Abg. Feierfeil hat bei der Hauptversammlung
des Reichenberger Katholikentages erklärt: "Wenn wir
unsere Kinder beruhigt der Schule übergeben sollen, dann
muß man über den Eingang dieser Schule schreiben können:
In diesem Hause wird das Kind erzogen, daß es Gott erkenne,
Gott diene und dadurch selig werde." Der Herr Koll. Feierfeil
wunscht, daß aus der Schule gehorsame, duldsame, unfreie
Menschen kommen, die nicht nur Gott allem, sondern dem Kapitalismus
in Demut dienen und gute willige Ausbeutungsobjekte werden. Aber
dieses Schulprogramm bedeutet nicht nur einen Feldzugsplan gegen
die Schule, sondern auch einen Feldzug gegen die freiheitlichen
Lehrer, der vielfach mit Unterstützung der Schulbehörden
seine Früchte zeitigt und zu Versetzungen oder Schikanierungen
freiheitlicher Lehrer führt. Die "Deutsche Presse"
vom 4. Oktober d. J. versucht nachzuweisen, daß die Schülerschaft
der Bürgerschulen im Schuljahre 1925/26 an den èechischen
und slovakischen Bürgerschulen zu 71.2%
röm.-katholisch und zu 9.6% konfessionslos sei
und meint, daß dieser Zusammensetzung keinesfalls die Zahlen
der Bürgerschullehrerschaft entsprechen. Von den 9.241 Bürgerschülern
sind 5.496, d. h. 59.47% katholisch und 2.459, also 26.6%
konfessionslos. Noch ärger ist das Mißverhältnis
nach der Meinung der "Deutschen Presse" an den Volksschulen.
Die Schülerschaft aller Volksschulen ist zu 90% katholisch,
die Volksschullehrerschaft aber nur zu 69%. Von den 33.059 Volksschullehrern
sind 22.822 katholisch und 5.283 konfessionslos und nun, meint
die "Deutsche Presse", sie werde dafür Sorge tragen,
daß dieses sogenannte Mißverhältnis ausgeglichen
werde. Wir zweifeln nicht daran, daß die Klerikalen in ihren
Bestrebungen vom Herrn Unterrichtsminister unterstützt werden.
Am deutlichsten, wie Herr Minister Hodža
die Schule den Klerikalen nach und nach ausliefert, kommt das
zum Ausdrucke in einem Artikel des Herrn Ab. Zajièek
nach dem Exposée des Herrn Ministers im Kulturausschusse.
Er schreibt: "Während in früheren Jahren zwischen
den Reden der èechischen Unterrichtsminister
und den Schulforderungen der Katholiken ein Gegeneinander und
Auseinander unverkennbar war, ist jetzt eine gewisse Annäherung,
ein Sichverstehenwollen, ein Wille zur Zusammenarbeit deutlich
sichtbar." Aber auch der Referent im Budgetausschuß,
Herr Koll. Rýpar, sah sich veranlaßt, dem
Herrn Minister Hodža nicht
nur seine Anerkennung, sondern den Dank für das Entgegenkommen
gegenüber den klerikalen Forderungen auszusprechen. Mehr
denn je halten wir unsere Forderung nach Trennung der Kirche von
Schule und Staat aufrecht und werden mit allen uns zur Verfügung
stehenden Mitteln um sie kämpfen. War es jemals notwendig,
diese Forderung in den Vordergrund unserer Kämpfe zu stellen,
so ist es jetzt umso dringender, denn wir können und werden
nicht ruhig zusehen und zulassen, daß die Schule den Klerikalen
ausgeliefert werde. Ebenso werden wir die freiheitliche Lehrerschaft
jederzeit schützen und nicht zugeben, daß sie unter
die Botmäßigkeit der Klerikalen, der Katecheten gestellt
werde.
