Die Herren sind von dieser Stelle aus ja mehr
als einmal eingeladen worden, sich die Wohnbaupolitik in Wien
anzusehen, um wenigstens in ähnlicher Weise auch hier zu
arbeiten. Dann würde wenigstens das furchtbarste Elend vermieden
werden können, das durch die Vernachlässigung und Verstümmelung
des sozialen Wohnungsgedankens hier in diesem Staate an den großen
Massen der Bevölkerung verübt worden ist.
Diese wenigen und keineswegs erschöpfenden
Bemerkungen charakterisieren die Wirtschaftspolitik und die Sozialpolitik
der Mehrheit zur Genüge. Aber auf diesem Gebiete legen sich
die Herren immer noch einen gewissen Zwang auf. Dagegen lassen
sie ihren reaktionären Gelüsten voll und ganz die Zügel
schießen, wenn es gilt, die politische Freiheit und die
letzten Reste der Demokratie niederzutrampeln. Wir erheben bei
dieser Gelegenheit Protest gegen die neuerliche Einstellung oppositioneller
Zeitungen, gegen eine reaktionäre Maßregel, die wir
mit aller Schärfe verurteilen, obwohl es sich um Blätter
handelt, die uns auf das gehässigste bekämpft haben.
Wir erheben entschieden Protest gegen die Vorgänge, die sich
allüberall bei Konstituierung der Landes- und Bezirksvertretungen
abgespielt haben und die unsere Ansicht bestätigt haben,
daß die Verwaltungsreform die völlige Entrechtung der
Selbstverwaltung und ihre restlose Unterordnung unter die Bürokratie
bedeutet und offenkundig beweist, daß die durch die Verwaltungsreform
geschaffenen Zustände auch für die regierungsfrömmsten
Selbstverwaltungsfunktionäre ganz und gar unerträglich
sind.
Ich möchte aber noch einige Beispiele
aus der allerletzten Zeit und den letzten Jahren anführen,
die zeigen, welche Mißachtung von dieser Regierung allen
Grundsätzen der Demokratie entgegengebracht wird. Z. B. sind
in der Stadt Komotau seit einem Jahre die Gemeindewahlen fällig.
Komotau ist eine nach èechoslovakischen Verhältnissen
große Stadt. Aber statt nun endlich die Gemeindewahlen auszuschreiben,
benützt die Bezirksbehörde einen nichtigen Vorwand,
um sogar die Verwaltungskommission aufzulösen
und einen absolut herrschenden Vogt über Komotau einzusetzen.
Ebenso skandalös verhält sich die Staatsverwaltung in
Joachimsthal, wo seit zwei Jahren die Gemeindewahlen fällig
sind, aber einfach nicht ausgeschrieben werden, wobei sich die
Landesbehörde auf die Bezirksbehörde und diese wieder
auf die Landesbehörde ausredet. (Výkøiky
na levici.) Diese und viele ähnliche
Tatsachen charakterisieren die Herrschaft der Bürokratie
über die Bevölkerung der angeblich demokratischen Republik,
sie zeigen auf, daß dieser Regierung Volksrechte nicht nur
feil, sondern geradezu verhaßt sind. Wir fragen aber: Fühlt
sich die Regierung wirklich stark genug, nach allen ihren politischen
Niederlagen und bei allen ihren inneren Mißhelligkeiten
ihre bisherige Gewaltpolitik weiter fortzuführen? Hat es
einen Sinn aufzutrumpfen und von Festigkeit zu reden, während
die Mehrheit in Wirklichkeit aufs Tiefste zerrüttet ist?
