Meine Damen und Herren! Wir deutschen Nationalsozialisten
wenden uns nicht grundsätzlich gegen die zur Verhandlung
stehende Vorlage, denn wir anerkennen das Bestreben, humanitäre
oder soziale Einrichtungen, als welche wir ja auch die Schaffung
von Stipendien oder Stiftungen betrachten, von Abgaben und Steuern
zu befreien. Aber wir müssen selbstverständlich auf
dem Grundsatz beharren, daß gleiches Recht für Alle
gelten muß. Solange wir in unserem Sudetenland erleben müssen,
daß man Blumentage, deren Erträgnis für rein soziale
oder kulturelle Bestrebungen gedacht ist, verbietet, solange wir
erleben müssen, daß aus den Gemeindevoranschlägen
auf Grund des Gemeindefinanzgesetzes fast alle Ausgaben für
soziale, kulturelle und humanitäre Unternehmungen gestrichen
werden, so lange können wir nicht für solche Gesetze
stimmen, weil sieh diese als rein einseitige Vergünstigung
darstellen. So wenig wir also grundsätzlich gegen die Vorlage
einzuwenden haben, werden wir aus diesen Erwägungen heraus
doch gegen die Vorlage stimmen. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda
Zierhut.)
Ich habe mich aber nicht nur zum Worte gemeldet,
um diesen unseren Standpunkt hier kurz darzulegen, sondern um
bei dieser Gelegenheit neuerdings auf eine Erscheinung zu sprechen
zu kommen, die sich nachgerade zu einem europäischen Skandal
auswächst. Das ist die Handhabung der Zensur. Meine Partei
hat vor einigen Tagen unser Parteiprogramm in Druck gelegt und
dasselbe in Form einer Flugschrift zur Verteilung gebracht. Die
Flugschrift enthält vom Anfang bis zum Ende nichts als unsere
parteiprogrammatischen Grundsätze und unsere staatsrechtlichen
Erklärungen. Man sollte es nun nicht für möglich
halten, daß sich Staatsanwälte und Gerichtsbehörden
finden, die sich erlauben, Programmpunkte einer Partei zu konfiszieren.
Aus diesem unseren Programm, das auf Parteitagen festgesetzt wurde,
die in aller Öffentlichkeit stattgefunden haben, dessen Grundsätze
in unzähligen öffentlichen Versammlungen vertreten wurden,
dessen Grundsätze in zahlreichen Schriften verfochten wurden,
wurde vom Staatsanwalt nicht nur unsere staatsrechtliche Einstellung
gestrichen, sondern sogar auch die Forderung nach einem Volksheer.
Die Forderung nach einem Volksheer beinhaltet, wie selbst jeder
unpolitische Staatsbürger wissen dürfte, die allgemeine
Wehrpflicht. Wir haben ja selbst in diesem Staate die allgemeine
Wehrpflicht, also in diesem Sinne ein Volksheer. Der Staatsanwalt
streicht jedoch die Forderung mit der Begründung, daß
diese Forderung ein Militärverbrechen beinhaltet. (Posl.
L. Wenzel: Der Zensor muß ein Obertrottel sein!) Sehr
richtig! Er besitzt aber leider einen sehr hohen Staatsbeamtenrang
und das Kreisgericht in Leitmeritz hat diese seine Zensurverfügung
sogar bestätigt.
