Meine Herren! Der vorliegende Gesetzantrag
bezüglich der Troppauer Stadtanleihe deckt sich im wesentlichen
mit dem, was wir in dieser Beziehung seit langem gemeinsam mit
den Vertretern der Stadtgemeinde Troppau, deren Bürgermeister
ja unserer Partei angehört, verlangt haben. Wir werden also
selbstverständlich für diese Vorlage stimmen, doch muß
ich darauf aufmerksam machen, daß wir in diesem Gesetzlein
keineswegs eine Abschlagszahlung für die Degradierung Troppaus,
für den Raub unserer schlesischen Selbstverwaltung erblicken
können. Auch die bevorstehende und selbstverständliche
Wiedereinräumung der Troppau grundlos entzogenen Befugnisse
einer politischen Behörde erster Instanz oder die vorläufige
Belassung mehrerer Ämter, die ja selbst bei der böswilligsten
Absicht doch nicht plötzlich allesamt von Troppau nach Brünn
verlegt werden können, oder aber die Errichtung irgendwelcher
neuer Ersatzbehörden in Troppau könnte uns nicht im
mindesten aussöhnen mit der Vernichtung der schlesischen
Landeshoheit durch die sogenannte Verwaltungsreform.
Es ist klar, daß wir unter den gegebenen
Umständen und Verhältnisse für Troppau wenigstens
das retten wollen, was bei einer wohlwollenden Auslegung des Gesetzes
überhaupt noch zu retten ist und wir fordern, daß die
Regierung endlich das geheimnisvolle Dunkel lüfte, das sie
bisher geflissentlich über ihre diesbezüglichen Pläne
breitet. Ganz im stillen wurde bereits mit 1. Jänner d. J.
z. B. die Zollabteilung der Finanzdirektion von Troppau nach Brünn
verlegt; so wie ein Dieb heimlich bei Nacht etwas nimmt und wegträgt,
so beabsichtigt man offenbar auch weiterhin vorzugehen und hofft,
durch dieses sukzessive Verfahren am leichtesten einer Empörung
der schlesischen Bevölkerung auszuweichen. Aber wie bekanntlich
einem Hund das stückweise Abhacken des Schwanzes nicht gerade
angenehmer ist als eine einmalige Radikaloperation, so empfinden
auch wir diese Methode nicht als die richtige. Jedesmal werden
wir aufschreien, so oft uns ein Stückchen unserer Landeshoheit
entrissen wird und nie und nimmer werden wir für irgendwelche
Brosamen unseren Anspruch auf die verwaltungsmäßige
Selbständigkeit des Landes Schlesien aufgeben.
Was für die Stadt Troppau und Schlesien
im großen gilt, das gilt für die Stadt Hultschin und
das Hultschiner Ländchen im kleinen. Es besteht die Absicht,
dieses einheitliche Hultschiner Gebiet, das bisher eine eigene
politische Bezirksverwaltung besitzt, auf den Bezirk Troppau-Land
und Mährisch Ostrau aufzuteilen. Man will dadurch jedenfalls
die Erinnerung an die frühere Zugehörigkeit des Ländchens
zum Deutschen Reiche austilgen und die Assimilierung der vom preußischen
Joch befreiten Brüder beschleunigen. Bis heute hat man sich
nämlich darum vergeblich bemüht und Zuckerbrot und Peitsche
vermochten nicht, die gleich uns Sudetendeutschen um ihr Selbstbestimmungsrecht
betrogenen Hultschiner zu richtigen Èechoslovaken
zu machen. Weder die außerordentliche Befugnis des bevollmächtigten
Kommissärs für das Ratiborer Gebiet, wobei zu diesem
amtlichen Titel wohl zu bemerken wäre, daß Ratibor
noch immer zum Deutschen Reiche gehört,
noch die vollständige Angliederung des Ländchens an
Schlesien waren im Stande, die erlösten Brüder dort
zu weiß-rot-blauen Hurrahpatrioten zu erziehen. Darum auseinander!