Der Herr Minister möge doch einmal die
Schulreform Österreichs studieren. Aus den österreichischen
Schulen werden nicht mehr gehorsame, duldsame Untertanen kommen,
sondern freie, selbstverantwortliche Staatsbürger. Unparteiische
Urteile von Fachleuten und Pädagogen, die die Schulreform
Österreichs studieren, erklären, daß der Geist
des österreichischen Schulgesetzes ein moderner, ein sozialer
sei. In das Bildungsprivileg der Besitzenden ist eine Bresche
geschlagen worden. Trotz des klerikalen Einflusses ist es gelungen,
in Österreich eine Schule zu schaffen, in welcher die Aneignung
von Bildung nicht ein Privileg der Besitzenden bleibt. (Výkøiky
posl. Zajièka.) Und doch hat sich
der sozialistische Einfluß durchgesetzt, Glöckels Schulreform
setzt sich hier durch. In den österreichischen Schulen
ist der Wahlspruch: "Öffnet die Tore der Schule, damit
Licht und Luft eindringe!" In der Èechos!ovakei ist
der Wahlspruch: "Schließet die Tore der Schule, zu
viel Licht und zu viel Luft schadet dem Klerikalismus und dem
Kapitalismus."
Und so ist und bleibt jedes Schulsystem das
Spiegelbild der herrschenden Gesellschaftsordnung. Die Klerikalen
haben es noch nie aufgegeben, die Fangarme nach den Kindern des
Volkes auszustrecken. Sie haben durch die Annahme des Zollgesetzes,
durch die Zustimmung für die Zuckersteuer die armen Proletarierkinder
zum Hungern verurteilt, sie schmälern ihnen durch ihre Profitwut
den Bissen Brot, sie haben also den Kindern die Gesundheit geraubt
und nun verlangen sie noch die Seele des Kindes. Die Regierung
und die Behörden leisten ihnen dabei Schützenhilfe.
Die politischen Behörden erließen Kundmachungen über
die Teilnahme der Schuljugend an allen Versammlungen, Umzügen,
ja auch an Ausflügen und Festlichkeiten, selbst in dem Falle,
wenn die Kinder in Begleitung der Eltern gehen. Zuwiderhandelnde
werden nach den § § 7 und 11 der Verordnung vom 15.
November 1867 bestraft. Diese Androhung ist nicht mehr problematisch,
wir haben schon Beweise dafür und ich kann heute einen anführen.
In Aussig hat vor der Wahl ein Fackelzug stattgefunden,
veranstaltet von der sozialdemokratischen Partei in Aussig. An
diesem Fackelzug sollen sich angeblich - bewiesen ist es nicht,
bis zum heutigen Tage ist noch kein einziger Zeuge hiefür
geführt worden - Kinder mitbeteiligt haben. Zwei Sekretäre,
die die Anmeldung für diesen Fackelzug im Auftrage unserer
Partei unterschrieben haben, sind nur nach einem Verhör bei
der Polizei - die Verwaltungsreform ist noch nicht in Kraft, aber
die wirkt sich schon aus - zu zwei Tagen Arrest unbedingt verurteilt
worden. Aber ein paar Tage nach diesem Umzug von unserer Partei
veranstalteten die èechischen Parteien, alle èechischen
Parteien in Aussig, einen Umzug, an welchem nicht weniger als
300 Kinder in geschlossenem Zuge unter Führung der Lehrerschaft
teilgenommen haben. Da findet sich keine Behörde,
da sagt man nicht: "Das war eine politische Veranstaltung."
