Meine sehr verehrten Herren! Wenige Stunden
trennen uns noch von der Abstimmung über den Staatsvoranschlag
und das Finanzgesetz. Die Lehren, die wir in den zehn Jahren des
Bestandes der Republik aus den verschiedenen Abstimmungen gezogen
haben, werden sich auch heuer wieder bestätigen. Die automatische
Abstimmungsmaschine wird einsetzen und dadurch erkennen lassen,
daß auch im zehnten, im Jubeljahre der Republik, die Vernunft,
die angeblich durch die deutschen Regierungsparteien der Koalition
zugesellt wurde, gegenüber dem glorifizierten Machtrausch
kein Plätzchen gefunden hat. Während der Herr Finanzminister
vom dritten konsolidierten Budget gesprochen hat, zeigt gerade
das Kapitel, das wir heute besprechen, daß diese Konsolidierung
auch zu jenen nebelhaften und durch nichts gerechtfertigten Äußerungen
gehört. Sie sind ebenso aufzufassen, wie die Äußerung
unseres Herrn Außenministers, der von einer Konsolidierung
spricht, während im Innern der Kampf auf das heftigste tobt.
Im ganzen Staatsgebiete tobt der Wirtschaftskrieg und die unheilvolle
Deflation bringt der Hochfinanz und den Industriekypitänen
Gelegenheit, die gesenkte Rente und Dividende durch Rationalisierung
der Betriebe wieder zu heben, womöglich auf das Inflationsniveau.
Hausse und Baisse der Börsen machen die Arbeit des kleinen
Betriebes, des kleinen Landwirtes, des kleinen Gewerbetreibenden
zum Spielball toller Spekulation. Sie greifen ein in das Rad der
Produktion, liefern Tausende von Existenzen dem Abbau, dem Lohndruck
und der Aussperrung aus. Während die großen Banken
und die von ihnen kontrollierten großen Industrien fette
Dividenden und im Jubiläumsjahre noch fettere Superdividenden
einstreichen, die eine durchschnittliche Höhe von 12 bis
25% erreichen, ja daneben sind brutal aufreizende Gewinne von
100 und noch mehr Prozent in den Zeitungen ausgewiesen - darben
die Arbeiter und Angestellten bei Hungerlöhnen. Bei dem zur
Verhandlung gestandenen Gesetz über die Sozialversicherung
hat die ganze Öffentlichkeit amtlich erfahren müssen,
daß über 80% der gesamten Arbeiterschaft in
die niedrigsten Lohnkategorien, die durchschnittlich 100 bis 120
Kè in der Woche nicht übersteigen, eingereiht sind.
Während die von Amerika ausgelöste Zinssteigerungspolitik,
die auch hierzulande den naiven Gemütern als Geldversteifung
mundgerecht gemacht wird, die schaffende Arbeit in neue Fron schlägt
und eine täglich steigende Teuerungswelle erzeugt, begegnet
der durch den Selbsterhaltungstrieb diktierte Wille der Arbeiterschaft
und Beamtenschaft auf Ausgleich ihres dadurch gesunkenen Reallohnes
unter meisterhafter Vortäuschung des Rationalisierungszwanges
der heftigsten Abwehr der Zinsklipper, die sich nicht scheuen,
zur Wahrung der Ruhe und öffentlichen Ordnung, womit im kapitalistischen
Staat immer nur Sicherung von Rente und Zins gemeint ist (Souhlas
na levici.), den staatlichen Machtapparat, Polizei, Gendarmerie
und Militär bereit zu halten und eingreifen zu lassen. Wie
man unter solchen Gesichtspunkten, wo die ganze Wirtschaft in
krankhaftem Auf und Nieder begriffen ist, von einer Konsolidierung
sprechen kann, ist mir nicht klar. Jene, die sich nicht mehr wehren
können, die Alten, die Invaliden, die Witwen, Waisen und
die Altpensionisten läßt man ruhig warten im Jubiläumsjahr,
da man hofft, daß sie womöglich das zweite Staatsjubiläum
nicht erleben werden, weil sie inzwischen ihre Kräfte aufgezehrt
haben. Man war auch so rigoros, das, was Gemeinden und Bezirke
in den letzten Jahren an charitativer Hilfe aufgebaut haben, verdorren
und verstocken zu lassen, man war auch hart genug, große
soziale Werke, die die Selbstverwaltungen begonnen haben, durch
das Finanzgesetz und durch die Erdrosselung der Gemeindefinanzen
ad absurdum zu führen. Ich weiß nicht, ob man damit
die Zahl der Lohndrücker durch ältere Leute, die sich
immerhin noch einige Kreuzer verdienen wollen, vermehren wollte,
um dadurch die Zinsen- und Dividendenpolitik noch besser fortsetzen
zu können. Krise, Streik, Hunger und Verzweiflung einerseits,
auf der anderen Seite der berauschende Tanz um das goldene Kalb.
