Pátek 15. února 1929

Ich möchte mich nun mit dem Exposé des Herrn Eisenbahnministers beschäftigen, der es gestern für opportun gehalten hat, hier die Ursachen der Verkehrsstörungen auf der Eisenbahn darzulegen. Der Herr Eisenbahnminister hat anerkennenswerter Weise auch einmal von den schweren Dienstleistungen und den Leiden des Personals gesprochen und seine Anerkennung dem Personal gegenüber zum Ausdruck gebracht. Dem Personal der Eisenbahnen wäre natürlich mit einer entsprechenden Belohnung und dienstrechtlichen Behandlung besser gedient. Was nützt eine Anerkennung, für die sich der Bedienstete nichts kaufen kann? Der Herr Eisenbahnminister hat auch darauf hingewiesen, daß unter den gegenwärtigen Verkehrsstörungen die Einnahmen der Eisenbahnen ungemein gesunken sind und zwar von täglich 14 auf 5 Millionen Kè, also eine Mindereinnahme von 9 Millionen Kè täglich. Außerdem sollen, was zwar der Herr Eisenbahnminister nicht gesagt hat, die Reparaturen der Fahrbetriebsmittel, Lokomotiven und Wagen in den Werkstätten ungefähr 100 Millionen Kè beanspruchen und es sei dadurch der ganze Wirtschaftsplan des Eisenbahnministeriums über den Haufen geworfen. Gegen Elementarereignisse ist der Mensch selbstverständlich nicht genügend gerüstet und zu schwach. Aber es sind seitens der Eisenbahnbediensteten Forderungen gestellt worden, die bei gutem Willen und sozialer Erkenntnis leicht erfüllbar gewesen wären. Der Ausfall von 100 Millionen Kronen oder vielleicht von noch mehr, der durch die gegenwärtigen Verkehrsstörungen entsteht, wird ja auch auf irgend eine Art und Weise wettgemacht werden müssen. Und wenn wir die Betriebsüberschüsse und die Steuererträge der Bahnen, insbesondere der Verkehrssteuer, ins Auge fassen, so wäre es ein Leichtes gewesen, den Eisenbahnbediensteten statt einer schriftlichen oder mündlichen Anerkennung eine den erhöhten Leistungen entsprechende geldliche Zuwendung zu machen. Der Fernstehende, der in die Verhältnisse des Eisenbahndienstes weniger oder nicht Eingeweihte kann sich ja kaum einen Begriff davon machen, welch ungeheuere Anforderungen gegenwärtig an die einzelnen Bediensteten gestellt wurden und noch immer gestellt werden, besonders an das Zugspersonal, an das Lokomotiv- und das Verschubspersonal, an die Weichensteller, die fast ohne jeden Schutz gegen die furchtbare Witterung ihren dienstlichen Verpflichtungen nachkommen müssen. Besonders schwer ist der Dienst der Heizer, die auf der Lokomotive nicht nur darauf achten müssen, das Vehikel in Gang zu halten, sondern die auch für eventuelle Katastrophen und Unfälle im Eisenbahnbetriebe mitverantwortlich gemacht werden. Diese Leute sind nicht in der Lage, eine ihrem Dienste entsprechende Kleidung zu tragen, selbst wenn sie die Mittel dazu besitzen würden, weil sie sonst ihren physischen Leistungen nicht nachzukommen vermöchten. Der Mann muß oft von der Lokomotive herunter und oftmals, trotz aller Kälte, durchschwitzt, unter die Lokomotive kriechen, die Lager schmieren und dafür Sorge tragen, daß nichts einfriert. Diese schwierigen Leistungen dieser geplagten Menschen wurden nicht entsprechend bewertet, ihre Dienst- und Arbeitsleistungen wurden unterschätzt und man hat sie in die dritte Besoldungsgruppe der Angestellten eingereiht. Genau so ist die Regierung bei der Einreihung der Verschieber vorgegangen, die einen der allergefährlichsten Dienste leisten müssen, wobei sie ebenfalls allen Witterungsunbilden ununterbrochen ausgesetzt sind. Unzulängliche