Úterý 29. listopadu 1927

Wohl, im neuen Strafgesetzentwurf ist ja auch manche Wendung zum Besseren zu finden; was aber bedeutet das, gemessen an der großen Schuld! Es glauben so viele Menschen, daß sie mit harten Strafmaßnahmen einen Damm gegen den Strom des Übels aufrichten könnten, und dieselben Menschen wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, daß man des Übels Quelle verstopfe. Jede Sozialpolitik - man denke nur an den Kampf der Regierungsparteien gegen die Sozialversicherung - ist ihnen ein Greuel, und so werfen sie denn die Opfer des heutigen Systems lieber in das Strafhaus. Wie aber sieht dieses Strafhaus aus! Die Kollegin Blatny hat eine Reihe dieser Strafhäuser besucht und sie uns geschildert als Stätten, in denen man sehr wenig von diesem Zustande bemerken kann, den man mit dem Namen "Kultur" belegt. Wir haben da fast ausnahmslos von überfüllten Räumen, von schlechten Wasser- und Kanalanlagen, von rückständigen Heizungs- und Beleuchtungseinrichtungen gehört, davon noch gar nicht zu reden. daß die hauptsächlichste Aufgabe unerfüllt bleibt, die Strafe nicht als ein Mittel zur Befriedigung von Rachegelüsten, sondern als Mittel zur Besserung der Menschen zu nützen. In diesem Staat, dessen Gefängnisse durchwegs vollgestopft sind, hat man sich ja bekanntlich das Unglaubliche geleistet, eine große Strafanstalt in eine Kaserne zu verwandeln und die bisher dort untergebrachten 1200 Gefangenen in die anderen, schon überfüllten Strafhäuser aufzuteilen, so daß man Jugendliche mit rückfälligen Verbrechern zusammensperrte und aus Strafhäusern, die Besserungsanstalten sein sollten, Schulen des Verbrechens gemacht hat. In der großen Strafanstalt Bory bei Pilsen, in der bekanntlich schon einmal eine Typhusepidemie wütete, wurde festgestellt, daß das Nutz- und Trinkwasser durch vom Rost zerfressene Röhren geleitet wurde, das Kanalwasser in Verbindung mit dem Trinkwasser kam und daß diese Tatsache lange Zeit hindurch immer und immer wieder durch das Physikat hervorgehoben worden war, immer leider vergeblich. Man hat dort den Sträflingen ein Essen verabreicht, in dem sich wohl kein Fett, dagegen aber Mäusekot vorfand und dem Appetit der Sträflinge, der darunter zu leiden begann, wurde mit Ohrfeigen nachgeholfen, mit denen die Aufseher außerordentlich freigebig waren. Nimmt man dazu das veraltete, kaum mehr funktionierende Heizsystem und das ebenso schlimme Beleuchtungswesen, so kann man sich schon ein Bild der Anstalt machen. Der neue Direktor dieser Anstalt, der human ist und bessernd wirkte, geht jetzt aus mir unbekannten Gründen aus dem Staatsdienst. Ähnlich sieht es in Mürau aus, wo man zwar eine große Strafanstalt, aber keine Kanalisation hat und der Staat noch immer mit dem Senkgrubensystem paradiert, die Wasserröhren selbstverständlich auch vom Roste zerfressen sind, im Sommer fast überhaupt kein Wasser da ist, so daß man sich einen Begriff davon machen kann, was bei dieser Strafanstalt der Ausbruch eines Feuers bedeuten würde, und ähnlich steht es um die Musteranstalt Pankrác, wo man ebenfalls keine Kanalisation kennt. Dazu überall Raumnot, das Zusammenpferchen von Erstbestraften mit Vorbestraften, total veraltete Arbeitsmethoden und Arbeitsbehelfe, sodaß der Sträfling aus dieser Beschäftigung durchaus nichts für seinen späteren Existenzkampf in der Welt sich aneignen kann, kurz: Überall Zustände in den Gefängnissen, die ein Hohn sind auf einen modernen Strafvollzug und eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit. Es sieht also sehr traurig aus um die Kultur. Die Bücher in den Gefängnisbibliotheken sind ebenso wenig geeignet, im guten Sinn auf den Sträfling einzuwirken und die Zeitung, die man für die Sträflinge einmal eingeführt hat, war so oft schon der Gegenstand des Spottes gewesen, daß ich darüber weitere Worte nicht mehr verlieren will. Man hat diese "Noviny" einmal eine im Strafgesetz nicht vorgesehene Strafverschärfung genannt und hat damit vielleicht am besten den Nagel auf den Kopf getroffen. Es war nicht schlechter, teilweise wesentlich besser im alten Österreich und die Èechoslovakische Republik, die mit ihrer Entösterreicherung auf keinem Gebiete sehr Erfreuliches geleistet hat, darf sich am allerwenigsten rühmen, auf dem Gebiete des Strafvollzuges fortschrittlicher zu sein, als es der alte Kaiserstaat gewesen ist.

