Pátek 8. bøezna 1929
Hohes Haus! Die in Verhandlung stehende Vorlage
findet nicht den Beifall der sozialdemokratischen Arbeiterpartei,
weil das Ganze auf eine Benachteiligung des Staates, also der
Gesamtheit, zu Gunsten einiger Kapitalistengruppen hinausläuft.
Es wird nämlich den Elbe- und Donauschiffahrtsgesellschaften
die Reduktion des Aktienkapitals auf Kosten des staatlichen Stammaktienbesitzes
bewilligt. Das ist ein Vorgang, der unbedingt zur schärfsten
Kritik herausfordert, umsomehr als schon im Jahre 1923 den beiden
genannten Gesellschaften gewaltige Konzessionen auf Regimentsunkosten
bewilligt wurden. Schon damals wurden die Interessen des Staates
zurückgestellt, er übernahm die schlechteren Aktien
und stellte den als Reparationszahlung übernommenen Schiffspark
bei, während die Vorzugsaktien größtenteils den
Gesellschaften verblieben, wobei ihnen obendrein eine gute Verzinsung
von vornherein garantiert wurde. Ganz offensichtlich und unbestritten
war dies eine ungehörige Forderung kapitalistischer Profitinteressen.
Wir verstehen, daß Verkehrsinteressen geschützt werden
müssen, wir wissen, daß der Anfang einer selbständigen
èechoslovakischen Schiffahrt schwer war, uns ist auch nicht
fremd und unbekannt, daß die alte eingelebte Konkurrenz
der heimischen Schiffahrt weit überlegen ist. Was aber hier
geschehen ist und was heute wieder geschieht,
geht weit über das zulässige Maß hinaus. Die rosigen
Hoffnungen der beiden Schiffahrtsgesellschaften, speziell der
Elbeschiffahrtgesellschaft, auf hohen Gewinn erfüllten sich
in den ersten Jahren ihres Betriebes nicht. Ich habe schon im
Jahre 1923 auf die Unhaltbarkeit der optimistischen Hoffnungen
inbezug auf die èechoslovakische Schiffahrtsgesellschaft
hier in offener Sitzung ganz deutlich aufmerksam gemacht. Unsere
Voraussagen sind pünktlich eingetroffen und erst nach Jahren,
und zwar dann, als durch Interessengemeinschaft
mit den reichsdeutschen Schiffahrtsgesellschaften die Konkurrenz
ausgeschaltet wurde, war ein Ertrag für die heimische Elbeschiffahrtsgesellschaft
möglich.
Der Motivenbericht zu dem heute in Verhandlung
stehenden Entwurf begründet die Bewilligung der Reduktion,
die bei der Elbeschiffahrtsgesellschaft von 70 auf 40 und bei
der Donauschiffahrtsgesellschaft von 70 auf 30 Millionen Kè
erfolgt, damit, daß die beiden Gesellschaften trotz guten
Betriebsergebnisses nicht ein solches finanzielles
Resultat erzielen könnten, um dieses hohe Kapital von je
70 Millionen K statutengemäß zu verzinsen. Hier sorgt
also der Staat dafür, daß diese beiden kapitalistischen
Gesellschaften auch den nötigen Ertrag schaffen können.
Die Regierung sei zu der Überzeugung gekommen, daß
es notwendig sei, das Aktienkapital herabzusetzen, um die Verhältnisse
der beiden Gesellschaften mit den Verhältnissen der konkurrierenden
Schiffahrtsunternehmungen im Auslande in Einklang zu bringen.
Durch diese Reduktion gewähre der Staat zum erstenmal, so
heißt es in dem Motivenberichte, eine ausgiebigere Unterstützung
an inländische Schiffahrtsgesellschaften, die mangels eigenen
Betriebskapitals nicht in der Lage seien, ihren Schiffspark zu
vervollkommnen. Bei der Reduktion des Kapitals werde der Staat
den Schaden wettmachen müssen, den die privaten Aktionäre
dadurch erleiden, daß ihnen durch die vergangenen sechs
Jahre ihr investiertes Kapital nichts getragen hat. Die Sorge
der Regierung um das Profitinteresse, um die Verzinsung des Kapitals
bei diesen Gesellschaften ist also wirklich rührend. Aus
diesem Grunde wäre den privaten Aktionären ein größerer
Anteil als bisher - bis jetzt waren es 28% - zugebilligt worden,
wobei dem Staat weiterhin die Aktienmehrheit und angeblich der
entscheidende Einfluß gewahrt wird. Dieser entscheidende
Einfluß ist allerdings äußerst knapp, er beträgt
wahrscheinlich nur ein Prozentmehr als der des privaten Kapitals.
