Insolange der Wert des Geldes noch höher war, haben viele
Bezirksvertretungen in Form einer Pauschalvergütung aus Bezirksmitteln
die Kosten der Tierbeschau in Notschlachtungsfällen an die
hiefür in Betracht kommenden Tierzärzte bestritten.
Die Höhe des Pauschales betrug damals in den einzelnen Bezirken
einige hunderte Kronen, mit denen auch das Auslangen gefunden
wurde. Seitdem die Entwertung des Geldes platzgegriffen hat, hörte
diese unterstützung seitens der Bezirke auf und die Viehhälter
müssen seither aus eigenem die Gebühren für die
Tierbeschau bei Notschlachtungen tragen. Die Höhe der geforderten
Beträge ist nun oft für die durch die Notschlachtungsfälle
ohnedies geschädigten Landwirte ein zwingender Grund, Klagen
den staatlichen Amtstierärzten die Tierbeschau auch von anderen
Tierärzten besorgt wird. In letzter zeit wurden Fälle
bekannt, die ergaben, daß die geforderten Gebühren
um 100% das zuläßige Maß überschritten.
Durch solche Überhaltungen, um einen gelinden Ausdruck zu
gebrauchen, werden die durch die unvorhergesehenen Viehverluste
ohnedies geschädigten Landwirte noch weiter benachteiligt.
Dieses Vorgehen wäre unmöglich, wenn die Höhe der
in Notschlachtungsfällen liquidierten Gebühren vor ihrer
Einhebung von den zuständigen politischen Amtsstellen kontrolliert
würde.
Der Herr Landwirtschaftsminister wird deshalb gefragt, ob er bereit
ist, Weisungen in der Richtung zu erlassen, damit die in Notschlachtungsfällen
von Nichtstaatslierärzten für die Tierbschau geforderten
Gebühren von den zuständigen politischen Bezirksverwaltungen
adjustiert werden müssen.
Prag, am 3. Feber 1926.
Die landwirtschaftlichen Kreise führen darüber Beschwerde,
daß die von ihnen im Zusammenhange mit der Einkommensteuer
vorgelegten Bekenntnisse seitens der Steuerverwaltungen gar keine
Berücksichtigung finden und daß von den Steuerbehörden
mit Hilfe von Schlüsselzahlen die Reineinkommen der Landwirtschaft
willkürlich berechnet werden und darauf basierend die Bemessung
und Veranlagung der Einkommensteuer erfolgt. Gegen dieses Unrecht
führt die Lanwirtschaft einen bisher nahezu erfolglosen kampf,
denn die gegen die Steuervorschreibung eingebrachten Rekurse blieben
größtenteils unerledigt. Die Lanwirtschaft mußte
auch zahlen, denn Gesuche um zahlungsstundungen bis zur Entscheidung
über die Rekurse wurden meist abschlägig beschieden.
Für die Landwirtschaft blieb auch das Gesetz vom 8. Oktober
1924, Slg. d. G. u. V. Nr. 235, beitreffend die außerordentlichen
Erleichterungen bei der Zahlung der direkten Steuern bloßes
Papier, nachdem sie mit ihrem allen Augen sichtbaren Besitz auch
den Zugriffen der Steuerexekutionsorgane rücksichtslos preisgegeben
war. Die Landwirtschaft mußte daher selbst oft unter Aufnahme
von hypothekarschulden die übermäßig hoch vorgeschriebenen
Steuern bezahlen.
Dieses Vorgehen der Steuerverwaltungen trifft nun besonders hart
die Landwirtschaft jener Gegenden, in denen der Bodenertrag infolge
der Rauheit des Klimas und infolge der Seichtgründigkeit
der Bodenkrume ohnedies gering ist. In solchen Gegenden, zu denen
der Steuerbezirk Gablonz n. N. gehört, ist die Lebensmöglichkeit
aus dem Ertrage der Landwirtschaft häufig so gering, daß
ein Großteil der Landwirte gezwungen ist, auch in der Industrie
Beschätigung und Erwerb zu finden. Die Landwirtschaft bringt
hier nur ein bescheidenens Einkommen, das nur ein Leben mit ungemein
primitiven Ansprüchen zuläßt, wenn eben nicht
eine Nebenbeschäftigung die Einnahmen vergrößern
hilft.
