Die Tages- und Fachzeitungen brachten im vegangenen Monate die
Nachricht, daß ab 1. Jänner 1926 in mehreren Schulbezirken
die bisher den Bezirksschulinspektoren zugeteilen Hilfsbeamten
aus dem Stande der Volks- und Bürgerschullehrerschaft wieder
ihres Amtes enthoben werden sollen. Diese Nachricht hat sich leider
bewahrheitet und es steht zu befürchten, daß auch noch
weitere Hilfsbeamten enthoben werden.
Die Bestellung der Hilfskräfte für Bezirksschulinspektoren
geschah seinerzeit mit Ministerialerlaß vom 28. Feber 1921,
Zahl 6374 in der richtigen Vefolgung des Bestrebens, den Bezirksschulinspektoren
durch Erleichterung und Entlastung in den Kanzleiagenden die Möglichkeit
eines häufigeren Verkehres mit den Schulen und Lehrern zu
bieten, um damit eine Besserung und Hebung des gesamten Volksschulwesens
zu gewährleisten. Seit dieser Zeit ist die Kanzleiagenda
der Bezirksschulausschüsse bedeutend gestiegen und die Aufarbeitung
derselben besonders durch die zweisprachigen Erledigungen ganz
bedeutend erschwert worden.
Wenn es bei der in einzelnen Bezirken bereits durchgeführten
Enthebung der Hilfskräfte der Bezirksschulinspektoren bleibt,
so wird der Bezirksschulinspektoren bleibt, so wird der Bezirksschulinspektor
den ganzen Akteneinlauf des Bezirksschulausschusses selbst erledigen
müssen und wird damit seiner eigentlichen Aufgabe, der Schulaufsicht
zum Zwecek der Vervollkommnung des Schulwesens, entzogen. Die
Inspektionen werden auf das unumgünglich notwendigste Maß
eingeschränkt werden müssen, der Bezirksschulinspektor
wird sich nicht mehr mit dem Studium der Lehrerpersönlichkeiten,
der Kinderseele, der neuzeitlichen pädagogischen Literatur
befassen können, seine größte Sorge wird sein,
den Einlauf rechzeitig zu erledigen. Und trotzden wird es unerledigte
Aktenreste geben, sehr zum Schaden nicht nur der Lehrerschaft,
sondern auch zum Schaden der Schule un ddamit des Staates. Denn
der Zustand des Schulwesens ist von der größten Bedeutung
für die kulturellen und sozialen Verhältnisse eines
Staates.
Wird sind verpflichtet, jeden Rückschritt auf dem Gebiete
des Schulwesens zu verhindern, wir müssen vielmehr trachten,
unser Schulwesen weiterhin zu fördern und auszubauen. Aus
diesem Grunde fragen wir den Herrn Minister:
- Ist der Herr Minister als oberste Anwalt des Schulwesen bereit, die Verfügung über die angeordnete Enthebung der Hilfskräfte der Bezirksschulinspektoren wieder rückgängig zu machen?
2.) Ist der Herr Minister bereit, zu verfügen, daß
allen Bezirksschulinspektoren, auch dort, wo dies bisher nicht
der Fall war, ein Hilfsbeamter zugewiesen werde, damit der Resolution
der gesetzgeberischen Körperschaft zum § 34 des Gesetzes
vom 9. April 1920, S. d. G. u. V. No. 292 entsprochen werde, welche
besagt: "Dem Bezirksschulinspektor ist zur Erledigung der
laufenden Agenden ein vom Vorsitzenden aus der Lehrerschaft zuzuteilen?"
Prag, am 15. Jänner 1926.
Die Finanzbezirksdirektion in Reichenberg gab unter Zahl 1256/25
p. p. vom 20. November 1925 einen Runderlaß betreffend die
Spachenfrage bei Aufstellung der Tatbeschreibung im Gefällsstrafverfahren
heraus, der nachstehenden Wortlaut hat:
"An alle Gefällskontrollämter!
An alle Grenzfinanzwachinspektorate!
An alle Zollämter!
Auf eine vom hiesigen Amte am 5. Mai 1925 unter Zahl 569/p. p.
erfolgte Anfrage tilte das Präsidium der Finanzlandesdirektion
in Prag mit Erlaß vom 16. November 1925, Z. 82/64 ai 1925
mit, daß es vollkommen mit der hiesigen Ansicht übereinstimme,
daß die Tatbeschreibung im Gefällsstrafverfahren unbedingt
in der Staatssprache abgelaßt sein müsse, u. zw. aus
den im hieramtlichen Berichte angeführten gründen und
beauftragte mich, darüber zu wachen, daß diese Praxes
im hiesigen Bezirke eingehalten werden möge.
