Ètvrtek 15. bøezna 1928

Auf der Aussiger Hausbesitzertagung hat auch der Vertreter des Bundes der Landwirte der Herr Abg. Fischer gesprochen. Er erbrachte den Beweis nicht nur für die reaktionäre, gehässige und mieterfeindliche Haltung seiner Partei, sondern auch von der in dieser Partei vorherrschenden Intelligenz, die immer wieder, wenn es um die Verteidigung der Profitinteressen geht, zum Durchbruch kommt. Über die niedrige Beschimpfung der Mieter, die Herr Fischer bekanntlich damit umschrieb, daß er erklärte: "der Mieterschutz schützt nur die Haderlumpen", werden wir mit ihm, nachdem er ja aus unserem Wahlkreis stammt, noch außerhalb des Parlamentes sprechen. (Posl. Hackenberg: Das ist ein Lehrer!) Ja, das ist ein Volksbildner, ein Lehrer, der sich derartiger Ausdrücke bedient. Aber gerade Herr Fischer hätte am allerwenigsten Ursache, für den Abbau des Mieterschutzes einzutreten, denn, wenn er für die Leiden seines Volkes nur ein bißchen Verständnis aufbringen würde, dann würde er sich nur einmal in seinem eigenen Wahlkreis, ja sogar in seinem eigenen jetzigen Wohnort umzuschauen brauchen oder sich wenigstens unterrichten zu lassen und er würde sofort erfahren, wie diese Haderlumpen von Mietern wohnen und leben. Vielleicht kann ich ihm dabei ein bißchen an die Hand gehen. Das Wohnungselend in unserem Gebiete hat die Bezirksverwaltungskommission in Karlsbad, Marienbad, Eger, Falkenau und Ellbogen veranlaßt, einige Wohnungsreferate zu errichten, deren Tätigkeit sich auch auf die Erhebung der Wohnungsnot erstreckt. So wie in Aussig sind auch hier in diesen Bezirken schauderhafte Daten ermittelt worden, die, ich betone es ausdrücklich, durchaus nicht von einem Sozialdemokraten erhoben wurden, sondern von einem Bürgerlichen. In der Stadt Karlsbad, die von der Regierung so gerne als das Fenster der Republik bezeichnet wird, und von der die Christlichsozialen, die Deutschnationalen und Gewerbeparteiler unlängst erst behauptet haben, daß sie frei sei von Wohnungsnot, zählte man 159 einräumige Wohnungen mit 733 Personen. Die Wohnungen befinden sich natürlich meistens in Kellern und auch auf Dachböden und werden durchwegs von Arbeitern bewohnt. Diese Wohnungen sind direkt ein Skandal. Es sind feuchte, lichtlose Löcher, in denen der Aufenthalt zu einer Qual wird. Im Bezirk Karlsbad sind in 1.935 einräumigen Wohnungen 10.098 Personen untergebracht, das sind 13% der Gesamtbevölkerung. Dasselbe ist im Bezirke Marienbad, von dem ebenfalls behauptet wird, daß er nicht unter der Wohnungsnot leide. Dort gibt es 157 einräumige Wohnungen mit 842 Personen. Im Bezirke Falkenau sind 430 einräumige Wohnungen mit 2.580 Personen bevölkert. In 23 Fällen wohnen drei Familien in einem einzigen Raum. Sehr schlimm steht es auch im Bezirke Ellbogen, wo 953 einräumige Wohnungen von 5.459 Personen bewohnt sind. Die als typisches Wahrzeichen der Wohnungsnot zur traurigen Berühmtheit gewordene Egerer Kaserne, in der sich 72 Wohnungen mit 500 Personen befinden, braucht nicht besonders hervorgehoben werden. Selbst im Wohnort des Herrn Abg. Fischer im alten Schlaggenwald hat das Wohnungselend verheerende Folgen angerichtet. Es