Merkwürdigerweise treten die deutschen Christlichsozialen
aus wirtschaftlichen und Zweckmäßigkeitsgründen,
wie sie sagen, für diese Zerreißung des Hultschiner
Ländchens ein. Daß nationale Beweggründe bei ihnen
keine Rolle spielen, ist ja nichts Neues, aber auch wirtschaftliche
und Zweckmäßigkeitsgründe sprechen in diesem Falle
gegen die Zerlegung. Bei mir waren schon mehrere Abordnungen aus
dem Hultschiner Gebiet, die sich gegen die Teilung und Zerreißung
des Ländchens auf das schärfste verwahrten, weil sie
daraus eine schwere Schädigung und Gefährdung ihrer
wirtschaftlichen Interessen befürchten. Und mit Recht,
denn weder im Mährisch-Ostrauer Bezirk noch im Bezirke Troppau-Land,
die beide fast rein èechisch sind, würden sie Verständnis
für ihre Bedürfnisse und ihre Eigenart finden. Nur wenn
sie ihre eigene Bezirksvertretung bekämen, könnten
sie selbst mit Nachdruck auf die Besserung der unhaltbaren Verhältnisse
im Ländchen hinarbeiten, soweit dies im Rahmen der reformierten
Verwaltung überhaupt möglich sein wird. Deshalb gehen
die wahren Wünsche der Bevölkerung, denen ja sogar in
der christlichsozialen Parteisitzung der Vertreter der Stadt Hultschin
unumwunden Ausdruck verlieh, im Gegensatz zu den von Luschkas
Gefolgsleuten verbreiteten Behauptungen dahin, beisammen zu bleiben,
komme was kommen mag. Es fällt den Hultschinern nicht ein,
ihre Zugehörigkeit freiwillig preiszugeben, ihre historischen
und geographischen Bindungen zu verleugnen, die sie von Altersher
innig mit einander verknüpfen. Bei der letzten Volkszählung
wurden zwar im Hultschiner Bezirk 38.000 sogenannte Mährer
zu den Èechen gerechnet, in Wahrheit
sind diese Mährer aber noch heute zu zwei Dritteln heimattreue
Oberschlesier, die sich aus dem deutschen Kulturkreis nicht ausschalten
lassen. Als ehemalige Zentrumsanhänger suchten sie ihr Heil
zunächst bei der christlich-sozialen Volkspartei, die sich
ja damals mächtig deutsch gebärdete und wir Deutschnationalen
versuchten nicht einmal, sie daran zu hindern, weil wir den Frieden
im Ländchen nicht durch Parteikämpfe irgendwie stören
wollten. Ja, wir wiesen sogar alle Ansinnen und Ansuchen, dort
deutschnationale Versammlungen abzuhalten oder Ortsgruppen zu
gründen ab, und so kam es, daß die deutschen Christlichsozialen
bei den letzten Parlamentswahlen aus dem Ländchen 12.529
Stimmen davontrugen. Eine Gegenleistung wurde den Hultschinern
nicht zuteil, weder ein Mandat im Parlament, noch ein genügen
der Schutz vor den schweren Drangsalierungen, unter denen gerade
sie fürchterlich zu leiden hatten. (Posl. Matzner: Da
mußte Zuckmantel einspringen!) Sehr richtig! (Posl.
Horpynka: Mayr-Harting als Justizminister ist nichts? Seinen Vertrauensmann
hat man dort eingesperrt!) Der über das Ländchen
verhängte Ausnahmszustand, von dem die Welt viel zu wenig
weiß, ist und bleibt eine Schmach und eine Schande für
die ganze Republik, die nur vergleichbar ist mit der Behandlung
der südtiroler Deutschen durch Mussolini. (Posl. dr Lehnert:
Dafür haben wir die Demokratie!) Sehr richtig! Daß
aber dieser Zustand solange aufrecht erhalten wird, beweist entweder
die Ohnmacht der angeblich seit anderthalb Jahren an der Macht
befindlichen Christlichsozialen oder ihren geringen Mut und ihre
geringe Beharrlichkeit, einzutreten für ihre Schützlinge.
