Von dem Steueramte in Kratzau wurden für den 24. Mai 1927
Massenexekutionen zur Eintreibung rückständiger Steuern,
Gebühren und rückständiger Vermögensabgaberaten
in der Gemeinde Weißkirchen a. N. angeordnet. Die veröffentlichte
Feilbietungskundmachung enthielt folgende Fälle:
Haus | Eingetriebener | Feilzubietende | |||
Zahl | Nr. | Rückstand | Fahrnisse | Schätzwert | |
106/11 | 4 | 14.037.06 | 6 Stk. Jungvieh (Kühe) | 18.000 Kè | |
111 | 23 | 2.450.--- | 2 Stk. Kühe (rotscheckig) | 7.000 " | |
108 /77 | 62 | 4.370.--- | 2 Stk. Kühe (rotscheckig) | 7.000 " | |
109 | 189 | 144.--- | 1 Stk. Zugkuh | 3.000 " | |
17/67 | 84 | 348.50 | 1 Stk. Kuh, 1 kleiner Ochs | 5.000 " | |
25/94 | 16 | 232.60 | 2 Stk. 3 kälbrige Kühe | 7.000 " | |
37/137 | 39 | 1.897.20 | 1 Landauer u. 1 Nutzkuh | 6.400 " | |
70/90 | 223 | 343.295.--- | 1Kontoreichrichtung, Rohmaterial, | ||
1 Auto, 1 Motorspritze etc. | |||||
1 Regal mit verschiedener Ware | 1,262.000 " | ||||
1/19 | 79 | 601.96 | 3 Milchkühe | 2.000 " | |
51/19 | 84 | 4.962--- | 1 Billard, 1 Kanapee, 1 Gastzimmerein- | 12.000 " | |
120/19 | 224 | 2.235.--- | richtung | 3.750 " | |
5 Tische, 25 Stühe, 5 Bänke, 1 Aus- | |||||
257/19 | 1 | 1.180.--- | schank etc. | 2.450 " |
Aus dem Verzeichnis ergibt sich, daß es sich zum größten
Teile um Landwirte handelt, gegen die man mit Exekutionsführung
vorging. Es mußte jedoch dem Steueramte bekannt sein, daß
die Lanwirte im Frührjahre stets über die geringsten
Geldbestände verfügen, weil Einnahmen nicht mehr zu
verzeichnen sind. Der Ernteertrag von 1926, der im übrigen
aus einer Mißernte floß, wurde längst erschöpft
und neue Einnahmen sind erst wieder aus dem Enteertrage im Herbste,
bezw. im Winter 1927/28 zu erwarten. Als Einnahmsquellen könnte
bloß das in den Ställen befindliche Vieh dienen, das
jedoch zu Schleuderpreisen abverkauft werden müßte,
wodurch wieder große Verluste entstehen. Es ist unerklärlich,
warum die Steuerbehörde zu diesem ungünstigen Termine
die Exekutionsführung anordnet, die den betroffenen Parteien
durchwegs schwere materielle Nachteile zufügt. Es zeugt dies
nut für ein sehr mangelhaftes Verständnis für das
Wesen der Landwirtschaft.
Es ist auch allgemein bekannt, daß die Exekutionen auf Grund
von Steuervorschreibungen geführt wurden, die ohne Rücksicht
auf die wirklichen Einkommensverhältnisse der Landwirte erflossen
sind und wobei über die dagegen eingebrachten Rekurse überhaupt
noch nicht entschieden wurde. Aus der Exekutionsführung spricht
auch krasse Willkür. Als Beleg hierfür sei darauf verwiesen,
daß in dem Falle, der das Haus Nr. 4 in Weißkirchen
a. N. betrifft, das Präsidium des Finanzministeriums mit
dem Schreiben vom 12. April 1927, Zahl. 1373/W-1926, selbst die
Bereitwilligkeit erklärt hat, in diesem Falle zu veranlassen,
daß die seinerzeit erfolgte Vorschreibung der Vermögensabgabe
und Vermögenszuwachsabgabe einer neuerlichen Behandlung unterzogen
wird. Es ist unmöglich, einzusehen, wie in einem derartigen
Falle trotzdem mit Exekutionsführung vorgegangen werden konnte.
Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt wird, der herr Finanzminister
gefragt, ob er bereit ist, darauf Einfluß zu nehmen, daß
1. mit eventuellen Exekutionsführungen gegen Landwirte bis
nach dem Ausdrusche der neuen Getreideernte 1927 zugewartet wird,
2. daß die gegen die Steuervorschreibungen eingebrachten
Rekurse zuerst erledigt werden, ehe mit den Exekutionen von Steuern
vorgegangen wird,
3. daß die aus der Vermögensabgabe und Vermögenszuwachsabgabe
resultierenden Überzahlungen a konto rückständiger
Steuern gutgeschrieben werden?
Prag, am 24. Mai 1927.
Herr Minister!