Es kommt dazu, daß dieser Staat mit neuen Schreckgesetzen noch eine weitere Reihe von Fußangeln für die Staatsbürger gelegt hat, sodaß also auch dadurch schon viele Menschen, die alles andere, nur keine Verbrecher sind, die Möglichkeit erlangen können, mit den soeben gekennzeichneten Strafanstalten in engste Berührung zu kommen. Noch immer besteht hier das Terrorgesetz, dessen Aufgabe es ist, den Widerstand der Schwächeren gegenüber der Unterdrückung durch die wirtschaftlich Starken nach Möglichkeit zu schwächen. Man spricht Arbeiter nach dem Terrorgesetz schuldig, wenn sie auf schwer belehrbare Kameraden einen Druck ausüben wollen, damit sie nicht ein Werkzeug in der Hand des Unternehmers bleiben; aber man läßt es ruhig zu, daß in Gemeinden, die von Bürgerlichen verwaltet werden, die Arbeiter in den städtischen Betrieben in gelbe Organisationen gepreßt werden. Das hat man natürlich von allem Anfang an gewußt, daß das so kommen werde, und es entspricht eben auch nur dem Klassencharakter des Staates, daß er auf diesen Zustand mit dem Terrorgesetz hingearbeitet hat. Noch immer ist die Demokratie, die dieses Staates Leitstern angeblich sein soll, geschändet durch das Schutzgesetz, durch ein Gesetz, mit dessen Hilfe man sich aller unbequemen Personen entledigen kann, wessen man nur will. Wir haben heute eine Regierungsmehrheit, die zum Teil aus Parteien besteht, welche dieses Schutzgesetz ebenso scharf als richtig als die Todeswaffe gegen die Demokratie bezeichnet haben, aber wir haben anläßlich der Auslieferung von 5 oppositionellen Abgeordneten an das Schutzgesetz gesehen, daß diese Parteien inzwischen brav umgelernt haben und bereit sind, diese Schande weiter zu verteidigen.

Über die Konfiskationspraxis habe ich schon im Ausschuß gesprochen, ich könnte aus der Praxis noch viele, viele Fälle anführen, die ein Beweis für die totale Rechtsunsicherheit wären, die gerade auf diesen Gebiete herrscht. Es ist bald so weit, daß eine Zeitung, um sicher zu sein, daß sie nicht vom Staatsanwalt ruiniert werde, nur die Meldungen der offiziellen und offiziösen Presse nachdrucken dürfte. Aber selbst das wäre noch kein sicherer Schutz gegen die Willkürakte der Staatsanwälte. Der "Karlsbader Volkswille" hat einmal eine ihm durch seinen Prager Korrespondenten telephonisch übermittelte Notiz des "Prager Abendblattes", also eines Regierungsblattes, nachgedruckt und der "Volkswille" ist damit prompt konfisziert worden, denn der Staatsanwalt hatte gefunden, daß mit dieser dem Regierungsblatt entnommenen Notiz eine ganze Anzahl schwerer Vergehen gegen die Sicherheit des Staates begangen worden wäre. Aber nicht einmal wir hier im Parlament haben einen Schutz. So wurde gestern vom Präsidium dieses Hauses eine Vorbringung meines Kollegen Kaufmann konfisziert, ein Zustand, an den man im alten Kaiserstaate Österreich auch nicht gedacht hätte.

Doch wozu viele Worte verlieren. Das Zeichen der angeblich freien demokratischen Republik ist Unfreiheit und brutale Gewalttätigkeit gegenüber jedermann, der nicht in das offizielle Horn mit hineinstößt.