Mit leeren Versprechungen wurden die armen Teufel abgespeist,
hingehalten, und nun, da sie sich verraten und verkauft sehen
und tief enttäuscht dieser Partei immermehr den Rücken
kehren, nun sucht man ihnen einzureden, das würde alles besser
werden, wenn sie auf die Bezirke Ostrau und Troppau-Land aufgeteilt
würden und sie hoffen, auf diese Art sich der unbequemen
Quälgeister zu entledigen. Zugleich mit dem Begriff "Hultschiner
Ländchen" sollen auch die Hultschiner Quälgeister
verschwinden. Zwar muß ein Politiker und Verwaltungsmann
wie Dr Luschka wissen, daß die Leute dabei vom Regen
in die Traufe kommen. Das rührt ihn aber offenbar nicht.
Seine Hauptsorge geht jetzt dahin, daß sie sieh selbst das
Grab schaufeln, damit er nicht zu dem einen Ehrentitel "Totengräber
Schlesiens" noch den zweiten "Totengräber Hultschins"
erhält. Aber auch wenn er sich diesmal geschickt im Hintergrunde
verstecken sollte, wie es seine Absicht zu sein scheint, der Verantwortung
für die Folgen der Zerreißung des Hultschiner Ländchens
wird er sich nicht entziehen können.
Die Schlesier haben seiner Partei die erste
Rate des wohlverdienten Lohnes für das Verhalten bei der
Finanz- und Verwaltungsreform bereits bei den Gemeindewahlen vom
16. Oktober des Jahres 1927 abgestattet. Damals verlor nämlich
die christlichsoziale Partei in Schlesien nach den amtlichen Berichten
nicht weniger als 9833 Stimmen, d. i. 38% ihres Besitzstandes
vom Jahre 1925. Zwar dürfte sich dieser Verlust bei Aufteilung
der deutschen Splitterparteien örtlichen Charakters etwas
verringern, aber trotzdem bleibt sicher noch immer ein gutes Viertel
als endgiltige Abnahme der christlichsozialen Wählerschaft
in Schlesien zu verzeichnen. Ist das ein Wunder bei der leichtfertigen
Preisgabe des Landes Schlesien und seiner altererbten Rechte durch
diese Partei? (Posl. Horpynka: Gestern hat die "Deutsche
Presse" von einem kolossalen Wahlsieg der Christlichsozialen
gefaselt!) So verstehen sie ihre Wahlerfolge umzudichten.
Der Zusammenbruch wäre bei uns in Schlesien noch vollständiger
geworden, wenn die Bevölkerung schon die Auswirkungen der
Gesetzgebungskunst dieser Herren am eigenen Leibe deutlicher zu
spüren bekommen hätte. Jetzt beginnen erst die Gemeinden
und Bezirke allmählich die Segnungen des neuen Finanzgesetzes
für die Selbstverwaltung kennen zu lernen und die Empörung
wird weiter wachsen, sobald die Verwaltungsreform in die Praxis
umgesetzt sein wird.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß
ich heute einige wenige Beispiele, Neuigkeiten über die Auswirkungen
des Finanzgesetzes, das seit 1. Jänner d. J. in Kraft ist,
auf die Gemeinden und Bezirke Schlesiens vorbringe. Vorläufig
fehlen dem Ausgleichsfonde für Schlesien rund 18 Millionen
Kè, um nur die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen,
und das trotz der rücksichtslosesten Abstriche, die das Landesrevisionsamt
an den Vorschlägen vornahm, und trotz Einführung aller
möglichen Abgaben und Gebühren. Dabei
sind wir in der Drosselung schon so weit gekommen, daß z.