Was für eine jämmerliche Rolle spielt doch die Regierung,
spielt insbesondere der Herr Justizminister gegenüber dem
Herrn Präsidenten Popelka! Wir wollen nicht in ein schwebendes
Gerichtsverfahren eingreifen, obwohl die zweifellos bestellten
Vertrauenskundgebungen der letzten Tage uns berechtigen würden,
solche Rücksichten beiseite zu lassen. Wir müssen aber
mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß es einfach ein
Justizskandal ist, wenn die Regierung nicht imstande ist, der
Rechtsauffassung des Obersten Verwaltunsgerichtes, das doch schließlich
gleichfalls einer unserer höchsten Gerichtshöfe, in
Sprachensachen aber die alleinkompetente Instanz ist, die gebührende
Achtung zu verschaffen. In der Èechoslovakei scheint
sich allerdings der Respekt vor Richtersprüchen auf solche
Urteile zu beschränken, die der herrschenden Mehrheit gerade
genehm sind. Diese Regierungsmehrheit wagt es, von Konsolidierung
und Festigkeit zu reden, während ihr slovakischer
Flügel geradezu Auflösungssymptome zeigt. Die Agrarpartei
wagt es, mit dem Konflikt Hodža-Šrobár
im Leibe mit ihrer blühenden Gesundheit
zu protzen. Die Regierungsmehrheit wagt es, die slovakische Volkspartei
in ihr Kraftprotzentum einzubeziehen, zu einer Zeit, da Juriga
und Tománek hinausgeworfen werden. Mit besonderer
Interessiertheit müssen wir aber den deutschen Aktivisten
innerhalb dieser Regierungspartei gegenüberstehen. Švehla,
der Mann, der das nationale Problem in seiner Regierungserklärung
wenigstens erwähnenswert gehalten hat, ist gegangen, was
haben die deutschen Regierungsparteien von Udržal
zu erwarten? Danach wollen wir aber weder
Herrn Udržal, noch Herrn
Spina oder Herrn Mayr-Harting fragen, da wir vor
einigen Tagen von Herrn Dr Kramáø erschöpfende
Auskunft erhalten haben. Herr Dr Kramáø
ist den deutschen Aktivisten mit glatten
Worten über den Bart gegangen, aber eine positive Anregung
zur Lösung aller brennenden Fragen wird man in seiner sieben
Spalten langen Rede auch mit der Lupe vergeblich suchen. Herr
Dr Kramáø tut so und das ist der Standpunkt
des ganzen èechischen Teiles der Koalition
- als ob die Regierungsbeteiligung der Aktivisten gewissermaßen
ihren Lohn in sich trage, so daß der, dem man gnädigst
gestattet, an der Regierung teilzunehmen, nichts weiter mehr zu
fordern hat. Wir meinen aber, daß Regierungsteilnahme Verantwortlichkeit
bedeutet, und daß derjenige, der diese Verantwortung auf
sich nimmt, auch prüfen muß, ob er sie tragen kann.
Da müssen wir wohl sagen, daß die deutschen Regierungsparteien
diese Art des Regierens, wie sie nunmehr seit zweieinhalb Jahren
betrieben wird, vor ihren Wählern nicht zu verantworten vermögen.
Herr Dr Kramáø tröstet
die Deutschen damit, daß ihnen wenigstens die Institutionen,
die sie besitzen, nicht genommen werden sollen. Ein schwacher
Trost, aber auch der wird nur bittere Ironie just in der Zeit,
da die deutschen Landesstellen der Pensionsversicherung zum Verdorren
verurteilt werden und just in den Tagen, da man die letzten Reste
nationaler Gliederung des Schulwesens in der mährischen Landesverwaltung
mit einem Federstrich beseitigt hat. Freilich von nationaler Gliederung,
von nationaler Autonomie will. Herr Dr Kramáø
nichts wissen. Der bloße Gedanke
an die territoriale Autonomie ruft in seiner erschreckten Phantasie
das Bild des Staatszerfalles hervor, obwohl es sich doch um eine
einfache administrative Unterteilung des Staatsgebietes handelt
und obwohl, was die Hauptsache ist, nichts mehr zur wirklichen
Konsolidierung des Staates beitragen würde, als die möglichste
Entwicklungsfreiheit seiner nationalen Minderheiten. Den großen
Gedanken der Kulturautonomie aber tut Herr Kramáø
hochfahrend als einen steuertechnischen