Im Steuerbezirke Gablonz a./N. hat die Steuerverwaltung als Reineinkommen
aus der Landwirtschaft für die Steuerjahre 1920 bis 1923
pro Hektar 1200 bis 1500 Kè vorgeschrieben und sie hat
sogar als Reinekommen auf dem Hektar für die angeführte
Steuerperiode auch 5037 bis 7060 Kè errechnet. Es betrifft
dieses übermäßig hohe Reineinkommen noch dazu
einen 73jährigen Landwirt (Eduard Ullmann in Gablonz), der
mit seiner 72jährigen Frau nur von dem kümmerlichen
Ertrage einen Hektar Bodens lebt. Wieso die Steuerverwaltung zu
diesen hohen Beträgen gekommen ist, bleibt unergründlich.
Welche Mittel im übrigen aufgewendet werden müssen,
um die Landwirtschaft im Bezirke Gablonz a./N., oft in einer Seehöhe
von 500-700 m, erst dahin zu bringen, daß Roherträge
fließen, zeigt der Warenbezug des landwirtschaftlichen Vereines
in Morchenstern, der im Jahre 1925 bei einem Gesamtrinderstande
von 260 Stück um 95.569 Kè landwirtschaftliche Bedarfsstoffe
kaufte. hier mußten also im Verlaufe eines Jahres rund 310
Kè in ein Rind gesteckt wrden, um überhaupt einen
Nutzen zu erhalten.
Wenn die Landwirtschaft besonders in Steuerbezirke Gablonz a./N.
eine solche rigorose Behandlung erfährt, so trägt dazu
bei die Tatsache, daß ihre Einkommensverhältnisse von
der Steuerverwaltung denen der Industrie und des Handels und der
industriellen Arbeiterschaft willkürlich angeglichen werden,
ferner der umstand, daß die Lanwirtschaft in der Steuerschätzungskommission
in wirtschaft in der Steruerchätzungskommission in Gablonz
a./N. vollständig unvertreten ist und weiter noch, daß
die von der Steuerverwaltung angewendeten Schlüsselzahlen
ohne Beurteilung durch fachkundige landwirte in Geltung gelangt
sind.
Die Landwirtschaft im Steuerbezirke Gablonz a. N. und auch in
anderen Bezirken wird durch solche unhaltbare Verhältnisse
schwer getroffen, daher auch in ihrer Existenz bedroht und darum
wird der Herr Finanzminister gefragt:
1.) Ist er bereit, anzuordnen, damit die eingebrachten Steuerrekurse
ihre eheste Erledigung finden?
2.) Ist er weiter bereit, darauf Einfluß zu nehmen, damit
die Landwirtschaft in den Steuerschätzungskommissionen die
ihr gebührende Vertretung findet?
3.) Ist er schließlich bereit, zu verfügen,d amit die
eingebrachten Steuerbekenntnisse individuell behandelt werden
und Schlüsselzahlen erst dann Anwendung finden dürfen,
wenn solche im Einvernehmen mit den von den landwirtschaftlichen
Fachorganisationen bestimmten Vertrauenspersonen festgesetzt worden
sind?
Prag, am 5. Feber 1926.
Der Finanzminister veröffentlichte im Einvernehmen mit dem
Handelsminister die Kundmachung vom 25. November 1925, Slg. d.
G. u. V. Nr. 247, betreffend die Pauschalierung der Umsatzsteuer
bei Schlachtvieh und Fleisch. Im Absatz 2 dieser Kundmachung heißt
es u. a.: "Das Pauschale wird in allen Fällen eingehoben,
in denen die Fleischsteuer eingehoben wird." Diese Bestimmung
führt nun dazu, daß seit dem 1. Jänner 1926, von
welchem Tage an die Kundmachung Wirksamkeit erlangt hat, die Organe
der Gefällskontrolle das Umsatzsteuerpauschale von Fleisch
auch von jenen Landwirten abverlangen, die durch Unglücksfälle
gezwungen waren, Notschlachtungen vorzunehmen.