Der Staat, der den beiden Schiffahrtsgesellschaften schon so große
Opfer bringt, soll noch weiter bluten. Die im Entwurf beantragte
Ermächtigung an die Regierung, den beiden Gesellschaften,
wenn dies das Allgemeininteresse - Allgemeininteresse mit Fragezeichen
- erfordert, Subventionen zu gewähren, begründet der
Motivenbericht damit, daß bisher keine Bestimmung bestehe,
die die Förderung der Flußschiffahrt ermöglichen
würde, die aber jetzt wichtiger sei als die gesetzlich vorgesehene
Unterstützung der Seeschiffahrt. Ohne Zweifel ist dieser
letztere Grundsatz, daß die Flußschiffahrt für
unsere Volkswirtschaft wichtiger als die Seeschiffahrt ist, richtig,
das andere muß allerdings bezweifelt werden. (Posl. de
Witte: Die èechoslovakische Seeschiffahrt
ist doch nur eine Fiktion!) Wir haben aber èechoslovakische
Seeschiffe, nur spielen sie draußen auf dem Meere nicht
gerade eine große Rolle. Die Flußschiffahrtsgesellschaften,
heißt es im Motivenbericht weiter, berechtigen
bei steigendem Betrieb zu Hoffnungen für die Zukunft. Also
es werden Hoffnungen für die Zukunft erweckt. Das ist richtig,
insoweit es gelingt, die ausländische Konkurrenz auszuschalten,
wie es bisher geschehen ist, durch eine Interessengemeinschaft,
indem man die Beute gemeinsam teilt. Aber im offenen Wettbewerb
des Konkurrenzkampfes wäre diese Hoffnung kaum zu erfüllen.
Sie wäre nur dann begründet, wenn die Verwaltungen und
das Arbeitsministerium mit der nötigen Sachkenntnis und lediglich
nach fachmännischen Grundsätzen vorgingen. Ich
möchte das auch in Bezug auf den Personenverkehr sagen. Im
Vorjahre hat man die Personenschiffahrt einer èechischen
Gesellschaft, die von Prag nach Mìlník gefahren
ist, bis nach Herrnskretschen ausgedehnt; der Erfolg ist allerdings
ein ganz minimaler gewesen. Für uns, die wir an der Elbe
wohnen, war nur ein günstiger Erfolg zu verzeichnen, nämlich,
daß die Tarife herabgesetzt wurden, aber im übrigen
ist das kleine Schiffchen nicht konkurrenzfähig gegenüber
den viel besser eingerichteten und größeren Schiffen
der Sächsischen Dampfschiffahrtsgesellschaft.
Man mag denken wie man will, Tatsache ist und
bleibt, daß der wichtigste Umschlagplatz neben Aussig der
Hafen Laube bei Tetschen ist, denn er liegt zunächst der
Grenze von Deutschland und den Eisenbahnlinien, die zum Abtransport
der Waren in das Industriegebiet Nord- und Nordwestböhmens
führen. Die Einrichtungen dieses bedeutenden Umschlagplatzes
sind trotz aller Bemühungen der Schiffahrtskreise und der
Kaufleute heute noch völlig unzulänglich, so daß
die Ausladungen in der Hauptsaison, also im Hochsommer, sich oft
wochenlang verzögern, so daß die Warenbezieher, die
Kaufleute, hohe Liegegelder bezahlen müssen. Die Folge davon
ist eine Verteuerung der Waren. Es fehlt an Krähnen, die
Anschlußgeleise sind ebenfalls nicht in dem nötigen
Ausmaße vorhanden, so daß sich schon wiederholt schwere
Unglücksfälle ereignet haben. Es ist mir auch mitgeteilt
worden, daß es infolge verfaulter Schwellen zu allerlei
Unzukömmlichkeiten kommt, und daß auch in Zukunft größere
Malheure nicht ausgeschlossen erscheinen. Dazu kommt, daß
Laube nicht bloß ein Hafen ist, der vom Ausland kommende
Güter aufnimmt, sondern es geht auch viel Export über
Laube nach Deutschland hinaus. In Betracht kommen Holz, Glas,
Obst usw. Ich möchte immer wieder hervorheben, daß
in Nordböhmen der Elbe ein größerer Winterhafen
fehlt, der in der Zeit des beginnenden Zufrierens des Flusses,
den Schiffen, Kähnen usw. Schutz gewährt. Deutschland
hat nach dem Umsturz, also zu einer Zeit, wo es wirtschaftlich
kraftlos gewesen ist, bei Schandau einen wundervollen Winterhafen
hergestellt. Ein solcher fehlt uns, wie gesagt, heute noch. Dafür
werden in den mittelböhmischen Gebieten die Umschlagplätze
liebevoll gefördert und zwar in einem Ausmaße,
der schon als übertrieben bezeichnet werden muß. Es
handelt sich um Mìlník und Holleschowitz. Es ist
sicher sehr schön, wenn es heißt, daß heute ein
direkter Verkehr zwischen Holleschowitz und Hamburg möglich
ist und daß Schiffe von Prag heute direkt
nach Hamburg in Eiltempo Waren fördern können. Aber
maßgebend ist das für die allgemeine Volkswirtschaft
nicht. Was nützt z. B. der Ausbau des Hafens in Mìlník,
wenn in der Zeit der Niederwässer, also im Hochsommer, die
Kähne, die beladen sind, nicht hinauffahren
und infolgedessen nicht entleert werden können. Die Bevorzugung
der mittelböhmischen Häfen bringt volkswirtschaftlich
absolut nicht den Nutzen gegenüber dem Schaden, den die Vernachlässigung
von Aussig, Rossawitz, Laube und Tetschen verursacht. Da ist eine
Kompensation nicht sichtbar. Die deutschen Gebiete werden immer
als Hauptumschlagplatz für den Export- und Importverkehr
in Betracht kommen. Man wird hier vielleicht wieder die Staustufe
bei Schreckenstein als guten Willen der Regierung bezeichnen,
auch im deutschen Gebiet Böhmens die Elbeschiffahrt zu fördern.