B. Straßenbauten mitten in der Arbeit eingestellt werden
mußten, so daß sie bis auf weiteres unüberwindliche
Verkehrshindernisse darstellen. (Výkøiky
posl. Matznera.) 80 Jahre nach Aufhebung
der Robott sollen wieder Hand- und Spanndienste zu Straßenherstellungen
und anderen Bauten herangezogen werden, ja sogar die Nachtwächter
entzieht man den Dörfern und ordnete dafür abwechselnde
Nachtwachen durch die Einwohner an. Die Kosten für einen
Brückenbau wurden auf 5 Jahre verteilt, während man
sich z. B. bei baufälligen Gemeindeobjekten, bei baufälligen
Gebäuden und Schulen gewöhnlich mit der Halbierung des
Betrages begnügt und verlangt, daß zunächst das
halbe Gebäude hergerichtet wird und im anderen Jahre die
zweite Hälfte. Die Auslagen für die Beheizung und Beleuchtung
werden derart gedrosselt, daß eine halbwegs anständige
Straßenbeleuchtung überhaupt unmöglich wird und
daß z. B. Schulen im Winter den Unterricht bereits heuer
einstellen mußten, weil sie kein Geld mehr für Beheizungszwecke
übrig hatten. Alte Schulbänke, die schon 60 Jahre in
einer Schule in Gebrauch standen, dürfen nicht erneuert werden.
(Výkøiky na levici.) Das
ist ein konkreter Fall, den ich jetzt erlebt habe. Die Begründung
dafür hat gelautet: Wenn sie so lange gut waren, müssen
sie auch weiterhin gut sein - der dafür notwendige Betrag
wurde einfach gestrichen. Auch kleine Beträge für Drucksorten
oder öffentliche Kundmachungen werden gestrichen, sie fanden
keine Gnade vor den Augen des Zensors, bzw. des Landesrevisors.
Am traurigsten sieht die Sache bei der sozialen Fürsorge
aus, die wie ein überflüssiger Luxus behandelt wird
und fast zur Gänze der gesetzlichen Sparwut zum Opfer fällt.
Das sind nur einige wenige Beispiele, die ich noch beliebig vermehren
könnte und für deren Richtigkeit ich bürge.
Vielleicht glaubt jemand, ich übertreibe
und male absichtlich zu schwarz, wenn ich von einer katastrophalen
Finanznot der Selbstverwaltung, hervorgerufen durch die neuen
Gesetzesbestimmungen, spreche. Demgegenüber erlaube ich mir
auf eine Denkschrift zu verweisen, welche die Landesverwaltungskommission
für Schlesien dieser Tage an den Herrn Finanzminister gerichtet
hat und in der an der Hand des genauen Ziffernmaterials für
sämtliche Gemeinden und Bezirke Schlesiens Folgendes
nachgewiesen wird: Von den 453 Gemeinden Schlesiens sind 293 an
den Ausgleichsfond herangetreten und haben insgesamt 29,425.428
Kè angefordert. Nach rigorosester Bearbeitung der Voranschläge
durch das Revisionsamt verbleibt zur
Deckung aus dem Ausgleichsfond noch ein Abgang von 16,920.130
Kè. Dazu kommt noch für die 21 Straßenbezirke
ein Betrag von 7,094.858 Kè, so daß aus dem Dotationsfond
24,014.988 Kè zu leisten wären. Demgegenüber
beträgt der für Schlesien
im Gesetz vorgesehene Anteil an Umsatz- und Luxussteuer 6,266.700
Kè, also ungefähr ein Viertel dessen, was tatsächlich
benötigt wird. Von diesen 6 Millionen Kè kommen später
noch in Abzug die Dienst-, Ruhe- und Versorgungsgenüsse der
Bezirksbediensteten, deren Witwen, Waisen und
Hinterbliebenen, die vom Staate übernommen werden. Dann dürfte
für die notleidenden Bezirke und Gemeinden überhaupt
nichts mehr übrig bleiben.
Für die herrschenden Verhältnisse
ist es lehrreich festzustellen, daß nach dem Berichte
des Landesrevisionsamtes für Schlesien die 11 deutschen Gerichtsbezirke
Westschlesiens zusammen bloß 5,176.000 Kè bekommen
sollen, während für die 10 anderen vorwiegend èechischen
Bezirke 18,838.000 Kè beantragt sind. (Posl.