Unsere staatsrechtliche Einstellung, die darin
gipfelt, daß die Partei grundsätzlich die Zusammenfassung
des gesamten, geschlossen besiedelten deutschen Sprachgebietes
in einen deutschen sozialen Staat erstrebt, hat der Staatsanwalt
zur Gänze beschlagnahmt. Wir leiten diese Forderung nach
dem Zusammenschluß aller geschlossen siedelnden Deutschen
in Europa in dem deutschen sozialen Einheitsstaat ab von dem urewigen
Naturrecht eines jeden Volkes, das man weder durch Polizeimaßnahmen,
noch durch Unrecht dauernd beseitigen kann. Wir leiten dieses
Recht aber auch ab aus den Kriegszielen der Entente, an deren
Spitze doch bekanntlich die Forderung nach einer Neuordnung Europas
auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker stand,
eine Forderung, die in gar keinem Gegensatze zu dieser unseren
grundsätzlichen programmatischen Einstellung steht. Es ist
eine Forderung, wie etwa die Forderung einer monarchistischen
Partei in einer Republik, die in dieser Republik die Änderung
der republikanischen Verfassung und die Aufrichtung der Monarchie
erstrebt, oder etwa, wie die Forderung der Kommunisten nach dem
Rätestaat. Das sind grundsätzliche weltanschauliche
Forderungen und in keinem Staate der Welt werden solche grundsätzliche
Anschauungen der Parteien, aus dem Parteiprogramm beschlagnahmt
oder den Parteien deren Verfechtung verboten, solange die Parteien
sich bei der Verfechtung dieser Forderungen auf dem Boden der
Gesetze befinden, solange sie diese Forderungen nicht mit Mitteln
der Gewalt, also durch Umsturz durchzusetzen erstreben; In keinem
Staate der Welt wird man den Parteien ihr geistiges Werben für
grundsätzliche Ziele und Anschauungen verbieten. (Výkøiky
posl. L. Wenzela.) Wenn der Staatsanwalt
in der Lage wäre, den Gedankengängen des Parteiprogrammes
zu folgen, wenn er das Parteiprogramm als Ganzes nehmen würde,
könnte er zu einer solchen Zensurmaßnahme nicht greifen.
Aber wir erleben es ja leider tagtäglich bei uns draußen,
daß in der Presse oder in unserer Literatur Stellen beschlagnahmt
werden, die, aus dem Zusammenhang gerissen, natürlich
einen ganz anderen Sinn ergeben, als wenn man den Artikel oder
das Buch als Ganzes beurteilt. Das kommt daher, weil bei uns viele
èechische Beamte wirken, die nicht in der Lage sind, sich
in unsere Gedankengänge und in unsere Geisteswelt auch
nur hineinzudenken, und daher nach dem Buchstaben oder irgendeinem
Absatz allein urteilen und danach ihre Amtshandlung einrichten.
Hätte der Staatsanwalt das Parteiprogramm als Ganzes genommen,
hätte er daraus ersehen, daß wir dieses unser Ziel,
das Ziel des deutschen Einheitsstaates auf friedlichem
Wege erstreben, daß wir dieses Ziel allenfalls auf dem Wege
eines Zusammenwirkens mit den Völkern in diesem Staate, also
selbst mit den Èechen erstreben. Wir haben an dieser Stelle
und auch draußen wiederholt dargelegt,
daß wir hoffen und dahin arbeiten, daß unter den Völkern
Europas mit der Zeit doch die Erkenntnis reifen wird, daß
die bestehende staatliche Ordnung in Europa auf die Dauer unmöglich
ist, daß ein Frieden und ein friedliches Nebeneinander der
Völker in Europa nur denkbar und möglich ist, wenn wir
jedem Volk, auch dem kleinsten, seine Freiheit und Souveränität
gewährleisten. Gerade die kleinen Völker müssen
doch zur Erkenntnis kommen, daß ihre Freiheit, ihre Entwicklung
und ihre Unabhängigkeit am besten gewährleistet wird,
wenn sie sich zum Grundsatz der Selbstbestimmung bekennen und
daran gehen, in Europa eine andere Staatenordnung aufzubauen.
Es kann doch wohl für keinen Denkenden fraglich sein, daß
unter den bestehenden staatlichen Verhältnissen in Europa
an einen dauernden Frieden nicht gedacht werden kann. Solange
es in Europa 40 Millionen Menschen gibt, die sich unterdrückt
und beherrscht fühlen, so lange bleibt es eine Phrase, vom
Frieden und von einer friedlichen Zusammenarbeit der Völker
zu sprechen. Die Katastrophe muß ja nicht morgen oder übermorgen
ausbrechen, aber es ist für keinen Sehenden eine Frage, daß
sie kommen muß, wenn die Zustände so bestehen bleiben,
wie sie heute sind. Wir Deutsche haben die Aufgabe, dahin zu wirken,
daß aus dieser Katastrophe unser Volk, das deutsche
Volk, nicht zersetzt und vernichtet hervorgeht, sondern völkisch
und staatlich geeint. Kleine Völker in Europa, wie das èechische
Volk, maßen sich heute an, Millionen von Stammesgenossen
anderer Völker zu beherrschen und
zu unterdrücken, sie maßen sich an, Staaten zu regieren,
die, wie die Èechoslovakische Republik, nach außen
und nach innen keine Einheit verkörpern. Herr Koll. Horpynka
hat gelegentlich der Debatte über
die Kriegsbeschädigtenfürsorge ja gestern klar zum Ausdruck
gebracht, wohin ein solcher Staat kommen muß, wenn er weder
nach außen noch nach innen ein Staat für alle seine
Bürger ist, ein Staat, in welchem alle Völker und Bürger
sich wirklich als Staatsvölker und Staatsbürger fühlen.
