsche Volk gerichtet waren, wie auch seine sonstigen
Handlungen gegen die deutschen Beamten und Unterbeamten, gegen
die deutschen Offiziere und Unteroffiziere u. s. w. Die Èechen
tobten sich aus und wir Deutschen waren
machtlos, wehrlos, eingeschüchtert. Es war eben Revolution,
wie die Èechen heute sagen, auf èechischer Seite,
dann aber auch auf deutscher Seite. Damals waren alle deutschen
Parteien einig, einig in der Abwehr gegen diesen unerhörten
Druck. (Posl. Knirsch: Auch die deutschen
Agrarier waren darunter!) Auch die deutschen Agrarier
gaben mit den anderen deutschen Parteien gemeinsam die staatsrechtliche
Erklärung ab, in der sie erklärten, daß sie nie
die Èechen als Herren anerkennen werden, daß
die Gesetze, die ohne unsere Mitwirkung herausgekommen waren,
für uns moralisch nicht verpflichtet sind. (Pøedsednictvi
pøevzal místopøedseda Zierhut.) Damals,
wenn Sie wollen, waren alle deutschen Parteien negativ, wenn das
ein Ausdruck sein soll. (Posl. Knirsch: Der Landbündler
Maixner war ja Landeshauptmannstellvertreter der Landesregierung!)
Allerdings. Wir waren auch damals keine Irredentisten, wie
uns heute vielfach vorgeworfen wird, weil es keinen Zweck gehabt
hätte, in der damaligen Weltkonstellation uns niemand geholfen
hätte, und weil uns die Irredenta vielleicht auch von Haus
aus gar nicht liegt. Es wurde oft der Witz gesagt, daß wir
zur Durchführung der Irredenta erst einen behördlich
bewilligten Verein mit behördlich genehmigten Statuten brauchen.
Wir unterhielten uns wohl über die Methoden von Irland und
die indischen Methoden usw., und damals mag manches kräftige
Wort in unserer Not gesprochen worden sein, das man uns heute
stark verübelt. Sie erinnern sich an Dr Lodgmans
Wort, das er damals sprach: "Wenn das Bekenntnis zum
Deutschtum heute in diesem Staate schon Hochverrat sein soll,
ich bitte, dann ist es für uns Pflicht, Hochverrat in diesem
Staate zu treiben." Heute wirft man mir vor, das Wort, das
ich gesprochen habe und gestern geschah es wieder durch den Abg.
Hodina - das Wort von dem Wälderanzünden. Ich
habe einmal gesagt: Wenn man uns unsere Wälder wegnehmen
wird, wird es vielleicht klüger und gescheiter sein, wir
würden sie vorher anzünden, damit sie uns nicht verloren
gehen. Ich habe gesprochen von der Qual, die uns heute
durch die Minderheitsschulen im deutschen Sprachgebiete zugefügt
wird, von diesen Kristallisationspunkten der fortschreitenden
Èechisierung, die sich nur deshalb im deutschen Sprachgebiet
erhalten können. weil eben die
Deutschen das geduldig hinnehmen und sagte, man möge unsere
Geduld nicht auf die Probe stellen, sonst könnte die Zeit
kommen, wo wir vielleicht mit Revolvern und mit Mistgabeln diese
èechischen Hetzer aus dem Sprachgebiet hinaustreiben werden.
Das alles wird uns heute neuerdings vorgeworfen,
weil es angeblich nur Worte waren, denen die Taten mangelten,
und dergleichen mehr. Aber die Herren sind von all dem sehr rasch
abgerückt, sie lieben nicht mehr erinnert zu werden an die
Worte, die sie ehemals selbst gebrauchten. (Posl. Knirsch:
Køepek hat von dieser Steile aus die Revolution an die
Wand gemalt!) Aber diese unsere Worte waren
doch nichts anderes als Zeichen sittlicher Entrüstung, waren
nichts anderes als das Ergebnis unseres aufschäumenden Lebenswillens
gegen diesen unerhörten Druck. Oder hätten wir all das
hinnehmen sollen? Wir bekennen uns trotzdem heute noch ruhig zu
diesen Worten, wir rücken gar nicht davon ab (Souhlas
poslancù nìm. strany národní.), in
gar keiner Weise, wir geben nichts dazu, wir nehmen aber
auch nichts weg. Wir schämen uns unserer Vergangenheit nicht,
wie viele der Herren, die ehemals radikale Schönerianer waren,
aber heute weitestgehende èechoslovakische Aktivisten geworden
sind. (Výkøiky posl. Horpynky.) Die
Deutschen waren niemals, wie die Geschichte zeigt, Revolutionäre,
sie waren es auch nicht in diesem Staate, sie sind es heute nicht.
Auch das muß wieder einmal festgestellt werden, denn wenn
wir, alle Deutschen, in der Ablehnung des Staates einig gewesen
wären, damals oder heute, dann behaupte ich immer und immer
wieder, dann könnte dieser Staat überhaupt nicht bestehen;
gegen 31/2 Millionen Deutsche, gegen 31%
Sudetendeutsche, wäre es unmöglich, zu regieren. (Posl.
inž. Kallina: Wenn sie einig wären!) Wenn
sie einig wären, wie ich sagte.