Matzner: Gleiche unter Gleichen!) Sehr
richtig! Obwohl nach der Steuerleistung und nach der Einwohnerzahl
ungfähr der gleiche Betrag für beide Teile in Betracht
käme. Noch deutlicher geht diese Auswirkung des Gesetzes
aus einzelnen Beispielen hervor: Die Stadt Jägerndorf, die
durch den Entzug verschiedener Einkünfte durch das
neue Finanzgesetz einen effektiven Verlust von 1.1 Millionen Kè
erleidet, hatte aus dem Ausgleichsfond einen Betrag von 2,738.230
Kè angefordert. Bekommen soll sie ebensoviel wie Troppau,
nämlich nichts, nicht einen roten
Heller! Schlesisch-Ostrau hingegen, eine èechische Stadt
von ungefähr derselben Größe wie Jägerndorf,
hatte 4,006.000 Kè verlangt und ist für 3 Millionen
Kè in Vorschlag gebracht, Schönbrunn und Karwin für
je 1 1/2
Millionen Kè, Freistadt für 808.000 Kè, Hruschau
für 750.000 Kè, Radwanitz 650.000 Kè, Kuntschitz
600.000 Kè, Michalkowitz 550.000 Kè, Peterswald,
Lazy und Orlau je 400.000 Kè usw. Ähnliches gilt von
den Straßenbezirken. Der deutsche Bezirk Olbersdorf z. B.
bekommt 3754 Kè, Benisch 52.980
Kè, demgegenüber der èechische Bezirk Friedek
1,309.813 Kè oder der überwiegend èechische
Bezirk Wagstadt 1,112.219 Kè. Allerdings sind diese Zahlen
noch nicht alle endgültig, weil die Landesverwaltungskommission
als solche noch nicht zu sämtlichen Anträgen
des Revisionsamtes Stellung nehmen konnte. Aber allzuviel wird
sich daran nicht mehr ändern und die Tendenz, die ich schon
bei der Schaffung der Ausgleichsfonde vorausgesagt habe, auf Kosten
der deutschen Selbstverwaltung die èechische großzupäppeln,
ist ganz offensichtlich. Damals haben mich die deutschen Regierungsparteiler
einen Schwarzseher genannt und von mir behauptet, ich setze das
herrliche Reformwerk nur aus Gehässigkeit gegen sie in ein
so schlechtes Licht. Die Zukunft werde lehren, daß es sich
auch für unsere deutsche Bevölkerung segensreich auswirken
werde. Nun haben Sie die Bescherung und wir haben wieder wie gewöhnlich
mit unserer Kritik Recht behalten. Ein neuer Grund zum Ärger
für die Gegenseite, denn nun stehen sie als falsche Propheten
da und müssen zu ihrer Rechtfertigung neue Ausreden ersinnen,
was ihnen übrigens bei ihrer großen Übung auf
diesem Gebiete nicht schwer fallen dürfte. (Posl. Horpynka:
3.700 Kronen für Olbersdorf sind ein Erfolg für Mayr-Harting,
der plakatiert werden wird!) Jawohl.
Daß es in Böhmen und Mähren
nicht besser aussieht als in Schlesien, liegt auf der Hand. Wenn
auch dort für den Ausgleichsfond viermal so viel benötigt
wird, als gesetzlich bewilligt ist, so müßten allein
für die fälschlich sogenannten historischen Länder
noch 432 Millionen zugewiesen werden, um den dringendsten Bedürfnissen
der Bezirke und Gemeinden Rechnung zu tragen oder für das
ganze Staatsgebiet einschließlich der Slovakei und Karpathorußland
nahezu eine halbe Milliarde Kè. Ich denke, das
müßte selbst die frömmsten Nachbeter und Verehrer
des heiligen Bürokratius stutzig machen und auch die eingefleischtesten
Fiskalisten von der Unsinnigkeit dieses Finanzgesetzes überzeugen.
Bald werden es die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß
eine solche Gesetzgebungskunst noch nie da war und nicht mit Unrecht
verfällt ein Parlament, das derart hanebücherne und
undurehführbare Gesetze in die Welt setzt, dem Fluche der
Lächerlichkeit. Das kommt davon, wenn eine einsichtslose,
knieweiche Mehrheit der Autorität grauer Theoretiker und
dünkelhafter Bürokraten mehr vertraut als dem Rate erprobter
Fachmänner. Vom grünen Tisch aus, unbeschwert von praktischer
Erfahrung, versuchte man einen Sturmangriff auf die Selbstverwaltung
und schoß dabei in blindwütigem Eifer über das
Ziel hinaus. Nicht bloß die Selbstverwaltung, die man treffen
wollte, sondern die ganze Bevölkerung und damit auch das
Staatswesen selbst wird durch dieses Gesetz schwer geschädigt.