Das Sprachen gesetz vom 29. Feber 1920, Z. 122 S. d. G. u. V.
löst in seinem § 2 nicht die angedeuteten Fragen und
spricht nur von der Annahme und der Erledigung von Eingaben bie
Ämter, in deren Bereiche mindestens 20% der gleichen, aber
von der Staatssprache verschiedenen Sprache leben. Es sollte also
in dieser Angelegenhiet noch die alte Vorschrift des Gefällsstrafgesetzes
im § 20 gelten. Dieser besagt: "Die Tatbeschreibung
ist der Person, die angehalten oder bei der der beanständete
Gegenstand gefunden wurde, vorzulesen und, wenn sie der Sprache,
in welcher die Tatbeschreibung aufgenommen wurde, nicht mächtig
sein sollte, zu verdolmetschen.
Aus dieser Vorschrift kann man mit Recht ableiten, daß die
Tatbeschreibung, auch wenn es sich um eine Partei deutscher nationalität
handeln sollte, in der Amtssprache, also in der tschechischen
Sprache abzufassen ist.
Aus dem Angeführten geht hervor, daß die ganze erste
Seite der Drucksorte für die Tatbeschreibung - Kleinkonzept
360/b in der Staatssprache d. i. der tschechischen auszufüllen
ist. In derselben Sprache ist diese Drucksorte auch in den Rubriken
1, 2, 3, 4, 5, 6 und 9 auszufüllen. Nur in den Punkten 7
und 8 ist die Drucksorte in der Sprache auszufüllen, deren
sich die Partei bedient. Allerdings ist auch in der Sprache der
Partei ihre Äußerung zum Punkte 1 der Tatbeschreibung
aufzunehmen.
Hievon gebe ich Ihnen Kenntnis mit der Aufforderung, auf das oben
Angeführte die unterstellten Organe mit dem Bemerken aufmerksam
zu machen, daß ich auf einer sprachlich einwandfreien Ausfertitigung
der Tatbeschreibung in jedem eindarauf nicht achten, gegebenenfalls
im Disziplinarwege einschreiten werde.
Die Inspektorate der Grenzfinanzwache sollen die unterstellten
Abteilungen verständigen.
Der Regierungsrat: Olžbut e. h."
Dieser wörtlich wiedergegebene Erlaß steht im krassesten
Widerspruche mit dem Sprachengesetz vom 29. Feber 1920, das im
§ 9 sagt, daß durch Herausgabe des Sprachengesetzes
alle vor dem 28. Oktober 1918 giltigen Gesetze und Verordnungen,
welche die sprachlichen Angelegenheit regeln, ungiltig sind. Die
im obigen Erlaß zitierte Stelle des § 20, Abs. 10 des
Gefällsstrafgesetzes ist somit nicht mehr in Rechtswirksamkeit,
da dieselbe ebenfalls durch das Sprachengesetz aufgehoben erscheint.
Mit ihr werden aber auch alle logischen Schlußgerungen hinfällig,
welche die Finanzlandesdirektion in Prag und die Finanzbezirksdirektion
in Reichenberg daraus ableiten.
Aber auch noch aus einem anderen Grunde ist dieser Erlaß
eine Umgebung und Verletzung des Sprachenrechtes. Die in Frage
stehende Tatbeschreibung bildet eine Anklageschrift, welche das
den Gefällsanstand erhebende Organ mit der beanständeten
Partei aufnimmt, die nich nur die Rubriken 7 und 8, sondern auch
die gesamte Tatbeschreibung nach der Verlesung, bezw. Verdolmetschung
mit ihrem Namen zu fertigen hat. Als öffentlicher Ankläger
sind das Gefällsgericht, bezw. die mit der Überwachung
der Gefällsvorschriften betrauten Organe zu betrachten. Nach
§ 2, Abs. 4 des Sprachengesetzes muß jedoch die vom
öffentlichen Ankläger erhobenen Anklage in der Sprache
des Angeklagten erstattet werden. Mit der Logik der Prager Finanzlandesdirektion
mußman notwendigerweise daraus schließen, daß
nicht nur die Aussage der Partei und die Rubriken 7 und 8, sonder
Srpache der Partei auszufüllen ist.
Schließlich kann die Übersetzung oder Verdolmetsung
der Anklgeschrift der angehaltenen Partei keineswegs genügen.
Denn winn die Partei die Staatssprache nicht versteht, so kann
ihr auch eine Erzählung verdolmetsch werden, die in der Tatbeschreibung
gar nicht enthalten ist, so daß die Partei endlich etwas
unterschreibt, was ihr im Verfahren den größten Nachteil
bringen kann. Und außerdem darf jede Partei, welcher die
hiesige Praxis bei Aufnahme und Anstellung tschechischer Staatsbeamter
hinlänglich bekannt ist, den Übersetzungskünsten
dieser Organe ein berechtigtes Mißtrauen entgegenbringen.
Aus diesen Gründen fragen die Unterzeichneten den Herrn Finanzminister
ob er bereit ist
1.) den obrigen Erlaß nochmals einer genauen Prüfung
zu unterziehen und als widersprechend dem Sprachengesetze außer
Rechtswirksamkeit zu setzen,
2.) anzuordnen, daß die ganze Tatbeschreibung im Gefällsstrafverfahren
nur in der Sprache der Partei aufzunehmen ist, wenn es sich um
tschechoslowakische Staatsbürger handelt,
3.) anzuordnen, daß die ganze Tatbeschreibung in der von
der angehalteten Partei gewünschten Sprache aufzunehmen ist,
wenn es sich um ausländische Staatsbürger handelt.
Prag, am 23. Jänner 1926.
Am 8. Jänner 1926 erstattete der Gastwirt Josef Fassmann,
wohnhaft in St. Joachimstal, Rauschererb Nr. 393 im Polizeiamte
die Anzeige, daß am Tage vorher um cirka 1/2 4 Uhr nachm.
die Gefällskontrollbeamten Fridolin Mužík und
Franz Bouda zu ihm zwecks Kontrolle der Getränke kamen.
Die Beiden beanständeten 5 Flaschen Champagner und 1 Flasche
Himbeersaft wegen nicht genügender Versteuerlung, worauf
der Gastwirt erklärte, am nächsten Tage in die Kanzlei
der Gefällskontrolle zur Regelung dieser Angelegenheit kommen
zu wollen.
Die beiden Beamten bestellen hierauf Getränke und unterhielten
sich bis gegen 10 Uhr in ruhiger Weise. Um diese Zeit erklärte
der Vorstand des Gefällskontrollamtes, Mužík,
dem Gastwirte, er möge sogleich den Betrag von 150 Kè
erlegen, womit die Angelegenheit dann erledigt sei, anderenfalls
habe der Wirt eine Bestrafung bis zu 3000 Kè zu gewärtigen.
Der dadurch eingeschüchterte Wirt erlegte daraufhin tatsächlich
einen Betrag von 150 Kè 30 h zu Händen des Herrn Assistenten
Bouda.
Nach kurzer Zeit verlangte der Vorstand das Geld, welches ihm
auch ausgefolgt wurde. Der Gastwirt erhielt über Verlangen
eine Bestätigung.
Um cirka ½ 11 Uhr nachts verlangte Mužík vom
Gastwirte neuerlich einen Strafbetreg von 500 Kè, welcher
Betrag sogleich zu erlegen sei, widrigenfalls die Strafe morgen
viel höher ausfallen werde. Als sich der Gastwirt entschieden
weigerte, den Betrag zu bezahlen und erklärte, das Strafurteil
abwarten zu wollen, holte Mužík aus seinem Winterrocke
einen Revolver, den er in Gegenwart der Wirtsleute lud, wobei
er dieselben auf das Laden ausdr[cklich aufmerksam machte. Dem
Ersuchen des Gastwirtes den Revolver yu versorgen, kam Mužík
dei Waffe und zielte damit auf den Wirt, wobie er den Ausdruck
gebrauchte: "Ich schieß dich nieder, Du Hund!"
Dies wiederholte er einigemale, wobei er auch seine Forderung
nach 500 Kè wiederholte.
Der Gastwirt verbat sich diese Behandlung entschieden, verweigerte
aber ebenso entschieden die Bezuahlung der Strafe. Um ½ 12
Uhr begannen die beiden Beamten unter sich zu streiten, es kam
zu einem Handgemenge, wobei Mužík den Bouda zu Boden
warf. Letzterer erlitt eine blutende Rißwunde aur der linken
Schläfenseite. Dei Gastwirten wollte Bouda, der sich auf
ein Kanape gelegt hatte vom Blute reinigen. Als sie sich ihme
näherte, traktierte er sie mit Fußtritten.
Dabei hatte die Wertin, wie ärztlich nachgewiesen ist, erst
in letzter Zeit eine schwere Unterleibsoperation durchgemacht.
Der Wirt machte darauf hin den Szenen ein Ende, indem er die weiteren
Abgaben von Getränken verweigerte und die beiden Beamten
aus dem Lokale wies. Diese kamen der Aufforderung nach, worauf
der Wirt absperrte.
Als die Wirtin und Schwester nach einer Weile vor die Haustür
sahen, bemerkten sie den Mužík, wie er auf das erleuchtete
Fenster der Küche zielte, in welcher der Wirt auf einem Stuhle
saß. Als die Frauen um Hilfe reifen, fiel Mužík
statt zu schießen, mit der Faust in die äußere
Fensterscheibe hinein, die dabei in Trümmer ging. Fassmann
dadurch aufmerksam gemacht, kam vo die Türe und rief den
beiden zu: "Wenn ihr nicht bald schaut, daß Ihr weter
kommt, werde ich Euch helfen!"
Er ging ins Haus und kam von dort mit einem Gewehre zurück,
konnte jedoch die beiden Beamten nicht mehr erreichen. Mužík
und Bouda hatten zusammen 22 Flaschen Bier, je einen Tee und ein
Viertel Wein, weiters mehrere schwarze Kaffees getrunken. Am Heimwege
drang Bouda dann noch in den Hof der staatlichen tabaksfabrik
ein, wurde von den Wächtern festgonommen und von dem Direktor,
dem er vorgeführt wurde, als betrunken wieder entlassen.
Dei Rohheit des Vorfalles veranlaßt die Gefertigten, an
den herrn Finanzminister die Fragen zu stellen:
1.) Ob ihm der Tatbestand bekannt ist?
2.) Ob er bereit ist die Schuldigen einer gerechten Strafe zuzuführen?
3.) Was er zu tun gedenkt, um derartige brutale Akte von Gefällskontrollbeamten
für die Zukunft zu verhindern?
Prag, am 27. Jänner 1926.
Dei St. Joachimsthaler zeitung brachte am 13. Jänner 1926
in ihrer Nummer 3 des 23. Jahrganges unter der Überschrift
"Wildwest in Rauschererb" einen langen Artikel, in welchem
nachstehende öffentliche Anklagen gegen 2 Amtsorgane der
dortigen Gefällskontrolle vorgebracht werden:
Am 7. jänner 1926 um 5 Uhr nachmittags kamen der Vorstand
der Gefällskontrolle Fridolin Mužík und der Assistent
Franz Bouda in das Gasthaus Rauschererb in joachimsthal, um dort
eine Kontrolle der steuerpflichtigen Getränke vorzunehmen.
Sie beanständeten 5 Flaschen Champagner und eine Flasche
Himbeersaft, worauf der Gastwirt erklärte, daß er am
nächsten Tage in die Kanzlei der Tatbeschreibung und Erlegung
der Strafgebühr kommen werde.
nach vollzogener Amtshandlung verließen die beiden Genannten
aber nicht das Gastlokal, sondern blieben dort und veanstalteten
dort ein Zechgelage. Um 10 uhr abends verlagte der Beamte Mužík
vom Wirte den Betrag von 150 Kè unter der Androhung, daß
er sonst dem Wirte eine Strafe von 2000-3000 Kè diktieren
werde. Der Wirt zahlte den verlangten Betrag von Kè 150,
um von den betrunkenen Staatsbeamten Ruhe zu bekommen. Den Betrag
nahm der Beamte Bouda in Empfang und händigte denselben erst
nach längerem Streiten dem Beamten Mužík ein.
Dei vom Wirte verlangte Empfangsbest§tigung verweigerten
beide Beamten.
Kurze Zeit darauf verlangte der Beamte Mužík noch
einen Betrag von 500,- Kè, den alter der Wirt nicht ausfolgte.Darauf
lud Mužík in Anwesenheit der Wirtsleute und eines
naderen zeugen eine Browning-Repetierpistole, legte dieselbe gegen
die Brust des Wirtes an und schrie:
"Ich schieße Dich nieder, Du deutscher Hund!"
Dies wiederholte er einigemale und verlangte dabei immer den Betrag
von 500,- Kè. Der Wirt blieb aber trotz der Bedrohung an
Leib und Leben standhaft und verweigerte die Ausfolgung des Betrages.
Hierauf gerieten Mužík und Bouda untereinander in
Streit, wobie Mu6ík den Bouda zu Boden warf, wobei sich
Bouda eine strke blutende Kopfwunde zuzog.
Trotz dieses sauberen Benehmens der beiden Amtsorgane wollte die
Wirtin dem Bouda die Wunde zu binden. Bouda versetzte aber der
Wirtin einen derartigen Stoß in die magengegend, daß
die erst kürzlich operierte Frau sofort ärztliche Hilfe
in Anspruch nehmen mußte.
Der Wirt verweigerte hierauf die weitere Ausfolgung von Getränken
an die beiden Verbrecher, worauf dieselben dal Lokal verließen.
Vor dem Wirtshaus veranstalteten die beidenBeamten noch einen
Exzeß und zeztrümmerten eine Fensterscheibe des Gastlokales,
worauf sie entflohen.
Auf dem Heimwege wollten Mužík und Bouda noch in die
Tabakfabrik eindringen wurden aber vom Feuerwächter gestellt
und von bissigen Wachhunden vertrieben.
Schließlich machten die beiden Beamten nohc vor dem Kurhause
"Elektra" Lärm.
Trotzdem dieser Vorfall in der Presse veröffentlicht war
und daher allgemein bekannt ist, befinden sich die beiden Beamten
heute noch im Dienste, wie wenn nichts geschehen wäre,
Infolge dieser fast unglaublichen Tatsachen und des gemeinen und
verbrecherischen Vorgehens zweiter tschechischer Staatsbeamten
im deutschen Sprachgebiet, fragen die Unterzeichneten den Herrn
Finanzminister, ob er
1.) in Kenntnis dieses ganzen Vorfalles ist;
2.) bereit ist, sofort die beiden genannten Beamten vom Dienste
zu suspendieren, eine strenge Untersuchung anzuordnen und die
Bestrafung der Schuldigen zu veranlassen;
3.) bereit ist, den beiden Beamten sofort den weiteren Aufenthalt
in Joachimsthal zu verbieten?
Prag, am 27. Jänner 1926.
Nach § 5 des Gesetzes vom 31. Jänner 1922, Nr. 40 Slg.
haben Bewerber um die Eintragung in die advokatenliste unter Umständen
den Nachweis eines einjährigen Gerichtsdienstes zu erbringen.
Schon nach dem früheren Rechte war es gleichgiltig, ob dieser
Gerichtsdienst als praxis im Sinne des § 2 lit. A der Advokatenordnung
oder im richterlichen Vorbereitungsdienst zugebracht war. Auch
der erwähnte § 5 macht in dieser hinsicht keinen Unterschied.
Trotzdem stellen sich die Advokatenkammern anscheinend auf den
Standpunkt, daß nur eine Praxis im Sinne des § 2 lit.
A nicht aber der sogenannte richterliche Vorbereitungsdienst einzurechnen
sei. Diese Unterscheidung scheint in jeder Hinsicht ungerechtfertig
und bedeutet insbesondere eine härte gegenüber solchen
Bewerbern, die aus finanziellen Gründen die unkonnten und
darum den sachlich bei weitem anstrengenderen richterlichen Vorbereitungsdienst
versahen.
Die Unterzeichneten richten daher an den Herrn Justizminister
die Anfrage:
Ist er geneigt, im Sinne des Wortlautes des Gesetzes die Advokatenkammern
zu einer entsprechenden Praxis zu veranlassen?
Prag, am 6. Feber 1926.
Die tschechischen städtischen Beamten und Angestellten Iglaus
haben an den ehemaligen Regierungskommissär Výborný
folgende Dankadresse gerichtet:
"Dem herrn Regierungskommissär der Stadt Iglau, Josef
Výborný, zur Erinnerung; Dank und Verständnis
bewahren Ihnen aus ganzen herzen und ganzer Seele die tschechischen
Beamten und Angestellten der Stadt Iglau.
Das tschechische herz schrie auf unter den Ketten der Iglauer
Deutschen und tschechisches Blut, vergossen auf dem kühlen
Pflaster des Platzes, ätzte die Bande und rief nach Vergeltung!
Beständiges Unrecht, begangen am tschechischen Volke, ließ
den Leidensbecher voll werden und die Klagen und Beschwerden aus
unserer Gegnd zerrissen das herz des tschechischen Volkes!
Es kam die Zeit der Befreiung unseres Volkes von der knechtschaft
der Fremdlinge! Die feindlichen Bollwerke standen; aber an der
Grenze der tschechischen Gegenden und drohten durch ihren Haß
das vom tschechischen Volke geschaffene und mit seinem Blute geheiligte
Werk zu zerstören!
Auch die künstlich erhaltene Mehrheit in Iglau - eine jener
Bastionen der Fremdlinge - trat unsere heiligen Rechte mit Füßen
und ihr Haß gegen uns und das ganze tschechische Volk hüllte
sich in schwarzgelbe Wolken, deren Entladung den armen südwestlichen
Winkel unseres teueren Mährens ertränken sollte! Sie
täuschte sich aber in ihrer Sehnsucht und wurde aufgescheucht
aus ihren riesenhaften Träumen durch einen mann, einen Tschechen,
der sich, ergriffen von den eisigen Stürmen der Iglauer Tyrannenherrschaft
und durchglüht von nationalem Fühlen, fast allein in
den kampf gegen die herrschenden Feinde begab. Er führte
ihn nicht mit blutiger Gewalt, sondern durch seine unermüdliche
Arbeit, mit Entschiedenheit, Fleß und Kenntnissen, durch
die beispiellose Tätigkeit siegte er über die Feinde
und gab Iglau dem tschechischen Volke wieder! Für diesen
Sieg gebührt Ihnen heißer Dank nicht nur unsererseits
- sondern seitens des ganzen Volkes - Sie Unvergeßlicher!
Iglau, am 1. Dezember 1925."
Diese Adresse hat unter der Bevölkerung Iglaus, die, wie
letzten Parlamentswahlen gezeigt haben, zu fast 50 prozent deutsch
ist, große Entrüstung hervorgerufen. Die Adresse steht
überdies mit dem Diensteide der Beamten und ihrer Objektivität
in Schärfsten Widerspruche.
Die Unterzeichneten stellen daher folgende Anfragen:
1.) Ist dem Herrn Minister des Innern diese Adresse bekannt?
2.) Ist er geneigt, die entsprechenden maßnahmen gegen die
Urgeber zu treffen?
3.) Ist er geneigt, vorzusorgen, damit sich künftighin derlei
Volkommisse nicht mehr wiederholen?
Prag, am 6. Feber 1926.
Die deutsche universität in prag, die sich seit dem Umstruze
in vielfacher Hinsicht verkürzt und bedrängt sieht,
leidet insbesondere unter der Schwierigkeit, für erledigte
Lehrkanzeln neue angemessene Kräfte zu gewinnen. Eine der
größten Schwierigkeiten entsteht aus dem Verhalsten
der unterrichtsverwaltung, die mit der amtlichen Behandlung der
Vorschläge unverhältnismäßig lange Zeit zögert.
So kam es, daß Berufungen hervorragender auslädischer
Kräfte deshalb nicht zu Stande kamen, weil die Valutaverhältnisse
inzwischen gemessenes finanzielles Angebot nicht mehr möglich
war. Eine zweite Schwierigkeit bereitet das mangelnde Entgegenkommen
der Unterrichtsverwaltung in Sachen der deutschen Universität
in unerhörter Weise zu schädigen. Besonders deutlich
sind diese Übelstände im Falle Eppinger zu Tage getreten.
Aber dieser Fall ist nur einer aus einer erheblichen Reihe ganz
ähnlicher und muß dager geradezu als typisch bezeichnet
werden.
Dei Unterzeichneten richten daher an den herrn Minister für
Schluwesen und Volkskultur die Anfrage:
Ist er geneigt, in sachlicher und persönlicher Beziehung
das Geeignete vorzukehren, damit Berufungsangelegenheiten der
deutschen Universität in Hinkunft rasch und befriedeigend
erledigt werden und daß die deutsche Universität in
Prag künftig in jeder Hinsicht die ihr angemessene Behandlung
durch die Unterrichtsverwaltung erfahre.
Prag, am 6. Feber 1926.