Man wird wohl viel!eicht, wenn die Majoritätsparteien hier
wären, mir sagen, daß der 28. Oktober ein Staatsfeiertag
sei. Man hat aber auch die Teilnahme der Kinder bei den Festlichkeiten
des 1. Mai verboten und doch ist der 1. Mai auch als ein Staatsfeiertag
erklärt worden, allerdings zu einer Zeit, wo die Klerikalen
noch gar nichts bedeutet haben. Wir fragen, ob das Verbot der
Teilnahme von Kindern an öffentlichen Aufzügen auch
für den Fronleichnamszug gilt. Die Antwort, daß der
Fronleichnamszug keine politische Demonstration sei, lassen wir
nicht gelten. Er ist eine Demonstration für die katholische
Kirche, dadurch für eine politische Partei, und wie sich
die politisch auswirkt, weiß man aus den Hirtenbriefen der
Bischöfe, aus der Marmaggi-Affäre u. s. w. Wir können
nicht dulden, daß man mit zweierlei Maß messe. Wir
lassen uns in unsere Elternrechte nicht hineinreden, wir lassen
uns unsere Elternrechte nicht stehlen. Auch Verurteilungen schrecken
uns nicht zurück und wir nehmen den Kampf mit der Parole
auf: "Hände weg von unseren Kindern! "
Nun ein paar Worte zur Kongrua. Der Herr Minister
Hodža empfindet es unangenehm,
daß die Opposition die Einführung der Kongrua mit Recht
kritisiert und meint, die Kongrua sei nicht als ein Präsent
an die Geistlichkeit zu betrachten, denn die Erhöhung stehe
ihnen zu Recht zu, weil die Geistlichkeit ihre Pflichten im Interesse
von Staat und Öffentlichkeit erfülle. Herr Minister
Hodža ist der Ansicht, daß
es eine selbstverständliche Forderung sei, daß jeder
arbeitende Mensch sein Stück Brot verdient und daführ
gezahlt bekommt. Wir sind derselben Meinung, nur mit dem Unterschiede,
daß diejenigen zu zahlen haben, für die die Arbeit
geleistet wird. In dem Falle müßten die Religionsgemeinschaften
sich die für sie geleistete Arbeit - um die Worte des Herrn
Ministers anzuwenden - selbst bezahlen, denn man kann doch nicht
von den anderen, also in diesem Falle von Andersgläubigen
oder Freidenkern verlangen, daß sie die Arbeit. die sie
nicht wünschen, sondern ablehnen, mitbezahlen. Hier spart
der Herr Minister nicht, und es ist für ihn und für
alle, die ihm dieses Budget bewilligen, bezeichnend, daß
die Ersparungsmaßnahmen sich auf dem Gebiete des Schulwesens
austoben.
So erklärte der Herr Minister Engliš
in seinem Exposée, um Ersparungen zu erzielen, daß
der persönliche Aufwand auf die Gemeinde, den Bezirk, das
Land und den Staat aufgeteilt werden solle, und meinte, daß
es selbstverständlich sei, daß die Gemeinden
von den bemittelten Interessenten Schulgeld einheben müssen.
Er stellt die Frage auf, warum es nicht möglich sein sollte,
von den bemittelten Eltern ein Schulgeld von 100 Kè, also
pro Unterrichtsstunde 10 Heller, einzuheben.
Diese Zumutung des Herrn Ministers lehnen wir entschieden ab.
Wir wollen nicht Kinder ersten und zweiten Grades haben. Die Schulerhaltung
ist Pflicht des Staates. Der Herr Unterrichtsminister hat sich
erfreulicher Weise mit den Ausführungen des Herrn Finanzministers
nicht identifiziert und wir stimmen in dieser Frage mit ihm überein.
Es stehen nun zwei Ministerreden gegeneinander. Welcher dieser
Herren wird mehr Macht, welcher mehr Einfluß auf seine Regierungskollegen
haben? Ich zweifle nicht: bei der Einstellung der jetzigen Regierungsmajorität,
bei der Mißachtung der Kuturfragen im allgemeinen und beim
Schulwesen im besonderen, bei der bekannten Sparwut am unrichtigen
Orte wird der Finanzminister über den Unterrichtsminister
Sieger bleiben. Müssen wir denn wirklich dem Herrn Finanzminister,
der doch selbst Schulmann ist, sagen, daß eine Mehrausgabe
für Schulen niemals eine Passivpost bedeutet, keine Zuwendung
für Kulturzwecke zuviel ist? Weiß der Herr Minister
nicht, daß die Fürsorge, die ein Staat seinem Schulwesen
angedeihen läßt, der Gradmesser seiner Kultur ist?
Wenn der Finanzminister sparen will, dann soll er bei den unproduktiven
Ausgaben, zum Beispiel bei dem Militarismus, anfangen.
