Ein aber geradezu unerhörtes Ereignis
hat sich vor wenigen Tagen wieder in Trautenau vollzogen. Dort
mußten zum Zwecke der Abhaltung eines Lehrkurses für
Unteroffiziere die Parterreräumlichkeiten der gewerblichen
Fortbildungsschule geräumt werden, trotzdem dies sich im
Widerspruch mit § 10 des Einquartierungsgesetzes vom Jahre
1879 befindet. Durch diese Maßnahme ist der ganze Unterricht
der deutschen gewerblichen Fortbildungsschule in Trautenau
gestört. Die drei großen von mir vorerwähnten
èechischen Schulgebäude haben so viele leere und freie
Räume, daß sie mit Leichtigkeit hätten Raum für
zwei solche Kurse schaffen können. Der Patriotismus und
die Verehrung für das Militär seitens der über
diese Schulgebäude verfügenden Personen ist aber so
groß, daß sie keinen ihrer verfügbaren Räume
hergeben für Zwecke der Einquartierung.
In Trautenau hat man im Jahre 1918 der Stadtgemeinde
zur Unterbringung von Militär zwei Etagen des großen
Hotelgebäudes Union trotz der herrschenden Wohnungsnot mit
Gewalt weggenommen und es hat die Stadtgemeinde durch die geringfügigen
Benützungsgebühren, durch die vielen verursachten
Schäden am Gebäude und dessen Einrichtungen Verluste
von vielen Zehntausenden von Kronen aufweisen. Wenn ein Staat
sich schon den Luxus erlaubt, eine Heeresmacht zu erhalten, die
an Zahl der einer Großmacht gleichkommt, so ist es sicher
nicht die Aufgabe der Gemeinden, sondern Aufgabe des Staates,
dafür zu sorgen, daß auch das Militär menschenwürdige
Wohnstätten und Unterkünfte erhält.
Ähnlich wie in Trautenau, liegen auch
die Verhältnisse in der Nachbarstadt Braunau. Der Stadtgemeinde
Pilnikau wurde von der politischen Bezirksverwaltung in Trautenau
in geradezu widerrechtlicher Weise für einen èechischen
Spengler ein Stück ihres Grundbesitzes einfach beschlagnahmt.
Dieses Grundstück ist seit mehr als 60 Jahren von der Gemeinde
Pilnikau der Ortsfeuerwehr als Übungsplatz überlassen.
Man kann es geradezu als einen Gewaltakt
bezeichnen, es zu wagen, einem Verein, der im Interesse der Allgemeinheit
wirkt und schafft, seine Übungsstätte zu beschlagnahmen,
damit ein èechischer Volksangehöriger einen billigen
Baugrund erhält. Es wäre auch hier gewiß recht
und billig, wenn die politische Landesverwaltung, bei welcher
die Berufung seitens der Gemeinde Pilnikau eingebracht wurde,
diese unerhörte Verfügung der politischen Bezirksverwaltung
in Trautenau aufheben würde.
Ich könnte dergleichen Dinge noch eine
Menge anführen, ich will aber zum Schlusse eilen und mich
noch einige Minuten mit Kulturfragen beschäftigen, denn diese
stehen für uns Deutsche infolge der uns auf diesem Gebiete
zugedachten Benachteiligung mit dem Voranschlage für das
Jahr 1928 in engster Verbindung.
Die nationale Frage ist schon seit jeher eine
Schicksalsfrage Europas gewesen und sie ist jetzt, wo wir schon
fast ein Jahrzehnt nach dem großen Weltdrama leben, bei
weitem größer, als es früher der Fall war und
der Ausgangspunkt für all das Denken ins neuzeitliche Nationalitätenproblem,
das ist die ethisch rechtliche Forderung eigennationaler Kultur
und Schulpflege. Es wurde zwar von dieser Stelle aus schon einmal
feierlich die Schulautonomie verkündet und auch vor den letzten
Gemeindewahlen wurde sie neu aufgezäumt und gesattelt, sie
wird aber, glaube ich, noch recht lange Utopie bleiben. Die nationale
Sektionierung des gesamten Schulwesens in diesem Staate ist eine
berechtigte Forderung der Minoritäten und es ist gewiß
bezeichnend, daß ausgerechnet eines der kleinsten Ländergebilde
Europas und zwar Kärnten es sein muß, das diese Frage
nun allen Ernstes lösen wird.
Welch furchtbare Schäden dem deutschen
Volksschulwesen in den letzten Jahren in diesem Staate zugefügt
wurden, das ist in diesem Raume schon so oft gesagt worden, daß
ich Wiederholungen wohl unterlassen kann.
Und gerade in dieser Erscheinung liegt das
Tragische unseres Volkes. Wir bekennen uns zu diesem Geschick,
wir ersehen darin aber auch die Größe der Aufgabe,
die wir für das deutsche Bildungswesen zu erfüllen haben.
Wenn wir unser Ohr an den hämmernden Schlag
unseres Herzens legen, dann spüren wir die Erregung, die
durch die Adern des deutschen Volkes strömt, dann spüren
wir aber auch deutlich, daß die Pulse dort am stärksten
schlagen, wo unsere Jugend zur Reife heranwächst. Die Jugend
war schon seit Menschengedenken ein Jungbrunnen zu Neuem und Schaffendem.
Man muß sich aber fragen, ob die deutsche Jugend, die man
aus sträflicher Sparsamkeit in zusammengepferchter Art in
oft unzulänglichen Schulräumen sich heranzubilden zwingt,
auch jene Liebe und Aufnahme für das ihr Gelehrte aufzubringen
stark genug sein wird, wenn sie von dem Bewußtsein erfüllt
ist, daß der Staat, der ja der oberste und höchste
Hüter des Schulwesens sein soll, als Feind ihrer Bildungsstätten
auftritt. Die Schule soll ja jene Stätte sein, wo die Jugend
sich das geistige Rüstzeug für den Kampf des Lebens
holt.
Der Herr Finanzminister Engliš
hat in seinem zum Voranschlag gehaltenen Exposée den Wunsch
geäußert, daß in den Mittelschulen aus handelspolitischen
Gründen auch das Kommerzielle mit gepflegt werden soll und
da stimme ich mit ihm vollkommen überein, denn eine
allzugroße Überlastung mit allerhand Wissenskram bei
Ausschaltung von Wirtschaftsfragen ist nicht fruchtbar genug.
Wer das geistige und künstlerische Schaffen
des Einzelnen oder gar das eines ganzen Volkes damit zu unterbinden
versucht, um sich selbst zu nützen, der zeitigt eine Spannung,
deren Tragweite heute gar niemand zu beurteilen vermag. Sie können
mit ihrem national eingestellten Regierungssystem Willkürakte
jeglicher Art üben, den Willen zur Selbstbehauptung aber,
den werden und können Sie uns niemals rauben, wir müßten
ja ein Volk von Schurken und Verrätern sein, wenn wir nicht
in dauerndem und widerstandsfähigem Aushalten den Weg zur
Freiheit in dem weiten Weltenraume zu finden wüßten.
(Potlesk poslancù nìm. strany národni.)