gibt dort 40 einräumige Wohnungen mit 231 Personen. Der dortige Stadtarzt Dr. Singer betont in seinem Gutachten, daß die Wohnungsverhältnisse in Schlaggenwald äußerst schlecht sind und besonders sind zahlreiche sanitätswidrige Wohnungen vorhanden. Wenn eingewendet wird, daß in ländlichen Gemeinden keine Wohnungsnot sei oder daß die Wohnungsnot nicht so kraß herrsche, so will ich Ihnen nur sagen, wie sich z. B. in meinem Bezirke die Wohnungsnot auswirkt. Ich wi!l Ihnen nur das Gutachten eines Distriktsarztes aus meinem Bezirke zur Kenntnis bringen. Dieser Arzt schreibt: "Bei meinen Dienstreisen in meinem Sanitätsdistrikt hatte ich Gelegenheit, in den einzelnen Ortschaften geradezu trostlose Verhältnisse von Wohnungen zu beobachten. Dies gilt insbesondere für Ortschaften, die fast durchwegs von Arbeitern bevölkert sind. Es gibt dort Wohnungen mit 1,5 m Höhe, mit einem Fenster und ohne Ofen. Die Länge beträgt oft nur 3 m, die Breite 2.5 m. Darin sind oft 4 bis 5 Personen untergebracht. Abgesehen von den unzulänglichen Raumverhältnissen sind die kleinen Wohnungen feucht und dumpf, wodurch dem Auftreten von Infektionskrankheiten wie Influenza, Keuchhusten, Dyphterie, Tuberkulose Vorschub geleistet wird". Der bürgerliche Referent über die Wohnungsfürsorge kommt in seinen zusammenfassenden Betrachtungen zu folgendem Urteil: "In diesem furchtbaren Wohnungselende muß schließlich die Widerstandsfähigkeit auch des gesündesten und lebensfreudigsten Arbeiters zermürbt werden. Man stelle sich nur vor, wenn er nach des Tages Mühen, anstatt sich in der Wohnung Ruhe und Erholung gönnen zu können, seine Familie in einem Massenlager schlimmster Sorte findet und in der dumpfen stickigen Luft dieser Wohnhöhlen kaum ein Plätzchen zum Ausruhen hat. Gar bald treten infolge dieser ungesunden Wohnungen Krankheiten der Kinder ein. Muß da nicht das Gemüt verbittert werden und muß da nicht alle Lebensfreude sich in Haß und Neid verwandeln; und die Ohnmacht, die Lage nicht verbessern zu können, gebiert dumpfe Verzweiflung. Aber es sind nicht mehr einzelne, die in diesem Elend leben, nein, heute ist es schon eine breite Schicht der arbeitenden Bevölkerung. Die verantwortlichen Faktoren mögen sich auch vor Augen halten, daß dieses Problem immer ernster und gefährlicher wird. Denn die breite Schicht der Bevölkerung, die unter dem Wohnungselend zu leiden hat, ist sich heute sehr wohl bewußt, daß dies keine Übergangserscheinung von absehbarer Dauer ist, sondern daß dieses Los dem Arbeiter, der heute in den besten Jahren seiner Leistungsfähigkeit steht, ihn bis zur Zeit seines Todes beschieden ist, der unter diesen Verhältnissen bald eintreten muß. Gerade diese Hoffnungslosigkeit treibt dann die Massen - denn es sind nicht mehr einzelne - zu Schritten, die wir heute noch gar nicht vorausahnen können. Auch durch die Stille dieser verzweifelten Leute darf man sich nicht täuschen lassen. Oft genügt dann ein ganz geringfügiger Anlaß, um das glimmernde Feuer zum Auflodern zu bringen. Wird sich ein solcher Mann unter solchen Verhältnissen nicht sagen: was kann ich denn verlieren, wenn daheim nur Not, Krankheit und Verzweiflung herrscht?"