Durch die Stabilisierungsbilanzen hat man die Inflationsgewinne
gerettet, durch Abschreibungen Milliardenbeträge der großen
Steuerträger dem Zugriff des Fiskus entzogen. Dafür
hat man den Steuerdruck auf die kleine konsumierende Bevölkerung
im gleichen Maße bestehen gelassen, ja sogar in einzelnen
Gebieten noch verschärft. Die 70 Mill. Kè Steuerexekutionsbeträge,
die im Staatsvoranschlag ausgewiesen sind, sind charakteristische
Zeichen für die Konsolidierung, für die Moral nicht
des Bürgers, sondern des Staates, der
zu solchen Mitteln greifen muß.
Wir haben bereits im Ausschuß Klagen
über die verschiedenen Kapitel geführt. Der Staat, d.
h. diese Oberschichte zur Wahrung der Dividenden und Renten mag
ein Jubiläum feiern, mag sich als konsolidiert erklären.
Die breiten schaffenden Schichten der Bevölkerung, die Arbeiter
und Beamten, die Bauern und Kleingewerbetreibenden, sie wissen
von dieser Konsolidierung nichts.
Die Tendenz der dritten Gruppe, die in der
Hauptsache die Staatsbetriebe umfaßt, zeigt noch aufreizender
als die Privatbetriebe auf die kapitalistische ausbeuterische
Seite und den ungeheuren Druck hin, den die Staatsverwaltung auf
die ihr unterstellten Arbeitnehmer auszuüben vermag. Sie
zeigt sich nicht nur sozial reaktionär, sondern, was uns
Deutsche hauptsächlich angeht, chauvinistisch im èechisch
zentralistischen Sinne. Infolge der Kürze der Redezeit ist
es mir nur möglich, die wichtigsten Kapitel in kurzen Strichen
zu skizzieren. Wir haben das, was uns am Herzen liegt, in den
Ausschüssen in ausgiebiger Weise besprochen
und ich stelle an die Spitze meiner Betrachtungen die sogenannten
kommerzialisierten Betriebe, Eisenbahn und Post. Unter Kommerzialisierung
wollte man den Leuten und denen, die sich mit schönen Hoffnungen
trugen, einen Vorwand geben, die Machtgelüste des Staates
auf der einen Seite, aber auch die privaten Gelüste andererseits
durchzuführen. Wieweit diese Kommerzialisierung erfolgt ist
oder sich auswirkt, davon kann jeder Reisende Zeugnis geben, der
zu irgendeiner x-beliebigen Stunde eine èechoslovakische
Bahnstation betritt oder auf irgendeiner Station stundenlang auf
einen Zug warten muß. (Rùzné výkøiky
na levici.) Die Sicherheit, Schnelligkeit,
Genauigkeit und Billigkeit eines Betriebes sind der Gradmesser
für den Betrieb und in dieser Beziehung möchte ich den
Betrieb unserer Staatsbahnen ein wenig beleuchten. Die Sicherheit
der Staatsbahnen hat gerade in den Jahren der Kommerzialisierung
in dem gleichen Tempo nachgelassen, wie die Tarife gestiegen sind
und andere Maßnahmen eingeführt wurden. Die fast täglich
vorkommenden größeren oder kleineren Eisenbahnunfälle
sind ein Gradmesser für die Sicherheit. Die ungeheueren Katastrophen,
die abgewendet hätten werden können, vor allem die in
Mitteleuropa einzigdastehende Eisenbahnkatastrophe von Saitz zeigen,
was man mit scharfen Maßnahmen, wie mit dem Abbau von verdienten
Beamten, Bediensteten und Arbeitern, aber auch mit der Besteuerung
des Automobilismus und Ausschaltung der Konkurrenz, die gerade
vom Eisenbahnministerium aus kapitalistischen egoistischen Machtgelüsten
betrieben wird, ausrichtet. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß
das Eisenbahnministerium nicht durch solche Mittel der Machtanwendung
und den Konzessionszwang den Vorsprung, den es heute noch gegenüber
den Automobilen hat, wird behaupten können. Wir stehen vielmehr
auf dem Standpunkt, daß nur ein wirklich gut geführter
Betrieb, der im Interesse der Passagiere und der Beförderung
von Frachtgut liegt, diese Konkurrenz auf das kleinste Maß
zurückführen kann. Wir fordern heute ebenso, wie wir
es schon immer getan haben, daß im Konzessionszwang eine
Milderung eintritt. Es ist bezeichnend, daß ein anderes
Ministerium, die Post, den schwersten Kampf mit dem kongenialen