Nicht unbesprochen will ich die Vernachlässigung
der Hilfsschulen lassen. In der Èechoslovakei gibt
es nur 16 Hilfsschulen mit 23 Klassen. Die meisten dieser Schulen,
so in Aussig, Reichenberg, Komotau, Eger, werden von den Gemeinden
erhalten. Durch die Annahme des Finanzgesetzes besteht nun die
berechtige Gefahr, daß die Gemeinden
in Zukunft nicht in der Lage sein werden, den Kostenaufwand für
diese Schulen zu tragen und diese daher vor der Schließung
stehen. Für die Erhaltung der Hilfsschulen sprechen jedoch
nicht nur pädagogische, sondern auch soziale und wirtschaftliche
Gründe. Die geistig Minderwertigen, die ein Anrecht auf entsprechende
Erziehung haben, werden in diesen Schulen zur Selbsterhaltung
erzogen und werden somit nützliche Glieder der Gesellschaft.
Der Mehraufwand für diese Schulen bedeutet also eine Ersparnis,
denn ein großer Prozentsatz dieser unschuldig Verkürzten
wird gerettet und füllt in Zukunft nicht mehr die Armenhäuser,
ja nicht selten die Gefängnisse.
Unzähligemale haben wir von dieser Stelle
aus auf die dringliche Regelung der Rechtsverhältnisse der
Kindergärtnerinnen aufmerksam gemacht. Daß diese Frage
bis zum heutigen Tage nicht geregelt wurde, ist mehr als ein Kulturskandal.
Die Kindergärten sind Schulen der Armen. In diesen Schulen
sollte ein fröhlicher ungetrübter Geist herrschen. Statt
dessen sind dort gequälte Kindergärtnerinnen, die mit
Nahrungssorgen zu kämpfen haben. Noch heute gibt es Kindergärtnerinnen,
die ein Monatsgehalt von sage und schreibe 180 Kronen beziehen.
Warum verläßt der Herr Unterrichtsminister hier seinen
Standpunkt, den er gegenüber der Geistlichkeit einnimmt,
dahingehend, daß es Pflicht des Staates sei, für geleistete
Arbeit entsprechend zu zahlen? Oder schätzt Herr Minister
Hodža die Arbeit der Kindergärtnerinnen
geringer ein, als die Arbeit der Geistlichkeit? Nachdem nun endlich
einmal die Kompetenzfrage, ob die Kindergärten dem Ministerium
für soziale Fürsorge oder dem Unterrichtsministerium
unterstehen, gelöst ist, fordern wir die rascheste Erledigung
der berechtigten Forderungen der Kindergärtnerinnen.
Ein weiteres Schmerzenskind sind die Familienschulen.
Die Bestrebungen hinsichtlich der Erziehung unserer Mädchen
zu ihrem künftigen Berufe als Mutter und Hausfrau werden
wenig gewürdigt und wenig unterstützt, der Erhaltung
und noch mehr der Errichtung dieser Schulen legt man Hindernisse
in den Weg. Es ist bezeichnend, daß z. B. das Unterrichtsministerium
die Bewilligung der Errichtung einer gewerblichen Abteilung an
der Familienschule nur dann erteilt, wenn die Handelskammer und
das Handelsministerium hiezu ihre Zustimmung geben. So liegt schon
monatelang ein Ansuchen der Familienschule Aussig um die Errichtung
des dritten Jahrgangs beim Unterrichtsministerium und kann nicht
bewilligt werden, weil das Handelsministerium die Genehmigung
hiezu nicht erteilen will. Dabei betone ich, daß
die èechische Familienschule, die nur eine Parallele der
deutschen Mutterschule ist, den dritten, also den gewerblichen
Jahrgang bewilligt erhielt. Es ist traurig, daß der zünftlerische
Geist der Gewerbetreibenden, die in den Absolventinnen
dieser Schulen eine Konkurrenz erblicken, nicht nur außerhalb
des Parlamentes, etwa dadurch, daß die Meister diese Mädchen
als Gesellinnen nicht aufnehmen, sondern auch im Handelsministerium
fortlebt und die Errichtung von Schulen und Klassen verhindert.