Unsinn ab. Man soll im Hause des Gehenkten nicht vom Strick
und in der Mehrheit, die das Gemeindefinanzgesetz geschaffen hat,
nicht vom "pøirážkový nonsens"
reden. Was aber die Kulturautonomie anbelangt, so ist sie in Estland
verwirklicht, so wird sie von dem kleinen
Bundeslande Kärnten für eine geringfügige slovenische
Minderheit in die Tat umgesetzt und es ist daher kein Zweifel,
daß sie auch in der Èechoslovakei verwirklicht werden
kann. Wir Sozialdemokraten halten den Worten des Herrn Dr Kramáø
die Beschlüsse der sozialistischen
Arbeiterinternationale entgegen, die erst in ihrer letzten Exekutivsitzung
die Forderung nach Autonomie und völliger kultureller Entwicklungsfreiheit
der Minderheiten neuerlich bekräftigt hat und die uns damit
wiederum in dem Bewußtsein bestärkt hat, daß
unsere Nationalpolitik keine nationalistische ist, sondern eine
sozialistische, daß sie das Nationalitätenproblem zu
lösen sucht, nicht vom Standpunkt einer Nation aus, sondern
von de Gesichtspunkte des friedlichen Zusammenlebens aller Nationen
und im Klasseninteresse des Proletariats, das mit seiner sozialen
und wirtschaftlichen Befreiung auch seine nationale und kulturelle
Freiheit erkämpfen will. Wir können mit großer
Freude konstatieren, daß die Aussichten dieses Kampfes hier
auf allen Linien wiederum günstiger werden, daß unsere
Reihen wachsen, daß der Zusammenschluß der sozialistischen
Bruderparteien ein engerer wird, daß sich die Arbeiterklasse
konsolidiert. In diesem Bewußtsein können wir ruhig
zusehen, wie sich die reaktionäre Mehrheit durch allerlei
taktische Kunstgriffe und Kunstkniffe noch eine Galgenfrist sichern
will, wir können ruhig zusehen, wie der Prozeß ihres
Abwirtschaftens sich vollendet. Mit besonnener Geduld, aber auch
mit entschlossener Kampfbereitschaft sehen wir dem immer näher
rückenden Tage entgegen, an dem wir diesem System den Todesstoß
versetzen werden. Gesagt aber soll werden mit allem Nachdruck,
daß seit dem 2. Dezember, wie sehr sich die Herren auch
herumdrücken, dieser Bürgerblock geschlagen ist, abgelehnt
ist von der Mehrheit des Volkes. Der Herr Kriegsminister ist hier
nur Vorsitzender einer fallit gewordenen Gesellschaft, das System,
dem er präsidiert, hat bei der Wählerschaft politischen
Bankerott gemacht. Die Herrschaften weigern sich diesen Konkurs
anzumelden, der aber da ist, der nicht mehr abzuleugnen ist. Sie
führen dieses Geschäft hier gegen Treu und Glauben,
gegen den Sinn der Verfassung, gegen das Volk, dessen Sprache
sie mißachten, als Verletzer der Verfassung; so steht die
Regierung heute da. Das Verbleiben an der Macht, die Herausforderung
des Volkes durch den Bürgerblock kann seinen Sturz verzögern,
umso katastrophaler wird er für ihn später werden. (Souhlas
a potlesk poslancù nìm. strany soc. demokratické.)
Hochverehrte Damen und Herren! Wir haben die
Ausführungen, Anschauungen und Ansichten des neuen Vorsitzenden
der Regierung gehört. Bevor wir uns aber darüber äußern,
was der Herr Regierungschef von dieser Stelle aus ausgeführt
hat, kann ich es nicht unterlassen, von diesem Platze aus schärfstens
gegen das System Einspruch zu erheben, welches bei der Ernennung
der Landes- und Bezirksvertreter angewendet wurde. Dieses System
war besonders in der Slovakei ungerecht und widersprach auch den
Vorschriften des Verwaltungsgesetzes. In der Slovakei erhielten
die deutschen und ungarischen Minderheiten keinen einzigen ernannten
Vertreter, obwohl sie hierzu ein heiliges und auch gesetzlich
verbrieftes Recht haben. Aber nicht nur die nationalen Minderheiten,
auch die Fachleute der einzelnen Wirtschaftszweige und Korporationen,
wie der Industriellenverband und die Handelskammern, wurden bei
den Ernennungen außer Acht gelassen und beiseite geschoben.