Das sagt der bürgerliche Wohnungsreferent und das sollte sich auch der Herr Abg. Fischer durchlesen. Das sagen Leute, die allerdings nicht blind durchs Leben taumeln und die auch nicht aus Haß gegen die armen Teufel und leidenden Menschen jede menschliche Regung und jedes soziale Gefühl verloren haben. Das Wohnungselend bei uns besteht und es kann weder von einem Fischer noch von einem Viškovský durch Reden gehässiger Natur aus der Welt geschafft werden. (Posl. Hackenberg: Wenn er von seiner Pension leben müßte, würde er vielleicht auch ein wenig anders reden!) Ja, so ist es. Draußen in der Provinz ist es eben so wie hier in Prag. In Prag - das hat ja Koll. Hackenberg bereits in einem Zwischenrufe bemerkt fehlen noch 20.000 Wohnungen und es spielen sich verzweifelte Kämpfe bei Vergebung von Wohnungen ab. Ich möchte auch den Mieterfeinden empfehlen, sich das in Preßburg bestehende sogenannte Bretteldorf anzusehen, in welchem 23 Familien beisammen sind, die sich aus Bretteln von Zuckerkisten Baracken gebaut haben, in denen sie mit ihren Kindern hausen. Dabei müssen diese Leute noch immer in der Angst leben, daß ihnen nicht durch das oft eintretende Hochwasser der Donau diese elenden Baracken fortgeschwemmt werden. So also, Herr Fischer, wohnt und lebt das Volk der Haderlumpen. Gewiß, wir verstehen schon, daß auch kleine Hausbesitzer schwer unter den Bestimmungen des Mieterschutzes zu leiden haben. Diese Hausbesitzer sind aber nicht die Scharfmacher gegen die Mieter, sie kennen die wirtschaftliche Lage derselben, weil sie selbst zum Großteil der Arbeiterklasse angehören. Die Scharfmacher sind die Hausagrarier, das Hausbesitzerkapital, das durch die Beseitigung des Mieterschutzes freie Bahn zur Auswucherung der Mieter haben will. Es ist heller Wahnsinn, unter den jetzigen Verhältnissen den Mieterschutzabbau vornehmen zu wollen, weil dadurch tausende Menschen in Verzweiflung und Verderben gejagt werden. Wir müssen uns daher gegen jede Verschlechterung des Mieterschutzes auf das schärfste wenden.

Die mit zur Verhandlung stehende Vorlage über die exekutive Räumung von Wohnungen, wurde ebenfalls verschlechtert, besonders im § 5, der jetzt bestimmt, daß einem delogierten Mieter, dessen Einrichtungsgegenstände bei der Gemeinde aufbewahrt sind, wenn er sie nicht innerhalb eines Jahres von dem Tage der Aufbewahrung an, übernimmt, diese Einrichtungsgegenstände von der Gemeinde veräußert werden können. Viele arme Teufel, die das Unglück hatten, delogiert zu werden, werden durch diese Bestimmung ihrer Einrichtungsgegenstände beraubt, für deren Anschaffung sie sich jahrelang die Kreuzer vom Munde absparen mußten. Doch alles läßt die Regierungsparteien kalt, sie kennen nur ein Bestreben, den Mieterschutz umzubringen; mögen Tränen fließen, Familien zerstört werden, zarte Kinderleben zugrunde gehen, was ist dabei, wenn nur die Hausbesitzer wieder Herren im Hause sind.

