Hohes Haus! Gestern sollte eine politische
Aussprache durchgeführt werden über die Bedeutung des
Wahlergebnisses vom 2. Dezember. Zu einer solchen ist es aber
eigentlich gar nicht gekommen. Es haben sich mit dem Ausgang der
Wahlen ausschließlich Redner der Oppositionsparteien beschäftigt,
während die Parteien der Mehrheit still blieben. Am Schluß
der gestrigen Debatte wurde uns nun von dem Vertreter der Mehrheitsparteien
mitgeteilt, warum die Redner der Mehrheit ausgeblieben sind. Erstens
einmal deshalb, weil man sich in der Regierungsmehrheit ganz auf
den Standpunkt stellt, der vom Stellvertreter des Herrn Ministerpräsidenten
verkündet worden ist, daß die Wahlen vom 2. Dezember
keine politische Bedeutung hätten. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Beachtenswert ist aber der zweite Satz,
daß sich die Koalitionsparteien deshalb an der gestrigen
Aussprache nicht beteiligt hätten, weil sie die Zeit frei
halten wollten für die viel wichtigere Aufgabe des Parlaments,
für die Pensionsversicherung der Privatangestellten. Es ist
wahr, die Reform des Pensionsversicherungsgesetzes ist eine wichtige
Aufgabe des Parlaments, nicht nur jetzt in dieser Stunde, sondern
schon seit Jahren gewesen, und wenn wir gewissenhafte und verantwortungsvolle
Regierungsmänner hätten, würden wir nicht erst
jetzt zur Reform der Pensionsversicherung schreiten. Man hätte
vielmehr schon längst diesem unerträglichen Zustand
ein Ende gemacht, daß die Renten, die Leistungen der Pensionsversicherung
in keinem Vergleiche stehen zu den heutigen Lebensverhältnissen,
zum jetzigen Wertverhältnis des Geldes. Als man im Jahre
1920 daranging, Teuerungszulagen zur Pensionsversicherung einzuführen,
da hieß es, daß das eine rein provisorische Maßnahme
sei, nur ein erster Schritt dazu, die Renten in ein Gleichgewicht
zu den neuen Lebensverhältnissen zu bringen. Aber aus dem
Provisorium ist ein jahrelang anhaltender Zustand geworden. Man
hat sich ungemein viel Zeit gelassen, eine Änderung des Pensionsversicherungsgesetzes
in Aussicht zu nehmen. Erst im Dezember des Jahres 1923 wurde
eine Kommission zur Vorberatung eines Gesetzentwurfes zur Pensionsversicherung
der Privatangestellten berufen. Diese ministerielle Kommission,
vom Fürsorgeministerium eingesetzt, hat Jahre gebraucht,
ehe sie zu einem Vorschlag gekommen ist. Nicht die Vertreter der
Angestellten, nicht die Mitglieder der Kommission, die aus den
Organisationen der Angestellten an dieser Arbeit beteiligt waren,
trifft dafür die Schuld, sondern mehr den anderen Teil der
Mitglieder und vor allem ist die lange Beratung eines Vorschlages
zur Reform der Pensionsversicherung darauf zurückzuführen,
daß man darauf ausging, die Pensionsversicherung und die
Krankenversicherung in einem zu erledigen. Die Vertreter der Angestellten
haben sich gegen diese Absicht ausgesprochen. Es ist zwar die
Frage der Krankenversicherung in dieser Kommission mitverhandelt
worden, aber es ergaben sich bei den Beratungen so große
Schwierigkeiten, daß man unmöglich diese beiden Gesetze
in eines verbinden konnte. Wenn dann später die Regierung
in ihrer ersten Vorlage ein Junktim aufgenommen hat, daß
die Reform erst in Kraft tritt, wenn die Krankenversicherung der
Privatangestellten gesetzlich verwirklicht wird, so war das ein
Rückfall in die Zeit, in der man auch in der ministeriellen
Kommission versucht hat, beide Fragen miteinander zu verquicken.