Dem Staat, der in diesem Geiste regiert ist. bewilligen wir keine Mittel, denn jede Krone, die wir ihm geben, kommt doch nur in den Kriegsschatz, mit dem der Kampf gegen uns, gegen die Masse des arbeitenden Volkes geführt wird. Wir lehnen das Budget auch der Justizverwaltung ab, weil diese Verwaltung schlecht ist, rückständig ist, gewalttätig ist. Es kann uns die Tatsache, daß an der Spitze der Justizverwaltung augenblicklich ein Deutschbürgerlicher steht, darüber nicht hinwegtrösten, daß das nationale Unrecht auf dem Gebiete der Rechtsprechung fortdauert und es kann uns nicht mit Hoffnungen auf eine Besserung des sozialen Charakters in der Justiz erfüllen, daß der Minister just einer der reaktionärsten Parteien entnommen ist. Wir wissen, daß diese unsere Haltung nichts ist als ein Protest, aber wir begnügen uns auch nicht mit dem Protest. Die Parteien, die die heutige Mehrheit bilden, haben nur den einen Zweck im Auge: damit die Reaktion zu festigen. Aber was sie damit gegen ihren Willen tun, wird sich bald stärker bemerkbar machen, als ihnen lieb ist: Indem sie den Zeiger der Zeit zurückdrehen wollen, zeigen sie erst recht dem Volk, wieviel es geschlagen hat. Das große Erwachen draußen am Lande wird nicht ausbleiben.

Der internationalen Verständigung der Bourgeoisie wird die Verständigung der Völker folgen, der Abbau und endlich einmal der Sturz der Klassenherrschaft. Wir begrüßen als eines der Zeichen dafür, daß die Wirkung auf èechisch-proletarischer Seite schon eingetreten ist, besonders die jüngsten Ausführungen des Genossen Bechynì in diesem Hause. Das Bündnis der Kramáø, Spina und Mayr-Harting wird, was reif zum Fallen ist, nicht aufhalten, es wird diesen Fall praktisch nur beschleunigen! (Potlesk a souhlas nìm. soc. demokratických poslancù.)

3. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 59 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Ich bedaure, heute leider nicht zum Gegenstand sprechen zu können, ich bedauere, mich mit den Schulfragen nicht auseinandersetzen zu können wie es notwendig wäre und obwohl Vieles und Wichtiges bei dieser Gelegenheit zu sagen wäre.

Die Rede des Abg. Windirsch am gestrigen Tage zwingt mich aber, mich zunächst mit seinen Ausführungen zu beschäftigen, weil sie nicht unwidersprochen bleiben dürfen, weil sie sonst geeignet wären, eine weitgehende Verwirrung in der Öffentlichkeit anzurichten und weil sie von den geschichtlichen Vorgängen während des Umsturzes leicht ein falsches Bild in der Öffentlichkeit erzeugen könnten. Denn, was Windirsch gestern gesagt hat, hat die Dinge geradezu auf den Kopf gestellt und vollständig verdreht. Ich muß allerdings sagen, daß ich so viel erbärmliche Würdelosigkeit von dieser Tribüne aus noch niemals von einem deutschen Abgeordneten erlebt habe und daß es mir schwer fällt, mich sachlich damit auseinanderzusetzen, weil der in mir vorhandene Ekel darüber zu groß ist.