I. Ein Teil der Arbeiter der gewesenen staatlichen Hüttenwerke
in Schmöllnitz wurde seinerzeit in die staatlichen Eisenwerke
nach Diósgyör versetzt, dort teils pensioniert, teils
sind sie verunglückt und haben unversorgte Witwen und Kinder
hinterlassen. Nach ihrer Pensionierung kehrten die meisten in
ihre Heimat zurück und auch die Witwen und Weisen leben größtenteils
in der èechoslovakischen Republik. Bis zu dem Umsturze
bezogen sie ihre Renten der zuständigen Bruderlande. Nach
dem Umsturze wurde ihnen im Jahre 1924 auf Grund des Gesetzes
242/1922 - da sie èechoslovakische Staatsbürger sind
- durch den Verwaltungsrat der Bruderlade in Schemnitz (Baòská
Štiavnica) die Provision samt Teuerungszulage im Sinne dieses
Gesetzes zuerkannt und auch ausbezahlt. Im März 1925 wurde
jedoch die Auszahlung der Provision eingestellt und die Rentner
mit einer Zuschrift der Bruderlade bis zu der zwischenstaatlichen
Regelung dieser Angelegenheit vertröstet. Seither bekommen
diese Pensionisten überhaupt keine Versorgungsgebühren
mehr und sind - durchwegs arbeitsunfähige Leute - der größten
Not ausgesetzt. In dem Falle, als sie ungarische Staatsbürger
wären, gebührte ihnen von der dortigen Bruderlade eine
Pension, welche bei manchem bis zu 500 Kè monatlich betragen
würde. Sie sind daher durch die Anwendung des Gesetzes 242/1922
ohnehin schon verkürzt und nicht einmal diese stark verkürzte
Pension können sie erhalten.
Bisher habe ich von folgenden Rentnern Kenntnis erhalten, denen
die Auszahlung ihrer Renten eingestellt wurde: In Schmöllnitzhütte:
Stefan Hudak, Josef Galatta, Witwe Maria Hilay; in Schmöllnitz:
Witwe Gustav Paulinszky, Witwe Andreas Krisztian, Witwe Stefan
Viventy, Witwe Stefan Kuchar, Witwe Josef Tokar, Witwe Eva Neupauer,
Witwe Stefan Hilay, Johann Zajac, Robert Schrötter, Stefan
Lersch, Anton Krakovszky, Eugen Wachsmann, letzterer hat seit
5 Jahren überhaupt keine Renten erhalten, in Stoos: Witwe
Albert Scholtz, Witwe Franz Csumak.
II. Die gewesenen staatlichen Bergarbeiter in der Slovakei erhielten
aus der Bruderlade in Schemnitz eine Teuerungszulage ausbezahlt,
welche ihnen jedoch im Oktober 1926 ohne Begründung eingestellt
wurde, nachdem sie schon im September desselben Jahres nurmehr
bedeutend kleinere Beträge angewiesen erhielten. Auch vorher
erfolgten die Anweisungen nicht gleichmäßig, sondern
manche Altpensionisten erhielten überhaupt keine Zulagen,
während ohren Kameraden, welche mit ihnen zusammen gearbeitet
haben und dieselbe Anzahl von Dienstjahren aufweisen, die Zulage
ausbezahlt wurde. Auch die Unterbeamten und Aufsehr, welche im
Sinne des Gesetzes 242/1922 dieselbe Provision erhalten, wie die
Arbeiter, erhalten keine Teuerungszulangen, so daß sie eigentlich
kaum die Hälfte der Versorgungsgebühren erhalten, welche
den Arbeitern ausbezahlt wurden.
Der Hütterarbeiter Johann Labdavszky in Schmöllnitz,
z. B. welcher nach 35jähriger Dienstzeit provisioniert wurde,
erhielt trotz vielfacher Gesuche und Urgenzen keine Teuerungszulage,
ja sogar nicht einmal eine Antwort auf seine vielen Gasuche.
Dem Häuer Anton Dvorak in Schmöllnitzhütte wurde
durch die Zentralbruderlade in Preßburg noch im Jahre 1924
ausgerechnet, daß er Anspruch auf eine Teuerungszulage hat,
welche bis dahin cca 2300.- Kè betragen und durch die Bruderlade
in Schemnitz ausgezahlt werden sollte. Sein diesbezügliches
Ansuchen jedoch durch die Bruderlade abgewiesen und bis heute
hat er seine Zulagen noch nicht erhalten..
Nachdem diese Altrentner von ihrer lächerlich geringen Provision
nicht leben können, müßte ihnen die Teuerungszulage
auch weiterhin ausbezahlt werden, umso meht, als die Preise der
Lebensmittel und Bedarfsartikeln nich so gesunken sind, daß
die Einstellung der Teuerungszulage begründet wäre,
Auch wäre insoweit Ordnung in die Auszahlung der Zulagen
zu bringen, daß derselben alle Provisionisten - auch nahcträglich
- teilhaftig werden.
III. Im Sinne des Gesetzes 242/1922 erhelten die pensionierten
Beamten, Unterbeamten und Aufseher dieselbe Provision, wie die
Arbeiter, sogar ohne Teuerungszulagen, welche den Arbeitern eine
Zeit lang gewährt wurden. In dem in Vorbereitung befindlichen
Pensionsgesetze der Bergarbeiter wäre daher eine Abstufung
der Versorgungsgenüsse nach den einzelnen Kategorien vorzusehen.
Ich frage daher den Herrn Minister:
1. Harder Herr Minister Kenntnis von den oben geschielderten Verhältnissen,
haupsächlich von dem Elende der Diósgyörer Pensionisten
und den Ungerechtigkeiten, welche bei der Auszahlung der Teuerungszulangen
geschahen?
2. Ist der Herr Minister geneigt, dafür Sorge zu tragen,
bezw. anzuordnen daß,
a) den Altpensionisten der Diósgyörer Werke, welche
èechoslovakische Staatsbürger und in der Republik
wohnhaft sind, ein entsprechender Vorschuß - auch rückgängig
- bis zur Erledigung, ihrer Pensionsangelegenheit bewilligt werde,
b) den übrigen Altpensionisten die Teuerungszulagen auch
weiterhin ausbezahlt,
c) auch den provisionierten Unterbeamten und Aufsehern, sowie
denjenigen Arbeitern, welche diese bisher nicht erhielten, die
Teuerungszulagen angewiesen,
d) daß in dem neuen Gesetze eine Abstufung der Provisionen
auch für dei Altpensionisten vorgesehen werde.