Es liegt also für den Zensor von diesem Gesichtspunkte aus,
wenn er den Gedankengang nur einigermaßen erfaßt hat,
kein Anlaß vor, das Parteiprogramm zu beschlagnahmen, insbesondere
jene Stellen, die den Weg weisen, auf welchem wir unter Umständen
in Zusammenarbeit mit den Èechen einstmals zur Durchsetzung
unserer Ziele kommen. Aber wie gesagt, der Staatsanwalt kann oder
will sich nicht in diesen Gedankengang hineindenken und in jeder
Forderung und jedem Wörtchen, das nicht den bestehenden "Nationalstaat"
anerkennt, erblickt er eine staatsfeindliche
Kundgebung, und das Kreisgericht in Leitmeritz entblödet
sich nicht, Forderungen, die im Parteiprogramm niedergelegt sind,
als Staatsverbrechen zu bezeichnen und die Konfiskation zu bestätigen.
Das sind Blödsinnigkeiten der Zensur, die den Zensor und
die Beamten lächerlich machen und dem Staat mehr schaden,
als der Partei, die man zu treffen glaubt. Aber der Zensor geht
noch weiter. Er erlaubt sich, aus dem Parteiprogramm sogar die
staatsrechtliche Erklärung zu konfiszieren, die meine Partei
beim Zusammentritt des ersten Parlaments durch den Mund des Klubkollegen
und Parteivorsitzenden Jung hier abgegeben hat. Die grundsätzliche
staatsrechtliche Erklärung, die im stenographischen Protokoll
des Hauses enthalten ist, die von der gesamten Presse seinerzeit
wiedergegeben wurde, dürfen wir in unserem Parteiprogramm
nicht niederlegen. Der Zensor hat vom Anfang bis zum Ende einen
einzigen roten Strich durch sie gemacht. Ich habe diese Zensurpraxis
neuerdings zur Sprache bringen müssen, trotzdem wir schon
unzähligemal diese Art derselben in diesem Hause beleuchtet
haben. Aber da die Zensurpraxis bereits so weit geht, Erklärungen
grundsätzlicher Art, die hier im Hause abgegeben werden und
die im stenographischen Protokoll enthalten sind, zu beschlagnahmen,
muß ich an das Präsidium des Hauses appellieren und
die Frage stellen, was das Präsidium zu tun gedenkt, um einem
solchen Zensurskandal ein Ende zu machen? In diesem Zusammenhange
möchte ich noch einiges darüber sagen, was wir an kleinen
Nadelstichen Tag für Tag draußen erfahren durch die
Art, wie einzelne Bezirkshauptleute bei der Beurteilung und bei
der Bewilligung der deutschen Veranstaltungen und Festlichkeiten
vorgehen. Fahnenverbote sind bei uns alltäglich und darüber
regt sich schon niemand mehr auf. Aber wenn an einem Tage, an
dem die Sokoln in der Stadt Dux eine große Manifestation
veranstalten und der deutsche Turnverein in Anerkennung der turnerischen
Bestrebungen diesen Sokoln den eigenen Turnplatz zur Verfügung
stellt, weil diese keinen geeigneten Platz in Dux besitzen, wenn
an dem gleichen Tage, an dem deutsche Turner ein solches Entgegenkommen
bekunden, in der Nachbarstadt Oberleutensdorf unseren deutschen
Turnern verboten wird, mit der ihnen statutenmäßig
bewilligten Fahne ausrücken zu dürfen, dann muß