Wir sind der Meinung, daß Schulfragen in die Kompetenz des
Unterrichtsministeriums gehören und wünschen, daß
sich das Unterrichtsministerium von dieser ungerechten Bevormundung
freimacht.
Gleichzeitig will ich nicht an meiner gerechten
Forderung der weiblichen Lehrkräfte an diesen Schulen vorübergehen.
Mit Recht verlangen die Lehrerinnen, es mögen die Schwangerschafts-
und Mutterschaftsurlaube voll bezahlt werden, ferner sollen jene
Lehrerinnen eine Abfertigung erhalten, die wegen Verehelichung
ihren Dienst verlassen. Diese Forderung gilt aber auch für
alle weiblichen Lehrpersonen, die wegen Verehelichung aus dem
Dienste scheiden. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 24.
Juni 1926, Z. 104, wird Lehrerinnen, die bei oder nach ihrer Verehelichung
aus dem Dienste scheiden, keine Abfertigung mehr gewährt.
Schon einmal versuchte man das Zölibat wieder einzuführen.
Wenn dies nicht gelang, so ist das dem Einfluß der sozialistischen
Parteien zuzuschreiben. Nun versucht man, das Zölibat auf
Umwegen einzuführen. Wir stehen auf der Wacht und werden
diese geplante Attentate abzuwehren wissen.
Zum Schlusse möchte ich noch auf die dringliche
Notwendigkeit der Errichtung von Mädchen-Pflichtfortbildungsschulen
hinweisen. Die vorzüglichen Erfahrungen, die man z. B. in
Sachsen mit den Mädchen-Pflichtfortbildungsschulen gemacht
hat, müßten unser Ministerium bewegen, an die Errichtung
derartiger Schulen heranzutreten. Die Schulen müßten
so organisiert sein, daß nicht nur berufslose oder hauswirtschaftlich
tätige Mädchen, sondern daß die Schule auch den
in Fabriken, kaufmännisch, gewerblich oder in der Landwirtschaft
tätigen Mädchen zugänglich wäre. Diese Schulen
sollen nicht nur Berufs- und Erziehungsschulen sein, sondern sollen
zum Unterschied von den Knaben-Pflichtfortbildungsschulen die
Mädchen neben dem Erwerbsberuf auch für den Hausfrauen-
und Mutterberuf vorbereiten.
Nur noch einige Worte zu der so oft geforderten
Schaffung einer deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule.
d. h. einer deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung
an der deutschen technischen Hochschule in Prag. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.) Der
Mangel einer solchen Schule ist eine Benachteiligung der deutschen
studierenden Jugend. Insbesondere die armen Studenten, bezw. deren
Eltern, werden hart betroffen, wenn ihre Kinder ins Ausland studieren
gehen müssen. Ein diesbezüglicher Resolutionsantrag
unserer Fraktion wurde bereits angenommen, doch bis zum heutigen
Tage ist man im Unterrichtsministerium dieser Frage nicht näher
getreten. Es zeigt sich wieder derselbe Geist, die Benachteiligung
der Deutschen trotz der Teilnahme der Deutschen an der Macht.
Die Mängel in unserem Unterrichtswesen,
die Drosselung des deutschen Schulwesens, die Vorenthaltung ihres
ureigensten Rechtes der nationalen Autonomie wirkt erbitternd
auf die Massen der arbeitenden Bevölkerung. Verflogen sind
die Hoffnungen jener Optimisten, die da glaubten, daß durch
die Mitwirkung deutscher Parteien an der Staatspolitik die Härten,
unter denen die deutsche Schule leidet, beseitigt oder zumindest
gelindert werden. verflogen, begraben all die Hoffnungen!