Bezahlung, schlechtes Vorwärtskommen, unzureichende Rechtsverhältnisse u. s. w. ist das Los der Weichenwächter, von denen in der jüngsten Zeit so oft die Rede war und in deren Hand es gelegen ist, Unglücksfälle zu verhüten. Diese Leute hat man in die vierte Besoldungsgruppe des Personals eingereiht, in jene Gruppe, in der die sogenannten stabilisierten Arbeiter sind. So schätzt man bei den èechoslovakischen Eisenbahnen - es liegt dies natürlich in dem allgemeinen heute bestehenden System - die Dienst- und Arbeitsleistungen des Eisenbahnpersonals ein. Es hat einmal der kranke Herr Ministerpräsident Švehla gesagt, daß dieses neue Gehaltsgesetz gerechte Verhältnisse mit sich bringen werde. Sie haben gehört, meine Damen und Herren, wie diese Gerechtigkeit bei den Eisenbahnbediensteten heute aussieht. Dabei müssen diese Menschen Dienst- und Arbeitsleistungen vollbringen, die über 20, ja 30 Stunden betragen. Es ist bei dem geringen Personalstand nicht möglich, rechtzeitig entsprechende Ablösung herbeizuschaffen und man kann der Rechtfertigung, die der Herr Eisenbahnminister gestern in seinem Exposé bezüglich der Verkehrsstörungen gegeben hat, nicht vollinhaltlich zustimmen. Es ist richtig, daß dieser abnormale Winter, die kolossalen Fröste einen ungeheuer störenden Einfluß auf den Verkehr der Eisenbahnen ausüben. Aber das sind doch nicht allein die Hauptursachen. In der Hauptsache liegen die Ursachen der schweren Verkehrsstörungen doch in der Unzulänglichkeit der Personalbestände. Ich habe schon wiederholt Gelegenheit genommen, sowohl bei der Budgetbehandlung als auch bei anderen Anlässen, darauf hinzuweisen, wie unzulänglich der Personalstand bei den Eisenbahnen ist. Er betrug nach dem durchgeführten allgemeinen Personalabbau in den Jahren 1925 und 1926 im Jahre 1927 - der Abbau wurde in den Jahren 1925 und 1926 durchgeführt - noch 164.686 Bedienstete. Im Jahre 1928 betrug der Personalstand schon nur mehr 156.865 und für das Jahr 1929 ist ein systemisierter Stand von 143.015 Bediensteten präliminiert. Das ist gegenüber 1928 eine Verminderung des Standes um 9.333 Bedienstete und gegenüber dem Jahr 1927 sogar eine Senkung des Personalstandes um 17.153 Bedienstete. Diese immense Herabsetzung des Personalstandes datiert allein nur aus den zwei letzten Jahren, also, wie schon erwähnt, aus der Zeit nach dem allgemeinen Personalabbau im Jahre 1925 und 1926 auf Grund des Restriktionsgesetzes.

Ich will Sie nicht all zu viel mit Ziffern belästigen, aber es wäre interessant, die allgemeine Verkehrssteigerung, die gesteigerten Leitungen der Lokomotiven und aller Fahrbetriebsmittel und selbstverständlich damit auch der Menschen, die im Eisenbahndienst beschäftigt sind, vor Augen zu führen, weil dadurch erst recht ersichtlich wurde, wo die eigentlichen Ursachen der Verkehrsstörungen, der Verspätungen und zum Teil auch der Katastrophen auf den Eisenbahnen zu suchen sind. Der Herr Eisenbahnminister und die Fachleute der Eisenbahnverwaltung dürften wohl auch wissen, daß früher einmal im alten Österreich, zur Winterszeit, ja schon vor Eintritt des Winters, Schutzzäune, Planken, an jenen Stellen der Eisenbahnstrecken aufgestellt wurden, von denen man erfahrungsgemäß wußte, daß dort die Luftströmungen am stärksten und diese Stellen den Schneeverwehungen besonders ausgesetzt sind. Solche Schutzzäune wird man heute vergeblich suchen, sie sind nicht mehr zu finden. Es werden keine solchen Planken mehr aufgestellt und auch keine hergestellt.