Herr Abg. Windirsch gab zunächst einen Rückblick über die sudetendeutsche Politik nach dem Umsturz und basierte dabei auf einer Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten im Budgetausschuß am 8. November, worin der Herr Ministerpräsident Švehla feststellte, daß er seinerzeit die Deutschen zur Mitarbeit am Aufbau des neuen Staates eingeladen habe. Eine darauf abzielende Aufforderung soll damals an Dr Lodgman ergangen sein. Nun sagt Windirsch wörtlich: "Wenn diese Mitteilung auf Wahrheit beruht, woran nicht gezweifelt werden darf, dann hat schon zur damaligen Zeit die deutsche Führung die größten politischen Fehler begangen. Sie hat damals vollkommen versagt, so wie das in verstärktem Maße auch in der Folgezeit in die Erscheinung getreten ist." Es erscheint mir zunächst lächerlich, daß Herr Windirsch sich anmaßt, heute ein Urteil über die sudetendeutsche Führung in den Umsturztagen und später abzugeben. Es erscheint mir lächerlich, daß er heute so klug und gescheit sein will, rückschauend Dinge festzustellen, die er als Erlebender nicht beeinflußt hat. Er kommt auf Grund dieser Logik zu ganz merkwürdigen Schlüssen. Er hat weiter in seiner Rede erklärt, daß das, was damals sich abgespielt habe, eine Lächerlichkeit war. Die deutschen Vertreter hätten nicht gewußt, schon im alten Österreich nicht, was bevorstand. Sie mußten aber weiter wissen, daß Wilsons Grundsatz der nationalen Selbstbestimmung nur für den Sieger und nicht für den Unterlegenen geprägt worden ist und daß, insoweit Böhmen in Betracht käme, der Zusammenhang eines Landes, das topographisch und hydrographisch von Natur aus ein Ganzes bildet und dessen Geschichte immer schon einen einheitlichen Wesenszug genommen hat, nicht zerrissen werden kann. Die deutschen Vertreter hätten nach dem Umsturz die Groteske der deutsch-böhmischen Landesregierung aufgeführt und er spricht von einer Episode politischer Lächerlichkeit, die darin gelegen sein soll, daß die Tätigkeit dieser Landesregierung eine lächerliche war und sich nicht durchzusetzen imstande war. Nun, verehrte Anwesende, ich stelle hiezu nur fest, daß damals alle deutschen Parteien an dieser sudetendeutschen Freiheitsbewegeung beteiligt waren, alle Parteien ohne Ausnahme, einschließlich der deutschen Sozialdemokraten und der Herren vom Bund der Landwirte, wenn auch hier speziell nur der Name des Dr Lodgman genannt wurde. Auch Windirsch war mit beteiligt, wenngleich nicht in hervorragender Rolle. Er war während des Krieges als unentbehrlicher Kriegsgetreidekommissär enthoben, er war es, der den Bauern das Getreide herauspresste, allerdings zu seinem persönlichen Vorteile, denn er lebte sehr gut von der Bezahlung, die er dafür erhielt und er übte dieses Amt weiter als Beamter des Ernährungsamtes bei einem monatlichen Gehalt von 3000 Kronen aus. (Výkøiky posl. Horpynky.) Er hätte Zeit und Gelegenheit gehabt, damals seine Weisheit und sein Licht leuchten zu lassen. Im übrigen wird durch diese Darstellung die Wahrheit geradezu auf den Kopf gestellt, die Wahrheit, die bereits genügend durch die Veröffentlichungen Dr Lodgmans, Seligers, Rašíns, Benešs, Tusars und Masaryks bekannt ist. Wenn Švehla heute die Dinge anders darstellt und wieder darauf zurückkommt, als habe er damals den Deutschen den Antrag zur Mitarbeit gestellt, so wärmt er ein vielfach bereits widerlegtes Märchen auf. Dr Lodgman hat darüber am 23. Dezember 1923 eine ausführliche Darstellung geschrieben. Er hat später neuerdings eine Erklärung veröffentlicht, als hier im Hause der damalige Hauptberichterstatter des Budgetausschusses Dr Srdínko wiederum auf diese bewußte Einladung zurückkam. Er schrieb: Das, was Herr Dr Srdínko als geschichtliche Tatsache auftischt, ist eine gänzlich verworrene