Endlich in diesem Jahre, und zwar am 16. März, ist die ministerielle
Kommission mit ihrer Arbeit fertig geworden. Im allgemeinen kann
man sagen, daß der Gesetzesvorschlag, der dort beschlossen
worden ist, vielen Wünschen der Angestellten Rechnung trägt.
Von einem Kompromiß, von einem Ausgleich, der zwischen Vertretern
von Arbeitgebern und Vertretern von Dienstnehmern zustande kommt,
darf man nicht verlangen, daß allen Forderungen und Wünschen
der Dienstnehmer Rechnung getragen wird. Aber soweit man von einem
derartigen Kompromiß überhaupt erwarten kann, daß
es den Bedürfnissen und Anforderungen der Angestellten entspricht,
soweit ist das geschehen.
Was hätte nun eine Regierung, der daran
gelegen gewesen wäre, so rasch als möglich die Wünsche
der Angestellten zu erfüllen, angesichts eines solchen Vorschlages
getan? Ich erinnere daran, daß die Forderungen der Angestellten
darauf abgezielt haben, daß bereits rückwirkend mit
1. Jänner 1928 die neuausgearbeiteten Bestimmungen in Kraft
treten, daß sie vor allem aber darauf bestanden, daß
wenigstens bis zum Oktober die neue Gesetzesvorlage zur Pensionsversicherung
fertig wird. Anders dachte das Ministerium für soziale Fürsorge.
Es wurden die gleichen Wege eingeschlagen, wie in vielen anderen
Fällen. Man ging daran, eine ganz neue Vorlage zu schaffen.
Monate auf Monate sind vergangen, die Angestelltenorganisationen
konnten noch so laut rufen, man ließ sich Zeit und als am
13. Juli 1928, also viele Monate später, nachdem der Vorschlag
der ministeriellen Kommission vorlag, der Regierungsentwurf ins
Haus kam, bildete er für die Angestellten eine große
Enttäuschung. Eine ganze Reihe wichtiger Verbesserungen,
die der Vorschlag der Beratungskommission zum Inhalt hatte, war
fallen gelassen worden, in einer ganzen Reihe von Bestimmungen
hatte man wesentliche Verschlechterungen eingefügt, und selbst
in jenen Fragen, deren Lösung für den Staat durchaus
keine Kosten verursachen konnte, selbst in jenen Fragen, in denen
Fachleute der Meinung waren, daß die beste Lösung die
von der Kommission vorgeschlagene sei, ging die Regierung einen
anderen Weg. Die Regierung kam also mit einem Vorschlag, der nach
keiner Richtung hin die Angestellten befriedigen konnte. Und als
endlich im September die Beratungen im sozialpolitischen Ausschuß
einsetzten, da mußte es zunächst Aufgabe der Oppositionsparteien
sein, aufzuzeigen, in welch rückständiger Art da wieder
ein sozialpolitisches Gesetz zustande gebracht werden sollte.
Man hat im ehemaligen Österreich genug
Erfahrungen gemacht, um zu wissen, daß der Begriff der Versicherungspflicht
klar umschrieben werden muß, weil es sonst immer Streitigkeiten
geben wird und geben muß, weil sonst immer einzelne, die
unter das Pensionsversicherungsgesetz fallen sollen, sich erst
ihre Versicherung auf dem Rechtswege erkämpfen müssen.