Wären bei den jetzigen Schneefällen und Schneewehen solche Schutzzäune vorhanden gewesen, so hätte es unmöglich vorkommen können, daß bei einer Schneehöhe von 25 bis 30 cm - das ist nichts Abnormales - Züge im Schnee stecken geblieben sind. Das hätte auf jeden Fall verhindert werden können, wenn nicht heute bei den Eisenbahnen dieses wahnsinnige Sparsystem herrschen würde. Eine weitere Ursache, daß die Lokomotiven vorzeitig kaput werden und in die Reparatur gehen müssen, liegt auch darin, daß die Züge ohne Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse normal belastet werden. Nach den früheren Vorschriften gab es dreierlei Belastungen, je nach der Temperatur. Bei einer solchen strengen Kälte müßte die Belastung der Züge auch entsprechend herabgesetzt werden, damit die Lokomotive nicht überanstrengt wird und ihr im Hinblick auf die Type der Lokomotive mehr zugemutet wird als zulässig ist. Heute ist das ganz gleich: wenn die normale Zugsbelastung 1000 Tonnen beträgt, so wird einfach, ob es nun 10 oder 20 Grad Kälte gibt, einer Lokomotive diese Belastung angehängt; selbstverständlich muß diese Lokomotive dann infolge der Überleistung reparaturbedürftig werden. Das kostet Geld und schaltet natürlich auch die Lokomotive auf eine gewisse Zeit aus dem Betriebe überhaupt aus. Daher kommt es auch, daß die Eisenbahnverwaltung heute nicht einmal in der Lage ist, Zugsgarnituren vorzuheizen, entsprechend der Vorschrift, so daß die Passagiere in den Zügen frieren müssen. Das wäre alles vermeidbar. Ein weiterer Umstand ist auch der, daß kein Personal in den Heizhäusern speziell zur Wartung der Lokomotiven bestimmt ist. Wenn in den Heizhäusern entsprechend Menschen bloß mit dieser Aufgabe betraut wären, so könnte es nicht vorkommen, daß die Verbindungsschläuche zwischen Tender und Lokomotive und die Kesselrohre, das Speiserohr, einfrieren. (Výkøiky posl. L. Wenzela.) Wenn der artige Röhren eingefroren sind, so beansprucht das naturgemäß dann zwei bis drei Stunden Zeit, um sie wieder aufzutauen und selbstverständlich, wenn die betreffende Lokomotive, an denen ja Mengel herscht, für einen Zug wieder disponiert wird, kommt sie naturgemäß zwei bis drei Stunden später auf den Zug zu stehen, den sie befördern soll. Das sind Ursachen, über die die Eisenbahnverwaltung die Öffentlichkeit absolut nicht hinwegtäuschen kann lediglich mit Berufung auf die abnormalen Fröste und die Witterungsverhältnisse, die heute herrschen. Es kann nicht oft genug festgestellt werden, daß die Hauptursache in dem heutigen Sparsystem liegt, das auf der ganzen Linie geübt wird und das auf Kosten der ärmsten und schlecht entlohnten Bediensteten geübt wird.

Es gibt auch noch einen Umstand, der auf den Verkehr hemmend wirkt, das ist das Fehlen einer 10%igen Personalreserve. Früher mußte in jeder Personalstation eine 10%ige Reserve für erkrankte und beurlaubte Bedienstete vorhanden sein. Diese Reserve fehlt heute infolge des Sparsystems und des Abbaues der Bediensteten und wenn der Krankenstand, wie der Herr Minister gestern in seinem Exposé dargelegt hat, heute 25 bis 30% beträgt, so müssen dann naturgemäß Züge ausfallen und der Verkehr reduziert werden, was absolut nicht notwendig wäre, wenn man die notwendigen Ersätze bereitstellen könnte. Ich habe auch im Vorjahr Gelegenheit genommen, gerade auf diesen Umstand hinzuweisen, daß 80% der Verkehrsbediensteten bei der Eisenbahn ihre Erholungsurlaube nicht konsumieren konnten. Das hat seine Ursache auch im Fehlen der 10%igen Personalreserve. Es ist nichts Neues, die Eisenbahnverwaltung war ja schon im Herbst des vorigen Jahres gezwungen, aus den abgebauten und vorzeitig in Pension geschickten Bediensteten Leute zurückzurufen, um den starken Herbstverkehr bewältigen zu können. Hauptsächlich wurden vorzeitig abgebaute Lokomotivführer aufgefordert; man hat diesen Leuten einen Vertragstaglohn angeboten, aber nicht gesagt, wie der Mann für den Fall eines Unfalls oder einer größeren Katastrophe geschützt ist, wenn er sich im Ruhestande noch einmal zu diesem schweren und verantwortungsvollen Dienste hergibt. Es ist wohl klar, daß das ein Hasardieren mit dem Leben und der Gesundheit der Reisenden und auch mit den auf der Eisenbahn beförderten Gütern ist, weil ja, auch wenn der Bedienstete noch so gut in die Streckenverhältnisse, wo er während der aktiven Dienstzeit gefahren ist, eingeweiht ist, doch in den zwei bis drei Jahren, wo er aus dem Dienste ausgeschieden ist, manche neue Einführung geschehen ist, von der er keine Kenntnis haben kann und wenn er auch der gewissenhafteste Mensch ist, ist es dann doch nicht sicher, ob er während seiner Dienstleistung nicht einen Fehler begeht. Aber solche Leute wurden nicht nur auf den Strecken verwendet, wo sie früher Dienst gemacht haben, sondern auch auf anderen, ihnen völlig unbekannten Strecken. Daß da die Gefahr ungemein vergrößert wird und Malheure vorkommen müssen, bedarf keiner näheren Darlegung. Erst am 19. Jänner - es ist nichts davon in die Öffentlichkeit gekommen wurde in Alt-Paka ein großes Malheur verhütet. Dort haben der Zug von Reichenberg und der Zug von Pardubitz um 8 Uhr früh zu kreuzen. Der Zug von Reichenberg fuhr bis zum Stationsaufnahmsgebäude vor, inzwischen wurde der Zug von Pardubitz beim Einfahrtssignal auf der Strecke angehalten; dann wurde diesem Zuge freigegeben, aber die Welche stand auf dasselbe Geleise, wo der Reichenberger Zug stand. Nur infolge rechtzeitigen bemerkens der Gefahr seitens der Lokomotivführer, wobei der eine den Pardubitzer Zug mit allen Mitteln zum Stillstand zu bringen suchte und der Lokomotivführer des Reichenberger Zuges unverzüglich seinen Zug rasch zurückdrückte, ist eine Katastrophe vermieden worden, die unabsehbare Folgen nach sich gezogen hätte, da dieser Zug auf einer Brücke von 30 m Höhe zu stehen gekommen ist. Es kann sich jeder ausmalen, welchen Umfang diese Katastrophe angenommen hätte, wenn die beiden Lokomotivführer sie nicht im letzten Moment verhindert hätten.