Ein Ziel, ein Streben hat das gesamte Bürgertum:
Unseren Nachwuchs zu geistigen Krüppeln zu machen. Wir Sozialdemokraten
halten aber unverrückbar an dem Standpunkt fest. daß
unsere Kinder eine gute Bildung genießen, damit sie sich
im Kampfe um das Dasein, im Kampfe um das tägliche Brot,
Kenntnisse und Wissen beschaffen. Wir halten aber auch unverrückbar
an dem Grundsatze fest, daß die Schule ureigenstens Eigentum
jeder Nation ist. Der Kampf um diese Forderungen geht trotz aller
Hindernisse unentwegt weiter. Wir werden in diesem Kampfe nicht
erlahmen, denn es geht um das höchste Gut des Volkes, um
unsere Jugend! (Souhlas poslancù nìm.
strany soc. demokratické.)
Verehrte Damen und Herren! Ich will in der
heutigen Tagung mich lediglich nur mit einem engen und beschränkten
Komplex von Fragen zu dem so umfangreichen Voranschlage für
das Jahr 1928 befassen. Wenn man die Ziffern des Kulturbudgets
prüft und in nationaler und sprachlicher Beziehung einander
gegenüberstellt, so findet man, daß auch heute noch,
trotz der dem Ausland vorgetäuschten. angeblichen nationalen
Konsolidierung im Staatsinnern, die diesen Staat beherrschende
und vom èechisch-nationalen Geiste geleitete Regierung
in Bezug auf Kultur und Bildungsbedürfnisse auch derzeit,
so wie in den früheren Jahren, die Minoritäten dieses
Staates und dies aber ganz besonders im Schulwesen, des an Anzahl
stärksten Minderheitsvolkes, das deutsche
Kultur- und Bildungswesen im Verhältnis zu seiner Volkszahl
und seiner Steuerleistung mehr als stiefmütterlich behandelt.
Da ich kein Freund allzulanger Ausführungen
bin, und ich auch die Zeit zu werten vermag, so will ich aus dem
umfangreichen Ziffernmaterial nur zwei Zahlen herausnehmen. Die
Minderheitsschulen, und hier handelt es sich ja fast durchgehend
nur um èechische. deren Errichtung doch nur den Zweck
hat, den deutschen Siedlungsgebieten den Stempel des Utraquismus
aufzudrücken, erfordern einen Aufwand von 57 Mill. Kè,
das ist 111/2 Mill. mehr als im Vorjahre. Weiters 15 Mill. Kè,
fast 10 Mill. Kè mehr als im Vorjahre, sind für Schul-
und Kulturbeziehungen mit dem Auslande bestimmt.
Hievon sollen 81/2 Millionen den Verbindungen
mit der slavischen Welt und mehr als 3 Millionen der Pflege der
Beziehungen zu Frankreich dienen. Diese soeben von mir genannten
Zahlen beweisen klar und deutlich, von welchem Geiste der
Staat geleitet wird. Deutsche Schulen, Lehranstalten und Fachschulen
werden gedrosselt und aufgelöst, da für aber werden
èechische Minoritätsschulen überall und dort
erriehtet, wo nur halbwegs in einer Gemeinde einige wenige èechische
Kinder vorhanden sind. In unzähligen Fällen
wurde sogar. und das ist eine beschämende Tatsache für
einen Staat der seinen Demokratismus in alle Welt hinausverkündet,
sogar nur dadurch die Errichtung solcher gezeitigt, daß
man mit allerhand Versprechungen und Drohungen die Kinder
von deutschen Beamten, Arbeitern und Angestellten, die im Staatsdienste
tätig sind, zum Besuche solcher èechischer Minoritätsschulen
gezwungen hat. Man nenne mir doch einen einzigen Fall, daß
im èechischen Gebiete, bei einem Vorhandensein von 5
bis 10 deutschen Kindern auch nur eine deutsche Minderheitsschule
seit Staatsbestand eröffnet worden sei, wie dies im umgekehrten
Falle in Ostböhmen, in Jungbuch, Niederadersbach und auch
in Hunderten anderen Orten des Staates der Fall ist. So hat man
beispielsweise in Trautenau ein solches Schulgebäude
mit einem Aufwand von 15 Mill. Kè erbaut. Die von der Stadtgemeinde
Eipel schon seit Jahren angestrebte Mittelschule mußte,
um dem èechischen Chauvinismus nutzbar sein zu können,
in Trautenau errichtet werden, dafür aber
mußte die seit dem Jahre 1870 in Trautenau bestehende deutsche
Lehrerbildungsanstalt aufgelassen werden und zwar, wie dies so
schön gesagt wurde, aus Ersparungsgründen.