Darstellung, welche meine Anwesenheit in Prag am 30. Oktober 1918 benützt, um die èechischen Politiker wieder einmal als versöhnliche und demokratisch denkende Menschen ins helle Licht zu setzen. Es ist also wohl nach all dem klar, daß eine derartige Aufforderung an die deutschen Parteien im Augenblick des Umsturzes nicht erfolgt ist, sie würde auch den Worten Rašíns widersprechen, der bekanntlich sagte: "Mit Rebellen verhandeln wir nicht." Wenn es aber Švehla heute trotz besseren Wissens wieder aufgreift, dann macht es mir den Eindruck, als ob er die Schuld an den Vorfällen gern auf die anderen schieben möchte und es ist merkwürdig, daß Herr Windirsch trotz dieser klaren Darstellung auf deutscher Seite heute Švehla, weil es ihm in den Kram paßt, mehr glaubt, als den deutschen Gewährsmännern. Im übrigen, selbst wenn es so gewesen wäre, wenn die Darstellung Švehlas richtig ist, dann hat Švehla im Budgetausschuss sogar versöhnende bzw. erklärende Worte gefunden, er sagte nämlich ausdrücklich: "Ich kann heute sogar Lodgmans Haltung begreifen; Völker können nicht über Nacht vergessen, was geschehen ist, die Verhältnisse waren für eine Versöhnung und Verständigung eben nicht reif." Windirsch sagt, wie ich vorhin vorlas. daß die deutschen Politiker der damaligen Zeit darüber im klaren sein mußten, daß Wilsons Grundsatz von der nationalen Selbstbestimmung nur für die Sieger und nicht für die Unterlegenen geprägt worden ist. Er vergaß oder weiß wahrscheinlich nicht, daß wir alle damals gläubigen Herzens die Worte Wilsons aufnahmen, er vergaß, daß wir an die Ehrlichkeit der Friedensunterhändler glaubten, denn das deutsche Volk hat ja unter dem Zwange des Glaubens an das heilige Recht der Selbstbestimmung, das Wilson verkündet hatte, seine Waffen abgeworfen und zur Seite gestellt. Es ist wohl tiefbeschämend, wenn heute Windirsch kommt und unsere ganze nationale völkische Freiheitsbewegung, die getragen war von der idealen Begeisterung für dieses heilige Recht der Selbstbestimmung, wenn er hinausgeht und diese wichtige Periode der deutschen Geschichte als eine Groteske, als eine Episode politischer Lächerlichkeit bezeichnet. Wenige Menschen, behaupte ich, werden den traurigen Mut aufbringen, in einer solchen perfiden Weise ihr eigenes Nest zu beschmutzen. Bei den Èechen, behaupte ich, sind solche Charaktere kraft ihres Nationalbewußtseins unmöglich, denn, wenn bei den Èechen ein Mann aufgestanden wäre, wie gestern Windirsch, wenn jemand die Auslandsrevolution Masaryks, die Taten der Legionäre derart lächerlich gemacht hätte, der Mann wäre am nächsten Tage weggefegt worden von dem Unmut der Bevölkerung, er wäre geradezu zerrissen worden, er hätte sich nicht mehr in der Gesellschaft ehrlicher, aufrichtiger Männer zeigen dürfen. (Posl. Knirsch: Er ist Klubobmann des Bundes der Landwirte, der deutschen Bauern!) Ich bedauere die Tatsache, daß die Deutschen in ihrer Würdelosigkeit so tief gesunken sind. Sie sind außerordentlich gerecht gegenüber den Gegnern, gegen sich selbst, gegen das eigene Volk, gegen die eigenen Volksgenossen sind sie bis zur Bewußtlosigkeit ungerecht, sie gehen in der nationalen Würdelosigkeit so weit - um sich nur gefällig zu zeigen - Dinge zu behaupten, die sich niemals oder nicht so zugetragen hatten. Das, was Windirsch gestern hier gesagt hat, muß in schärfster Weise mit der sittlichen Entrüstung aller deutschen Volkskreise zurückgewiesen werden und deswegen bin ich gezwungen, mich mit der Sache noch ein wenig zur Klarstellung zu beschäftigen. Richtig ist, daß der Umsturz die deutschen Kreise unerwartet getroffen hat, daß wir darauf nicht vorbereitet waren. Richtig ist, daß das Selbstbestimmungsrecht, wie es Wilson verkündet hatte, tatsächlich später nur für die Sieger