Direktionsbefehle werden hinausgegeben, wie sich das Personal gegen die Grippe schützen soll. Es wird ihnen geraten, mehrmals im Tage die Hände zu waschen, womöglich mit nichts in Berührung zu kommen, was eine Infektionsgefahr in sich birgt. Wie sollen das aber die Bediensteten machen? Sie können solchen Ukasen gar nicht Rechnung tragen. Der im Außendienst stehende kann es überhaupt nicht, und der in den Verkehrskanzleien kann es wieder deshalb nicht, weil die Waschgelegenheit fehlt. Es werden Anordnungen herausgegeben, aber es werden nicht die Voraussetzungen getroffen, um solche Anordnungen ausführen zu können.

In der letzten Zeit hat man sich endlich entschlossen, dem Personale im Verkehrsdienst, das den großen Kälten ausgesetzt ist, warme Suppen und Getränke zu verabreichen. Im alten Staate war das schon bei Kälten unter Null Grad der Fall, hier aber müssen erst Kälten von 20 und mehr Grad eintreten, bevor unsere Eisenbahnverwaltung derartige Vorkehrungen trifft. Was nützen aber schließlich diese Suppen? Es ist keine ordentliche Suppe, weil sie zu einem billigen Preise hergestellt werden muß, und die Bediensteten können mit einer Suppe ihren Körper nicht entsprechend erwärmen. Das Brot, der Kaffee, eventuell irgend eine Speise, die sich der Eisenbahner in einer Kasserolle in der Diensttasche mitnimmt, gefrieren, er kann sie nicht genießen. Wenn er seinem Körper nicht genügend Fett zuführen kann, nützt kein Tee und keine Suppe. Dazu kommt, daß so ein warmes Getränk nur einmal in einer Nacht verabreicht werden darf, und findet sich ein Vorstand, der sie aus rein menschlichem Mitgefühl ein zweitesmal verabreicht, so muß er das auf eigene Kosten tun, denn die Bahnverwaltung schreibt ihm vor, wenn er noch eine zweite Portion einer solchen elenden Suppe verabreichen läßt, sie selbst zu bezahlen.

Im Herbste wurden sogenannte Rübenkampagneremunerationen und andere Zuwendungen an die Eisenbahnbediensteten verteilt. Ich will mit einigen Worten kennzeichnen, wie ungerecht dabei vorgegangen wurde. Es haben Beamte und Bedienstete - es sei ihnen gegönnt - tausende oder hunderte Kronen erhalten, Beamte und Bedienstete, die mit dem eigentlichen Verkehrsdienst nichts zu tun haben. Dagegen hat man denen, die den erhöhten Verkehrsdienst bewältigen müssen, 120, 100, 80, ja sogar 60 Kè gegeben, und die allerärmsten Teufel, die sogenannten Vertragsarbeiter, die mit einem Schundlohn von 16, 18, 20 Kronen unter allen Witterunsverhältnissen schweren und verantwortungsvollen Dienst leisten müssen, hat man überhaupt ausgeschlossen. Die Eisenbahnverwaltung, die Menschen, die so etwas verfügen, können sich gar keine Vorstellung davon machen, welche Gefühle so eine Handlungsweise bei den betroffenen Bediensteten auslöst. Zwei Bedienstete wohnen beispielsweise in einem und dem selben Hause. Der eine bringt 60 oder 80 Kronen nach Hause - sie werden naturgemäß gebraucht -, der andere bringt nichts, zu Hause wird er als minderwertig betrachtet; es wird kalkuliert, er wäre seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, sonst hätte er ja auch etwas bekommen müssen. Was so eine Vorgangsweise für Gefühle bei diesen Menschen auslösen muß, läßt sich ohne weiteres vorstellen. Ein himmelschreiendes Unrecht wird mit diesen Remunerationen getrieben. Wir sind grundsätzliche Gegner solcher Remunerationen, weil dadurch nur Unfriede und Ungerechtigkeit geschaffen werden.