Die Trautenauer Lehrerbildungsanstalt wurde
mit Erlaß des Ministeriums für Kultus und Unterricht
vom 12. Juli 1870 als für Ostböhmen neu zu errichtende
Anstalt genehmigt. Diese Anstalt konnte auf eine 56jährige
sehr erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken, als ihre
gänzliche Auflösung verfügt wurde. Die Anstalt
wurde seit dem Jahre 1870 bis 1926 von 7088 Zöglingen besucht,
der jährliche Durchschnitt betrug sonach 127. Die höchste
Zahl der Besucher war im Jahre 1878 bis 1879 mit 209, die niedrigste
im Schuljahr 1884 bis 1885 mit 120, ermittelt worden. Die Stadtgemeinde
Trautenau, deren Schulfreundlichkeit und Opferwilligkeit für
Volksbi!dung über jeden Zweifel erhaben ist, hat in den letzten
5 Jahren und zwar von 1921 bis 1926 für Beheizung und Gebäudeerhaltung
dieser Anstalt die gewiß nicht kleine Summe 116.555.94
Kè aufgebracht.
Das ganze weitgestreckte ostböhmische
Gebiet hat nun jetzt keine einzige deutsche Lehrerbildungsanstalt
mehr. Von Troppau bis Reichenberg ist Trautenau geographisch geradezu
bestimmt für eine solche Anstalt. Es ist einwandfrei nachzuweisen,
daß bisher gerade in der Lehrerbildungsanstalt Trautenau
zumeist die Söhne und Töchter ärmerer Volksschichten
aus den von der Natur so stiefmütterlich bedachten Bezirksgebieten
Grulich, Landskron, Röchlitz, Rokitnitz. Marschendorf, Schatzlar,
Arnau, Weckelsdorf. Hohenelbe und Trautenau, ja sogar aus den
Gebieten Westschlesiens und Nordwestmährens ihre Heranbildung
genossen haben.
In den von mir genannten Bezirksgebieten -
und hier sind nur die von Böhmen gemeint - wurden bei der
letzten Volkszählung nahezu 1/4 Million
deutscher Bewohner festgestellt.
Seit der Auflassung der deutschen Lehrerbildungsanstalt
in Olmütz wurde die Besucheranzahl an der genannten Anstalt
noch verstärkt. Bis zum Jahre 1925 wurde an dem Bestande
dieser Anstalt auch nicht gerüttelt. Am 12. Juni 1924 kam
sogar ein Erlaß des Schulministeriums an die Direktion der
Anstalt, nach welchem das Inventar der gleichen Anstalt in Leitmeritz
im Jahre 1927 nach Trautenau zugewiesen werden sollte und es war
höchst merkwürdig, daß knapp vor den Aufnahmsprüfungen
und zwar am 26. Juni 1925 ein Erlaß des Ministeriums vom
22. Juni 1925 in Trautenau einlangte, nach welchem der erste Jahrgang
des Schuljahres 1925/26 nicht mehr eröffnet werden
dürfte.
Alle bisherigen, diese Anstalten betreffenden
Vorstellungen, an denen sich außer mir noch die Abg. Schäfer,
Simm und Sen. Ledebur beteiligten, blieben erfolglos
und es wurde die Schließung dieser Anstalt von dem gegenwärtigen
Schulminister erbarmungslos verfügt.