Aber schon im Titel des Gesetzes, das zur Verhandlung steht, haben
wir eine Änderung gegenüber dem Vorschlag der Beratungskommission,
die zu allerhand Auslegungen führen kann. Man ist in der
ministeriellen Beratungskommission übereingekommen, daß
das Gesetz einfach heißen soll: Pensionsversicherung für
die Privatangestellten. Die Regierung ist aber mit dem Vorschlag
gekommen: "Pensionsversicherung für Privatangestellte
in höheren Diensten". Es ist selbstverständlich,
daß, wenn eine solche Bestimmung an der Spitze des Gesetzes
steht, bei manchen Versicherungspflichtigen oder bei manchem,
der in das Gesetz einbezogen zu werden verdient, die Frage aufgeworfen
wird, ob er wirklich höhere Dienste verrichtet. Was man unter
höhere Dienste einreihen muß, das ist im Ausschuß,
obwohl wir wiederholt darnach gefragt haben, nicht erklärt
worden. Nun hat sich der Ausschuß auch über wichtige
Anregungen der Opposition hinsichtlich der Aufzählung der
Versicherungspflichtigen hinweggesetzt. Wenn an der Spitze des
Gesetzes und dann noch in späteren Bestimmungen von höheren
Diensten gesprochen wird, so ist es doch notwendig, daß
man möglichst viele Angestelltengruppen in jenen Bestimmungen
aufzählt, die von der Versicherungspflicht handeln. Das haben
wir wollen und wir sind damit nur Anregungen entgegengekommen,
die wir aus den Kreisen der Angestellten erhalten haben. Ich erinnere
daran, daß zum Beispiel die Organisation der Bergbauangestellten
Wert darauf gelegt hat, daß die Fördermaschinisten
im Bergbau mit aufgenommen werden, ich verweise darauf, daß
in einem Antrag, den wir im sozialpolitischen Ausschuß eingebracht
haben, ebenfalls darauf hingewiesen wird, daß jene Arbeitnehmer,
die hoch qualifizierte Leistungen vollbringen, die an verantwortlicher
Stelle stehen, von deren Qualität, von deren Leistungsfähigkeit
und Arbeitskraft schließlich für den Betrieb oft sehr
viel abhängt, ebenfalls unter die versicherungspflichtigen
Personen bei der Pensionsversicherung eingereiht werden sollen.
Wir sagten da: "Ferner sollen jene eingereiht werden, die
mit der Obsorge für die Sicherheit des Ganges der Betriebseinrichtungen
betraut sind, wie Werkführer, Bauführer, Maschinisten,
Untermeister, Meisteranwärter, Aufseher, Fördermaschinisten
usw." Alle die sollen in den Kreis der Versicherungspflichtigen
aufgenommen werden.
Alle diese Anregungen sind auf den Widerstand
der Mehrheit gestoßen. Man ist dabei geblieben, den Kreis
der Versicherten nicht so weit auszudehnen, als es notwendig gewesen
wäre. Es wird auch nach diesem Gesetz gewiß in Zukunft
unzählige Streitfälle geben darüber, ob der eine
oder der andere unter die Versicherungspflicht nach dem Pensionsgesetz
fällt. Wir müssen daher die Bestimmung, nach welcher
Angestellte nur dann in die Pensionsversicherung einbezogen werden
können, wenn sie höhere Dienstleistungen vollbringen,
zurückweisen. Wir halten das schon gegenüber dem bisherigen
Zustand für eine Verschlechterung, es widerspricht aber die
Aufnahme dieser Bestimmung auch dem Vorschlage der Beratungskommission,
deren Mitglieder nachträglich noch davor gewarnt haben, eine
solche verschwommene Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen.
Wenn wir zu den anderen Paragraphen kommen,
zu den Versicherungsleistungen dazu, wie die Versicherung durchgeführt
werden soll, so sehen wir gleichfalls gegenüber dem Vorschlag
der ministeriellen Kommission Benachteiligungen. Vergeblich haben
wir festgestellt wissen wollen, weshalb man die Versicherungsgrundlage
in den einzelnen Klassen wegläßt und warum da der Vorschlag
der Beratungskommission einfach mißachtet wurde. Wir konnten
ferner nicht erreichen, daß man dem gerechten Wunsch jener
Angestellten entspricht, die mehrere Dienstgeber haben und der
Versicherungspflicht unterliegen, daß sie in jene Gehaltsklasse
eingereiht werden, die der Summe der gesamten Dienstbezüge
entspricht. Wir haben zahlreiche Angestellte, z. B. Provisionsreisende,
die nicht bei einem Unternehmer allein beschäftigt sind,
und es ist nur notwendig und gerecht, sie so zu versichern, daß
es ihren wirklichen Bezügen entspricht.