man sich an den Kopf greifen und fragen, was denn die Aufgabe
dieser politischen Behörden und Beamten draußen in
der Provinz eigentlich ist. Man sollte glauben, daß solche
Zeichen der gegenseitigen Achtung, wie sie in Dux zum Ausdruck
gekommen sind, begrüßt werden und daß man bestrebt
sein müßte, von Seite der Behörden alles zu tun,
um die Atmosphäre des Hasses abzubauen. Oder was sollen wir
dazu sagen, wenn sich im Zeichen einer deutsch-èechischen
Regierung eine politische Behörde anmaßt,
dem größten deutschen Feste, dem Bundesfeste, das in
den nächsten Tagen in Brüx stattfinden wird, zwar die
Abhaltung zu bewilligen, aber diese Bewilligung an Bedingungen
zu knüpfen, die geradezu lächerlich wirken, Bedingungen,
die nirgendswo in der Welt denkbar wären! Da ist z. B, eine
der Bedingungen, daß in dem Festzuge, in welchem, wie jeder
weiß, immer Tausende und Abertausende Menschen marschieren,
der keine politische Demonstration darstellt, in dem Deutsche
ohne Unterschied des Standes und der Partei marschieren, nicht
demonstrativ "Heil!" gerufen und nicht gesungen werden
darf, weil dadurch die öffentliche Ruhe gestört werden
könnte! Meine Verehrten, wenn solche Dinge möglich sind,
dann haben wir keine Ursache einer Vorlage zuzustimmen, die scheinbar
von humanitären und sozialen Grundsätzen geleitet ist,
die sich aber bei uns als eine einseitige Begünstigung einer
gewissen Gruppe darstellt, während auf der anderen Seite
das Unrecht aufgehäuft bleibt und seinen Weg weitergeht.
Wir Nationalsozialisten werden deshalb aus dieser, nicht aus grundsätzlicher
Erwägung, gegen die Vorlage stimmen. (Potlesk
poslancù nìm. strany nár. socialistické.)
Hohes Haus! Der Ruf nach Handwerksmäßigkeit
bei allen freien Gewerben verdichtet sich immer mehr und so haben
auch die Organisationen des Müllergewerbes ihrer langjährigen
Forderung dadurch Ausdruck verliehen, daß sie auf mehreren
Tagungen die Handwerksmäßigkeit des Müllergewerbes
verlangten. Nicht nur der Müllerstand, nicht nur die Meister
selbst, sondern auch die Gehilfen fordern seit längerer Zeit,
daß das Müllergewerbe als handwerksmäßiges
Gewerbe erklärt werden möge. Am 14. April 1928 hat eine
Delegation, bestehend aus Vertretern aller vier Verbände
der historischen Länder, u. zw, der deutschen wie
der èechischen Müllerorganisationen, beschlossen,
die Handwerksmäßigkeit für das Müllergewerbe
mit allem Nachdruck zu verlangen. Die Regierung hat diesem Druck
endlich nachgegeben und dem Hause eine Vorlage unterbreitet,
nach welcher das Müllergewerbe als handwerksmäßig
erklärt wird. Gewiß hätten wir im Sinne unseres
Beschlusses vom Vorjahr gerne gesehen, daß die Grenze gegenüber
dem fabriksmäßigen Betrieb genau umschrieben und festgelegt
würde, leider war es verschiedener Umstände halber nicht
möglich, dies durchzusetzen und auch eine vom Handelsministerium
einberufene Enquete hat leider einen negativen Erfolg gezeitigt.