Es ist bekannt, daß die in Rede stehende Kundmachung der
Absicht ihre Entstehung verdankt, jene Fleischmengen durch die
Umsatzsteuer zu erfassen, die im Wege von gewerblichen und Handelsunternehmungen
in den Verkehr gelangen, wobei durch Festzetzung eines Umsatzsteuerpauschales
der übermäßigen Verteuerung des Fleisches vorgebeugt
werden sollte. In die Verpflichtung zur Zahlung eines Umsatzteuerpauschales
für Fleisch können nun unmöglicherweise Landwirte
einbezogen werden, die Notschlachtungen vornehmen mußten.
Diese geben das anfallende Fleisch, insoweit solches genußfähig
ist und dasselbe infolge der Menge in den eigenen Haushaltungen
nicht verwertet werden kann, an unmittelbvare Verbraucher ab.
Das Gleiche geschieht dann auch bei Notschlachtungen, die von
Notschlachtvereinen durchgeführt werden und die zum Zwecek
der Verwertung des genußfähigen Fleisches ihre Mitglieder
satzungsgemäß zur Fleischabnahme verhalten.
In Notschlachtungsfällen mußte zwar seit Geltung der
jetzt bestehenden gesetzlichen Bestimmungen die Fleischsteuer
entrichtet werden, doch war das gewonnene und zur Verwertung gelangte
Fleisch von einer besonderern Umsatzsteuerpflicht ausgenommen.
Eine gleiche Ausnahme bildeten aber auch die Fleischmengen, welche
von Landwirten durch Schlachtungen im Sinne der Verordnung der
seinerzeitigen Statthalterei für Böhmen vom 17. Feber
1909, Nr. 3,057-präs., gewonnen wurden. Daß ungeachtet
der zitierten Kundmachung dieser Zustand auch weiterhin aufrecht
zu bleiben hat, ergibt die Tatsache, daß die Landwirtschaft
bis zu einem Flächenausmaße von 50 Hektar bisher von
ihren Einnahmen ein Pauschale entrichten konnte, worin naturgemäß
auch die Einnahmen aus Veihverkäufen und aus dem Verkaufe
des Fleisches normal und notgeschlachteter Tiere enthalten waren.
Darüber erschien erst zum letzten Male am 17. Juni 1925,
Slg. d. G. u. V. Nr. 153, eine Kundmachung des Finanzministers
im Einvernehmen mit dem Minister für Landwirtschaft, in der
neuerdings ausdrücklich angeführt wurde, daß durch
das Pauschale der Landwirstchaft die 1%ige, bezw. 2%ige Umsatzsteuer
von der gesamten vegetabilischen und animalischen Produktion des
Landwirtes, die der Landwirt entweder verwertet oder verbraucht
hat, gedeckt ist.
Wäre eine Änderung dieses Sachverhaltes durch die erwähnte
Kundmachung Slg. Nr. 247/1925 beabsichtigt worden, dann hätte
hiezu im Sinne des Gesetzes vom 21. Dezember 1923, Slg. d. G.
u. V. Nr. 268, § 19, Absatz 8, das Lanwirtschaftsministerium
nach Anhörung des Landeskulturrates vorher seine Zustimmung
erteilen müssen. Das ist nicht geschehen.Aus diesem Grunde
hat die Kundmachung Slg. Nr. 247/1925 für die Verhältinesse
der Landwirtschaft auch keine Geltung.
Damit die Lanwirtschaft nun nicht erst lange unnützen Quälereien
seitens der Finanzorgane ausgesetzt ist, deshalb wird gefragt:
1.) Ist dem Herrn Minister für Landwirtschaft die eingangs
erwähnte Kundmachung bekannt und ist er gewillt, darauf einzuwirken,
damit die Umsatzsteuerverpflichtung der Landwirtschaft in dem
in der Interpellation ausgeführten Sinne klar gestellt wird?
2.) Warum hat der Herr Finanzminister in der in Rede stehenden
Kundmachung nicht auf die Verhältnisse jener Lanwirte Rücksicht
genommen, welche schon immer in Form eines Pauschalsatzes die
auf ihren Betrieb entfallende Umsatzsteuer beglichen haben?
3.) Sind beide Herren Minister bereit, einvernehmlich ehestens
klare Weisungen an die untergeordneten Stellen zu erlassen, in
denen dargetan wird, daß die das Umsatzsteuerpauschale entrichtenden
Landwirte von den Bestimmungen der Kundmachung vom 25. November
1925, Slg. d. G. u. V. Nr. 247, ausgenommen sind?
Prag, am 6. Feber 1926.