Ein harter Kampf hat sich im sozialpolitischen
Ausschuß abgespielt über die Anrechnung der Beitragszeit
während der militärischen Dienstleistung. Auch da ist
die Lösung, die wir vorgeschlagen haben, abgelehnt worden,
auch da bleibt das Gesetz den Angestellten vieles von dem schuldig,
was sie erwartet haben. Die Vorschläge der ministeriellen
Kommission waren klar, sie haben sich mit den Auffassungen der
verantwortlichen Personen in der Pensionsversicherung gedeckt.
Es ist deshalb nicht zu verstehen, warum man diesen Vorschlag,
den wir jetzt im Plenum des Hauses abermals einbringen, einfach
unbeachtet gelassen hat. Unerklärlich ist es auch, warum
man dafür nicht zu haben war, im Gesetze klar auszusprechen,
welcher Prozentsatz der Beiträge für die Durchführung
der Heilfürsorge verwendet werden dürfe, ebenso unerklärlich
ist die Ablehnung der Bestimmung, daß ein gewisser Prozentsatz
zur Durchführung der Arbeitslosenversicherung verwendet wird.
Es ist dies umso unerklärlicher, als es im Ausschußbericht,
den der Referent vorgelegt hat, heißt: "Der Ausschuß
meint, daß für die praktische Durchführung dieser
Agenda der Pensionsversicherungsträger es voll genügt,
wenn im Versicherungsplan rechnerisch respektierte Quoten, das
sind 1 1/2
% über die Vorschreibung der Versicherung
auf die Heilfürsorge und 1/2%
auf die Beschäftigungslosenunterstützung, angeführt
werden, ohne daß sie im Gesetz vorgeschrieben sind."
Weshalb man dann die Vorschläge der Beratungskommission zurückgewiesen
hat, wenn im Bericht zugegeben wird, daß mit einer solchen
Ausgabe von vornherein zu rechnen ist, das verstehen wir nicht.
Ich kann natürlich hier nicht alle Verschlechterungen
besprechen, die gegenüber dem Kommissionsentwurf im sozialpolitischer
Ausschuß vorgenommen wurden. Aber es bilden die Beschlüsse
dieses Ausschusses und es bildet der Inhalt des Gesetzes trotz
seines Fortschritts gegenüber dem bisherigen Zustand eine
Enttäuschung für zahlreiche Angestellte.
Was aber zu dem schärfsten Widerspruch
herausfordern muß und was uns Anlaß gibt auf das entschiedenste
gegen die Methoden Einspruch zu erheben, die jetzt beobachtet
werden, das ist die Beschränkung der Selbstverwaltung, das
ist der Eingriff der Bürokratie in die Angelegenheiten der
Pensionsversicherung, das sind jene Bestimmungen die sich auf
die Organisation der Pensionsversicherung beziehen, auf die Zusammensetzung
des Ausschusses und Vorstandes. In allen Versicherungseinrichtungen
ist es dort, wo demokratische Grundsätze herrschen, selbstverständlich,
daß die Versicherten und die Arbeitgeber ohne irgendwelche
Bevormundung durch ernannte Personen die Arbeiten des Instituts
besorgen. Was aber sehen wir wieder bei diesem Gesetze? Unter
Berufung darauf, daß der Ausschuß der Zentralsozialversicherungsanstalt
auch ernannte Fachleute aufweist, unter Berufung darauf, daß
man auch bei der Sozialversicherung im Ausschuß und Vorstand
mit ernannten Mitgliedern zu rechnen hat, ist auch h: er bei der
Pensionsversicherung die Ernennung von Mitgliedern des Ausschusses
und des Vorstandes vorgesehen. Aber die scharfe Kritik, die im
sozialpolitischen Ausschuß an diesem Eingriff in die Selbstverwaltung
der Pensionsversicherung geübt wurde, hat den einzigen Erfolg
gehabt, den nämlich, daß man die Zahl der gewählten
Mitglieder im Verhältnis zu den ernannten erhöht hat.