Diese Ernennungen haben mit Recht und Gesetz nichts zu tun, sie
sind politische Ernennungen, die nur dem Zwecke dienten, eine
Wahlkorrektur zugunsten der herrschenden Parteien vorzunehmen.
Dies ist daraus ersichtlich, daß die beiden slovakischen
Parteien, die slovakische Volkspartei und die Agrarpartei, obwohl
sie sonst in slovakischen Dingen in schärfstem Gegensatz
zueinander stehen, sich sowohl im Lande als auch in den Bezirken
über die zu Ernennenden geeinigt haben und sich auf Kosten
der Minderheiten die Ernannten sicherten. So ist die Gleichberechtigung
der Minderheiten, über die besonders dem Auslande gegenüber
soviel geschwärmt wird, in der Slovakei in der Wirklichkeit
beschaffen. Neben der Hintansetzung und Verkürzung der Minderheiten
bringen diese Ernennungen noch ein anderes, sehr gewichtig in
die Wagschale fallendes Übel mit sich: Die Landesvertretung
soll angeblich eine wirtschaftliche Körperschaft darstellen.
Wie soll aber die slovakische Landesvertretung wirtschaftlich
tätig sein, wenn sich unter den Ernannten keine Wirtschaftsfachleute
befinden? Insbesondere in der Slovakei, deren wirtschaftliche
Lage eine sehr schlechte ist, wo Industrie, Handel und Gewerbe
zum allergrößten Teil niedergebrochen ist, wo auch
die Landwirtschaft ohne ausgiebige Unterstützung nur gerade
vegetiert. In der Slovakei, die in wirtschaftlichen Belangen von
den Zentralstellen nicht gerade bevorzugt wird, müßte
die Landesvertretung in erster Reihe für den wirtschaftlichen
Neu- und Wiederaufbau der Slovakei, für die Neubelebung der
Gesamtwirtschaft in der Slovakei tätig sein. Sie wird aber
dazu nicht fähig sein, weil bei den Ernennungen der Fachleute
nicht Fachgesichtspunkte, nicht wirtschaftliche Imponderabilien,
sondern politische Interessen der herrschenden Parteien ausschlaggebend
waren.
Unter dem Eindruck dieser Tatsachen hörten
wir gestern die Erklärungen des leitenden Herrn Ministers
an. Es sind sehr viele und schöne Worte gefallen, doch leider
kennen wir den Wert dieser schönen Worte zu genau. Der Herr
Minister beabsichtigt, wie er sagte, ganz besonders den wirtschaftlich
Schwächeren zu stärken, die Urproduktion, den Handel
und die Industrie zu fördern. Wir, die wir in der Slovakei
wohnen und den immer mehr fortschreitenden Niedergang dieses Landes
mitansehen und erdulden müssen, werden uns freuen, wenn diese
schönen Worte endlich in die Tat umgesetzt würden. Nach
einem trockenen Sommer, als dessen Folge in den meisten Gegenden
der Ostslovakei ein Ausfall der Futter- und Kartoffelernte zu
verzeichnen ist und da infolge des langanhaltenden kalten Winters
die Futtervorräte schon aufgebraucht sind und die wenigen
Kartoffeln ein Opfer des Frostes wurden, steht die Bevölkerung
vor dem größten Elend. Unsere Gesuche und Interventionen,
daß wenigstens für die Futtermittel billige Frachtsätze
bewilligt werden, wurden bis heute nicht erledigt und es gibt
kein Forum, wohin sich die Bevölkerung in dieser wichtigen
Frage wenden soll und kann, denn der Weg der Bürokratie ist
furchtbar langwierig. Wird in dieser Angelegenheit nicht rasche
Hilfe geboten, so können die Folgen für die Bevölkerung
unermeßlich werden. Beim Landeskulturrat und selbst im Landesamte
der Slovakei herrscht noch immer die größte Ungewißheit
und das größte Chaos und die vielen landwirtschaftlichen
Inspektoren, die die Aufgabe hätten, diese Zustände