Prag, am 18. Mai 1927.
Das Unwetterm welches in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai d. J.
im Altvatergebiete niederging, hat insbesondere in den Flußgebieten
der Thess und Mohra ungeheure Verheerungen hervorgerufen. Es wiederholen
sich hier die Schäden, welche leider fast alljährlich
auch bei geringeren Wetterkatastrophen festgestellt werden können.
Eine wesentliche Ursache hiefür ist der Umstand, daß
de Thess beziehungsweise Mertha und Lust sowie die Mohra gar nicht
oder nur teilweise als Wildbäche anerkannt sind und bisher
jeder Verbauung beziehungsweise Regulierung entbehren.
Im öffentlichen Interesse und mit Rücksicht auf die
hiedurch fortwährend bedrohte Bevölkerung stellen die
Gefertigten an die Herren Minister für Landwirtschaft und
für öffentliche Arbeiten die Anfrage:
ob sie bereit sind, umgehend alle Maßnahmen zu den noch
erforderlichen Uferschutzbauten zu treffen und den damit auch
zusammenhängenden talsperrebau in Winkelsdorf zu bescheunigen?
Prag, am 10. Mai 1927.
Durch den mit 15. Mai 1927 in Wirksemkeit getretenen Sommerfahrplan
wurde bestimmt, daß
1. Der Personenzug Nr. 5604 von Graslitz um 7 Uhr 07 früh
abgeht. Dieser Zug kommt um 7 Uhr 55 in Falkenau an und geht arst
um 8 Uhr 44 von dort nach Eger, bezw. erst um 9 Uhr nach Karlsbad
weiter. Die Reisenden von Graslitz und Umgebung müssen daher
bereits um 6 Uhr früh aufstehen, um mit dem Zuge um 7 Uhr
07 fahren zu können und haben dann das Vergnügen, in
Falkenau mehr als eine 3/4 Stunde auf den
nach Eger abgehenden Zug, bezw. 1 Stunde 05 Min. auf den nach
Karlsbad abgehenden Zug warten zu können.
2. Ein mehr als zweistündiger Aufenthalt in Falkenau erwächst
aber für jene Reisenden, die mit dem Zuge Nr. 5610, der um
19 Uhr 15 von Graslitz abgeht, nach Eger fahren wollen, da der
Anschluß von Falkenau erst um 22 Uhr 04 (Zug Nr. 1503) möglich
ist für den um 21 Uhr 04 nach Eger abgehenden Schnellzug
besteht eine weitere Wartezeit von über 1 Stunde. Dem um
20 Uhr 55 von Graslitz abgehende Zug Nr. 5612 kommt in Falkenau
um 21 Uhr 41 an und findet zum Personenzuge erst um 23 Uhr 55
in der Richtung nach Eger Anschluß (Zug 1531); also auch
hier wird eine Wartezeit von mehr als 2 Stunden in Falkenau dem
Reisenden auferlegt.
3. Überaus nachteilig sind auch die meisten Anschlüsse
der pbrigen Züge, gleichgiltig, ob die Reise nach oder von
Graslitz untenommen wird; fast immer ist eine Wartezeit in Falkenau
von 1/2 - 3/4 Stunden
eingeschaltet.
4. Besonders aufmerksam geamcht wird auch noch darauf, daß
an Aonntagen der Zud Nr. 5613, der in Falkenau wochentags um 22
Uhr 30 nach Graslitz abgeht, überhaupt nicht verkehrt, sondern
als Zug Nr. 5615 erst um 0 Uhr 05 morgens abgeht. Wer also von
Eger oder Prag kommend nicht vor 17 Uhr 47 in Falkenau eintrifft,
um den daselbst nach Graslitz gehenden Zug nr. 5611 zu erreichen,
kann Sonntag abends überhaupt nicht mehr nach Graslitz kommen.
5. Besonders schlegt sind die Anschlüsse für die Züge
nach Prag, wiewohl die Strecke Falkenau - Karlsbad - Prag außerordentlich
stark befahren wird. Die hier unter 1 - 5 angeführten Zugsverbindungen
sind bei weitem schlechter als die im Winterfahrplan vorgesehenen
und bedeuten diese eine schwere Schädigung der Bevölkerung
von Graslitz und Umgebung und damit der gesamten Geschäftswelt,
Graslitz ist eine Stadt, die besonders auf Export angewiesen ist
und daher möglichst viele Geschäftsleute an sich ziehen
muß. Während die reichsdeutsche Bahnverwaltung alles
tut, um fremde Einkäufer für die im benachbarten Sachen
gelegenen Industrie zu interesieren, müssen wir feststellen,
daß seitens der èechslovakischen Bahnverwaltung geradezu
das Gegenteil geschieht und die schlechten Zugsverbindungen die
aus weiter Ferne kommenden Einkäufer geradezu abschrecken.
Derartige, den Graslitzer Handel und Gewerbestand und die Industrie
schwer schädigende Verhältnisse waren nicht einmal während
des Krieges zu verzeichnen. Es ist geradezu unverständlich,
wie bei der Erstellung des Fahrplanes auf eine Stadt wie Graslitz,
die eine solche große Steuerergiebigkeit aufweist, so wenig
Rücksicht genommen werden konnte. Bezeichnend ist besonders,
daß ein Sonntagsverkehr nach Graslitz nach 6 Uhr abends
überhaupt ausgeschaltet ist.
Die Unterzeichneten fragen daher an,
1. ob der Herr Minister bereit ist, sofort, alle Verkehrungen
zu treffen, um diesen unhaltbaren Zuständen, die das Erwerbsleben
in Graslitz schwer schädigen, ein Ende zu bereiten,
2. ob der Herr Minister bereit ist, in Zukunft alle jene Verkehrungen
zu treffen, um eine solche Planlosigkeit bei der Aufstellung des
Fahrplanes unter allen Umständen auszuschalten,
3. ob der Herr Minister bereit ist, das Ergebnis der auf Grund
dieser Schilderung getroffenen Maßnahmen mitzuteilen?
Prag, am 9. Juni 1927.
In den Ländern der Èechosl. Republik bestehen in Bezug
auf die Durchführung der Fleischbeschau ganz verschiedene
Verhältnisse. Für Böhmen, Mähren und Schleisen
ist der § 13 des alten österreichischen Tierseuchengestzes
maßgebend, welcher in seiner Fassung als Grundlage für
die Durchführung einer ordnungsmäßigen Fleisbeschau
unzureichend ist. Aus diesem Grunde haben auch schon vor dem Umsturze
die Landesverwaltungen von Mähren und Schlesien eigene Fleischbeschuordnungen
erlassen. In Bähmen mangelt eine vollständige Anordnung
in dieser Beziehung überhaupt. Für die Slowakei sind
die Bestimmungen der ungarischen Regierungsverordnung vom Jahre
1908 maßgebend, während im Hultschiner Ländchen
noch die Bestimmungen des deutschen Reichsfleischbeschaugesetzes
vom Jahre 1900 gelten. Es ist klar, daß unter solchen Verhältnissen
die Durchführung der Fleischbeschau ungleichmäßig
erfolgt, worunter nicht nur die Viehproduzenten, sondern auch
der Handel und nicht zum geringsten Teile auch die Konsumenten
leiden, da bezüglich der Beurteilung des Fleisches die verschiedensten
Auffassungen Platz gegriffen haben.
Es ist daher dringend notwendig, die Fleischbeschau auf eine einheitliche
Grundlage zu stellen.
Die Unterzeichneten fragen daher, ob der Herr Minister bereit
ist mit aller Beschleunigung einen Gesetzentwurt über die
Fleischbeschau vorzulegen, welcher geeignet ist, alle Übelstände,
die sich infolge dieses Zustandes eingestellt haben, zu beheben?
Prag, am 8. Juni 1927.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Mai, insbesondere aber in der
Nacht vom 14. auf den 15. Mai l. J. traten in Südmähren
starke Fröste bis zu minus 6 Grad auf. Trotz allen Vorsichtsmaßregeln
wurde insbesondere in der Gegend von Unter Tannowitz und Bratelsbrunn
jede Aussicht auf eine Weinernte im heurigen und nächsten
Jahre vollständig zumeist die Weinstöcke vollends, da
jede weitere Arbeit aussichtslos ist. Die Betroffenen sind zumeist
Kleinlandwirte. Sie sind durch die Frostschäden in die ärgste
wirtschaftliche Bedrängnis geraten. Der angerichtete Schaden
ist sehr bedeutend. Es wird unbedingt notwendig sein, daß
den Betroffenen nicht nur ausgiebige Steuererleichterungen gewährt
werden, sondern daß ihnen auch eine staatliche Unterstützung
zuteil wird. Die notwendigen Erhebungen sind bereits erfolgt.
Die Gefertigten richten an die beiden Minister folgende Anfrage:
Sind sie bereit, den durch die Frostschäden in Südmähren
betroffenen Kleinlandwirten Hilfe angedeihen zu lassen? Sind sie
insbesondere bereit, sofort zu veranlassen, daß ihnen die
weitgehendsten Steuernachlässe gewährt werden und daß
ihnen von Staatswegen ausgiebige Unterstützungen zuteil werden?
Prag, den 3. Juni 1927.
Wenzel Schäfer, geboren am 4. September 1905, assentiert
im Jahre 1926, diente als Soldat des 52. Artiellerieregimentes
in Josefstadt. Am 16. Dezember 1926 fand bei diesem Regimente
eine Schleßübung statt, während welcher Schäfer
von seinem Vorgesetzten, angeblich einem Aspiranten, beauftragt
wurde, aus einem Geschütze eine Hülse herauszuziehen.
Als er diese Arbeit verrichten wollte, gab ein Offizier demselben
Geschücht den Befehl, abzufeuern. Schäfer, welcher direkt
vor der Mündung des Geschützes stand, wurde in grauenvoller
Weise auf der Stelle getötet. Der Oresse wurde damals eine
kurze Notiz zugesandt, in welcher kurz mitgeteilt wurde, daß
Schäfer in selbsmörderischer Weise bei einer Artillerie-Schießübung
tödlich verunglückt sei. Sein Vater, Josef Schäfer,
wohnhaft in Schanzendorf, Bezirk Deutsch-Gabel, wurde telegraphisch
verständigt,daß das Leichenbegängnis seines verunglückten
Sohnes stattfindet. Bei demselben teilte ihm ein Soldat mit, daß
die gesamte Bedienungsmannschaft des betreffenden Geschützes,
den strikten Auftrag erhalten habe, mitgends und zu niemanden
über den wirklichen Sachverhalt dieses Unfalles etwas zu
sagen. Wenzel Schäfer und sollte einst die Stütze seiner
Eltern werden. Bis zum heutigen Tage hat man dem Vater keine Aufklärung
über den Tid seines Sohnes gegeben. Außer der Mitteilung
über die Beerdigung hat der Truppenkörper dem Vater
noch keine Zeile einer Mitteilung zugehen lassen.
Wir richten daher an den Herrn Minister die Anfrage, ob er bereit
ist:
1. eine genaue Untersuchung des Unfalles anzuorden und uns das
Ergebnis derselben mitzuteilen?
2. zu veranlassen, daß der Vater des tötlich Verunglückten
eine genaue Aufklärung über den Tod seines einzigen
Sohnes erhalte?
3. festzustellen und uns bekannt zu geben, ob in einem derartigen
Falle überhaupt und ganz besonders in dem vorliegenden Falle
eine Entschädigungspflicht der Militärverwaltung vorliegt?
4. Falls das nicht bestehen sollte, allgemein anzuordnen, daß
derartige Fälle und Geheimnistuerei gründlich untersucht
und die Öffentlichkeit, besonders aber die Angehörigen
Verunglückter ordentlich aufgeklärt werden?
5. Falls eine solche Anordnung schon bestehen sollte, nachzuforschen
und uns mitzuteilen, warum im Falle des Soldaten Wenzel Schäfer
nicht einmel der Vate über den Tod seines Sohnes aufgeklärt
wurde?
Prag, am 14. Juni 1927.
Auf Grund der Brandkatastrophe übersandte der Interpellant
ein Telegramm welches am 28. Mai 1927 mit nachstehedem Schreiben
beantwortet wurde:
"Zum Telegramme in Angelegenheit der Beherbergung der Abbrändler
im Schlosse Schlackenwerth beehre ich mich mitzuteilen, daß
die Staatsverwaltung, soweit sie über Räumlichkeiten
disponieren konnte, emige Familien untergebracht hat. Über
andere Räumlichkeiten kann die Staatsverwaltung nicht verfügen,
da dieselben an die soziale Fürsorge der Staatsbeamten vermietet
sind. Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. Srdinko m. p."
Entgegen der Versicherung, daß die Staatsverwaltung über
andere Räumlichkeiten nicht verfügen kann, sei auf Grund
durchgeführter Erhebungen festgestellt:
Der staatlichen Forst- und Domänenverwaltung stehen an Gebäuden
in Schlackenwerth zu: das Schloßgebäude, die Gebäude
der Gärtnerei (ehemaliges Prinzengebäude), weiters außer
den Amtsgebäuden noch eineige kleine Arbeiterhäuser,
welche selbstredend von ihren Arbeitern bewohnt sind. Außerdem
verwaltet die Domäne noch das Bürgerspital, welches
aber nicht Eigentum der Domäne ist, sondern nur in deren
Verwaltung steht und von Rechts wegen der Bürgerschaft in
Schlackenwrth, bzw. deren Rechtsnachfolgerin - der Gemeinde gehört.
Alle Ansuchen der Gemeinde um Rückgabe der Verwaltung wurden
bisher konsequent abgewiesen.
Im Schloßgebäude sind nun untergebracht, ein Beamter
der Domäne, ein Beamter des Forstamtes, die Hausbesorgerin
und ein Gendarmeriewychtmeister. Der Leiter der Domänenverwaltung
Schlackenwerth wohnt gleichfalls im Schlosse und hat einen Trakt
von 9 Zimmern inne. Außerdem befindet sich nich dort die
èechische Minderheitsschule und der èechische Kindergarten.
Die übrigen Räume im Schlosse sind an die soziale Fürsorge
der Staatsbeamten vermietet. Im sogenannten Prinzengebäude
wohnt nur der Gärtner und sind alle übrigen Räume
frei.
Nach dem Brande sprachen zwei Deputationen in der Amtskanzlei
beim Forstrat Zima vor, um einige Parteien in den der Domäne
zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten unterzubringen.
Forstrat Zima stellte hierauf zwei Räume im Bürgerspitale
zur verfügung und am 30 v. M. einen weiteren Raum im Bürgerspitale.
Er erklärte, daß er werden im Schlosse noch im sog.
Prinzengebäude auch nur einen Raum hergeben könne.
Auf Grund durchgeführter Erhebungen beim Bürgermeisteramte
konnte festgestellt werden, daß das Prinzengebäude
an die soziale Fürsorge der Staatsbeamten nicht vermietet
ist und daher eine Unterbringung von Abbrändlern bei einigem
guten Willen und wahrem sozialen Fürsorgegeist selbstverständlich
möglich wäre.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß die drei Abbrändlerparteien
weder im Schlosse noch im Prinzegebäude untergebracht wurden,
sondern im Bürgerspitale, dessen Verwaltung der Stadtgemeinde
außerdem widerrechtlich vorenthalten wird, In den Räumen,
die der staatlichen Forstund Domänenverwaltung unterstehen,
wurden also keine Abbrändler untergebracht.
Die Unterzeichneten fragen daher:
1. Ist der herr Minister bereit mit Rücksicht auf die trostlose
Lage einer großen Anzahl von Familien die staatliche Forst-und
Domänenverwaltung zu beauftragen, sofort Räume zur Unterbringung
dieser Abbrändler im Schlosse und im Prinzengebäude
anzuweisen?
2. Ist der Herr minister bereit, die untergeordneten Stellen anzuweisen,
bei solchen Unglücksfällen weitgehendstes Entgegenkommen
obwalten zu lassen, und in Zukunft ein solch haarsträubendes
und herzloses Verhalten, wie in vorstehenden Falle, auszuschalten?
3. Ist der Herr minister bereit, die Verwaltung des Bürgerspitals
der Stadtgemeinde zu übergeben, bzw. welche Gründe waren
bisher maßgebend, einen ablehnenden Standpunkt einzunehmen?
Prag, am 9. Juni 1927.
Das Gauparteiamt der Deutschen Nationalpartei in karlsbad hat
am 20. mai d. J. eine Reihe von Paketsendungen beim Karlsbader
Hauptpostamte zur Versendung gebracht, darunter eine Sendung nach
St. Joachimstal. Wie aus der Abschrift des Aufgabescheiens
Nr. 637 | Gewicht | Gebühr | ||
kg | g | K | h | |
Hippmann | 2 | 100 | 3 | 30 |
hervorgeht, hat der dort amtierende Postbeamte in vollständiger
Verkennung seiner Amtspflichten sich veranlaßt gesehen,
die Adrese abgeändert wiederzugeben und zwar an Stelle von
Joachimsthal die èechische Bezeichnung anzuführen.
Es ist dies einer der tausenden Fälle von Übergriffen,
die sich die èechische Postbeamtenschaft zu Schulden kommen
läßt. Diese unhaltbaren Verhältnisse sind zum
Teil dadurch erklärlich, da die Prager Zentralstellen scheinbar
selbst dazu beitragen, die Beamtenschaft von ihrer wirklichen
Dienstpflicht abzuhalten, denn sonst wäre es nicht möglich,
daß u. a. z. B. ein èechischer Postbeamter in Karlsbad,
Ototkar Vrkoè, sein Tätigkeitsgebiet in erster Linie
in der Èechisierung von Karlsbad erblickt. Er ist einer
jener èechischen Staatsbeamten, die gleich dem Leiter des
èechischen staatlichen Polizeikommissariates in Karlsbad,
Dr. Adolf Wotawa den berüchtigten Aufruf zur Errichtung eines
èechischen Nationalhauses unterzeichnet haben, in welchem
diese "unparteiischen" Staatsbeamten von Karlsbad, als
einer großdeutschen Insel, deren Kern von großdeutschem
Geiste durchdrungen ist, sprechen, und der notwendigen Èechisierung
von Karlsbad das Nebenamte auch Postbeamter, ist Verwalter des
Postlerpensionates, Direktor der Druckerei "Karlografia"
und der Wochenblätter "Karlovarské Listy"
und "Chebské Listy". Obwohl er als Postbeamter
seinen vollen Gehalt in der 8. Rangsklasse bezieht, ist von einer
Unzahl von Zeugen zu erhärten, daß er tagelang oft
im Postamtsgebäude nicht zu erblicken ist - sich hie und
da nut eine Stunde bis zwei Stunden im Amtsgebäude aufhält.
Aus diesen Tatsachen ist ersichtlich, daß dieser Harr Vrkoè
mit einer ganz bestimmten politischen Sendung und einem ganz bestimmten
Aufgabenkreis mit Wissen seiner Vorgesetzten betraut sein muß,
da es sonst undenkbar wäre, daß er als aktiver Postbeamter
ständig seinem eigentlichen Dienste fernbleiben kann, um
sich den Èechisierungsgeschäften zu widmen.
Die Unterzeichneten fragen daher an:
1. Ist der Herr Minister bereit, den Beamten, welcher auf dem
obigen Aufgabeschein aigenmächtig die Orstbezeichnung geändert
hat, zur vollen Verantwortung zu ziehen?
2. Ist der herr minister bereit, die geschilderten Telbestände
betreffend den Postbeamten Otokar Vrkoè erheben zu lassen
und das Ergebnis dieser Erhebungen mitzuteilen?
3. Ist der Herr Minister bereit, auf grund des Ergebnisses gegen
alle Verantwortlichen im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen vorzugehen
und auch hierüber Mitteilung zu machen?
Prag, am 14. juni 1927.
Zur Ministerantwort vom 21. April 1927 (Z. D. 605-II.) sei festgestellt,
daß diese auf falschen Voraussetzungen bzw. Informationen
beruht, da Inspektor Müller tatsächlich zweimal beim
Leiter des Polizeikommissariates vorgesprochen und um Weiterleitung
des Aktes ersucht hat; seine Ehegattin einmal und traf diese wegen
Erkrankung des Polizeirates Dr. Wotawa nur seinen Vertreter in
der Leitung an und zwar Herrn Polizeikommissär Nemetschek.
Es ist auch unrichtig, wenn behauptete wurde, daß Inspektor
Müller sich angetragen hätte, sich über einen ähnlichen
Fall bei der Polizeidirektion in Pilsen zu informieren und dadurch
selbst die Verzögerung verschuldet hätte, sondern im
Gegenteil, er wies immer darauf hin, daß der damals in Karlsbad
stationierte Inspektor Franz Hodek, welcher in Pilsen in den Staatsdienst
übernommen wurde, bereits nach einem Jahr Staatsdienst das
ersparte Monturgeld ausgezahlt erhalten hat.
Nun hat der genannte Polizeiinspektor Müller am 14. März
1927 neuerlich einen Rekurs an das Ministerium des Innern eingebracht,
in welchem er unter anderem nachweist, daß 200 Mann der
Gemeindepolizei in Pilsen ein Jahr nach der Verstaatlichung bereits
die ersparten Monturgelder ausgezahlt erhalten haben, weiters
daß ihn Inspektor Rudolf Putz, welcher die Monturwirtschaft
bei der Karlsbader Staatspolizei führt, ihm mitgeteilt hat,
daß seine Monturersparnisse bereits am 1. Mörz 1926,
also schon am Tage, an welchem er wegen Erkrankung in den Ruhestand
versetzt wurde, als ausgezahlt gebucht sind.
Der Unterzeichnete frägt daher an, ob der Herr Minister bereit
ist, diese Angelegenheit genauestens erheben zu lassen und das
Polizeikommissariat in Karlsbad zur Auszahlung dieses Betrages
von Kè 1336.42 an den Polizeiinspektor Alfred Müller
samt Zinsen vom Tage der Fälligkeit zu beauftragen?
Prag, am 9. Juni 1927.
Nach dem Umsturz wurden die längerdienenden Unteroffiziere
der ehemaligen öterr. - ungar. Monarchie in den Militärdienst
des neuen Staates übernommen. Sie rechneten selbstverständlich
damit, daß sie nach den bis zum Umsturz geltenden Bestimmungen
behandelt würden. Zwar wurde das Gesetz zur Erlangung der
Anstellungsberechtigung vom Jahre 1872 teilweise sistiert und
es trat eine Verordnung in Kraft, wonach die Berufsunteroffiziere
nicht mehr in Zivilstaatsanstellungen übernommen wurden.
Die Betroffenen rechneten aber wenigstens damit, daß die
im èechoslovakischen Heere als Berufsunteroffiziere dauernd
Verwendung fänden. Diese Hoffnungen wurden nach der Rückkehr
der Legionäre gründlich zerstört und nahezu alle
Berufsunteroffiziere deutscher Volkszugehörigkeit ohne Angabe
von Gründen einfach entlassen. Die Abfertigungen, die man
ihnen gab, waren nach den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre
1872, jedoch so bemessen, daß eine alte Krone der èechoslovakischen
Krone gleichgestellt wurde. Das heißt mit anderen Worten,
daß die Betroffenen einfach aufs Pflaster geworfen wurden,
nachdem sie ihre Schuldigkeit, getan hatten und die Heeresverwaltung
glaubte, sie fürderhin entbehren zu können.
Nun wurden mit dem Gesetze 54 S. d. G. u. V. über die Unterbringung
der längerdienenden Unteroffiziere neue Rechtsnormen geschaffen.
In einem Rechtsstaate sollte es auf der Hand liegen, daß
man bei einer derartigen Gelegenheit auch jener gedenkt deren
Dienste man eine zeitlang gerne in Anspruch nahm. Bei der Verhandlung
des genannten Gesetzes haben die Abgeordneten Hans Krebs und Genossen
einen Resolutionsantrag eingebracht, in welchem die Gleichstellung
der ehemaligen mit den jetzigen längerdienenden Unteroffizieren
verlangt wurde. Dieser Antrag wurde zwar abgelehnt. Es muß
jedoch wohl zugegeben werden, daß die Verwirklichung der
darin enthaltenen Forderung nur recht und billig gewesen wäre.
Die ehemaligen Berufsunteroffiziere erheben folgende Forderungen,
deren Berechtigung auf der Hand liegt:
1. Diejenigen unter ihnen, welche weniger als 10 anrechenbare
Dienstjahre hatten, mit einer im Verhältnis der jetzigen
Krone zur ehemaligen Goldkrone aufgewerteten Abfertigung zu beteilen.
2. Diejenigen, welche mehr als 10 anrechenbare Dienstjahre haben,
als Ruheständler zu übernehmen.
3. Diejenigen andlich, welche bereits im Besitz von Anstellungszertifikaten
waren oder ein Recht auf die Beteilung mit solchen hatten, in
die Mäglichkeit zu versetzen, sich gleich den jetzigen Berufsunteroffizieren
um Posten bewerben zu können.
Diese Forderungen sind schon dadurch begründet, da der kleinere
und wirtschaftlich schwüchere Staat Österreich sie erfüllte.
Bei der Entlassung der Betroffenen spielten übrigens Verleumdungen
und Angebereien keine geringe Rolle. Es muß auch hervorgehoben
werden, daß man den ehemaligen Berufsunteroffizieren , als
man sie Sicherung ihrer Existenz hinaus liefen. Diesen Versprechungen
ist es zuzuschreiben, daß viele von ihnen in die Dienste
des neuen Staates traten und nun sich in einer viel schlechteren
Lage befinden als ihre Kameraden, welche in Deutschösterreich
verblieben.
Aus allen diesen Gründen erachten es die Unterfertigten für
ein Gebot der Gerechtigkeit, daß auch die ehemaligen Berufsunteroffiziere
so behandelt werden, wie es mit den anderen Gruppen staatlicher
Angestellter geschehen ist. Es geht nicht an, eine Berufsgruppe
gewissenmaßen außerhalb der Gesetze zu stellen.
Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Minister folgende Anfrage:
Ist er bereit, dem Parlamente einen Gesetzentwurf vorzulegen,
in welchem die Bestimmungen des Gestzes Nr. 54 S. d. G. u. V.
auf die ehemaligen Berufsunteroffiziere der üsterr. - ungar.
Monarchie ausgedehnt werden?
Prag, am 10. juni 1927.
Mit Erlaß der politischen Landesverwaltung in Brünn,
Z. 96.656/V vom 22. August 1925, wurde das Gesuch des Herrn Oswald
Rühlich aus Brünn um die Erteilung einer Konzession
zur Ausübung des Zahntechnikergewerbes mit dem Standorte
Neu-Titschein abgewiesen, weil, wie es im Erlasse wörtlich
heißt, "der Ortsbedarf der Bevölkerung in Neu-Titschein
vollständig durch die dort ansässigen Zahnärzte
und Zehntechniker gedeckt ist".
Seither ist kein Zahnarzt und Zahntechniker weder gestorben noch
verzogen, trotzdem erteilte dieselbe politische Landesverwaltung
in Brünn mit Erlaß Z. 138.948/V vom 7. dezember 1926
einem Bohumil Medek aus Žabovøesky zuständig
nych Brünn, die Konzession für das Zahntechnikergewerbe
mit dem Standorte Neu-Titschein, obwohl über Aufforderung
zur Äußerung die Stadtgemeinde ausdrücklich darauf
verweis, daß bereits vor Monaten ein früherer Bewerber
mit dem Hinweis auf den mangelnden Lokalbedarf abgewiesen wurde.