Ministerium führt. Wir fordern, daß die Konzession
für Güter und Transport, soweit sie Automobile betrifft,
in erster Reihe den Selbstverwaltungskörpern, den Gemeinden
und Bezirken zugewiesen wird (Sehr richtig!), denn nur
dort wird es möglich sein, daß man das von den Städten
und Bezirken ausgehende Hinterland erschließt. Man darf
nicht vergessen, daß Verkehr Verkehr schafft und muß
die Ausgestaltung des Automobilverkehrs fördern. Dieser so
ausgestaltete Automobilverkehr soll dann den Selbstverwaltungskörpern
zugutekommen. Wir verlangen, daß die Privatspekulation,
die auf diesem Gebiete wahre Orgien feiert, ausgeschaltet wird.
Wir kennen in Westböhmen den Automobilbetrieb, der ganz klein
angefangen hat und heute schon ganz Westböhmen und deren
Stadtvertretungen beherrscht. Wir verlangen, daß dieser
Zustand des Schachers und Wuchers beendet wird und daß einzig
und allein die Gemeinden und Bezirke es sind, denen die Konzessionen
vergeben werden sollen. Besonders wenn man in die Grenzgebiete
kommt, weiß man nicht, ob man am Anfang der Eisenbahnära
steht, also in der Zeit von ungefähr 1830 bis 1850 oder ob
wir nach dem Weltkriege im Zeichen des Aufschwunges des Weltverkehres
stehen und dabei noch solche Zustände antreffen müssen.
Ich will hier nur auf das Verhalten des Herrn
Ministers des Äußern verweisen, der sich im Ausland
nicht damit genug tun kann, die Konsolidierung dieses Staates
und die Großartigkeit seiner Einrichtungen zu rühmen.
Der erste beste Fremde, der über die èechoslovakische
Grenze kommt, kann diese Behauptungen Lügen strafen, weil
er erstaunen muß, in welch verwahrlostem
Zustande sich z. B. unsere Grenzbahnhöfe befinden. Außer
den französischen Aufschriften, die ja der meist deutschen
Bevölkerung gar nichts sagen, und der ungeheuer großen
èechischen Reklame fällt nur der Schmutz auf und die
Enge der Bahnhöfe, die bei dem ungeheueren
herrschenden Gedränge eine schwere Beeinträchtigung
der Gesundheit und des Lebens der Reisenden bedeutet. (Rùzné
výkøiky na levici.) Bitte,
sehen Sie sich einmal bei starkem Andrang den Bahnhof von Karlsbad
an! Ein kleines Fleckchen von wenigen Geviertmetern Ausmaß
muß in einigen Augenblicken oft 1100 bis 1200 Personen fassen,
die heraus und herein drängen. Wie oft dabei die Gesundheit
des Publikums zu Schaden kommt, das zeigen die zahlreichen Ersatzansprüche,
die die Reisenden in Verkennung der Sachlage nicht an die Staatsbahnverwaltung,
sondern an die Stadtgemeinde richten. (Sehr richtig!) Die
im deutschen Gebiete gelegenen Weltverkehrszentren - möchte
ich sagen - zu denen ich auch Gablonz, Aussig und Bodenbach zählen
muß, zeigen in dieser Beziehung Zustände, die mit der
vielgerühmten Konsolidierung des Staates in krassem Widerspruch
stehen. Dazu rechne ich nicht nur den Zustand der Bahnhofsgebäude,
sondern vor allem auch die enge Anlage des Bahnhofsgebietes, die
Geleise, die Weichen usw. Fast in keinem oder nur in wenigen Bahnhöfen
im deutschen Grenzgebiete gibt es richtige Übergänge
oder Überführungen. Das allereigentümlichste aber
ist bei einem kommerzialisierten Betriebe, daß, wenn Gemeinden,
Bezirke und andere Körperschaften auf diese unhaltbaren Zustände
hinweisen, die höchste Weisheit der Eisenbahnverwaltung dahin
lautet: Ändert es Euch ab! Baut Euch das selber. Man hat
diese Zumutung auch an ganz kleine Dorfgemeinden mit 300 Einwohnern
gestellt, die ihr Schutzdach wieder herrichten lassen wollten,
weil davon nur eine Planke mit der Aufschrift der Station übrig
geblieben war. Man hat z. B. bei den Gemeinden Karlsbad, Turn,
Zauchtel nach hunderten Eingaben ihnen den Bescheid gegeben: Wir
bewilligen Euch den Wartesaal, wenn Ihr die Kosten des Baues,
der Instandhaltung, der Reinigung, der Beleuchtung selbst aufbringet.