Das gleiche hat man auch vor Weihnachten zum erstenmal bei den Tabakarbeitern praktiziert. Die Tabakregie wollte ihnen Prämien zuwenden, auch nicht allen, sondern nur einem Teile, damit die Unzufriedenheit recht gefördert werde. Schließlich ist es dem Einschreiten der Organisation der Tabakarbeiter noch gelungen, zumindest einem jedem eine solche Zuwendung zu sichern, die natürlich auch in einem ganz unzulänglichem Maße gegeben wurde. In diesen Zuwendungen liegt ein System, und weil -sie nur Unfrieden und Ungerechtigkeit hervorrufen, muß man sie bekämpfen und den Standpunkt vertreten, daß, wenn man den Bediensteten der verschiedenen staatlichen Unternehmungen etwas geben will, man ihren Schundlohn und die Gehälter aufbessern soll, damit Ungerechtigkeiten vermieden werden. Die Tabakregie hat 1927 einen Reingewinn von 1321 Millionen Kronen zu verzeichnen gehabt. Man braucht wohl nicht näher zu erörtern, wie leicht es möglich gewesen wäre, aus diesem Riesengewinn den armen Tabakarbeitern und -arbeiterinnen anständige Löhne und Gehälter zu zahlen.

Über die gesteigerten Leistungen der Eisenbahnbetriebsmittel und des Personales habe ich bereits einige Andeutungen gemacht, ich habe darüber auch ausführlich in der Budgetdebatte gesprochen. Ich kann bei dieser Gelegenheit aber auch nicht unterlassen, wieder einmal auf die ungerechte Besetzung von verantwortlichen Posten in den sogenannten verdeutschten Gebieten zu sprechen. Vorstandsposten in diesen Gebieten werden nicht auf Grund der Qualifikation und des Dienstranges des einzelnen Beamten besetzt, sondern nach nationalen und politischen Gesichtspunkten. Es liegen in der letzen Zeit wieder Fälle vor, wo so ein Vorgehen praktiziert wurde. Der Bedienstete kann noch so gut qualifiziert sein, wenn von Seite der èechischen Chauvinisten Einspruch erhoben wird, bekommt er einen solchen Posten nicht. Ich kann Fälle nachweisen, wo ein im Rang um 13 Jahre jüngerer Beamter als der um den Posten kompetierende rangältere und gutqualifizierte Beamte auf einen verantwortungsvollen Dienstvorstandsposten gesetzt wurde. Unlängst hat sich auch die Osmièka, der Achterausschuß der Regierungsparteien, mit der Frage des politischen Einflusses auf die Eisenbahnverwaltung beschäftigt. Es ist über ganz erbauliche Dinge dort gesprochen worden. Der Bericht, der der Öffentlichkeit übergeben wurde, besagt unter anderem: "Bei vielen Verfügungen intervenierten im Eisenbahnministerium Politiker jener Parteien, in denen der Betreffende organisiert ist, und die Eisenbahnverwaltung sieht sich oft genötigt, diesen Interventionen, die manchmal radikalen Charakter haben, nachzugeben. Es wurden die Eisenbahner Hohner, Pacher und Kascher in Gmünd entlassen, weil sie der kommunistischen Propaganda beschuldigt wurden. Zu ihren Gunsten schritt die nationaldemokratische Vereinigung der Eisenbahner ein und behauptete, daß die Genannten aus der kommunistischen Partei ausgetreten sind und sich ihrer Organisation angeschlossen haben. Hierauf intervenierte der sozialistische Abgeordnete Brodecký für sie als Mitglieder der Eisenbahner-Union und schließlich der kommunistische Senator Sochor."