Blinder Eifer schadet nur. Das ist eine alte Geschichte. Leider
scheinen die verantwortlichen Redakteure noch immer nicht diese
Mißgeburt preisgeben zu wollen, sie schämen sich offenbar,
mannhaft einzugestehen, daß sie einen schweren Fehler begangen
haben, und möchten sich um eine Neuformung dieses aus ihrer
Retorte entsprungenen Homunkulus so lange als möglich herumdrücken.
Höchstens via facti soll etwas zur Verhütung des Zusammenbruches
einzelner Gemeinden und Bezirke geschehen, so sagte neulich ein
Minister. Mit derartigen Hausmitteln, die bloß zur Verdeckung
der häßlichsten Auswüchse dienen können,
ist aber nichts getan, das Übel muß an der Wurzel bekämpft
und ab ovo ausgerottet werden. Es unter der Oberfläche weiter
schwären zu lassen, wie es gegenwärtig der Fall ist,
wäre ein Verbrechen, das sich einmal bitter rächen müßte.
Nicht der Prestigestandpunkt darf maßgebend sein, sondern
einzig und allein das Wohl der Bevölkerung, und das verlangt
gebieterisch die eheste Beseitigung dieses unmöglichen Finanzgesetzes
und die Wiedereinräumung einer entsprechenden Finanzhoheit
an die Selbstverwaltung. Geben Sie der Gemeinde, was der Gemeinde
ist, dann werden Sie auch für den Staat bekommen, was des
Staates ist. Bedenken Sie, meine Herren von der Gegenseite, den
alten Grundsatz: Vorbeugen ist hundertmal besser als heilen und
handeln Sie rasch, ehe es zu spät wird, damit es dereinst
nicht von Ihnen heißt: "Die im Irrtum beharren, das
sind die Narren", sondern im Gegenteil: "Die durch Irrtum
zur Wahrheit reisen, das sind die Weisen".
Sie sehen, daß mir Parteiselbstsucht
ferne liegt, sonst hätte ich der geehrten Regierungsmehrheit
nicht so zugeredet, das zu tun, was vielleicht allein imstande
ist, ihr stark gesunkenes Ansehen in den Augen der Wählerschaft
einigermaßen wieder herzustellen. Mir und meiner Partei
geht es nur um das Wohl unseres deutschen Volkes, und weil dieses
jetzt in unseren Gemeinden und Bezirken am meisten durch das unselige
Finanzgesetz für die Selbstverwaltungskörper gefährdet
ist, fordern wir vor allem die ja angeblich an der Macht befindlichen
deutschen Parteien, ohne deren Stimmen das Gesetz nie zustande
gekommen wäre, eindringlichst auf, schleunigst eine Novellierung
dieses schäbigen Machwerkes durchzusetzen, und zwar in einer
Form, die den gerechten Wünschen unserer Selbstverwaltung
entspricht. Die Aufgabe einer Regierungsmehrheit darf sich nicht
im Apportieren der von einer hohen Bürokratie gewünschten
Vorlagen erschöpfen, ihre Pflicht ist es auch, die Oberaufsicht
über die gesamte Verwaltung zu führen und Übelstände,
die sich bei der Handhabung der Gesetze ergeben, nötigenfalls
gegen den Willen einzelner hoher Herren zu beseitigen. Wenn Sie
dazu nicht die Kraft oder den Mut aufbringen, dann beweisen Sie
vor aller Welt Ihre parlamentarische Unfähigkeit. Im Verbande
der deutschen Selbstverwaltungskörper haben Ihre offiziellen
Vertreter, die Vertreter der Christlichsozialen, des Bundes der
Landwirte und der Gewerbepartei selbst erklärt, daß
dieses Finanzgesetz unmöglich sei und unmöglich durchgeführt
werden könne und daß es je früher desto besser
geändert werden müsse. Da auch die èechischen
Gemeinden und Bezirke der gleichen Ansicht sind, ferner die Handels-
und Gewerbekammern, die Industriellenverbände und viele andere
Körperschaften bereits eingesehen haben, daß es so