Es wäre hier gewiß möglich gewesen, endlich einmal
festzulegen, wo die Handwerksmäßigkeit aufhört
und der fabriksmäßige Betrieb anfängt. Wir forderten
seinerzeit, daß man vollständig automatisch eingerichtete
Mühlen, die innerhalb 16 Stunden 2 Waggons Vermahlung aufweisen,
als fabriksmäßig erkläre. Nachdem diesem Antrag
nicht Rechnung getragen worden ist, wird selbstverständlich
die Administrative wiederum stark belastet werden, weil in jedem
einzelnen Fall bezüglich der Fabriksmäßigkeit,
respektive Handwerksmäßigkeit und Unterstellung unter
die Gewerbeordnung ein Streit entsteht. Erst die einzelnen Instanzen
und vielleicht auch des öfteren das Ministerium wird entscheiden
müssen. Durch den von mir skizzierten Antrag wäre es
möglich gewesen, Erleichterungen im administrativen Verfahren
zu schaffen und es wäre dadurch mit ein Versuch gemacht worden,
für die zukünftige Novellierung der Gewerbeordnung tatsächlich
einmal die Grenze zu ziehen, wo die Handwerksmäßigkeit
aufhört und das Fabriksmäßige beginnt. Es nimmt
einen Wunder, daß einzelne Stimmen laut wurden, die sich
gegen den Befähigungsnachweis im Müllergewerbe ausgesprochen
haben. Die Großmühlen, die in ihrer Anzahl sehr gering
sind, sind desinteressiert, aber es finden sich leider Stimmen
aus einem sogenannten Zentralverein, dem "Ústøední
spolek" der insbesondere durch seinen
Obmann Herrn Duda sich gegen den Befähigungsnachweis im Müllergewerbe
ausgesprochen hat. Daß vielleicht 98 bis 99% der kleinen
und mittleren Mühlen die Handwerksmäßigkeit fordern,
steht fest und deshalb ist gewiß die Gegnerschaft des Herrn
Obmanns Duda gegen den Befähigungsnachweis nur von einer
Seite zu verstehen, aus der Sorge: "Ich verliere in dem Moment
viele meiner Leute in meiner Organisation und bin vielleicht in
absehbarer Zeit nicht mehr Obmann dieses Zentralvereins."
Die Handwerksmäßigkeit des Müllergewerbes ist
auch von wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen begleitet, die
sich nicht nur für das Müllergewerbe, sondern auch für
die gesamte Konsumentenschaft auswirken; sozial deshalb, weil
wir durch den Befähigungsnachweis dem gelernten Müller,
der nach seinen Lehrjahren die Möglichkeit hatte, eine Zeit
lang als Gehilfe zu arbeiten, die Möglichkeit bieten, sich
einmal selbst als Meister ansässig zu machen. (Posl. Dietl:
Wenn Sie ihm das Geld dazu geben!) Ich mache Sie aufmerksam,
Herr Kollege, daß es ihm bis heute überhaupt nicht
möglich war, weil sich ja nur Finanzleute Mühlen kauften
und dies zu einer Zeit, wo gerade dieses Gewerbe blühte.
Um dem zu begegnen, ist es gerade notwendig, daß man dem
jüngeren Nach wuchs für die Zukunft hilfreiche Hand
bieten soll. (Posl. Dietl: Ihr werdet das Gewerbe
retten! Schauen Sie sich nur den Baa an, hier haben Sie
gleich ein Beispiel, daß das Großkapital alles vernichtet!)
Herr Kollege, ich bin nicht der Vertreter des Großkapitalisten
Baa, nicht Vertreter der kapitalistischen Großbanken,
sondern ich bin hier Vertreter des deutschen Kaufmanns- und Gewerbestandes
und werde in dem Sinne auch alle Interessen dieser Stände
zu wahren trachten. Es ist weiters mit Rücksicht darauf,
daß das Müllergewerbe eigentlich ein Lebensmittelgewerbe
ist, ein Veredlungsgewerbe ist, sehr wichtig, daß die praktische
Anlernung desselben gut und vollkommen erfolgt. Besonders in der
Aufbewahrung und Behandlung der Getreidearten, die vielleicht
durch Monate hindurch in Silos oder anderen Aufbewahrungsarten
gelagert werden müssen, ist es notwendig, das Gewerbe gründlich
zu erlernen, weil man wissen muß, zu welchen Zeiten das
Getreide für äußere Einflüsse empfänglich
ist und leicht verdirbt und auf diese Weise auch das Mahlprodukt
für den Konsumenten Schaden leiden könnte. (Posl.