galt. Damals aber war es doch die Leimrute für den deutschen Gimpel, damals glaubten wir daran, wie ich vorhin sagte. Wir glaubten auch für uns an die friedliche Vereinigung mit dem deutschen Mutterlande. Wir sahen nicht ein, wie Windirsch, daß die topographischen und hydrographischen Verhältnisse von Böhmen uns zwingen, unbedingt in diesem Lande zu bleiben, wir sahen nicht ein, daß aus der Geschichte der Schluß abgeleitet werden kann, daß wir auch für alle Zukunft in diesem Lande zu bleiben gezwungen sind. Gerade die Geschichte Böhmens zeigt ja, daß es durch Jahrhunderte hindurch bis in die Neuzeit ein integrierender Bestandteil des deutschen Reiches gewesen ist. Und dann, warum sollten uns die topographischen und hydrographischen Verhältnisse zwingen, hier zu bleiben, warum konnte die Grenze nicht längs der Sprachgrenze gezogen werden? Das war hier in Böhmen ganz ohne Zweifel leicht möglich, das war auch bei uns in Nordmähren und Schlesien möglich, ja die topographischen und hydrographischen Verhältnisse zwangen vielfach gerade zum Anschluß an Deutschland, denn bei uns geht der Zug nach Preussisch-Schlesien gegen Breslau hinaus. Das gleiche gilt von Südmähren, wo die ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse nach Niederösterreich gegen Wien hinzwingen. Wenn Windirsch daraus den Schluß zieht, daß alles beisammenbleiben müßte, dann verstehe ich die Logik und Geschichte nicht, warum man bei den Friedensverträgen ausgerechnet gewisse Gebiete willkürlich auseinandergerissen hat, warum man in Südmähren, bei Gmünd, Znaim und Feldsberg willkürlich die Grenze gezogen hat, mitten durch Teschen die Grenze legte, wo eigentlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse dazu gezwungen hätten, diese Gebiete beisammen zu lassen.

Diese Gründe sind in gar keiner Weise maßgebend und zwingend. Und dann, meine Herren, was hätten wir nach Herrn Windirsch im damaligen Zeitpunkte eigentlich tun sollen? Sollten wir unsere Heimat mit den Waffen verteidigen? Gewiß, es hätte das sehr viel für sich gehabt. Gewiß, ich persönlich stehe auch auf dem Standpunkte, wenn es möglich gewesen wäre, daß wir unser Recht bei der Friedenskonferenz dann ganz anders hätten durchsetzen können - siehe die Kärntner bei der Verteidigung ihres Landes - wenn es möglich gewesen wäre, ein Heer zur Verteidigung aufzubringen. Aber vergegenwärtigen Sie sich den Zustand, in dem wir uns damals befanden: Unser Heer dezimiert durch die schweren Verluste, die die Regimenter während des Krieges erlitten haben, noch zum Schluß aufgerieben beim vergeblichen Ansturm, als sie beim Übergang der èechischen Regimenter noch einmal in die Front eingesetzt worden waren. Die Wenigen kamen nach einer Reise voller Demütigung nachhause zurück. Sie hatten ihr nacktes Leben gerettet. Wer wollte damals von unseren Leuten noch kämpfen? Es ist begreiflich, daß die Begeisterung nicht sehr groß war. Und die Heimat? Die Heimat, das Hinterland war zermürbt und ausgehungert, verhungert, während auf der anderen Seite, in den èechischen Gegenden, Getreide und Lebensmittel zur Genüge vorhanden waren. Es war wenig verlockend, den Kampf weiter zu führen und weiter zu hungern. Wem sollen wir heute daraus einen Vorwurf machen? Der sudetendeutschen Landesregierung? Was hätte sie angesichts dieser Verhältnisse tun sollen? Oder dem Volke, daß es nicht weiter kämpfen wollte? Auch das nicht. Denn das Volk in seiner Zermürbtheit hörte auf die Mießmacher und Nutznießer, wie sie sich damals zuhause während des Krieges und nach dem Umsturz umtrieben. Und dann dürfen wir nie vergessen, daß die Èechen als Verbündete der Entente das sudetendeutsche Gebiet besetzten. Hätten wir gegen die Verbündeten der Entente, gegen die Heere der Entente kämpfen sollen?