Also nicht nur die einmaligen, sondern auch die fortlaufenden
Ausgaben sollen die Gemeinden selbst übernehmen. Wo bleibt
da, ganz abgesehen vom Kostenpunkt, der Prestige-Standpunkt des
kommerzialisierten Unternehmens? (Posl. Krebs: Die Gemeinden
sollen dann auch noch für Unfall haften!) Ja, das Risiko
wird ihnen als den Erbauern dann auch noch zugeschanzt. Man redet
sich darauf aus, daß die Gemeinden das größte
Interesse daran haben. So bemüht sich z. B. die kleine Gemeinde
Selau-Kaschitz seit zwei Jahren, einen von ihr unter der alten
österreichischen Regierung erbauten Wartesaal, der inzwischen
von einem Bahndiener als Aufenthaltsraum, angeblich als Telephonzelle,
beschlagnahmt wurde, wieder hergerichtet zu bekommen. Die Antwort
des Ministeriums ist bezeichnend, indem man der Gemeinde sagt,
daß sie die Kosten der Instandsetzung und alles übrige
selbst tragen müsse.
Wie groß die Unglücksgefahr ist,
die aus den mangelhaften Anlagen entstehen kann, das zeigt
sich auf einer ganzen Reihe von Strecken. Auf offener Strecke
kreuzen nicht nur Straßenkörper, sondern selbst Bahnen
schneiden sieh. Auf der Prager Strecke der Buštìhrader
Bahn kann man staunend beobachten, wie auf gleichem
Niveau sich einzelne Schienenstrecken kreuzen. Dem gegenüber
kann man feststellen, daß im èechischen Gebiete auch
in verhältnismäßig kleinen Gemeinden die Bahnhöfe
stetig modernisiert und nicht nur zu Zweck-, sondern auch oft
zu Prunkgebäuden ausgestaltet werden.
Die Fürsorge der Eisenbahnverwaltung erstreckt sich also
auch hier wieder nur auf èechisches Gebiet. (Rùzné
výkøiky na levici.)
Die sogenannte Sicherheit des Verkehrs läßt
also sehr viel zu wünschen übrig. Eine zweite Frage
aber ist die der Schnelligkeit des Verkehrs. Man traut seinen
Augen nicht, wenn man z. B. zufällig einen Fahrplan der Vorkriegszeit
hervorzieht und die Verkehrszeiten von damals mit den heutigen
Verkehrszeiten vergleicht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der
Schnellzüge beträgt heute höchstens 55 bis 60 km.
Verspätungen von mehreren Stunden bei den Schnellzügen
sind an der Tagesordnung, von den Lokalbahnen gar nicht zu reden,
bei denen die Zugsgeschwindigkeit 8 km, im besten Falle 13 km
erreicht. Besonders schlimm sieht der Verkehr auf der Strecke
Petschau-Rakonitz und Kaaden aus. Ich mußte da z. B. um
3 Uhr früh aufstehen, um nach fünfstündiger Fahrt
auf den Kaadener Bahnhof zu gelangen, aber als ich hinkam, waren
alle Anschlußzüge weggefahren. Der Personen-Automobilverkehr
soll mit Rücksicht auf die Bahnen möglichst eingeschränkt
werden, aber gerade durch diese Bummelei auf den Lookalbahnen
leistet man dem privaten Automobilverkehr auf jede Weise Vorschub.