einfach nicht weiter geht, könnte man meinen,
die Novellierung werde keine Schwierigkeiten bereiten. Überhaupt
gehört es doch in der èechoslovakischen Gesetzgebung
zum guten Ton, zu jedem halbwegs wichtigen Gesetz sobald als möglich
mindestens eine Novelle zu schreiben. Warum zögert man also
in diesem Falle damit, warum will man diese
schöne Gepflogenheit gerade dann verleugnen, wenn sie wirklich
am Platze wäre? Lassen Sie doch endlich einmal eine Sachverständigen-Enquete
einberufen, damit nicht etwa wieder die Federfuchser das Pferd
vom Schwanze aufzäumen. Und den Ministern Èerný
und Dr. Engliš, die ja die Hauptbefürworter und
Väter dieses Gesetzes sind, würde ich empfehlen, zunächst
einmal noch unter der Herrschaft dieses Finanzgesetzes ein Bürgermeisteramt
in einer mittleren lndustriestadt zu übernehmen, damit sie
am eigenen Leibe kennen lernen, was sie verbrochen haben. Sollten
oder wollten sie vielleicht diese ihnen anempfohlene Kur nicht
machen, sollten sie das ablehnen, dann mögen sie sich wenigstens
nicht länger von Leuten ihres Schlags, sondern von Praktikern
sagen lassen, was unserer Selbstverwaltung frommt.
Wenn Sie das aber außeracht lassen, wenn
Sie das gleichgültig läßt, dann unterwühlen
Sie mit Absicht die Grundfesten jeglicher Selbstverwaltung. Damit
aber - das sei Ihnen gesagt - unterwühlen Sie aber auch den
Staat und müßten deshalb eigentlich nach dem Schutzgesetz
vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Wenn Sie Schulter
an Schulter mit den deutschen Regierungsparteien auf diese Weise
ein Chaos herbeiführen wollen, so ist das schließlich
Ihre Sache. Wir legen jedoch auf das entschiedenste Verwahrung
dagegen ein, daß, wie ich ja an dem Beispiel Schlesiens
nachgewiesen habe, durch die Fondswirtschaft einseitig èechische
Interessen gefördert und deutsche mit Füßen getreten
werden. Darum wird bei uns nicht früher
Ruhe in der Selbstverwaltung eintreten, bis das Gesetz vom 15.
Juni 1927, Nr. 77, geändert und durch vernünftige Bestimmungen
ersetzt wird. Solange das nicht geschehen ist, werden wir nicht
müde werden, immer wieder den Ruf erschallen zu lassen: Heraus
mit einer gründlichen Novelle zum Finanzgesetz für die
Selbstverwaltung! (Potlesk poslancù nìm.
strany národní.)
Hohes Haus! Das vorliegende Gesetz wurde bereits
im Senat beschlossen und soll nun jetzt auch im Abgeordnetenhause
der Erledigung zugeführt werden. Im großen und ganzen
wird an dem bisherigen Zustand nichts geändert mit Ausnahme
einiger Erleichterungen, die aber wieder durch eine Reihe von
Ermächtigungen, die in dem Gesetz enthalten sind, aus der
Welt geschafft werden könnten. Die Vorlage entspricht natürlich
nicht im geringsten den an ein Paßgesetz zu stellenden Anforderungen
und es trägt auch nicht das Geringste dazu bei, die Hindernisse
der Verkehrsfreiheit, die mit dem Paß- und Visumzwang im
Zusammenhange stehen, irgendwie abzuschaffen oder auch bedeutend
zu erleichtern. Wir sind nun der Auffassung, daß in einer
Zeit, wo man so viel von der endlich vollzogenen Staatskonsolidierung
spricht und wo bei jeder Gelegenheit auf das nachdrücklichste
betont wird, daß wir mit der ganzen Welt in Freundschaft
leben, daß wir überall das beste Einvernehmen hergestellt
haben, daß in einer solchen Zeit doch endlich daran gedacht
werden müßte, die gegenwärtigen hemmenden Verkehrsschranken
aufzuheben, den Paß- und Visumzwang vollständig abzuschaffen.