Währenddem vorher unter 30 Ausschußmitgliedern sechs
ernannte sitzen sollten, ist das Verhältnis jetzt so, daß
der Ausschuß der Pensionsanstalt von 28 Gewählten und
6 ernannten Mitgliedern gebildet wird. Nun fragen wir einmal:
Weshalb Ernennungen? Es kann nicht der ganze Ausschuß der
Pensionsanstalt von den Versicherten gewählt werden und nachdem
wir die paritätische Verwaltung in der Pensionsversicherung
haben, wählen ja auch die Unternehmer ihre Vertreter. Sowohl
die Arbeitgebervertreter, als auch die Dienstnehmervertreter haben
sich in der Vorbereitungskommission für die freie Wahl aller
Ausschußmitglieder ausgesprochen. Ein Bedürfnis, Ernennungen
vorzunehmen, wäre nicht einmal vorhanden, wenn sich bei der
gegenwärtigen Zusammensetzung des Vorstandes der Pensionsanstalt
irgendwelche Schwierigkeiten oder Mißhelligkeiten ergeben
hätten. Aber wir wissen alle, daß in der Zeit des ehemaligen
Österreich und dann in den Jahren seit dem Bestand
der Èechoslovakischen Republik, seitdem wir eine eigene
Pensionsanstalt haben, niemals wegen, sagen wir, unrichtiger Geschäftsführung
oder wegen Handlungen und Maßnahmen, die sachverständige
Fachleute nicht zugelassen hätten,
Beschwerde zu führen gewesen wäre. Im Gegenteil, die
Pensionsanstalt hat - das kann ruhig gesagt werden - einwandfrei
und gut gearbeitet. Die gewählten Vertreter in der Pensionsanstlt
haben sich im ehemaligen Österreich bewährt. Daß
wir in der Èechoslovakei keine
Wahlen in den Vorstand der Pensionsanstalt gehabt haben, hängt
mit anderen Umständen zusammen, daran sind nicht die Angestellten
schuld, sondern die Scheu, die man in der Èechoslovakei
überhaupt vor Wahlen hat. Nur um Himmelswillen keine Wahlen!
Und so ist man immer und immer wieder von Jahr zu Jahr dem ausgewichen,
die Ausschüsse und Vorstände dieser Institutionen durch
Wahlen neu zu bestellen.
Es war durchaus nicht im Willen der An gestellten
gelegen, daß bisher eine ernannte Verwaltungskommission
die Geschäfte der Pensionsanstalt besorgt hat. Aber sie ist
ernannt worden über Vorschlag der zuständigen Organisationen,
jener Körperschaften, die ein Interesse daran haben, daß
in der Pensionsanstalt sozial-politisch einwandfreie Arbeit geleistet
werde. Nun soll aber dieser Zustand der Ernennungen verewigt werden,
das Ministerium für soziale Fürsorge soll nach diesem
Gesetz die Möglichkeit und das Recht haben, sechs Mitglieder
in den Ausschuß und zwei Mitglieder in den Vorstand zu ernennen.
Das bedeutet vielleicht nicht die Sicherheit, daß ein bestimmter
Wahlausfall korrigiert würde. Aber wozu Fachleute? Es ist
doch so, daß sowohl die Angestellten, als auch die Dienstgeber,
wenn sie an die Wahl dieser Körperschaften gehen, nicht Vertreter
hineinschikken, die von diesen Fragen nichts verstehen. Dann wissen
wir ja, wie es mit der Berufung in diese Körperschaften aussieht.