Die gemischten Züge auf diesen Strekken sind bekanntlich
ein wahres Martyrium für die Reisenden ,weil bei jeder Verladung
einer Kanne der Zug stehen bleiben muß. Die Arbeiter verzichten
lieber auf ihre Wochenkarten und gehen lieber zu Fuß in
die dortige Kaolinschlämmerei, als daß sie vier bis
fünf Stunden auf der Bahn bummeln. So sieht es mit der vielgerühmten
Schnelligkeit des Betriebes bei uns aus. Damit hängt aber
noch etwas anderes zusammen. Es gibt seit der Verstaatlichung
der Lokalbahnen eine ganze Reihe von Stich-, bezw. Verbindungsbahnen,
auf welchen ganz unmögliche Verhältnisse herrschen.
Früher hat man sich damit ausgeredet, der eine Ast gehöre
der einen Gesellschaft, der andere Ast der zweiten Gesellschaft.
Wenn man von Neusattel über Elbogen nach Schlaggenwald und
Schönwehr fährt oder von Petschau nach Luschna-Lischan,
muß man eine Station vorher in Rakonitz aussteigen, um nach
zwei- bis dreistündigem Warten das letzte Stückchen
der Strecke, vier Kilometer, mit dem Zügle weiter zu rutschen.
Auf der Strecke Neusattel-Elbogen ist es noch schlimmer. Nach
stundenlangem Warten muß man umsteigen und wieder warten.
Eine Strecke, die ein Kurgast von Karlsbad in eineinhalb Stunden
zu Fuß bewältigen kann, erfordert auf der Bahn eine
viereinhalbstündige Bummelei. (Hört! Hört!)
Bei dieser europäischen Expreßrekordgeschwindigkeit
ist es natürlich kein Wunder, daß auch der Frachtenverkehr
innerhalb der sogenannten Scheitelzone von 45 km Geschwindigkeit,
die er haben soll, immer mehr herabgeht und daß die Privatautomobilbeförderung
auf diese Weise sich des Frachtenverkehres in immer größerem
Maße bemächtigt. Da muß dann die Bahn zu neuen
Tarifmaßnahmen schreiten und durch Steigerung der Personen-
und Frachttarife das Minus, das die Bahnverwaltung selbst durch
diese Bummeleien verschuldet, hereinzubringen versuchen, was natürlich
wieder dazu führt, den Automobilismus noch schärfer
vorwärts zu bringen. Wir haben Strecken, auf denen sich der
Weltverkehr teilweise abspielt, aber noch kein Doppelgeleise besteht,
z. B. die Strecke Eger-Pilsen, die heute noch größtenteils
eingeleisig ist. Dasselbe gilt aber auch von der Strecke Komotau-Prag.
In den zehn Jahren des Bestandes hätte aus der zentripetalen
und zentrifugalen Lage heraus bei der sonstigen strategischen
Weitsicht der Staatsverwaltung auch dieser Rückstand schon
längst behoben werden müssen. Die Folge davon ist, daß
unsere Schnellzüge, auch Bäder- und Expreßzüge
mit niedriger Geschwindigkeit fahren und auf Kreuzungspunkten,
ja auf offener Strecke wegen der Kreuzungen halten müssen.
Bezüglich des Fahrpreises wendet man bei Gruppen- und
Gesellschaftsfahrten nicht immer dasselbe Maß an. Ich selbst
war als Führer von Exkursionen dabei, wo ein èechischer
Lehrer mit 5 bezw. 6. Burschen
die Fahrpreisermäßigung erhielt, 20% vom Fahrpreis,
und daß wir als Deutsche erst auf 10 Kinder eine Freikarte
bekamen. (Výkøiky na levici.) Ich
habe damals in der Station reklamiert, es wurde mir die Auskunft
gegeben, daß die Vorschriften so sind, wie er mir sagte.