Ich habe schon gesagt, daß der Mieterschutz erst beseitigt werden kann, wenn genügend Wohnungen geschaffen sind. Wie schaut es da bei uns aus, und was hat die Regierung bisher geleistet? Die Mittel, die da angewendet wurden, waren nur Palliativmittel und kamen für eine merkliche Bekämpfung der Wohnungsnot nicht in Frage; auch das jetzige Gesetz wird eben so wenig wie das frühere eine Abhilfe bringen. Mit dem bloßen Garantiebeitrag und der dürftigen Unterstützung der privaten Bautätigkeit wird der Bauförderung wenig geholfen. Das kann nur durch ausreichende direkte Subventionierung erfolgen. Warum wird kein entsprechender Baufond geschaffen, aus welchem nicht nur öffentliche Körperschaften, wie Gemeinden, Genossenschaften u. s. w. gespeist werden könnten, sondern womit auch den Privaten billige Darlehen gewährt werden sollten? Man komme uns nicht immer wieder mit der alten Einwendung, daß kein Geld dafür vorhanden sei. Wir wissen, es ist Geld für viele über flüssige Einrichtungen da. Für den Rüstungsfond z. B. dem man großmütig 3.500 Millionen Kronen widmete, ungezählte Millionen für verkrachte Banken, für Parteieinrichtungen der Regierungsparteien, wie wir das bei den Kohleneinfuhrscheinen sahen und für vieles andere mehr. Für die Mordkultur stehen Millionen zur Verfügung, für Wohnungskultur gibt es nur zugeknöpfte Taschen. Die großzügige Wiener Wohnungsfürsorge hat auch bei uns Bewunderung ausgelöst. Daß man aber daran ginge, das Wiener Beispiel nachzuahmen, dazu fehlt der gute Wille. Man behauptet immer wieder und auch die Herren Berichterstatter haben das getan, daß nur durch die Beseitigung des Mieterschutzes, nur durch die freie ungebundene Wohnungswirtschaft die Bautätigkeit gehoben werden kann. Wie unzutreffend diese Behauptung ist, zeigt uns gerade die Wiener Wohnbaupolitik, zeigt uns ferner auch Ungarn, wo die freie Wohnungswirtschaft schon besteht. Die Folge davon ist in Ungarn eine ungeheure Steigerung des Mietzinses, der um das Fünf- und Achtfache gestiegen ist und im Jahre 1928 dem vollen Friedenszins angepaßt werden soll. Während in Wien eine Einzimmerwohnung jährlich 360 Kè nach unserem Gelde umgerechnet kostet, müssen in Budapest dafür 1800 Kè gezahlt werden. Für eine Zweizimmerwohnung werden in Wien 500 Kè jährlich gezahlt, in Budapest 2.500 Kè. Die Geschäftslokale weisen in Wien durchschnittlich eine Mietzinshöhe von 800 Kè per Jahr auf, in Budapest 5.000 Kè. Trotz dieser hohen Mietzinse läßt die Neuherstellung von Wohnungen in Ungarn alles zu wünschen übrig. Auch die Budapester Gemeinde mußte trotz der freien Bewirtschaftung Gemeindehäuser bauen. Da sehen wir nun Folgendes: In den Wiener Gemeindehäusern werden für eine Einzimmerwohnung jährlich 420 Kè gezahlt, in Budapest 3.765 Kè. Eine Zweizimmerwohnung kostet in Wien 580 Kè, in Budapest 4.860 Kè. Das sind die Unterschiede zwischen der freien Bewirtschaftung und der Zwangswirtschaft. Die Herren, die da fortwährend von der Abschaffung der Zwangswirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens sprechen, haben hier ein sehr anschauliches Schulbeispiel. Auch bei uns sind die Mietzinse in den neuerbauten Häusern den breiten Schichten bei ihrem Einkommen unerschwinglich. Sie bewegen sich zwischen 3000 und 8000 Kè jährlich und darüber hinaus. Wir müssen daher die öffentliche Bautätigkeit fördern, müssen den Gemeinden und anderen öffentlichen Körperschaften Mittel zu Wohnbauten zur Verfügung stellen. Das Schlagwort, daß die Gemeinden zu teuer bauen, entspricht, wie Wien beweist, nicht den Tatsachen. Die Regierungsparteien haben jetzt den Gemeinden durch das Gemeindefinanzgesetz die Möglichkeit jeder sozialen Tätigkeit und auch jeder Bauförderung genommen. Auch das wird sich sehr nachteilig für die Wohnungsfürsorge auswirken, wird erhöhte Wohnungsnot nach sich ziehen. Mit dem vorliegenden Gesetze über die Bauförderung können die Schäden, die aus dem Wohnungselend unserem