Dieses Vorgehen der politischen Landesverwaltung läßt
den Eindruck der Objektivität vermissen und wüllkürlich
kommt der Gedanke auf, daß für die Erteilung der Konzession
im letzteren Falle die Nationalität maßgebend war,
da Herr Bohumil Medek ein Èeche ist, während sich
der frühere Gesuchssteller Röhlich zu deutscher Nationalität
bekennt.
Es wird daher an den Herrn Minister des Innern die Anfrage gerichtet,
wieso die politische Landesverwaltung in Brünn bei ein und
demselben Gegenstande verschieden entscheiden konnte und welches
die Bewegründe waren, daß Herr Röhlich abgewiesen
und Herrn Medek unter gleichen Voraussetzungen diese Konzession
erteilt wurde?
Prag, am 8. Juni 1927.
Die Troppauer Staatsanwaltschaft ist nachgerade im ganzen Staate
als diejenige bekannt, welche aus jeder Kleinigkeit eine Anklage
nach dem Schutzgesetz konstruiert. Ihr Vorgehen wäre geradezu
lächerlich zu nennen, wenn es für die jeweilig Betroffenen
nicht unangenehm wäre. Ein neuer bezeichnender Fall ist folgender:
Ein Arbeiter aus der Jauerniger Gegend hat an den Präsidenten
der Republik ein Gradengesuch gerichtet und in diesem Gesuch neben
die Ortsbezeichnung das Wort "Slovakei" gesetzt. Die
Kanzlei des Prösidenten der Republik hat hierin nichts Anstößiges
gefunden. Anders jedoch war es bei der Staatsanwaltschaft in Troppau.
Sie hat das beim Gericht zur Begutachtung und Befürwortung
eingelaufene Gesuch zum Gegenstand einer Anklage nach dem Schutzgesetz
gemacht, weil der betreffende Gesuchsteller durch die Bezeichnung
des Staates mit dem Worte "Slovakei" - "offensichtlich
eine Schmähung des èechoslovakischen Staates begangen
habe."
Dem Bittsteller dürfte es sich schwer darum gehandelt haben,
eine Schmähung des Staates zu begehen. Es ist vielmehr anzunehmen,
daß er in Unkenntnis gehandelt hat. Jedenfalls ist es weder
dem Justizministerium noch der Kanzlei des Präsidenten der
Republik eingefallen, in dem Gebrauche dieses Wortes eine Schmähung
des Staates zu erblicken. Der Troppauer Staatsanwalt jedoch scheint
nicht zu wissen, daß blinder Eifer nur schadet und macht
aus allem und jedem sofort eine Anklage, vermutlich, um nachzuweisen,
daß die Staatsanwaltschaft Troppau zu viel Kräfte besitzt
und daher genügend Zeit zur Verfügung hat, auf Kleinigkeiten
herumzureiten.
Der Fragesteller hat schon in einer vor Jahresfrist eingebrachten
Interpellation, Druck 528/III, auf den Mißbrauch hingewiesen,
der von den Staatsanwaltschaften mit dem Schutzgesetz getrieben
wird. Er hat damals bereits eine genaue Umschreibung des Begriffes
"irredentistisch" und die Nennung jener Vereine verlangt,
welche als gegen das Schutzgestz verstoßend zu bezeichnen
sind. In einer späteren Interpellation des Abg. Knirsch,
Druck 938, ist neuerlich eine genaue Begriffsbestimmung gewisser
Vergehen gegen das Schutzgesetz gefordet worden.
Der Herr Justizminister hat auf diese beiden Interpellationen
ausweichend geantwortet (Druck 808/XI und 999). Wie notwendig
aber eine genauere Begriffsbestimmung ist, erhellt gerade aus
dem angeführten Beispiel.
Die Regierung und vor allem das Justizministerium wird sich schwerlich
angesichts des angeführten Beispiels dem Eindruck entziehen
können, daß diese ewigen Verfolgungen nach dem Schutzgesetze
wegen aller möglichen Kleinigkeiten nachgerade lächerlich
wirken und dem Ansehen des Staates im In- und Ausland nicht nützen,
sondern nur schaden. Sie werden daher wohl notgedrungen der Ansicht
beipflichten müssen, daß endlich Weisungen an die Staatsanwälte
unbedingt notwendig sind, um den vielen kleinlichen und nachgerade
lächerlichen Verfolgungen einen Damm zu setzen.
Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Justizminister folgende
Anfragen:
1. Ist er endlich bereit, dem bereits in den beiden Interpellationen
der beiden Abg. Ing. Jung und den Knirsch geäußerten
Verlangen, den Begriff "irredentistisch" im Sinne des
Schutzgesetzes klar zu umschreiben, Rechnung zu tragen und jene
Vereine zu nehmen, welche nach Ansicht der Regierung staatsgefährlich
sind?
2. Ist er weiters bereit, im Sinne der kürzlich erlassenen
Botschaft des Präsidenten der Republik, die Demokratie derart
zu handhaben, daß eine Diskussion überhaupt möglich
ist und dementsprechend den Staatsanwälten Weisungen zu geben,
die Presse und das freie Wort nicht zu knebeln?
3. Ist er schließlich bereit, in dem besonders genannten
Troppauer Falle sofort die Einstellung des Verfahrens zu veranlassen
und für künftighin vorzusorgen, daß Anklagen aus
derart lächerlichen Gründen überhaupt nicht erhoben
werden?
Prag, den 15. Juni 1927.