zu ermitteln und Abhilfe zu schaffen, sitzen in ihren Kanzleien,
ohne irgendeine Arbeit leisten zu können. Nichts funktioniert
richtig und ordnungsgemäß als nur das Steueramt, welches
auch von den wirtschaftlich Schwächeren trotz Mißernte
und Kälte unbarmherzig die in allzugroßer Höhe
ausgeworfenen Steuern eintreibt. Über die Unterstützung
des Handels und des Gewerbes in der Slovakei hörten wir schon
oftmals viele schöne Worte. Insbesondere für die slovakische
Wirtschaft wurden bereits besondere Aktionen angekündigt;
über diese kommt man aber nicht hinaus. Der Fehler ist hier
unbedingt in der Regierung zu suchen, aber auch in den slovakischen
Politikern, die nicht den Mut besitzen, für ihr Land energisch
einzutreten. Warme Worte findet der Herr Minister für die
landwirtschaftlichen Genossenschaften. Auch hier möchte ich
die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Zustände lenken,
die in der Slovakei auf dem Gebiete des Genossenschaftswesens
herrschen. Der Herr Minister sprach von dem großen Elend,
welches die abnorme Kälte verursacht. Hat der Herr Minister
auch darüber nachgedacht, was die vielen Altpensionisten
und entlassenen Beamten machen, die auch heute noch ihr Leben
darbend und kargend von einer Hungerpension fristen müssen?
Auch darüber haben wir kein Wort gehört, was mit den
vielen Staatenlosen geschieht, die noch heute in der Slovakei
und Karpathorußland ein unsicheres und gefährdetes
Dasein leben. Schon vom humanen Standpunkte aus sollte diese Angelegenheit
von den Männern, die das ganze Leben lang die Humanität
gepredigt haben, der modernen Gesetzgebung und europäischen
Anschauung entsprechend endgültig gelöst werden. Für
die wirtschaftliche und kulturelle Gleichberechtigung der Minderheiten,
wie sie die Friedensverträge von Saint Germain und Trianon
garantieren, die aber bis heute noch nicht durchgeführt sind,
hat der Herr Minister kein Wort gefunden. Wir ersehen aus all
dem, daß das alte Regime unverändert fortgesetzt werden
soll und wir sind leider bemüßigt, in Anbetracht all
der angeführten Beschwerden auch weiterhin der Regierung
das Vertrauen versagen zu müssen.
Wenn wir die staatlichen Schlußrechnungen
durchlesen und uns ein wenig in die Zahlen vertiefen, so fällt
uns bei den Einnahmen der staatlichen Unternehmungen unbedingt
auf, daß die neuen Staatsbäder und Kurorte nur einen
Reingewinn von 888.902 Kè 70 Heller abgeworfen haben.
Untersuchen wir näher den Bericht des Gesundheitsministeriums
über das Jahr 1927, das das beste Fremdenverkehrsjahr in
der letzten Zeit war, so sehen wir, daß die Staatsbäder,
besonders diejenigen, die keine Heilquellen
besitzen, ihre Bilanz mit Verlust abgeschlossen haben. In erster
Reihe arbeiten die Staatsbäder in der Slovakei mit Verlustbilanz.
Dieser Umstand ist sehr erstaunlich, denn das Jahr 1927 war für
die Bäder und Kurorte ein Konjunkturjahr, und natürlich
wirft sich von selbst die Frage auf, welchen Umständen diese
Verlustbilanz zugeschrieben werden muß. Die Antwort auf
die Frage, weshalb der augenfällige Verlust entstanden ist,
ist kurz und einfach: die Ursachen sind in dem Fehlen der kaufmännischen
und in dem Vorhandensein einer durchwegs nicht fachmännischen
staatlichen Administration dieser Unternehmungen zu finden. Jeder,
der die Art der staatlichen Bäderverwaltung kennt und beobachtet,
muß darüber staunen, wie leichtsinnig mit dem Staatsvermögen
gewirtschaftet wird. (Výkøiky posl. L.