Dazu möchte ich sagen: Abgesehen davon, daß die Wirkung
der Staustufe noch lange nicht sichtbar ist und wahrscheinlich
auch nicht allzu groß sein wird, da sie auch noch anderen
Zwecken, z. B. der Elektrifizierung, dienen soll, spricht eine
andere Tatsache gegen die Behauptung, daß die Regierung
die nordböhmischen Gebiete mit gleicher Liebe betreut, wie
die mittelböhmischen: Das ist die Frage der Tarifpolitik.
Im alten Österreich verstand es das Eisenbahnministerium
vortrefflich, die Elbeschiffahrt durch günstige Tarife zu
beleben und ihr von weither, sogar von Ungarn und Galizien, Fracht
zuzuführen. Damals war auch der Kohlenverkehr naeh Deutschland
wesentlich stärker als er leider heute ist. Jetzt
steht die Sache so, daß nicht die nordböhmischen Häfen
für die Einfuhr die wichtigsten Umschlagplätze sind,
sondern die mittelböhmischen, also Mìlník,
vor allem aber Holleschowitz. Man treibt hier eine einseitige,
geradezu böswillige Tarifpolitik zum Schaden
des deutschen Gebietes. Das Arbeitsministerium, das seit Jahren
von einem deutschen Minister geleitet wird, hätte die verdammte
Pflicht und Schuldigkeit, den gesamten Fragenkomplex der Schiffahrtsfragen
objektiver als bisher zu behandeln, sich der Bedeutung der Schiffahrt
für die gesamte Volkswirtschaft klar zu sein und jede nationalistische
Tendenz hierbei zu unterdrücken, aber auch durch eine gute
Sozialpolitik sich die besten Arbeitskräfte zu sichern.
Zum Schluß noch eine Frage an die verantwortlichen
Faktoren: Was geschieht angesichts der drohenden Hochwasserkatastrophe?
Wir haben viel Eis, viel Schnee, es scheint die Sonne. Es kann
jeden Tag die Moldau austreten, die Elbe Überschwemmung verursachen.
Was ist vorgekehrt? In Deutschland hat man alles vorbereitet,
um den Gefahren des Eisganges zu begegnen. Ich habe es selbst
gelesen, wie man am Rhein alles vorgekehrt hat, um die Dämme
zu sichern, um die Ortschaften zu evakuieren und die Menschen
zu retten, wenn plötzlicher Eisgang eintritt. Man hat die
Fahrzeuge, die im Eise eingefroren waren, befreit, man hat durch
Dynamit die Eisdecke des Rheines gesprengt. Dasselbe geschieht
auf der Elbe, auf der Oder, der Ems, Weser usw. Was geschieht
bei uns hier? Soviel ich weiß, ist vorläufig nur eine
neue Verordnung herausgekommen, die den Meldedienst verbessern
soll. Man wird vielleicht früher als bisher erfahren, wann
das Hochwasser droht. Bisher war der Meldedienst nicht besonders
auf der Höhe. Ich weiß aus einem bestimmten Fall in
Wegstädtl, daß der Meldedienst bei der Hochwasserkatastrophe
vor zwei Jahren in Wegstädtl derart versagt hat, daß
die Bevölkerung vollständig überrascht und daß
dadurch großer Schaden verursacht wurde. Ob man bei uns
so wie in Deutschland Vorkehrungen getroffen hat, die Brücken
zu sichern, weiß ich nicht. Mir selbst ist von besonderen
Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen leider nichts bekannt..
Ich kann wohl als Tatsache feststellen, daß bei uns eine
systematische Vorsorge auch auf diesem Gebiete fehlt. Ich urgiere
hiermit dringend diese Vorsorge, bevor das Unglück da ist.
Vielleicht haben die verantwortlichen Faktoren
mehr Glück als Verstand, vielleicht geht alles glatter ab,
als wir, die an der Elbe wohnen und die furchtbaren Wirkungen
der Überschwemmungen aus eigener Erfahrung kennen, befürchten.
Vielleicht; aber sicher ist es nicht. Vorbeugen aber ist auf jeden
Fall besser als das Trauern und Klagen nach geschehenem Unglück.
(Potlesk poslancù nìm. soc. dem. strany
dìlnické.)