Volke erwachsen, nicht geheilt werden, es wird an den bestehenden Zuständen nichts ändern, ja es wird durch die verschlechterten Bestimmungen die Situation noch wesentlich verschärfen. Verschlimmernd wirkt auch hier die provisorische Geltungsdauer des Gesetzes, wodurch neben der Verteuerung des Baumaterials auch der Bodenwucher ausreichend gefördert wird. Es wäre angezeigter, wenn Herr Dr. Sturm als Sekretär der deutschen Baumeistervereinigung statt Brandreden gegen den Mieterschutz zu halten, Wege suchen würde, um die erhöhten, Kosten der Baumaterialien zu verbilligen; allerdings darf das nicht auf Kosten der Arbeiter geschehen. Sonst werden die Mietzinse in den neuen Häusern, die von den Minderbemittelten schon jetzt nicht mehr gezahlt werden können, noch erhöht werden, so daß diese überhaupt davon ausgeschlossen sind, in solchen Häusern Wohnung zu nehmen. Der Betrag von 120 Millionen, den das jetzige Gesetz für die Bauförderung zur Verfügung stellt, ist entschieden zu niedrig. Wir müssen uns weiter gegen die Herabsetzung der Steuererleichterungen und gegen die Einschränkung der Steuerfreiheit wenden. Ich habe schon im sozialpolitischen Ausschuß darauf verwiesen, daß durch die Praktiken der Behörden das Gesetz über die Baubewegung fast wirkungslos gemacht wird. Da hat der Herr Berichterstatter des Budgetausschusses erklärt, daß bei der Regierungsgarantie von 120 Millionen Kè die einzelnen Gesuche noch strenger überprüft werden müssen. Er hat scheinbar keine Ahnung, wie man auf diesem Gebiete von Seiten der Behörden arbeitet. Die Bewerber um die Staatsgarantie müssen ein wahres Martyrium durchmachen, um die Ansuchen bewilligt zu erhalten. Die Bauabteilung der politischen Landesverwaltung läßt die Ansuchen monatelang liegen. Im Bezirke Falkenau wurden ab Mai 1927 einige 40 Ansuchen um die Staatsgarantie eingebracht, erledigt wurden bis heute ganze 4 Stück. Mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln werden die Bewerber schikaniert, Belege und Beilagen werden verlangt, die das Gesetz gar nicht vorschreibt Es ist jetzt schon eine groß angelegte Sabotage, die selbst mit diesem schlechten Gesetze betrieben wird. Wahrscheinlich geschieht das über höheren Auftrag. Ob das nur für die deutschen Gebiete so gehandhabt wird oder ob auch èechische darunter zu leiden haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn sich dieser Zustand noch verschlechtern soll, bleibt von der Bauförderung überhaupt nichts mehr übrig. Es muß noch festgestellt werden, daß beim vorjährigen Gesetz die deutsche Durchführungsverordnung zu spät herausgegeben wurde, was gleichfalls eine Benachteiligung der deutschen Bewerber war. Während die èechische Durchführungsverordnung 4 Wo chen nach der Kundmachung des Gesetzes erschien, mußte auf die amtliche deutsche Ausgabe 10 Wochen gewartet werden.

Meine Damen und Herren! Es ist eine erwiesene Tatsache, daß bei uns nicht nur sehr trostlose Wohnungsverhältnisse bestehen, sondern ein Wohnungselend herrscht, das krasser nicht mehr sein kann. Gerade deshalb müssen wir an dem uneingeschränkten Mieterschutz festhalten. Die Regierung macht durch die vorliegenden Gesetze gerade das Gegenteil, sie baut den Mieterschutz ab, und sie stellt nur ganz unzulängliche Mittel für die Bauförderung zur Verfügung. Das bedeutet aber eine Erweiterung des Wohnungselends, größere Schädigung der Volksgesundheit, erhöhte Kindersterblichkeit, weiteren sittlichen Verfall unserer Jugend, was alles zur Degeneration unseres Volkes führen muß. Die Wohnungsfürsorge ist eines der größten sozialen Probleme, dessen Lösung nicht Aufgabe der privaten Wirtschaft sein kann, sondern Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Aufgabe des Staates sein muß. Wir leisten mit unserer ganzen sozialen Fürsorge in Spitälern, Jugendfürsorgestellen, Kindererholungsstätten, Tuberkuloseheimen, Krüppelanstalten usw. nur Sysiphusarbeit, wenn die Menschen