Wenzela.) Anstatt die natürlichen
Wege der wirtschaftlichen Gesundung der staatlichen Bäder-
und Kurorteunternehmung zu betreten, unternimmt das Gesundheitsministerium
herumtastende und unsichere Versuche, um die Rentabilität
der staatlichen Kurorte zu heben. Unlängst hat der Herr Gesundheitsminister
einem Pressevertreter er klärt, daß er Kapital suche,
das sich als Gesellschafter der staatlichen Bäderverwaltung
anschließt. Ist das der Weg, der zur wirtschaftlichen Gesundung
der Staatsbäder führen kann? Es ist eine Naivität,
sich vorzustellen, daß Privatkapital sich mit der bürokratischen
Administrative zu einer Geschäftsführung vereinigen
würde. Der Herr Gesundheitsminister geht daran, die Privatkurorte
durch verschiedene Gesetzesvorlagen zurückzudrängen,
die Konkurrenz dieser Privatbäder durch gesetzliche Drosselung
auszuschalten. Nur das eine will der Herr Gesundheitsminister
nicht verstehen, daß der staatliche Apparat viel zu schwerfällig
und zu teuer ist, um derartige feinfühlige Objekte, wie es
Bäder und Kurorte sind, die eine ungemein umsichtige und
agile Leitung benötigen, auch richtig und kommerziell führen
zu können. Es gibt nur einen einzigen Weg, die Rentabilität
und die Verzinsung des staatlichen Vermögens, das in den
Bädern und Kurorten liegt, zu sichern, und das ist der Weg
der Verpachtung der Staatskurorte an kapitalskräftige Gruppen.
Das ist die einzige mögliche Lösung dieser Frage, denn
solange die Staatsbäder in der Zentralverwaltung des Gesundheitsministeriums
liegen, werden sie immer mit Unterbilanz arbeiten, wogegen kommerzielle
kapitalsstarke Gruppen vielmehr an Pachtschilling dem Staate entrichten
könnten, als jetzt an Gewinnen in den Schlußrechnungen
angeführt ist.
In der Einleitung zu den Schlußrechnungen
der Staatsbäder begründet der Sektionschef im Gesundheitsministerium
Herr Kolínský die Verluste besonders der staatlichen
Tatrabäder Tschirmersee und Tatra - Lomnitz damit, daß
die Einrichtungen für die Wintersaison viel Geld gekostet
haben. Ich frage: Wo sind diese Einrichtungen? Nichts wurde gemacht.
Die Staatskurorte stehen auch in diesem Winter leer, dagegen sind
alle Privatkurorte in der Hohen Tatra überfüllt. Welch
großer Schaden für die Bevölkerung, die dort vom
Fremdenverkehr lebt, infolge des Brachliegens der staatlichen
Kurorte! Der Herr Minister will sich nicht damit begnügen,
daß die so herrlich gelegenen staatlichen Kurorte ihre Tore
gesperrt halten müssen, sondern er will auch noch die Tore
der privaten Tatra. Anstalten schließen. Er will der Bevölkerung
des großen Tatragebietes auch den letzten Bissen Brot nehmen,
den ihr der Fremdenverkehrt sichert, denn das Denkmal, das er
sich dadurch schaffen will, muß stehen und zwar auf Kosten
der Gesamtbevölkerung. Daß aber dadurch die Auswanderung
und das Elend gefördert und vergrößert wird, damit
rechnet der Herr Gesundheitsminister nicht. Nach den vielen verunglückten
und von der Öffentlichkeit einmütig zurückgewiesenen
Gesetzesanträgen des Gesundheitsministeriums über die
Hohe Tatra kursiert seit einigen Tagen ein neuer Tatra-Gesetzentwurf,
der analog dem ersten Entwurf aus dem Jahre 1927 geschaffen wurde.
In der Hohen Tatra soll ein Lepra-Gürtel geschaffen werden,
wohin die armen heilsuchenden Kranken verbannt werden sollen.
Diese Reservation soll den roten Zettel angehängt bekommen:
Achtung! Seuchengefahr!