Herr Windirsch ist heute sehr gescheit und sagt, wie man es hätte besser machen können und sollen. Er hält es für einen schweren Fehler, daß damals die sudetendeutsche Landesregierung Böhmen verlassen hat, daß sie geflohen ist. Bei uns im Sudetenlande, in Troppau, ist die Landesregierung des Sudetenlandes geblieben, und der macht man wieder den Vorwurf, daß sie geblieben und nicht hinausgegangen ist, um die Möglichkeit einer Auslandspropaganda werktätig auszunützen. Warum haben damals die Herren das Land verlassen? Weil sie das Beispiel Masaryks und Beneš's und ihrer Auslandspropaganda hatten, die gezeigt hatten, das es oftmals wichtiger ist, im Auslande zu arbeiten als in der Heimat tatenlos zusehen zu müssen. Wenn die Herren gefangengesetzt worden wären, hätten sie wahrscheinlich wenig Gelegenheit gehabt, für das deutsche Volk in seiner Notlage arbeiten und wirken zu können. Sie haben die Zeit reichlich ausgenützt, haben Aufklärung hinausgetragen bis zu den Friedenskongressen. Wir wissen gut, daß allerlei aufklärende Schriften damals verbreitet wurden. Ich verweise z. B., daß wir selbst im Kuhländchen eigens Schriften verfertigt haben nur aus Furcht, daß bei der Neuaufteilung des ganzen Gebietes, bei Zuerkennung des Selbstbestimmungsrechtes an die Deutschen, wir in dem Zwickel dort vielleicht dann im èechischen Staate bleiben würden. Wir wissen, daß diese Schriften bis zu den Friedenskongressen überall hin getragen wurden. Und was hat es uns genützt? Nichts, gar nichts. Wem sollen wir deshalb heute einen Vorwurf machen? Uns selbst? Daß wir nicht mehr tätig waren? Die Macht der Lüge war stärker als die Macht unseres Rechtes, und wir wissen, daß diese Friedenskongresse damals unter dem Zwange falscher Vorstellungen handelten, daß sie belogen und betrogen wurden. Siehe Beneš's Memoire III! Warum macht Herr Windirsch dem Herrn Außenminister Beneš der damals mit seinen Schriften die Wirklichkeit verschleierte, uns in diesen Staat auf Grund dieser erlogenen Schriften hereinbrachte, nicht diesen Vorwurf? Wir wissen heute aus den Veröffentlichungen Masaryks, Beneš's, Lloyd Georges und anderer, wie das gemacht wurde, daß die Herren keine Ahnung von der Zusammensetzung der Bevölkerung, von den Grenzen usw. hatten. Wir wissen, daß Wilson später darunter seelisch schwer gelitten hat. Heute sitzt derselbe Herr Windirsch, der sich als Geschichtsprofessor wohl wenig Ruhm erwerben würde, mit Herrn Beneš auf derselben Bank. Er hat das alles vergessen. So, meine Herren, auf diese Weise, mit diesen Mitteln, kamen wir in den èechoslovakischen Staat herein.

Nun frage ich: Sollten wir uns gleich ergeben, überlaufen zum Feinde, Verrat üben, all das vergessen, vergessen das Wort Masaryks beim Betreten des Landes, der ausdrücklich sprach: "Der Staat wird ein èechischer Staat sein?" Sollten wir vergessen all die Taten der Legionäre, die tausenden Deutschen das Leben gekostet hatten? Es ist begreiflich, behaupte ich - und Švehla hat uns Recht gegeben - daß wir uns wehrten, daß wir den Staat, der ohne unser Wissen und ohne unser Zutun und gegen unseren Willen entstanden war, der nur als Nationalstatt aufgebaut worden war, ablehnten. Alle Lebensäußerungen des neuen Staates waren gegen uns gerichtet: Verfassungsgesetz und vieles andere, die Bodenreform, das Sprachengesetz und dergleichen, alles Äußerungen, die gegen das deutsche Volk gerichtet waren, wie auch seine sonstigen Handlungen gegen die deutschen Beamten und Unterbeamten, gegen die deutschen Offiziere und Unteroffiziere u. s. w. Die Èechen tobten sich aus und wir Deutschen waren machtlos, wehrlos, eingeschüchtert. Es war eben Revolution, wie die Èechen heute sagen, auf èechischer Seite, dann aber auch auf deutscher Seite. Damals waren alle deutschen Parteien einig, einig in der Abwehr gegen diesen unerhörten Druck. (Posl. Knirsch: Auch die deutschen Agrarier waren darunter!) Auch die deutschen Agrarier gaben mit den anderen deutschen Parteien gemeinsam die staatsrechtliche Erklärung ab, in der sie erklärten, daß sie nie die Èechen als Herren anerkennen werden, daß die Gesetze, die ohne unsere Mitwirkung herausgekommen waren, für uns moralisch nicht verpflichtet sind. (Pøedsednictvi pøevzal místopøedseda Zierhut.) Damals, wenn Sie wollen, waren alle deutschen Parteien negativ, wenn das ein Ausdruck sein soll. (Posl. Knirsch: Der Landbündler Maixner war ja Landeshauptmannstellvertreter der Landesregierung!) Allerdings. Wir waren auch damals keine Irredentisten, wie uns heute vielfach vorgeworfen wird, weil es keinen Zweck gehabt hätte, in der damaligen Weltkonstellation uns niemand geholfen hätte, und weil uns die Irredenta vielleicht auch von Haus aus gar nicht liegt. Es wurde oft der Witz gesagt, daß wir zur Durchführung der Irredenta erst einen behördlich bewilligten Verein mit behördlich genehmigten Statuten brauchen. Wir unterhielten uns wohl über die Methoden von Irland und die indischen Methoden usw., und damals mag manches kräftige Wort in unserer Not gesprochen worden sein, das man uns heute stark verübelt. Sie erinnern sich an Dr Lodgmans Wort, das er damals sprach: "Wenn das Bekenntnis zum Deutschtum heute in diesem Staate schon Hochverrat sein soll, ich bitte, dann ist es für uns Pflicht, Hochverrat in diesem Staate zu treiben." Heute wirft man mir vor, das Wort, das ich gesprochen habe und gestern geschah es wieder durch den Abg. Hodina - das Wort von dem Wälderanzünden. Ich habe einmal gesagt: Wenn man uns unsere Wälder wegnehmen wird, wird es vielleicht klüger und gescheiter sein, wir würden sie vorher anzünden, damit sie uns nicht verloren gehen. Ich habe gesprochen von der Qual, die uns heute durch die Minderheitsschulen im deutschen Sprachgebiete zugefügt wird, von diesen Kristallisationspunkten der fortschreitenden Èechisierung, die sich nur deshalb im deutschen Sprachgebiet erhalten können. weil eben die Deutschen das geduldig hinnehmen und sagte, man möge unsere Geduld nicht auf die Probe stellen, sonst könnte die Zeit kommen, wo wir vielleicht mit Revolvern und mit Mistgabeln diese èechischen Hetzer aus dem Sprachgebiet hinaustreiben werden. Das alles wird uns heute neuerdings vorgeworfen, weil es angeblich nur Worte waren, denen die Taten mangelten, und dergleichen mehr. Aber die Herren sind von all dem sehr rasch abgerückt, sie lieben nicht mehr erinnert zu werden an die Worte, die sie ehemals selbst gebrauchten. (Posl. Knirsch: Køepek hat von dieser Steile aus die Revolution an die Wand gemalt!) Aber diese unsere Worte waren doch nichts anderes als Zeichen sittlicher Entrüstung, waren nichts anderes als das Ergebnis unseres aufschäumenden Lebenswillens gegen diesen unerhörten Druck. Oder hätten wir all das hinnehmen sollen? Wir bekennen uns trotzdem heute noch ruhig zu diesen Worten, wir rücken gar nicht davon ab (Souhlas poslancù nìm. strany národní.), in gar keiner Weise, wir geben nichts dazu, wir nehmen aber auch nichts weg. Wir schämen uns unserer Vergangenheit nicht, wie viele der Herren, die ehemals radikale Schönerianer waren, aber heute weitestgehende èechoslovakische Aktivisten geworden sind. (Výkøiky posl. Horpynky.) Die Deutschen waren niemals, wie die Geschichte zeigt, Revolutionäre, sie waren es auch nicht in diesem Staate, sie sind es heute nicht. Auch das muß wieder einmal festgestellt werden, denn wenn wir, alle Deutschen, in der Ablehnung des Staates einig gewesen wären, damals oder heute, dann behaupte ich immer und immer wieder, dann könnte dieser Staat überhaupt nicht bestehen; gegen 31/2 Millionen Deutsche, gegen 31% Sudetendeutsche, wäre es unmöglich, zu regieren. (Posl. inž. Kallina: Wenn sie einig wären!) Wenn sie einig wären, wie ich sagte.


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