weiter wie Tiere zu wohnen gezwungen sind. Wirkliche Hilfe können wir nur bringen, wenn wir die breiten Massen des Volkes aus dem Wohnungssumpf befreien und für sie billige und gesunde Wohnungen beschaffen. Die vorliegenden Gesetze bringen diese Hilfe nicht. Wir haben eine ganze Reihe Anträge gestellt, nicht etwa Agitationsanträge, dazu ist uns das ganze Problem viel zu ernst, sondern Anträge, die verwirklicht werden können und die zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse wesentlich beitragen würden. Ich weiß, unsere Anträge werden von den deutschen und èechischen Regierungsparteien rücksichtslos niedergestimmt werden, diese werden das schamlose Attentat auf das Obdach der arbeitenden Menschen durchführen. Denn sie bemühen sich nicht nur das Volk auszuhungern, es politisch zu entrechten, sondern es soll auch noch der erhöhten Obdachlosigkeit überantwortet werden. Aber die Herren in der Regierung sollen ja nicht glauben, daß sie der Verantwortung entgehen werden. Das Volk wird umso früher erkennen, daß es weder von den herzlosen gottverlassenen Christlichsozialen noch von den jedes nationalen Empfindens baren Agrariern und Gewerberettern etwas zu erwarten hat. Der Bürgerblock hat, seit er die Macht in diesem Staate besitzt, in der sozialen Gesetzgebung gehaust wie ein Elefant im Porzellanladen, rücksichtslos und brutal werden alle sozialen Gesetze entnervt. Die Krönung dieser Verbrecherarbeit soll jetzt wieder dadurch erfolgen, daß man auch an die Zertrümmerung der Sozialversicherung schreitet. Nur so zu, meine Herren Regierungsparteiler, nehmt den Arbeitern das bischen erbärmliche Obdach, werft sie auf die Straße, laßt sie betteln gehen, wenn sie alt und hungrig sind, doch vergessen Sie dabei nicht, daß der Tag der Vergeltung kommen wird. Die Massen des Volkes warten darauf, über diese fluchwürdige Politik ein Urteil abzugeben. Daß es das Todesurteil für den Bürgerblock sein wird, dessen sind wir uns sicher. Wir werden selbstverständlich gegen jede Verschlechterung des Mieterschutzes und der Bauförderung stimmen. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

2. Øeè posl. Horpynky (viz str. 16 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wie ich vor mehr als einem Jahre von der Tribüne dieses Hauses aus Gelegenheit hatte, zu den von der Regierung vorgelegten provisorischen Mieterschutz- und Bauförderungsgesetzen zu sprechen, habe ich meine damaligen Ausführungen mit dem Appell an die Regierung und die Regierungsmehrheit geschlossen, das Jahr 1927 nicht unbenützt vorübergehen zu lassen und einen Gesetzesantrag auszuarbeiten, der das Problem der Bauförderung im Zusammenhange mit dem Mieterschutz in großzügiger Weise löst, und diesen Gesetzesantrag zeitgerecht den gesetzgebenden Körperschaften zur Beratung vorzulegen. Ich konnte damals allerdings nicht verschweigen, daß ich wenig Vertrauen in die Parteien der jetzigen Regierungskoalition setzen kann, die meiner Meinung nach schon infolge der ganzen Struktur der Regierungsmehrheit weder die Fähigkeit noch die Ambition besitzen, das Wohnungsproblem mit allen damit eng zusammenhängenden Fragen zu lösen. Das Jahr 1927 ist also abermals nutzlos verstrichen und heute, wenige Tage vor Ablauf der Rechtswirksamkeit des letzten Mieterschutzprovisoriums wird dem Abgeordnetenhause wieder nur ein provisorisches Gesetz mit einer einjährigen Lebensdauer zur Beschlußfassung vorgelegt.

Diese allgemeine Erscheinung des kläglichen "Fortwurstelns" mit Gesetzesprovisorien in den wichtigsten sozialen und wirtschaftlichen Fragen hat ihre letzten und tiefsten Ursachen in der politisch unsicheren Lage der gegenwärtigen Regierung und der Parteienmehrheit, auf die sich diese Regierung stützt. Heute überblicken wir, rückschauend in die Vergangenheit, den ganzen politischen Entwicklungsprozeß, der zwangsläufig den gegenwärtigen Grad der Labilität der jetzigen Regierungsmehrheit erzeugen mußte.