Dietl: Das betrifft doch meist die Lohnmüllereien und die
kleinen Mühlen!) Das trifft für den kleinen wie
auch für den Großmüller zu. Auch der kleine Müller
muß dafür sorgen, daß aus dem ihm zur Vermahlung
gegebenen Getreide ein gesundes Mahlprodukt zurückgegeben
wird, was sowohl für die Konsumenten als auch für das
Müllergewerbe sehr wichtig ist. In sozialer Beziehung bedeutet
eigentlich der Befähigungsnachweis für die Mühlen
eine Entwertung, weil es solchen Personen, die heute Mühlen
kaufen wollen, dies dadurch, daß sie den Befähigungsnachweis
nicht erbringen können, schwer möglich sein wird. Geschieht
es doch, so wird der Käufer einen gelernten Müller mit
Befähigungsnachweis haben müssen, den er kraft seiner
besseren Bezahlung nicht zu jener schmutzigen Konkurrenz zulassen
wird, wie es bisher bei vielen Mühlen der Fall ist. Die gesamte
Mühlenindustrie und das Kleinmühlengewerbe besteht heute
einen schweren Kampf um seine Existenz. Ich gebe zu, daß
vielleicht vor einigen Jahren bessere Zeiten waren, daß
es so manchem besser gegangen ist. Aber daß diese Zeit schon
längst vorüber ist, ersehen wir daraus, daß heute
wieder Ausgleiche vorkommen, daß unverschuldete Konkurse
eintreten, und es ist unbedingt notwendig, daß von Seite
der gesetzgebenden Körperschaft wie auch von Seite der Regierung
Vorsorge getroffen werden muß, daß diesem Gewerbe
auch ein Schutz zugebilligt werde. Man muß sich heute unwillkürlich
fragen, warum ein so schwerer Konkurrenzkampf in der Mühlenindustrie
besteht. Der Uneingeweihte wird vielleicht nicht darauf kommen.
Die Ursache liegt darin, daß während des Krieges und
in der Nachkriegszeit die Mühlenkapazität, also die
Leistungsfähigkeit der Mühlen, um das zwei-, drei-,
ja sogar das vierfache erhöht wurde, weil zu jener Zeit alles
in der damaligen alten Monarchie gebaute Getreide hier verarbeitet
werden mußte; u. zw. geschah damals die Ausmahlung nicht
wie heute bis zu 60%, 65% und maximal 68%, sondern bis zu 80%.
Der Mahlprozeß war ein bedeutend längerer, weshalb
die Mühlen gezwungen waren, ihre Kapazität zu erhöhen.
Nun kam der Umsturz, mit ihm eine Änderung der gesamten wirtschaftlichen
Gestaltung und dadurch auch der schwere Hieb für die gesamten
Mühlen, sowohl für die kleinen als auch für die
mittleren. Weiters muß ich darauf verweisen, daß heute
die kleinen Mühlen, die nicht in der Lage sind, das moderne
Verkehrsmittel, das Lastauto anzuschaffen, infolge der großen
überschüssigen Kapazität bei den großen Mühlen
dadurch zu Schaden kommen, daß diese großen Mühlen
heute von jenen Kunden, die das Getreide von den kleineren Mühlen
mahlen ließen, selbst abholen. Daß dadurch die große
Gefahr besteht, daß diese Leute ihre Existenz verlieren,
wird uns allen klar sein. Durch dieses Ringen um die Behauptung
der Existenz entsteht unwillkürlich ein nichtreeller Wettbewerb,
es entsteht die sog, schmutzige Konkurrenz mit der Unterbietung
von Preisen, wobei es sehr oft vorkommt, daß die kleinen
alten Müller, die früher eigentlich nie ordentlich rechnen
und lesen lernten, auch heute noch an die alten Zeiten denken
und nicht rechnen, so daß sie zum Schlusse des Jahres zur
nächstgelegenen Kasse gehen müssen, um sich dort Geld
auszuleihen; daß dieser Zustand nicht nur für den Müllerstand,
sondern auch für den Staat ungesund ist, ist gewiß
einleuchtend.
In diesem Zusammenhang möchte ich ohne
böse Absicht auf einen besonderen Umstand hinweisen, der
auch den Bestand der Mühlen gefährdet, u. zw. ist dies
das Entstehen der landwirtschaftlichen Genossenschaftsmühlen.