Wie kommt es nun aber, daß in solchen Fällen, wie bei den drei Eisenbahnern von Gmünd, von drei Seiten interveniert wird? Das kommt daher, daß sich heute Eisenbahnbedienstete, Staatsangestellte überhaupt auf drei Seiten organisieren, daß sie auch parteimäßig drei Parteien angehören, daß sie sich mit drei Legitimationen ausrüsten, nur um ihre Existenz schützen zu können. Wir deutschen Sozialdemokraten stehen seit je auf dem Standpunkt, die politischen Einflüsse von der Eisenbahn, Post und allen staatlichen Betrieben auszuschalten. Warum bringt die Eisenbahnverwaltung, das habe ich den gegenwärtigen Eisenbahnminister schon wiederholt gefragt, warum bringt die Eisenbahnverwaltung nicht den Mut auf, die Besetzung von Dienststellen und Vorrückungen nur auf Grund der Qualifikation vorzunehmen ohne politische Parteirücksichten? Wenn die Eisenbahnverwaltung so weiter fährt wie bisher, dann muß naturgemäß alles politisch korrumpiert werden und jene Beamte, sofern sich im Eisenbahnministerium noch ein paar alte österreichische Beamte befinden, die nach den rechtlichen Grundsätzen der dienstlichen Qualifikation vorgehen möchten, die halten es nicht aus, die setzen ihre Existenz aufs Spiel, wie es einigen unter der Ministerschaft Franke gegangen ist. Die Osmièka ist, ich glaube, nicht der richtige. Ort, wo sich der Minister über politische Einflüsse zu beklagen hat. Der Herr Minister mag nur selber den Mut aufbringen und nicht nachgeben, wenn Koalitionsparteien auf die Vergebung von Stellen bei der Eisenbahn Einfluß nehmen wollen. Wir würden es begrüßen, wenn dieser unheilvolle politische Einfluß seitens der Koalitionsparteien auf die staatlichen Unternehmungen endlich ausgeschaltet würde.

Daß die Entlassungen und Persequierungen deutscher Bediensteter und Arbeiter immer noch weiter geht wie unter den früheren allnationalen Regierungen, ist wiederholt dargelegt worden, trotzdem die deutschen Parteien sich nicht genug tun können in ihren Erklärungen, daß eine andere, eine bessere Atmosphäre eingetreten sei, daß eine Verständigung die Folge sei und daß die deutschen Arbeiter und deutschen Bediensteten nicht mehr den Gefahren von früher ausgesetzt seien. Erst im Herbst ist es geschehen und wenn nicht die jetzigen Frostverhältnisse eingetreten wären, so würde die Sache wahrscheinlich weitergehen, erst im Herbst sind in M. Ostrau 50 deutsche Eisenbahnbedienstete entlassen worden, in Oderberg und Teschen ist ebenfalls eine Anzahl entlassen worden, alle nur deshalb, weil sie entweder nicht zur sogenannten Staatsnation oder zu irgendeiner von der Koalition gehätschelten und gepäppelten gewerkschaftlichen Organisation gehören. Auf ihre Stelle werden neue Kräfte aufgenommen und auf sehr wichtige verantwortungsvolle Posten gesetzt, woraus wiederum resultiert, daß solche Menschen naturgemäß eine Gefahr im Eisenbahndienst bilden müssen.

Nun einige Worte zur sogenannten Systemisierung, zum Gehaltsgesetz Nr. 103 und zur Regierunsverordnung Nr. 15/27 für die Eisenbahnbediensteten. Gestern hat Koll. Brodecký von dieser Stelle erklärt, daß der Herr Ministerpräsident Švehla dem Ministerialrat Dr Fischer, der einer der Väter des Gehaltsgesetzes ist, den Auftrag erteilt habe, die Regierungsverordnung für Eisenbahner in dem Sinne abzuändern, wie die Forderungen jener Deputation lauteten, der die Koll. Brodecký, Koll. Tomášek und wie ich glaube Hampl angehört haben, daß aber Ministerialrat Dr Fischer dies em Auftrage einfach nicht nachgekommen ist. Wir halten es kaum für möglich, daß ein Beamter einen Auftrag eines Ministerpräsidenten nicht durchführen würde, Was wäre das für eine Staatsordnung, was wäre das für eine Administrative, wo ein Beamter einfach nach seinem Kopf entgegen dem erhaltenen Auftrag eines Regierungschefs handeln würde! Aber nehmen wir an, daß es den Tatsachen entspricht. Können wir in der Èechoslovakei auf Ministerworte bauen? Ministerworte haben einmal etwas gegolten, bei uns aber müßte man schon eine ziemliche Portion Naivität besitzen, wenn man Ministerworten irgendwelchen Glauben oder Wert beimessen wollte. Es ist schon zu wiederholten Malen bewiesen worden, daß solche Worte nichts als Phrasen sind, daß sie einfach