Es bedeutet keine Entpolitisierung solcher Körperschaften,
sondern es dient dazu, von rein politischen Anschauungen aus diese
Körperschaften zu beeinflußen.
Die Regierung maßt sich hier ein Recht
an, das jedem demokratischen Grundsatz widerspricht, daß
die Angestellten ablehnen, das keinen Befürworter gefunden
hat, auch nicht in der Beratungskommission für die Verbesserung
der Pensionsversicherung, in der neben den Dienstnehmervertretern
auch Arbeitgebervertreter gesessen sind. Aber nicht genug an dem.
Die Staatsverwaltung, die wohlgemerkt, zu der Pensionsversicherung
gar nichts beiträgt und die Lasten derselben nicht mitzutragen
hat, maßt sich ein Aufsichtsrecht über die Pensionsversicherung
an, das ungehörig ist. Es ist selbstverständlich, daß
der Staatsverwaltung eine Aufsicht über die durch dieses
Gesetz geschaffene Einrichtungen zustehen muß. Aber was
in diesem Gesetz vorgesehen ist - es ist nicht mehr alles in der
jetzigen Vorlage enthalten, was man ursprünglich hineinhaben
wollte - das ist mehr als Staatsaufsicht, das ist Bevormundung,
ist Unterstellung der Pensionsversicherung unter den Willen und
die Willkür der Bürokratie, und das ungeheuerlichste
bei dem Begehren der Staatsverwaltung, ihr ein derartiges Aufsichtsrecht
einzuräumen, ist, daß die Staatsverwaltung sich auch
diese Kontrolle und Bevormundung, diese Schuhriegelei, auf die
es letzten Endes hinausläuft, von der Pensionsversicherung
bezahlen läßt. Wir haben uns mit diesem Kapitel sehr
eingehend beschäftigt. Ganz offen gesprochen, wir können
nicht begreifen, wieso es Parteien der deutschen Bevölkerung
geben kann, die für derartige Maßnahmen zu haben sind.
Da ist uns zur Antwort gegeben worden: Ja, das Recht der Ernennungen
wird nicht nur für die gegenwärtige Regierung gemacht,
sondern bleibt ja bestehen; da kann eine andere Regierung auch
ihren Vorteil davon haben. Es wird also damit zugegeben, daß
die gegenwärtige Regierung ein Interesse daran hat, daß
dem Ministerium für soziale Fürsorge ein derartiges
Recht auf die Zusammensetzung des Ausschusses der Pensionsanstalt
eingeräumt wird, das ihm ermöglicht, zu den gewählten
Mitgliedern noch 6 Fachleute zu ernennen. Ich will kein Wort über
die Fachleute sagen. Eine Notwendigkeit, Fachleute in den Ausschuß
der Pensionsanstalt zu berufen, ist nach all dem, was wir seit
nunmehr zehn Jahren an vortrefflicher Verwaltungsarbeit in dieser
Anstalt gesehen haben, wahrhaftig vollkommen unbegründet.