Man muß sich fragen, ob die Errichtung landwirtschaftlicher
Genossenschaftsmühlen von besonderem volkswirtschaftlichen
Vorteil ist, ob die Begünstigungen, wie sie die Genossenschaften
im Sinne des Gesetzes v. J. 1873 haben, heute zum Vorteil des
Ganzen gereichen oder ob sie tatsächlich nur den Zweck
haben, kleine und mittlere Mühlen trotz des schweren Kampfes
noch mehr zu bedrücken. Ich habe es in meiner Gegend hart
an der Sprachgrenze mit ansehen müssen, daß dort eine
èechische Genossenschaftsmühle errichtet wurde und
daß sich diese nicht nur als Mühle
etabliert hat, sondern daß sie auch eine Großbäckerei
errichtete, wodurch nicht nur den Mühlen, sondern auch dem
Bäckergewerbe großer Schaden zugefügt wird. Der
Volksmund berichtet, daß dieser Genossenschaftsmühle
hohe Subventionen zugeflossen sein sollen, daß weiters Darlehen
zu geringem Zinsfuß gegeben wurden, wobei man ihr noch weitere
Steuerbegünstigungen als auf Grund des Gesetzes zulässig
zugestehen muß. Man muß sich fragen, was die einzelnen
Gewerbetreibenden bekommen, ob sie derartige Steuerbegünstigungen
haben oder ob sie als Privatunternehmen irgendwelche Subventionen
bekommen. Das alles fällt bei ihnen weg, und wenn man auf
diesem Wege weiter fortschreitet, so muß man schon heute
die Frage stellen, wie man zu jener Zeit, wo alles genossenschaftlich
organisiert ist oder nur genossenschaftliche Unternehmen bestehen
werden, die Steuern bezahlen soll, wenn alle diese Unternehmungen
Begünstigungen und Subventionen fordern. Ich stehe auf dem
Standpunkt - und das soll kein Vorwurf unserer lieben Bauernschaft
gegenüber sein - daß sie von dem Grundsatz ausgehen
muß, wie wir ihn halten und der lautet: "Leben und
leben lassen." Wie ich schon erwähnt habe, ist es unbedingt
notwendig, daß man ebenso wie man andere Industrien im Staate
schützt - und ich verweise hier auf die Zuckerindustrie und
so manche andere Industrien, die durch Zölle geschützt
werden und geschützt werden müssen - der bedrängten
Mühlenindustrie auch von Seite der Regierung etwas mehr Schutz
angedeihen lassen soll. Ich warne davor, heute zu sagen, daß
sei nicht notwendig, es wird den Mühlen gewiß noch
nicht so schlecht gehen, wie man es darstellt. Ich verweise aber
darauf, daß die heute technisch hochentwickelte Mühlenindustrie
in dasselbe Chaos verfallen könnte, wie die Zuckerindustrie
in diesem Staate. Wir müssen darauf bedacht sein, es dem
Müllergewerbe zu ermöglichen, die innere Konkurrenz
zu bestehen und müssen es auch in den Stand setzen, die äußere
Konkurrenz mit Erfolg aufzunehmen. Es ist Pflicht der Unternehmungen
und der Müllerschaft selbstverständlich auch, zur Selbsthilfe
zu greifen. Die Selbsthilfe bei den Müllern besteht darin,
daß sie nicht nur eine praktische Anlernung erfahren, sondern
im heutigen Zeitpunkt ist es notwendig, auch eine dem Fach entsprechende
theoretische Ausbildung zu genießen.
Wir haben uns seinerzeit schon, und zwar im
Jahre 1911, mit dem Gedanken der Errichtung einer Müllerfachschule
getragen und damals ist es dem deutschen Landesfachverband der
deutschen Mühlengenossenschaften in Mähren möglich
gewesen, in Mähr. Aussee eine deutsche Müllerfachschule
zu errichten. Diese Müllerfachschule wurde nach einigen Jahren
nach Lundenburg verlegt und wir mußten leider sehen, daß
die von uns geschaffene deutsche Schule nach dem Umsturz ganz
einfach in eine èechische Müllerfachschule
umgewandelt wurde. Unsere Gesuche und unsere Interventionen an
maßgebender Stelle im Unterrichtsministerium, der deutschen
Müllerschaft auch eine derartige Fachschule zu bewilligen,
blieben bisher immer erfolglos. Der Hinweis darauf,
daß die dazu nötigen finanziellen Mittel nicht vorhanden
seien, kann meiner Ansicht nach nicht immer stichhältig sein.