nicht eingehalten werden und das ist natürlich auch bezüglich der Regierungsverordnung für die Eisenbahner der Fall. Ich war selbst bei einer solchen Verhandlung zugegen, die mit dem Herrn Ministerpräsidenten Švehla wegen der Regierungsverordnung geführt wurde. Immer ist die Rede davon gewesen, daß die gegenwärtige Stellensystemisierung im Staatsdienste eine provisorische sei, was auch dem Gesetze entspricht. Es sollte eine Postensystemisierung auf drei Jahre provisorisch durchgeführt werden und nach den gewonnenen Erfahrungen sollte diese Systemisierung erneuert werden. Der Herr stellvertretende Ministerpräsident Šrámek, der bei der Budgetberatung im Herbst des Vorjahres auf eine Interpellation wegen Systemisierung geantwortet hat, erklärte, daß die Arbeiten noch nicht beendet seien und daß man sich erst jetzt eine richtige Übersicht bilden könne, die Ursachen der Beschwerden liegen in früheren Zuständen. Er meinte offenbar damit die sogennante frühere Novellierung, es handle sich um einen vorübergehenden Zustand, der durch die frühere Politik verschuldet worden ist, das heißt also, in der Zeit, wo die sozialistischen Parteien in der Regierung gestanden sind, wäre eine Personalpolitik gemacht worden, die die gegenwärtigen Erschwernisse mit sich gebracht haben. Aber wir wissen schon, worin diese Erschwernisse gelegen sind. Die in den höchsten Rangsklassen stehenden Beamten vermochten es leider nicht zu ertragen, daß befähigte Bedienstete aus den Angestellten- und Unterbeamtengruppen auch schließlich die Möglichkeit hatten, in den Beamtenrang aufzusteigen. Der Herr Ministerpräsidentstellvertreter Šrámek hat weiter gesagt, mit einem Schlage könne der Übergang von den früheren Personalverhältnissen zu den jetzigen nicht durchgeführt werden, die Regierung sei jedoch bemüht, die sichergestellten Unzukömmlichkeiten zu mildern, bei der definitiven Systemisierung werde auf alle Erfahrungen Rücksicht genommen werden und es werde die tatsächlich notwendige Anzahl von Dienstposten systemisiert werden. Er kündigte weiter an, daß dann auch die im Gesetz Nr. 286 aus dem Jahre 1924 vorgesehene Sparkommission mitwirken soll. Wenn diese Kommission so zusammengesetzt werden sollte, wie z. B. die Verwaltungsausschüsse bei den staatlichen Unternehmungen auf Grund des Gesetzes 404 über die kaufmännische Gebarung, dann können wir uns schon in vorhinein vorstellen, wie die neue Systemisierung der Posten ausschauen wird. Wenn Zufriedenheit unter den Staatsbediensteten aller Kategorien in Bezug auf die Postensystemisierung, die Ernennung und Avancementverhältnisse eintreten soll, dann müßte die Regierung Vorsorge treffen, daß die Beamten- und Bedienstetenorganisationen durch ihre Vertreter in dieser Kommission mitwirken könnten. Es ist unmöglich, vom grünen Tisch aus die Bedürfnisse und Erfordernisse der verschiedenen staatlichen Unternehmungen, insbesondere aber die Erfordernisse des komplizierten Eisenbahndienstes zu erkennen, insbesondere von Personen, die mit dem Eisenbahndienst überhaupt nicht in Berührung stehen. Und dann kommt natürlich auch ein Ergebnis einer solchen Systemisierung zustande, das unzureichend ist. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß jeder Posten im Staatsdienste und bei den staatlichen Unternehmungen, also bei der Eisenbahn, Post, Tabakregie u. s. w. als systemisierter Posten bezeichnet werden soll, auf dem ein Bediensteter ein Jahr lang ununterbrochen voll beschäftigt ist. Wenn dieser Posten einen Menschen ein Jahr voll beschäftigt, dann ist zur Genüge dargetan, daß der Posten notwendig ist, daß man ihn nicht nur mit Hilfskräften oder Vertragsarbeitern besetzen soll, sondern mit dauernden Angestellten und Bediensteten. Aber wie das heute geschehen ist bei der provisorischen Systemisierung, wo man kaum 50% des Bedarfsstandes für die systemisierten Posten bestimmt hat, kann man naturgemäß den Anforderungen der staatlichen Unternehmungen nicht entsprechen und dann muß naturgemäß auch dieses Unrecht zutage treten, das heute eine so kolossale Erregung und Mißstimmung unter den unter dieser Systemisierung leidenden Staatsangestellten und Bediensteten der staatlichen Unternehmungen hervorgerufen hat.