Darüber nur Folgen des: Eine Staatsverwaltung,
die darauf ausgeht, alle Handlungen der Bevölkerung unter
Kontrolle zu stellen, die der Meinung ist, daß die Angestellten
und Arbeiter sich nicht allein zu helfen wissen und nicht den
richtigen Weg in solchen Fragen zu gehen verstehen, wird natürlich
eingreifen und im Sinne des Obrigkeitsrechtes Einrichtungen schaffen,
wie es die Ernennungen von Mitgliedern solcher Vertretungskörperschaften
sind. Aber das müssen doch Parteien nicht mitmachen, die
auf dem demokratischen Standpunkt stehen, die demokratisch fühlen
und denken. Natürlich, die deutschen Regierungsparteien haben
schon einmal der Regierung ein solches Privilegium eingeräumt,
Ernennungen vorzunehmen und durch Ernennungen Wahlergebnisse zu
korrigieren und auf die Körperschaften der Verwaltung Einfluß
zu nehmen, nämlich in der Verwaltungsreform. Wenn sie aber
die Augen offen haben, müssen sie jetzt schon sehen, wohin
solche Zustände letzten Endes führen müssen, und
insbesondere die Vertreter der deutschen Bevölkerung sollten
wirklich mit mehr Vorsicht zu Werke gehen. Sie reden sich darauf
aus, daß später auch andere in einer zukünftigen
Regierung davon Vorteil haben werden. Parteien, die wirklich demokratisch
denken und fühlen, müssen eine solche Einmischung in
die Verwaltungsarbeit einer sozialpolitischen Institution zurückweisen
und entschieden verwerfen. Genau so, wie sich die deutschen Koalitionsparteien
für die Ernennungen haben gewinnen lassen, genau so hat man
sie auch für eine andere Maßnahme eingefangen: für
den Abbau der deutschen Landesstellen. Darüber müssen
einige Worte gesagt werden. Denn was da getrieben worden ist an
Täuschungen, Irreführungen und Beruhigungsversuchen,
die ganz unbegründet waren und für die kein Beweis einer
Berechtigung da war, ist ungeheuerlich.
Als im Juli die Vorlage über die Pensionsversicherung
aufgelegt wurde, hörten wir von den deutsch-bürgerlichen
Regierungsparteien, daß man sich eine Beseitigung der deutschen
Landesstellen nicht bieten lassen könne. Man der deutsch-bürgerlichen
Regierungsparteien gestanden ist. Sie erklärten, es sei unmöglich,
daß man sich eine solche Brüskierung der Deutschen
bieten lassen könne. Die deutschen Angestellten in Böhmen,
Mähren und Schlesien haben sich zum Teil darauf verlassen.
Einzelne Organisationen dieser Angestellten waren der Meinung,
jetzt sei alles in Ordnung, jetzt brauchen wir uns keine Sorgen
mehr zu machen, die Landesstellen bleiben bestehen, sie werden
nicht angetastet. Da ging man mit einer feierlichen Versicherung
des Abg. Kramáø hausieren, die er
angeblich in der "Osmièka", aber auch in einer
Versammlung gegeben haben soll: Den Deutschen wird nichts genommen
werden, was sie haben, bleibt ihnen erhalten. Dieses feierliche
Versprechen wurde überall verbreitet, es
hat kein deutsch-bürgerliches Blatt gegeben, das nicht in
großer Aufmachung gesagt hätte: Man sieht, daß
Dr Kramáø ein Politiker
ist, mit dem man in solchen Fragen wirklich ernst reden kann;
er hat erklärt: Was ihr habt, wird euch gelassen, wird euch
nicht genommen. Noch mehr, man hat später den Angestelltenvertretern
mehrmals gesagt, seid beruhigt, in der Frage der deutschen Landesstellen
ist alles in Ordnung. Es ist in der "Osmièka"
darüber ausführlich verhandelt worden, man hat sich
sehr eingehend mit der Frage beschäftigt
und es besteht nur eine Meinung, es müsse bei dem Zustande
bleiben, wie er heute in der Organisation der Pensionsversicherungsanstalt
bezüglich der Landesstellen vorherrscht.
