Úterý 29. listopadu 1927

Ein aber geradezu unerhörtes Ereignis hat sich vor wenigen Tagen wieder in Trautenau vollzogen. Dort mußten zum Zwecke der Abhaltung eines Lehrkurses für Unteroffiziere die Parterreräumlichkeiten der gewerblichen Fortbildungsschule geräumt werden, trotzdem dies sich im Widerspruch mit § 10 des Einquartierungsgesetzes vom Jahre 1879 befindet. Durch diese Maßnahme ist der ganze Unterricht der deutschen gewerblichen Fortbildungsschule in Trautenau gestört. Die drei großen von mir vorerwähnten èechischen Schulgebäude haben so viele leere und freie Räume, daß sie mit Leichtigkeit hätten Raum für zwei solche Kurse schaffen können. Der Patriotismus und die Verehrung für das Militär seitens der über diese Schulgebäude verfügenden Personen ist aber so groß, daß sie keinen ihrer verfügbaren Räume hergeben für Zwecke der Einquartierung.

In Trautenau hat man im Jahre 1918 der Stadtgemeinde zur Unterbringung von Militär zwei Etagen des großen Hotelgebäudes Union trotz der herrschenden Wohnungsnot mit Gewalt weggenommen und es hat die Stadtgemeinde durch die geringfügigen Benützungsgebühren, durch die vielen verursachten Schäden am Gebäude und dessen Einrichtungen Verluste von vielen Zehntausenden von Kronen aufweisen. Wenn ein Staat sich schon den Luxus erlaubt, eine Heeresmacht zu erhalten, die an Zahl der einer Großmacht gleichkommt, so ist es sicher nicht die Aufgabe der Gemeinden, sondern Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, daß auch das Militär menschenwürdige Wohnstätten und Unterkünfte erhält.

Ähnlich wie in Trautenau, liegen auch die Verhältnisse in der Nachbarstadt Braunau. Der Stadtgemeinde Pilnikau wurde von der politischen Bezirksverwaltung in Trautenau in geradezu widerrechtlicher Weise für einen èechischen Spengler ein Stück ihres Grundbesitzes einfach beschlagnahmt. Dieses Grundstück ist seit mehr als 60 Jahren von der Gemeinde Pilnikau der Ortsfeuerwehr als Übungsplatz überlassen. Man kann es geradezu als einen Gewaltakt bezeichnen, es zu wagen, einem Verein, der im Interesse der Allgemeinheit wirkt und schafft, seine Übungsstätte zu beschlagnahmen, damit ein èechischer Volksangehöriger einen billigen Baugrund erhält. Es wäre auch hier gewiß recht und billig, wenn die politische Landesverwaltung, bei welcher die Berufung seitens der Gemeinde Pilnikau eingebracht wurde, diese unerhörte Verfügung der politischen Bezirksverwaltung in Trautenau aufheben würde.

Ich könnte dergleichen Dinge noch eine Menge anführen, ich will aber zum Schlusse eilen und mich noch einige Minuten mit Kulturfragen beschäftigen, denn diese stehen für uns Deutsche infolge der uns auf diesem Gebiete zugedachten Benachteiligung mit dem Voranschlage für das Jahr 1928 in engster Verbindung.

Die nationale Frage ist schon seit jeher eine Schicksalsfrage Europas gewesen und sie ist jetzt, wo wir schon fast ein Jahrzehnt nach dem großen Weltdrama leben, bei weitem größer, als es früher der Fall war und der Ausgangspunkt für all das Denken ins neuzeitliche Nationalitätenproblem, das ist die ethisch rechtliche Forderung eigennationaler Kultur und Schulpflege. Es wurde zwar von dieser Stelle aus schon einmal feierlich die Schulautonomie verkündet und auch vor den letzten Gemeindewahlen wurde sie neu aufgezäumt und gesattelt, sie wird aber, glaube ich, noch recht lange Utopie bleiben. Die nationale Sektionierung des gesamten Schulwesens in diesem Staate ist eine berechtigte Forderung der Minoritäten und es ist gewiß bezeichnend, daß ausgerechnet eines der kleinsten Ländergebilde Europas und zwar Kärnten es sein muß, das diese Frage nun allen Ernstes lösen wird.

Welch furchtbare Schäden dem deutschen Volksschulwesen in den letzten Jahren in diesem Staate zugefügt wurden, das ist in diesem Raume schon so oft gesagt worden, daß ich Wiederholungen wohl unterlassen kann.

Und gerade in dieser Erscheinung liegt das Tragische unseres Volkes. Wir bekennen uns zu diesem Geschick, wir ersehen darin aber auch die Größe der Aufgabe, die wir für das deutsche Bildungswesen zu erfüllen haben.

Wenn wir unser Ohr an den hämmernden Schlag unseres Herzens legen, dann spüren wir die Erregung, die durch die Adern des deutschen Volkes strömt, dann spüren wir aber auch deutlich, daß die Pulse dort am stärksten schlagen, wo unsere Jugend zur Reife heranwächst. Die Jugend war schon seit Menschengedenken ein Jungbrunnen zu Neuem und Schaffendem. Man muß sich aber fragen, ob die deutsche Jugend, die man aus sträflicher Sparsamkeit in zusammengepferchter Art in oft unzulänglichen Schulräumen sich heranzubilden zwingt, auch jene Liebe und Aufnahme für das ihr Gelehrte aufzubringen stark genug sein wird, wenn sie von dem Bewußtsein erfüllt ist, daß der Staat, der ja der oberste und höchste Hüter des Schulwesens sein soll, als Feind ihrer Bildungsstätten auftritt. Die Schule soll ja jene Stätte sein, wo die Jugend sich das geistige Rüstzeug für den Kampf des Lebens holt.

Der Herr Finanzminister Engliš hat in seinem zum Voranschlag gehaltenen Exposée den Wunsch geäußert, daß in den Mittelschulen aus handelspolitischen Gründen auch das Kommerzielle mit gepflegt werden soll und da stimme ich mit ihm vollkommen überein, denn eine allzugroße Überlastung mit allerhand Wissenskram bei Ausschaltung von Wirtschaftsfragen ist nicht fruchtbar genug.

Wer das geistige und künstlerische Schaffen des Einzelnen oder gar das eines ganzen Volkes damit zu unterbinden versucht, um sich selbst zu nützen, der zeitigt eine Spannung, deren Tragweite heute gar niemand zu beurteilen vermag. Sie können mit ihrem national eingestellten Regierungssystem Willkürakte jeglicher Art üben, den Willen zur Selbstbehauptung aber, den werden und können Sie uns niemals rauben, wir müßten ja ein Volk von Schurken und Verrätern sein, wenn wir nicht in dauerndem und widerstandsfähigem Aushalten den Weg zur Freiheit in dem weiten Weltenraume zu finden wüßten. (Potlesk poslancù nìm. strany národni.)


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