Am Anfange des ersten gewählten Parlamentes der Èechoslovakei stand eine allnationale èechische Regierungskoalition, zusammengesetzt aus bürgerlichen und sozialistischen Parteien des èechischen Herrenvolkes allein. Diese durch grundlegende Prinzipien der Parteiprogramme, ja sogar durch Weltanschauungen von einander unterschiedliche Parteien konnten gerade nach einer sogenannten sozialen Revolution doch einträchtig beim Regierungstische miteinander sitzen bleiben, weil sie der Außenwelt ihrer Wählerschaft gegenüber von dem eisernen Ringe der Notwendigkeit zusammengehalten wurden, die ganze politische Macht in den Händen des èechischen Staatsvolkes zu vereinigen und so vor der ganzen Welt den Nach weis zu führen, daß dieser Staat trotz der ihm von der Friedenskonferenz widerrechtlich ausgelieferten Minderheitsvölker ein einheitlicher èechischer Nationalstaat sei. So lange es also galt, staatspolitische und nationalpolitische Gestaltungen in Gesetzesparagraphen niederzulegen, war es leicht, unter den divergierenden Parteien der èechischen bürgerlich-sozialistischen Regierungskoalition die gewünschte Eintracht zu erhalten und dem sicherlich politisch sehr reifen èechischen Volke trotz aller sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Sonderinteressen als notwendig erklärlich zu machen. Und wenn sich bei aller Begeisterung für den èechischen Nationalstaat und bei aller Überzeugung von der Notwendigkeit einer rein èechischen Regierung trotzdem Risse in der allnationalen Koalition zeigten, so gab es einen unsichtbaren Kitt, mit welchem man diese Risse rasch verschmieren und das Koalitionswerk sanieren konnte. (Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 15. bøezna 1928 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 81 této tìsnopisecké zprávy.) Die èechischen Staatsmänner und Politiker selbst haben vor dem In- und Auslande in Wort und Schrift feierlich erklärt, daß das deutsche Schulwesen in allen seinen Formen und Typen dezimiert und auf ein niedrigeres Niveau heruntergedrückt werden muß, damit auf dessen Kosten das èechische Schulwesen ausgebaut werden kann bis zu jenem Grade, den wir heute sehen, daß in Gemeinden des geschlossenen deutschen. Sprachgebietes in den unzulänglichen Räumen einer deutschen Gemeindeschule 70 und mehr deutsche Schulkinder zusammengepfercht im Abteilungsunterricht sitzen, während im gleichen Orte für 10 oder 20 Kinder der zugewanderten Èechen aus Staatsmitteln ein Minderheitsschulpalast aufgeführt ist. Auf Grund eines besonderen Abbaugesetzes wurden die deutschen Staatsangestellten derartig gründlich ihres Arbeitsplatzes beraubt und derselbe mit Èechen besetzt, so daß wir Deutschen nicht einmal ein Zehntel jener Stellen im Staatsdienste, auf die wir nach dem Bevölkerungsschlüssel ein Anrecht haben, mit deutschen Volksgenossen besetzt sehen. [Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 81 této tìsnopisecké zprávy.] Nimmt man noch die Gesetze über die Vermögensabgabe, Wertzuwachsabgabe, Kriegsanleiheumtausch u. ä. dazu, die durch ihre einseitig harte Durchführung gegen die Deutschen weitere Milliarden der deutschen Wirtschaft zugunsten der èechischen entzogen haben, so wird man begreiflich finden, daß es der bürgerlich-sozialistischen Regierung nicht schwer fiel, bis zum Jahre 1925 ihren eisernen Koalitionsring unversehrt zu erhalten. Als aber wir Sudetendeutschen ein armes Volk geworden waren, dem man èechischerseits ohne Gefährdung des Staatsprestiges nichts mehr in so großzügiger Art wegnehmen konnte, als die Beutebrocken aus dem Raube am deutschen Besitzstande immer kleiner und nichtssagender wurden, da verlor das Schlagwort vom èechischen Nationalstaat für die Parteien der "Pìtka" seine Zugkraft und die allnationale Koalition zerfiel so gründlich, daß das Parlament selbst nach den Wahlen des Jahres 1925 anfangs nicht mehr arbeitsfähig war.