Wozu dieses Gesetz? Vielleicht tatsächlich
zum Schutz gegen die Tuberkulose? Diese Frage kann doch nicht
gesetzlich allein auf ein kleines, 20 km breites Gebiet beschränkt
werden! Der Schutz gegen die Tuberkulose ist ja eine Landesfrage
und müßte für das ganze Land generell gelöst
werden. Doch nicht die Tuberkulosefrage ist für den Herrn
Gesundheitsminister das eigentlich Wichtige, sondern einerseits
die Rentabilität der staatlichen Kurorte, die beide, sowohl
der Tschirmersee (Štrbské Pleso) als auch Tatra-Lomnitz
(Tatranská lomnice), laut dem Entwurf aus dem Lepra-Gürtel
herausgenommen werden sollen, andererseits die Frage der Besitzverhältnisse.
Befinden sich doch die vier Tatrakurorte, gegen die das Gesetz
geschaffen werden soll, in deutschen Händen und gehört
doch der Grundbesitz, auf welchem die Kurorte stehen, deutschen
Gemeinden. Zur Regelung von sanitären Fragen in der Hohen
Tatra bedarf es keiner Enteignung von Boden, denn der Staat ist
ja der größte Bodenbesitzer, auf der Südlehne
der Hohen Tatra gehören ihm mehr als drei Viertel des gesamten
Terrains. Wir können ganz genau die wirklichen Absichten
des Herrn Gesundheitsministers und sehen ganz klar, worauf dies
alles hinausläuft. Wir kennen auch seine Äußerungen
im engeren Freundeskreis, ja selbst seine Erklärungen bei
öffentlichen Festessen, wo er sagte, daß die Tatra
nationalisiert werden müsse. Traurig genug, daß gerade
ein slovakischer Minister, der doch sicher über die schlimme
und in den letzten Zügen liegende wirtschaftliche Lage der
Slovakei unterrichtet ist, darangehen will, auch noch die letzte
Einnahmsquelle, die aus dem Fremdenverkehr fließt, der Bevölkerung
zu unterbinden und unmöglich zu machen. Wir werden noch Gelegenheit
haben, uns über die einzelnen außerordentlich schädlichen
Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes auszulassen, können aber
schon jetzt feststellen, daß in dem Kampf gegen diesen Gesetzentwurf
die ganze Bevölkerung der Zips und der Tatragegend - ich
kann ruhig behaupten, ohne Unterschied der Nationalität -
einhellig Stellung nehmen wird.
Aus den Schlußrechnungen über die
staatlichen Bäderunternehmungen ersehen wir, daß wie
gesagt beinahe alle Kurorte mit einem Defizit abschließen,
und es wäre von großer Wichtigkeit, eine parlamentarische
Untersuchungskommission zu delegieren, die untersuchen würde,
welches die Gründe sind, die diese Verluste verursachen.
(Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Wir haben gestern zwei Ministerreden
hier vernommen, wovon sich die eine mit der sogenannten Programmerklärung
beschäftigt hat, die aber eigentlich nichts Konkretes enthält
und sozusagen ins Leere geht. Mit dieser Rede hat sich bereits
mein Parteifreund de Witte beschäftigt und ich möchte
nur noch einiges hinzufügen. Der neuernannte Vorsitzende
der Regierung hat unter anderem gesagt: "Die festen Richtlinien,
die durch die konstruktive fachmännische Arbeit des Ministerpräsidenten
Švehla geschaffen wurden und die von ihm verkündet
worden sind, werden nicht nur für mich, sondern für
alle künftigen Chefs der Regierung ein verläßlicher
Wegweiser zu den höchsten Zielen der staatlichen Verwaltung
sein". Wenn diese Richtlinien von dem neuen Vorsitzenden
der Regierung, von der Koalition eingehalten werden, so wissen
wir bereits heute, wessen wir uns vorzusehen haben. Der Herr Ministerpräsident
hat auch gesagt: "Alle èechoslovakischen Regierungen
gingen insbesondere bei der Lösung sozialer
Fragen stets vom Grundsatz aus, den wirtschaftlich Schwächeren
zu unterstützen. Diese der gesunden Entwicklung der heutigen
Zeit entsprechende Tendenz wird auch von uns nicht unbeachtet
bleiben." Ich werde im Laufe meiner Ausführungen noch
auf diese Stelle seiner sogenannten Programmerklärung zurückkommen
und wir werden sehen, wie diese vorwiegende Unterstützung
des wirtschaftlich Schwächeren in der Bevölkerung beschaffen
ist.