Der frühere Finanzminister Dr. Engliš hat seinerzeit gesagt, daß die Gehaltsregulierung auf Grund des Gesetzes Nr. 103 eine Bedeckung von 700 Millionen Kè erfordert. Der Staatsrechnungsabschluß für das Jahr 1927 gibt uns heute Aufschluß darüber, wieviel für die Gehaltsregulierung in Wirklichkeit gebraucht wurde. Der Herr Finanzminister Dr Engliš hat damals ein ganzes Bukett neuer Steuern für die Bedeckung dieser Ausgaben für die Gehaltsregulierung gefordert. Von 700 Millionen war die Rede. Wir haben das gleich damals bezweifelt, wir haben die Vorlage von Ausweisen seitens des Finanzministeriums darüber verlangt, wieviel für die einzelnen Berufskategorien im Staatsdienste benötigt wurden. Das wurde natürlich nicht getan, solche Ausweise wurden nicht vorgelegt. Aber nun klärt uns der Staatsrechnungsabschluß für das Jahr 1927 darüber auf, daß eigentlich nur 336 Millionen Kè erforderlich gewesen sind, also kaum die Hälfte dessen, was der Herr Finanzminister damals an neuen Einnahmen für die Bedeckung der Gehaltsregulierung gefordert hat. Es ist erwiesen, daß dieses Gehaltsgesetz, diese Systemisierung der Stellen im Staatsdienste auch für die Lehrer und für alle Kategorien überhaupt unhaltbar geworden ist. Das gestehen auch schon Koalitionsparteien ein und in der jüngsten Zeit, als die Krise in der Koalition noch nicht beigelegt war, insbesondere aber nach den Wahlen am 2. Dezember sind die klerikalen Parteien mit großen Programmen ausgerückt und haben unter anderem auch den staatlichen und öffentlichen Angestellten wieder Versprechungen gemacht, daß sie die Systemisierung abändern werden und sie haben auch Versprechungen gemacht, daß, wenn der Mieterschutz weiter durchbrochen werden sollte, auch die Aktivitätsgebühren, Ortszulagen, erhöht werden müssen, um demgegenüber einen Ausgleich finden zu können. Wir sind neugierig, ob die Koalitionsparteien sich dazu entschließen werden und wir werden sie auch wieder beim Worte nehmen, dieses Gehaltsgesetz einer Novellierung zuzuführen. Wir haben, weil die Notlage der staatlichen Angestellten insbesondere der niederen Kategorien und der Arbeiter im Staatsdienste und bei den staatlichen Unternehmungen auf Grund der fortschreitenden Teuerung aller Lebensbedarfsartikel und infolge der Erhöhung der Mieten und die nun wieder in Aussicht gestellte neuerliche Erhöhung für die Übergangszeit eine Forderung nach Zuerkennung eines außerordentlichen Teuerungsbeitrages gestellt. Diesen Antrag hat der sozialpolitische Ausschuß vor Kurzem von der Tagesordnung abgesetzt und hat einen Beschluß gefaßt, mittels welchem die Regierung aufgefordert wird, eine Vorlage über die Lösung der Staatsbediensteten-Fragen auszuarbeiten. Das Übel wurzelt in jeder Hinsicht in dem Gehaltsgesetz 103 und insolange dieses Gehaltsgesetz in seiner heutigen Fassung nicht beseitigt wird, wird naturgemäß keine Ruhe und Zufriedenheit unter den staatlichen und öffentlichen Angestellten Einkehr halten. Wir fordern also, weil wir wissen, daß eine solche Novellierung nicht im Handumdrehen gemacht werden kann, für die Übergangszeit außerordentliche Teuerungsaushilfen und wir fordern gleichzeitig auch für die Eisenbahnbediensteten für ihre erhöhten Leistungen während der schrecklichen Kälte und den Erkrankungen, denen sie ausgesetzt waren, daß auch diesen besondere außerordentliche Zuwendungen gemacht werden. Mit der Anerkennung der erhöhten Leistungen des Personals seitens des Eisenbahnministers soll und darf es durchaus nicht sein Bewenden haben, sondern es muß den Bediensteten auch in wirtschaftlicher Hinsicht geholfen werden. Im ganzen und großen läßt sieh nur sagen, daß es an den Staats- und öffentlichen Bediensteten und Angestellten selbst liegen wird, jene politischen Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, die Quelle aller dieser Übel, nämlich das Gehaltsgesetz vom Jahre 1926 zu beseitigen. Diese Voraussetzungen liegen in erster Linie darin, daß sich die Staatsbediensteten von jenen politischen Parteien abwenden, die die Schuld auf sich geladen haben und dazu gehören insbesondere auch unsere drei deutschbürgerlichen Parteien, die sich in der heutigen Regierungskoalition befinden. Die Staatsbediensteten und öffentlichen Angestellten müssen dafür sorgen, daß sie jene organisierte Macht erlangen, die den gegenwärtig herrschenden Parteien Respekt einzuflößen vermag. Sie müssen aber auch verstehen lernen - und das ist wohl auch zu erwarten -, daß sie bei ihren politischen Handlungen in ihrem eigenen Interesse den Stimmzettel handhaben. (Potlesk poslancù nìm. strany soc. demokratické.)

Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP