In Mährisch Ostrau wurden dieser Tage Plakate und Zettel zu Tausenden verbreitet und angeklebt, welche zum schärfsten -Boykott der deutschen und jüdische
Geschäftswelt auffordern. Diese Aufforderung
hat folgenden Wortlaut: "Kauft nicht Kleider und die laufenden
täglichen Bedarfsartikeln bei den deutsch-jüdischen
Geschäftsleuten, wie (folgen die Namen).
Kauft nicht Klassenlose bei fremdländischen
Juden. Das sind (folgen die Namen).
Besuchet nicht jüdische "putyky".
Kaufet lediglich bei tschechischen Geschäftsleuten
und Gewerbetreibenden.
Haltet fest an der Parole Palackýs:
Svùj k svému."
Es ist wohl keine Frage, daß in der Verbreitung
von Schriften mit obigem Inhalte der Tatbestand des § 14
Abs. 2 und 3 des Gesetzes vom 19. März 1923 Slg. 50 gegeben
ist, da öffentlich zu feindseligen Handlungen und zum Hasse
gegen einzelne Gruppen der Bevölkerung wegen ihrer Nationalität,
Sprache, Rasse und Religion aufgereizt wird. Es kann wohl verlangt
werden, daß die staatlichen Organe mit allem Eifer feststellen,
wer diese Plakate und Zettel drucken und verbreiten ließ,
somit für die ganze Aktion die Verantwortung trägt.
Es kann auch nicht schwer fallen, in der kürzesten Zeit den
Drucker selbst festzustellen, in dessen Druckerei diese Schriften
angefertigt wurden und hier den Auftraggeber zu ermitteln. Da
zahlreiche Kolporteure diese Zetteln in der ganzen Stadt verbreiteten,
ist auch hier die Möglichkeit leicht gegeben, auf diesem
Wege die Urheber festzustellen und dadurch den dunklen Hintermännern
dieser verbrecherischen Handlung auf die Spur zu kommen. Es muß
auch dem Befremden Ausdruck gegeben werden, daß es den Polizeiorganen
nicht gelang, die Verbreitung sofort zu verhindern und die Urgeber
dingfest zu machen und der Bestrafung zuzuführen.
Die Gefertigten stellen daher an die beiden
verantwortlichen Minister die Fragen:
Sind Sie bereit, unverzüglich der Staatsanwaltschaft
und der Polizeidirektion in Mähr.-Ostrau den Auftrag zu geben,
die Erhebungen über den vorliegenden Fall mit aller Entschiedenheit
und mit der größten Schärfe durchzuführen
und die Schuldigen der gerechten Bestrafung ehestens zuzuführen,
um die Wiederholung einer derartigen unerhörten Boykotthetze
für alle Zukunft zu vermeiden?
In einer Leitmeritzer Ruheständlerversammlung
vom 11. Mai 1927 erklärte Herr Abgeordnete Krumpe, der Ministerpräsident
habe den deutschen Regierungsparteien die bestimmte Zusicherung
gegeben, daß im Juli 1927 jeder Altpensionist die aus einer
20%igen Erhöhung der Grundpension ab 1. Jänner 1927
sich ergebenden Mehrbezüge in der Hand haben werde.
Diese Zusicherung wurde bekanntlich nicht erfüllt.
Der Juli 1927 brachte sogar vielen Altpensionisten unerwartete
Pensionsabzüge in der Höhe von 100 bis 300 Kronen ohne
die gesetzliche vorgeschriebene Aufklärung derselben.
Am 19. Juli erklärte der Herr Finanzminister
dem Redakteur der "Lidové noviny",
der schätze, daß es möglich sein wird in der Herbstsession
des Parlamentes das Gesetz über die Altpensionisten vorzulegen,
wenn es gelingt, den erforderlichen Aufwand durch Ökonomisierung
des Saatsbudgets zu decken." Un am 19. Oktober 1927 stellte
der Herr Finanzminister einer Abordnung der Ruheständler
die Einbringung der Altpensionistenvorlage binnen Monatsfrist
in sichere Aussicht.
Aus diesen Äußerungen des maßgebenden
Ressortministers ist ersichtlich, daß die eingangs erwähnte
Zusicherung des Herrn Ministerpräsidenten zur Zeit ihrer
Abgabe keinerlei verläßliche Unterlage hatte und daher
den von bitterster: Not bedrückten Altpensionisten nur eine
neue schmerzliche Enttäuschung bringen mußte. Es ist
nur zu begreiflich, daß ein solches, siet Jahren sich wiederholendes
herzloses Spiel mit den halbverzweifelten Altpensionisten unter
diesen nur neue und gesteigerte Erbitterung hervorrufen mußte.
Daß durch ein solches Vorgehen auch das
Ansehen des Staates und seiner Verwaltung bedenklich geschädigt
wird, sie nur nebenbei bemerkt.
Die Unterzeichneten richten daher an den Herrn
Ministerpräsidenten folgende Anfragen:
1. Hat der Herr Ministerpräsident tatsächlich
anfangs Mai d. J. die eingangs angeführte bestimmte Zusicherung
gegeben?
2. Warum hat er es unterlassen, für die
Erfüllung dieser Zusicherung, also für die Einlösung
seines Wortes Sorge zu tragen?
Am 28. Oktober d. J. wurden von uniformierten
und in Zivil gekleideten Gendarmen, Polizeiagenten und anderen
Spitzeln Streifungen vorgenommen, um zu erkunden ob auch die Bürger
des tschechoslovakischen Staates den Staatsfeiertag wirklich festlich
begehen. Es wurden so viele Anzeigen erstattet, daß die
Behörden und gerichte auf lange Zeit hinaus mit Arbeit versort
sind und es sind für die arme arbeitende Schichte der ländlichen
Bevölkerung, wenn nicht Einsicht waltet, Verurteilungen zu
gewärtigen. Und warum? Weil z. B. eine Bauerin in Raase,
Bezirk Freudenthal, welche schon seit 11 Jahren Witwe ist, ihre
Knechte am Staatsfeiertag den Acker pflügen ließ, da
die Herbstackerung, in einem Ausmaße von 25 Joch noch
rückständig geblieben ist, noch unbedingt vor dem nahen
Eintritte des Winters durchgeführt werden muß. Diese
Besitzerin hat mit ihren Leuten seit der Unwetterkatastrophe am
5. Mai d. J. Sonn- und Wochentags immer schwer daran gearbeitet,
die furchtbaren Unwetterschäden auf Feldern und Wegen nur
halbwegs wieder auszutilgen, denn das Hochwasser hatte eine zu
den Feldern führende Brücke samt den Grundmauern weggerissen,
die Wege waren durch angerollte Steine in Schutthaufen verwandelt
worden und zahlreiche tiefe Wassergräben durchwühlten
die Felder. Mühsam und mit einem Übermaß von Auforpferung
trachtete die Witwe, nur halbwegs Ordnung zu schaffen und dabei
kam ihr niemand zu Hilfe, denn sie erhielt keinen Heller Unterstützung.
Zu all dem legte man eine Pfändung auf den Besitz, weil ein
Vermögensabgaberückstand in der Höhe von 14,653
Kè
noch nicht bezahlt werden konnte. Die diesjährige Ernte mußte
schnell ausgedroschen werden, um diese Pfändung zu verhindern
und die Vermögensabgabe zu bezahlen. Der einzige Sohn mußte
im Herbst zur Dienstleistung einrücken, sodaß die ganze
Wirtschaftsaufsicht der Bäuerin oblag. Um das Unglück
voll zu machen, erkrankte sie und konnte erst am 27. Oktober das
Bett verlassen und schon am 28. Oktober jagte ihr die Gendarmerie
die Knechte vom Felde heim.
Auch weitere Fälle zeigen das unsoziale
Vorgehen der Behörden: Ein Schrebergärtner, der wochentags
in der Arbeit steht, borgte sich bei einem Bauern zum Umackern
seines Gartens ein Pferd aus und wurde dafür durch Gendarmerieanzeige
angeklagt.
Ein armer Taglöhner, der sich an Sonntagen
im Walde Klaubholz zusammengetragen hatte und der am Staatsfeiertag
als dem einzigen Tage Zeit gehabt hätte, es nachhause zu
führen, borgte sich bei seinem Nachbarn Wagen und Pferde
aus, um sein Brennholz für die kalte Winterszeit heimzuholen.
Das Auge des Gesetzes , dem so viele Gauner und Verbrecher entgehen,
sah die Klaubholzführe und die Folge war ebenfalls eine Anzeige.
Ein Fabriksarbeiter hatte im Herrschaftswalde eine Fuhre Brennholz
gekauft und wollte dieses Holz noch vor Einbruch des Winters nachhause
bringen; dies konnte er nur am 28. Oktober, da an diesem Tage
der Fuhrwerksbesitzer gerade auf einige Stunden die Pferde frei
hatte. Auch dieser Arbeiter fiel der Anzeige zum Opfer.
Nicht aus Übermut oder Absicht, sondern
weil es im praktischen Leben und besonders bei den arbeitenden
Ständen nicht anders geht, weil erwiesenen Gefälligkeiten
einen gelegentlichen Gegendienst ergeischen, haben diese armen
Leute versucht, die Arbeit zu tun, die sie auch an anderen Sonn-
und Reiertagen tun müssen, weil ihnen unter der Woche sonst
nicht die Zeit bleibt. Wenn der von schweren Unwetterschäden
beroffene Landwirt in rauer Gebirgslage sein Feld bestellt und
wenn er der wirtschaftlichen Not gehorchend, dies auch am Staatsfeiertage
tut, der früher eben nicht eingeführt war, so trachtet
er doch seiner Familie und sich zu nützen und er leistet
daabei auf jeden Fall nutzbare Arbeit, anstatt sich dem Müsiggange
hinzugeben.