Warum er bei den anderen andere Vorschriften anwende, konnte.
er nicht sagen. Auch die Jahreskarten der Geschäftsreisenden
erfordern eine erhöhte Aufmerksamkeit und die Forderungen
der Geschäftsreisenden nach einer allgemeinen gerechten Durchrechnung
und Angleichung sind vollkommen gerechtfertigt. Die Abbaumaßnahmen
haben das bodenständige mit den Verhältnissen vertraute
Personal in den deutschen Gebieten, soweit es stabil war, größtenteils
beseitigt. Es ist ein sonderbares Zeichen, daß auch heute,
nachdem das Abbaugesetz seit zwei Jahren erloschen ist, der Abbau
unter den verschiedensten Vorwänden fortgesetzt wird.
Qualifikation und Vorrückung begegnen allen möglichen
Schikanen. Dabei ist ein großer Teil gerade des deutschen
Personals in den Stationen und auf den Strecken, soweit Streekenarbeiter
in Betracht kommen, überlastet, weil die zugewiesenen èechischen
Beamten sehr gerne das Plus an Dienst den letzten deutschen Anwärtern
überlassen. Die Frage der Altpensionisten wurde bereits erwähnt,
und auf ihre unhaltbare Lage hingen wiesen, insbesondere aber
auf den Zwang und auf die Beschränkungen der Altpensionisten
bei Auslandsaufenthalten und bei Nebenverdiensten. Gerade die
Ärmsten der niederen. Kategorien sind mit diesen Verbot belastet.
Bei der Motorisierung des Verkehrs hat man
unglückseligerweise ganz kurze Strecken herausgegriffen,
wo der angestrebte Zweck nicht zu erreichen ist. Hier kommen nur
große und weite Strecken in Betracht, wie z. B. Eger-Prag.
Das Gleiche gilt von der Elektrifizierung. Dabei muß man
darauf Rücksicht nehmen, daß die Fahrten im schnelleren
Tempo und in kürzeren Zeitabschnitten als bisher erfolgen.
Es ist komisch, wenn im Fahrplan ein Motorzug angeführt ist
und der Reisende dann in einem ganz gewöhnlichen Dampfkraftwagenzug
fährt, wie es auf der Strecke Karlsbad-Joachimsthal und Karlsbad-Marienbad
die Regel ist.
Bezüglich der Post gilt auch in vieler
Beziehung das bereits Gesagte. Sie soll der Sicherheit und Schnelligkeit
des Verkehres dienen In den verschiedensten Städten erheben
sich aber die größten Anstände, die darauf zurückzuführen
sind daß auch bei der Post eminent gespart wird und daß
an Stelle der abgebauten Beamten Diener einestellt werden die
von weither kommen und die Verhältnisse nicht kennen. Der
Druck auf die Gemeinden bei der Beschaffung von Räumen ist
ebenfalls unmoralisch und unverantwortlich und bei der gegenwärtigen
Lage der Gemeindefinanzen nicht erfüllbar. Das wichtigste
Kapitel ist die Automatisierung des Telephons. Diese müßte
auch in die wichtigsten großen Städten des deutschen
Gebietes erfolgen, dadurch würde ein großer Teil der
Hindernisse wie schlechte Verbindung, Versprechen usw. wegfallen.
Im heurigen Jahre bin ich in einer einzigen Stunde 49mal falsch
verbunden worden, was gewiß bezeichnend ist. Die Zustellung
der Transporte vom Amt zur Bahn muß rationalisiert werden,
nicht wie ein vielen Orten geschieht, daß der ganze Brief-
und Gepäcksverkehr von einer Station in eine zweite Eisenbahnstation
zu einem Bahnpostamt und von diesem zu einem Nebenpostamt geleitet
wird. Besonders bemängelt werden in den Kreisen der Kaufmannschaft
die Auslandstarife, sowohl für Briefe als auch Telegramme.
Der Auslandstarif übersteigt die valorisierten Tarife des
Auslandes gegenüber Sendungen ins Inland in der Regel um
50, 70, ja 100%. Die Beamten erheben in den stärkeren Frequenzorten,
wo eine Saison ist, nicht nur in Kurorten, sondern auch
in Orten mit starkem Geschäftsverkehr wie Gablon und Haida,
seit Jahren die Forderung nach einer Saisonzulage. Den èechischen
Beamten ist man entgegengekommen, indem man ihnen eine Exponierungszulage
in erhöhtem Ausmaße zubilligt. Vor dem
Kriege bestand die Einrichtung, daß man für die fünf
Saisonmonate eine 10 bis 15%ige Zulage zum Gehalt bewilligte.
Wir erheben diese Forderung von neuem. Wirverlangen ferner gerade
auf dem Gebiete der Bahn und Post, daß unsere Absolventen
von Mittelschulen und Handelsakademien im deutschen Gebiete in
allererster Linie den Nachwuchs für den Beamtenapparat stellen.
Nicht bessere Verhältnisse sind in den
staatlichen Montanwerken. Als aktiv werden nur die Salinen genannt,
was kein Wunder ist, weil der Staat das Monopol hat. Der ehemalige
aktive Bergbau in Joachimsthal ist unter der neuen Verwaltung
auch im Jubiläumsjahr passiv, was ein bezeichnendes Licht
wirft. Was die staatliche Verkaufsstelle in Prag zu bewältigen
hat und wie sich die ausgewiesenen 32 Millionen Kè
Gewinn auf die einzelnen Betriebe verteilen, ist nicht ersichtlich.
Die Tabakregie hat einen Reingewinn von einer Milliarde, an Löhnen
zahlt sie aber die minimale Summe von 13.5 Millionen Kè
und die Lage der Arbeiter in den Fabriken, ihre Pensionsansprüche
und ihre Gesundheitsansprüche finden keine Berücksichtigung.
Seit Jahren bemühen sich auch die Arbeiter in den Radiumbetrieben,
hauptsächlich in Joachimsthal, um ein Gesetz, das ihre Gesundheit
schützen soll. Unser diesbezüglicher Antrag blieb bis
heute unerledigt. Der Handel soll den Güteraustausch fördern
und zu diesem Zwecke ist das Handelsministerium da. Für die
Gewerbeförderung sind 100.000 Kè eingestellt, eine
lächerliche Summe, dagegen ist für Karpathorußland
ein groß angelegtes Gewerbeförderungsinstitut
vorgesehen, also auf einem Platz, wo der Handel rückständig
ist und sich nur auf die primitivsten Bedürfnisse erstreckt.
Dagegen hat man in unserem hochstehenden deutschböhmischen
Randgebiete, wie Gablonz, Warnsdorf, Reichenberg, Asch, Eger usw.
für die dort schon bestehenden Institute kein Geld zum Ausbau
übrig. Das Handelsministerium hat auf der internationalen
Konferenz in Genf die Richtlinien angenommen, die dort zur Erleichterung
des Handels angenommen wurden. Es ist für die Èechen
bei ihrer Prestige- und Gloriesucht traurig,
daß sie in den zehn Jahren mit ihren Freunden, mit Polen
und Jugoslavien, bis heute keinen Handelsvertrag haben und daß
die Freundschaft mit Jugoslavien, die erst vor wenigen Wochen
bei der Konferenz in Prag so feierlich betont wurde, durch die
Agrarpolitik unserer Mehrheit in die Brüche gehen wird. Das
System Tisza, das Ungarn mit Österreich in Differenzen gebracht
hat, wird auch hier die brüderliche Freundschaft trüben.
Daß wir mit Polen zu keinem Handelsvertrag kommen, ist auf
die gleichen Erwägungen zurückzuführen und daß
wir mit Rußland keinen Vertrag haben, wo selbst kleine Staaten
wenigstens einen Garantielieferungsvertrag haben und so einen
großen Teil der Bevölkerung beschäftigen können,
ist ebenfalls ein Minus in diesem Kapitel. Ein Minus bleibt auch
das Fehlen des Handelsvertrages mit Deutschland. Dieses Fehlen
macht sich umso stärker bemerkbar, als gerade 70% unseres
Handels unserem engsten Nachbar zugeführt werden, bezw. auch
von dort kommew. Sonderbar ist die Ausrede, mit der man immer
die schleppenden Verhandlungen motiviert, daß der betreffende
Sektionschef durch Verhandlungen an einem anderen Orte gebunden
ist. Wenn die Auswahl am Personal nicht größer ist,
soll man lieber das Handelsministerium zusperren. Die Kaufleute
werden sich schneller bekümmern, ihre Waren selber auszutauschen
und die Selbsthilfe wird wahrscheinlich besser sein als die Staatshilfe.
(Rùzné výkøiky na levici.)
Ein Kapitel, wo das Handelsministerium vollständig
versagt hat, ist der Versuch, die organischen Grundlagen eines
Landes zu ändern. Genau so wie im alten Österreich die
Alpenländer bestrebt waren, den natürlichen Abfluß
unseres Exportes über den Elbeweg zu drosseln und mit allen
Mitteln zu verhindern und Triest und Pola vorzuschieben wir wissen,
daß das nicht gelungen ist - genau so versucht man auch
hier, binnenländische Häfen auf Kosten der an der Peripherie
gelegenen zu fördern. Sie wissen, daß Aussig im alten
Österreich drei Viertel mehr Umschlag hatte als alle Adriahäfen
Österreich- Ungarns, dreimal so viel Umsatz wie Triest,
und jetzt geht die Èechoslovakei daran, dieselbe Dummheit
Österreichs zu kopieren, hat sie schon zum Teil kopiert.
Der Ausbau der Häfen von Melnik und Holešovic bei Prag
dient diesem Zwecke. 800 Mill. Kè
sind für die Regulierungsarbeiten, über eine Milliarde
für die Hafenarbeiten verwendet worden. Die Folge davon ist
natürlich, daß die Frachten hoch sein müssen;
und nun muß man natürlich die Eisenbahntarife nach
diesen Binnenhäfen herabsetzen. Das hat natürlich
zu einem Kampf zwischen den Eisenbahnen und zwischen dem Handelsministerium
geführt, der damit endet, daß diese Tarifpolitik langsam
abgebaut wird, aber doch noch anhält. Es zeigt sich auch
hier, daß alle Güter mit Ausnahme der Rübe, die
in der Elbtalfurche gelegen ist und den natürlichen Weg in
der Elbe hat, daß das übrige Gebiet von Eger, Asch
und Trautenau bis Bodenbach nach Bodenbach gravitiert und dort
seinen natürlichen Ausgangspunkt sieht. Eine weitsichtige
Handels- und Innenpolitik hätte von allem Anfang an diese
Orte sichern, fördern und weiter ausbauen und die Fehler
des alten Österreich in ihr Gegenteil verkehren müssen.
Man sieht auch hier, daß der Chauvinismus immer ein schlechter
Erzieher ist.
Das traurigste Kapitel ist das Kapitel "Öffentliche
Arbeiten". Ich kann mich nur ganz kurz fassen. Von 712 Mill.
Kè Aufwendungen kommt fast nichts auf die Deutschen, außer
sie rechnen den Ministergehalt als wichtigste Post unter die Personalauslage.
Dieses Ministerium kennt fast keine Deutschen, weder
in der Zentrale, noch in den untergeordneten Stellen. Bei den
Sachausgaben ist das Verhältnis für die Deutschen das
denkbar ungünstigste. Die einzige Post von rund 7 Mill. Kè
für den Bau deutscher Hochschulabteilungen, ist, wenn sie
überhaupt zur Durchführung
kommt - täuschen wir uns nicht darüber - das wichtigste
Ergebnis bei einem Budget von 712 Mill. Kè. Daß da
noch 30.000 Kè für eine Mittelschule ausgegeben werden,
beschließt den deutschen Anteil an dem Voranschlag. Die
Zollhäuser müssen natürlich
im Grenzgebiete gebaut werden, und damit auch da dem Chauvin
nichts entgeht. hat man bei ihrer Ausschreibung die Bedingungen
und Vorschriften schon so gedeichselt, daß bei der Vergebung
nur èechische Unternehmer in Betracht kommen, die natürlich
wieder bei der Vergebung nur èechische
Lieferanten bedenken. Der Straßenbau, wofür gerade
die Deutschen in Böhmen nach der Karte des Ministers Spina
den Löwenanteil durch die Automobilabgabe abliefern, liegt
gerade in den deutschböhmischen Gebieten und den mährisch-schlesischen
Gebieten am tiefsten darnieder. Das weltberühmte Bäderdreieck
Karlsbad-Marienbad-Franzensbad harrt schon seit langen Jahren
der Ausgestaltung. Bisher geschah dort nichts, immer wieder nur
in der Peripherie von Prag auf 30 km wird all das Geld verbaut.
Für den Bau strategischer Bahnen in der Slovakei hat man
natürlich auch immer Verständnis und Geld.