Man sollte doch meinen, daß die Notwendigkeit auf Grund
unserer ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse zu dieser Aufhebung
gegeben ist und es sollten sich die Herren von der Regierungsmehrheit
es doch endlich einmal abgewöhnen, als Argument für
die Beibehaltung des Paß- und Visumzwanges immer ins Treffen
zu führen, daß sie aus wirtschaftlichen Gründen
und aus Gründen der staatlichen Sicherheit notwendig erscheint.
In der Vorkriegszeit herrschte vollständig
freier Verkehr in allen Staaten. Es wurde niemand durch Paß-
oder Visumzwang gehindert, die Verkehrsfreiheit war nicht eingeschränkt
und kein Mensch kann behaupten., daß dadurch die wirtschaftlichen
Verhältnisse oder die Sicherheit irgend eines Staates gefährdet
worden wäre. Wenn man es auch noch verstehen kann, daß
die Zeiten des Krieges außerordentliche Maßnahmen
erforderten, vor allem deshalb, weil ein freundschaftlicher. Verkehr
mit den einzelnen Staaten damals nicht möglich war. Wo sich
diese Staaten bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstanden,
ein ausgezeichnet organisiertes Spitzelsystem mit einem ungeheueren
Aufwand von Kosten erhielten, damals konnte man solche Zwangsmaßnahmen
noch verstehen. Aber heute, wo bei jeder Gelegenheit der Herr
Außenminister und die Herren von der Regierung immer und
immer wieder erklären daß wir mit allen Staaten in
Frieden, in bestem Einvernehmen leben, daß uns mit allen
Staaten eine herzliche Freundschaft verbindet und daß wir
restlos konsolidiert sind, wo wir also eigentlich nichts mehr
zu fürchten haben, da könnte man doch endlich einmal
daran schreiten, die Auflassung der Verkehrsschranken durchzuführen.
Wir sind für gründliche Arbeit und fordern grundsätzlich
die vollständige Verkehrsfreiheit und die gänzliche
Abschaffung des Paß- und Visumzwanges. Mit dem vorliegenden
Gesetz wird diese Forderung auch nicht annähernd erfüllt.
Es schafft zwar einige kleinere Erleichterungen, ändert aber
im großen und ganzen an dem bisherigen Zustand verdammt
wenig und für die Arbeiterschaft dieses Staates kommen diese
Erleichterungen überhaupt nicht in Betracht und haben gar
keine Bedeutung, weil, wenn es sich um ausländische Arbeiter
handelt, sie trotzdem den Paßzwang unterworfen sind und
außerdem noch eine weitere Verschärfung auf Grund der
Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes
erdulden müssen, indem sie nach diesem Gesetz außer
dem Paß noch eine ausdrückliche Aufenthaltsbewilligung
benötigen. Dabei gibt es in dem neuen Gesetz, das gegen den
alten Zustand gewisse Erleichterungen bringen soll, gleichzeitig
einige Bestimmungen, die Ermächtigungen an die Regierung,
an einzelne Minister, ja selbst an einzelne Beamte der Staatsverwaltung
festlegen, so daß es diesen Organen möglich ist, unter
gewissen Voraussetzungen die Ausstellung der Pässe zu verweigern,
besonders wenn es die sogenannten wirtschaftlichen Interessen
oder die staatliche Sicherheit erfordern. Unter Berufung auf diese
Kautschukbestimmung kann natürlich jeder Beamte ohne jede
nähere Angabe der Gründe die Ausstellung eines Passes
verweigern und die Bevölkerung ist in dieser Frage vollkommen
dem Gutdünken des Beamten, seiner Willkür und Laune
preisgegeben, weil er eben die Ausstellung des Passes unter Berufung
auf diese Bestimmung ohne nähere Angabe von Gründen
verweigern kann. Besonders kommt aber in Betracht, daß gegen
diese Willkür keine Handhabe geboten ist, weil bei Verweigerung
der Ausstellung des Passes der Rekursweg unzulässig ist.