Wir haben in diesem Staate gewiß schon sehr viel Geld ausgegeben,
und speziell auf dem Gebiete des Schulwesens, namentlich des Fachschulwesens,
wird sich der Staat doch wohl dazu aufschwingen müssen, die
unbedingt erforderlichen Mittel herzugeben. Ich betrachte heute
die Fachschulen im Vergleiche zu den Hochschulen als gleichbedeutend,
und zwar deshalb, weil die Fachschule für den Gewerbetreibenden
dasselbe ist, was die Hochschule für den Akademiker. Wir
streben deshalb schon seit Jahren an, daß der Müllerfachschule
in Lundenburg wenigstens eine deutsche Fach-Abteilung angegliedert
wird, wobei sich selbstverständlich, dadurch Ersparnisse
erzielen ließen, daß die seinerzeit von uns angeschafften
Lehrmittel gemeinsam benützt werden. Ich will hoffen, daß
dieser berechtigte Wunsch nicht taube Ohren finden wird.
Wenn ich von dem Existenzkampf der Müllerschaft
in dem heutigen Zeitpunkt gesprochen habe, so muß ich doch
darauf verweisen, daß sowohl in der Kriegsals in der Nachkriegszeit
die Müller auf Grund der staatlichen Bewirtschaftung des
Getreides großen Schikanen ausgesetzt waren. Ich gebe zu,
daß damals, wo Lebensmittelnot herrschte, eine straffe Hand
da sein mußte, aber es geht nicht an, daß diese straffe
Hand zu Schikanen benützt wird. Wir haben jetzt erleben müssen,
daß nach dem Aufhören der staatlichen Bewirtschaftung
im Jahre 1927 das Finanzministerium eine Kundmachung erließ,
die den Müllern ein Umsatzsteuerpauschale für Mehl und
Mahlprodukte auferlegte. Ich würde wünschen, daß
Sie einmal alle als Beobachter zusehen würden, wenn ein Finanzorgan
in eine kleine Mühle kommt, heute wo doch freie Bewirtschaftung
herrscht und den armen Müller bis zum äußersten
schikaniert. Jede Woche erscheint in einer solchen Mühle
ein Finanzorgan, kontrolliert alles ganz genau und wehe dem kleinen
Müller oder den älteren Müllern besonders, die
nicht absichtlich, sondern ganz unabsichtlich irgendwo eine Nummer
im Verzeichnis aufzuschreiben vergessen haben. Da kommt der gestrenge
Herr von der Finanzwache gleich mit den schärfsten Strafen.
Ich gebe zu, daß der Ruf des Gewerbe- und Kaufmannstandes
nach Abschaffung der 2%igen Umsatzsteuer derzeit kaum zu erfüllen
ist, unser Bestreben geht daher vorläufig dahin, zur weitgehendsten
Pauschalierung zu kommen. Ich gebe auch zu bedenken, ob es nicht
noch besser wäre, an Stelle der vielen Revisions- und Kontrollorgane
eine Abfindung statt der sogenannten pauschalierten Umsatzsteuer
ins Auge zu fassen. Die Steuerbemessungsbehörden wissen infolge
der Erfahrung vieler Jahre ganz genau, wie die Betriebe prosperieren
und es könnte in solchen Betrieben besonders bei dem zweiprozentigen
Umsatzsteuerpauschale eine jährliche Abfindung vorgenommen
werden. (Pøedsednictví se ujal pøedseda
Malypetr.) Dadurch
würde der ganze Beamtenapparat, der zur Kontrolle notwendig
ist, erspart werden und es würde das völlig verloren
gegangene Vertrauen zu den Steuerbehörden und dadurch in
weiterer Folge zum Staat wieder rückgewonnen werden. Wir
sprechen hier immer von einer Hebung der Steuermoral, ich muß
aber feststellen, daß auf Grund der letzten Steuerreform
und der daraus fließenden Vorschreibungen des Vorjahres
die Steuermoral eigentlich statt gehoben, neuerdings gesunken
ist. Bei den großen Schikanen wird bei diesen Mühlen
das Vertrauen, wie ich vorhin schon erwähnt habe, noch mehr
sinken müssen und an Stelle der Steuermoral wird eine Steuerunmoral
treten.