Es ist eine bewußte Unwahrheit und eine beabsichtigte Täuschung der Wählermassen, wenn die jetzigen deutschen Regierungsparteien durch ihren Minister Mayr-Harting auf den Parteitagen in Trautenau und Arnau verkünden lassen, daß die allnationale èechische Koalition infolge des in Europa herumrumorenden Locarnogeistes zerfallen ist, und daß die deutschen Regierungsparteien bedingungs- und programmlos in eine gemischtnationale Regierungsmehrheit im Frühjahr 1926 eintreten mußten, um die Bildung einer neuen national-èechischen Koalition zu verhindern, und jetzt trotz der Erfolglosigkeit ihrer Politik in dieser Regierungsmehrheit verbleiben müssen, um die Wiederkehr einer èechischen "Pìtka" zu vereiteln, die sich angeblich auch im èechischen politischen Lager niemand wünscht. Ebenso falsch ist die Behauptung der deutschen Regierungsparteien, daß viel Schaden für das deutsche Volk in diesem Staate hätte verhindert werden können, wenn der deutsche Aktivismus schon früher sein Experiment des Mitregierens hätte beginnen können.

Die Tatsachen, die wir miterlebt haben, widerlegen schlagend eine solche fadenscheinige Argumentation der deutschen Regierungssparteien. Seit dem Zerfall des deutschen parlamentarischen Verbandes ex 1920 haben die deutschen Regierungsparteien mit ihrem Aktivismus und Positivmus und mit ihrer Sehnsucht nach der Teilnahme an der politischen Macht sittsam und stellenweise würdelos herumgewedelt, ohne vor den Augen der Èechen Gnade gefunden zu haben. Die èechischen bürgerlichen Parteien haben ganz genau den Zeitpunkt erkannt, wann sie die sich anbietenden Deutschen in die Regierungsmehrheit hineinlassen durften, ohne daß sie die Teilnahme der Deutschen an der sogenannten Macht irgendwie in ihrem rein èechisch-nationalen Konzepte stören könnte. Die èechischen Regierungsparteien haben auch den glücklichen Zufall benützt, die sich in die Regierung planlos hineindrängenden deutschen Parteien bis zum heutigen Tage in einer künstlich gemachten Einflußlosigkeit zu erhalten und ihnen auch den kleinsten Erfolg einer Teilnahme an der Regierungsmehrheit zu versagen.

Der Herr Minister Mayr-Harting hätte vielmehr der Wahrheit entsprechend berichten müssen, daß sich heute im èechischen Lager alles nach der Wiederkehr einer allnationalen èechischen Koalition sehnt und daß sich auf der èechischen Seite niemand mehr die weitere Fortsetzung der gegenwärtigen gemischt-nationalen Koalition wünscht, zumal diese gerade im Jubiläumsjahre mit Rücksicht auf das Ausland nicht angebracht zu sein scheint. Und so sehen wir allenthalben eine immer stärker und deutlicher werdende Annäherung zwischen den in der Regierung befindlichen èechischen Bürgerparteien und den in Opposition stehenden, èechischen sozialistischen Parteien, was besonders bei den Beratungen über die Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes merklich in Erscheinung tritt. Früher haben im Rahmen der allnationalen Koalition die bürgerlichen und sozialistischen Parteien in jeder einzelnen Frage ein Kompromiß gesucht und geschlossen, wobei die deutschen Parteien vollkommen nebensächlich gewesen sind. Heute werden in den wichtigsten Fragen die Kompromisse zwischen den èechischen Regierungs- und Oppositionsparteien ebenso geschlossen, nur muß man jetzt deutsche Regierungsparteien mit einer beleidigenden Geste beiseite schieben und ausschalten. An dem èechischen Regierungssystem aus den Tagen der allnationalen Koalition, èechischen Regierungskoalition, hat sich jetzt unter der gemischt-nationalen Regierungsmehrheit gar nichts geändert.

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