Aber eines war auffällig. Es fiel uns
auf, daß immer wieder die Erledigung des Teiles über
die Organisation hinausgeschoben wurde. Wir waren lang über
den § 84 schon hinaus und noch immer hieß es, er kann
nicht in Verhandlung gezogen werden, es finden noch darüber
Beratungen statt. Ich frage: Wenn man bereits im Juli in
der "Osmièka" darüber einig war, daß
die deutschen Landesstellen bestehen bleiben, warum mußte
noch im Oktober und im November über die Fassung und Stilisierung
dieses Paragraphen verhandelt werden? Wie konnten denn die deutsch-bürgerlichen
Politiker, die deutschen Christlichsozialen
und Landbündler und Gewerbeparteiler, den Angestellten erklären,
die Landesstellen bleiben bestehen, wenn man noch im Oktober und
im November in der "Osmièka" beraten mußte,
wie diese Bestimmung eigentlich lauten soll. Mit
dieser Beruhigung der Angestellten wegen der Landesstellen wurde
ein Unfug ärgster Art getrieben, der einem förmlichen
Betrug gleichkommt.
Ich habe hier einen Auszug aus dem Protokoll einer Osmièka-Sitzung,
das sich auf die Erhaltung der deutschen Landesstellen
bezieht. Es wird sich um das Protokoll der Sitzung handeln, in
der damals gesagt worden ist, es solle den Deutschen nichts genommen
werden, woraufhin dann in den Blättern verbreitet wurde,
es hätte bald eine Regierungskrise gegeben. Es heißt
in diesem Protokollauszug: "In der Debatte wurde konstatiert,
daß der Text des § 84 in nichts der Forderung der deutschen
Koalitionsmitglieder präjudiziert. Die èechischen
Mitglieder der Koalition erklärten einhellig, daß sie
im Rahmen der im Gesetze beantragten Neuordnung
dem Wunsche der deutschen Koalitionsmitglieder in der Weise entgegenkommen
wollen, daß ein Zusatz zu dem Gesetze beantragt werden wird,
beiläufig in dem Sinne, daß die innere Organisation
der Versicherungsanstalt durch Regierungsverordnung bestimmt werden
wird. Sie stimmen zu, daß durch diese Verordnung, welche
die Einheit der ganzen Organisation beibehalten und auch ein vorsitzendes
Organ nach Art des Landesschulrates oder des Landeskulturrates
festsetzen wird, sowohl in Böhmen als auch in Mähren
und Schlesien zwei Sektionen als Ersatz für die aufgehobenen
Landesstellen I und II in Böhmen und in Mähren errichtet
werden".
Was geht aus diesem Protokoll deutlich hervor?
Daß den deutschen Regierungsparteien überhaupt nichts
Bestimmtes versprochen worden ist, daß die Neuordnung der
deutschen Landesstellen einer Regierungsverordnung vorbehalten
wird, daß in der damaligen Sitzung, von der man sagte, es
seien damals die deutschen Landesstellen gesichert worden, von
der Errichtung von Sektionen als Ersatz für die aufgehobenen
Landesstellen gesprochen wurde, deren Erhaltung aber angeblich
eine ausgemachte Sache gewesen sei. Wie konnten bei diesem unsicheren
Zustande die deutschen Regierungsparteien den Angestellten erklären,
die deutschen Landesstellen seien gesichert? Wie konnten sie der
Öffentlichkeit erzählen, daß sie in dieser Frage
einen Erfolg aufzuweisen hätten, daß man den Deutschen
nicht eine eingelebte Einrichtung, die sich bewährt hat,
wegnehmen werde? Wir wissen es - wir haben es schon heute von
anderen Rednern gehört - wie es dazu gekommen ist. Es wird
für Mähren die territoriale Organisation der Pensionsversicherung
vorgeschlagen, so wie sie in Böhmen ist, was aber in Mähren
nichts anderes bedeutet, als daß die deutsche Landes stelle
für Mähren und Schlesien direkt unmöglich gemacht
wird. Sie wird in absehbarer Zeit keine Existenzberechtigung mehr
von der Regierung zugesprochen erhalten. Daß übrigens
die Regierung durch die Verordnungsgewalt auch die Landesstelle
in Böhmen ändern kann, braucht man nicht zu erwähnen.