In der am 30. Jänner d. J. in Trautenau
tagenden Protestversammlung, die sich in vollkommen sachlicher
Weise mit der Erhaltung dieser Anstalt beschäftigte, waren
145 Gemeinden und Bezirke mit vielen Hunderten von Vertretern
anwesend. die in einer einmütig gefaßten Entschließung
die Erhaltung dieser Bildungsstätte forderten, doch leider
umsonst. Ich habe als Beweis all des Gesagten die Entschließung
hier und hätte es gerne gesehen, wenn der Herr Schulminister
bei dieser Tagung dabei gewesen wäre. Jetzt, wo wir im demokratischen
Zeitalter leben, soll und muß, wenn Gerechtigkeit noch etwas
gilt in diesem Staate, das kulturelle Bestreben, auch des kleinsten
Vo!kes hoch und höher getragen werden. Man nehme sich ein
Beispiel an den nordischen Staaten. Auch der Staat muß ein
Interesse daran haben, daß die in seinem Gebiete lebenden
Völker als gleichberechtigte Bürger anerkannt und kulturell
unterstützt werden.
Die Regierungspresse des Staates ist ja dem
Auslande gegenüber darauf eingestellt, zu behaupten, daß
er in seiner Völkerzusammensetzung eine Schweiz ersten Ranges
ist.
Wenn man von maßgebender Seite immer
wieder zu behaupten wagt, daß im Staate nur im Sinne des
Demokratismus und des Rechtes regiert wird, so müßte
sich diese der Welt vorgetäuschte Gerechtigkeit auch der
Lehrerbildungsanstalt in Trautenau gegenüber auswirken und
dies könnte durch die Wiedereröffnung dieser Anstalt
gezeitigt werden. Ein gleiches Schicksal wie das von mir geschilderte
soll der Staatsfachschule für Weberei in Starkstadt beschieden
sein, deren Schließung im Jahre 1928 erfolgen soll.
Starkstadt ist ein dem großen Weltgetriebe
entrücktes Städtchen in Ostböhmen und es hat mit
Rücksicht auf die dort lebende, ländliche Armut, die
frühere österreichische Regierung zur Hebung und Befruchtung
des Wirtschaftslebens diese Fachschule im Jahre 1880 errichtet.
Die durchschnittliche Schülerzahl in dieser Anstalt betrug
im Jahre 48 bis 50 Schüler.
Die Jacquardweberei ist gegenwärtig die
einzige Verdienstmöglichkeit der in dieser Gegend lebenden
armen Handweber, da glatte Webwaren zur Zeit auf Handwebstühlen
angefertigt werden. Ich muß gegen die von der Regierung
geplante Verlegung der Staatsfachschule nach Nachod von dieser
Stelle aus schärfsten Protest erheben, weil das wirtschaftliche
Schicksal des Städtchens Starkstadt, seiner Umgebung und
seiner armen Weberbevölkerung damit besiegelt und begraben
wäre. Ich vermag nicht daran zu glauben, daß eine Regierung,
die immer soviel von Gerechtigkeit herumspricht, zu all den bisher
begangenen vielen Ungerechtigkeiten, jetzt wo Deutsche in der
Regierung sitzen, noch eine neue Ungerechtigkeit hinzufügt
und die Existenz vieler armer Bewohner gefährden will. Wenn
man für den Moloch Militarismus Milliarden und für die
Erbauung und Erhaltung von èechischen Minderheitsschulen
Hunderte von Millionen aufzubringen vermochte,
so werden ja wohl auch noch die paar zehntausend Kronen, die zur
Erhaltung dieser Schule notwendig sind, aufzubringen sein. Ich
müßte es geradezu als eine Schande allerersten Ranges
bezeichnen, wenn man diese arme Gegend. in der Elend und Not zu
Hause sind, ihrer Schule berauben würde, zu mal unter
einem in Ostböhmen und zwar in dem Orte Bausnitz, wo derzeit
insgesamt nur 14 èechische Kinder wohnen, eine neue èechische
Schule erbaut werden soll und zwar dies umsomehr, da wenige Minuten
von Bausnitz und zwar in Saugnitz, sich
eine dreiklassige èechische Schule befindet, welche diesen
Kindern den Besuch leicht ermöglicht.