Freilich der Regierung scheint es gleichgültig
zu sein, ob gute oder schlechte Erträge geerntet werden,
wenn sie nur erreicht, daß die Steuern pünktlich eingezahlt
werden.
Ich frage den Herrn Minister:
Ist er bereit, alle zur Anzeige gebrachten
Fälle wegen Nichtbeachtung des Staatsfeiertages straflos
ausgehen zu lassen?
Ist er beriet, des Weiteren auch dafür
zu sorgen, daß in Hinkunft friedlich arbeitende Staatsbürger
unbehelligt bleiben und für ihre Mühe und Plage nicht
auch noch bestraft werden?
Eine von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl von Frauen
werden in unserer Industrie beschäftigt. Je Umfangreicher
die Mechanisierung des Erzeugungsprozesses wird, desto größere
Massen werden zur Frauenarbeit in der Industrie verwendet. Durch
die gewaltige Zahl der Frauen, die heute schon durch Lohnarbeit
ihren Unterhalt verdienen müssen, wird die Zahl jener Frauen,
die ihren Mutterpflichten im häuslichen Kreise nachkommen
können immer geringer. Desto größer aber wird
die Verpflichtung der Gesellschaft und des Staates den arbeitenden
Frauen gegenüber, die außerhalb ihrer Familie nach
Broterwerb gehen müssen.
Um die Bedeutung des Frauenschutzes kurz darzutun,
sei darauf verwiesen, daß nach der Volkszählung vom
Jahre 1921 in der Textilindustrie 252.187 Personen beschäftigt
waren, von denen nahezu 150.000 weiblichen Geschlechtes gewesen
sind, was also rund 2/3 aller Beschäftigten ausmacht. In
der staatlichen Tabakregie sind bis zu 90 % aller Beschäftigten,
weiblichen Geschlechtes. Aber auch andere Industriezweige weisen
eine immer größer werdende Anzahl von Frauen als Arbeiterinnen
auf.
Diese arbeitenden Frauen in der Zeit vor und
nach ihrer Niederkunft zu schützen, ist eine der wichtigsten
natonalen und sozialen Arbeiten. Zum Schutze dieser Frauen muß
alles geschehen, was sie vor den Schäden der Überarbeitung
in der Zeit vor und nach der Niederkunft bewahren kann. Nach dem
Sozialersicherungsgesetz und zwar nach § 95 haben die Frauen
allerdings Anspruch auf Unterstützung in der Zeit von 6 Wochen
vor der Entbindung und 6 Wochen nach der Entbindung, doch heißt
es in den Arbeitsordnungen und im § 82 der Gewerbeordnung,
daß der Unternehmer das Recht hat den Arbeiter ohne Kündigung
zu entlassen, wenn die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit
über 4 Wochen dauert. Mit dem Gesetze vom 3. September 1917
R. G. B. Nr. 475 wurde der letzte Absatz des § 94 der G.
O. dahin abgeändert, daß Wöchnerinnen nach Verlauf
von 6 Wochen nach ihrer Niederkunft zu regelmäßigen
gewerblichen Beschäftigungen verwendet werden dürfen,
in der alten Fassung hieß es nach Verlauf von 4 Wochen.
Von einem Verbote der Arbeitsbeschäftigung vor der Entbindung
ist weder im § 94, noch im § 82 der G. O. die Rede.
Es bleibt also dem Unternehmer überlassen, schwangere Arbeiterinnen
nach Ablauf von 4 Wochen zu entlassen und sie bei der Krankenversicherungsanstalt
abzumelden. Dieser Zustand ist auf die Dauer unhaltbar und enthält
eine schwere Härte gegenüber den arbeitenden Frauen
und muß daher durch eine Neuregelung der Mutterschutzgesetzgebung
beseitigt werden.
Da schon das Washingtoner Abkommen die Frage
des Mutterschutzes vorsieht, ist eine Regelung desto nötiger.
Es wird daher unumgänglich notwendig sein, alle weiblichen
Arbeitnehmer, die der Krankenversicherung unterliegen, in dem
Gelder Krankenversicherung unterliegen, in dem Geltungsbereiche
eines Gesetzes zum Schutze der Frauen vor und nach der Niederkunft
einzubeziehen. Diesem Gesetze zufolge, müßten die Schwangeren
berechtigt sein, die ihnen aus dem Arbeitsvertrage obliegenden
Arbeitsleistungen zu verweigern, wenn sie durch ein ärztliches
Zeugnis dartun können, daß sie voraussichtlich binnen
6 Wochen niederkommen können. Aber auch 6 Wochen nach ihrer
Niederkunft müßten die Frauen dadurch geschützt
sein, daß sie innerhalb dieser Zeit nicht beschäftigtwerden
dürfen und ihr Wiedereintritt in die Arbeit müßte
gesetzlich an die Bestimmung geknüpft werden, daß seit
ihrer Niederkunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind. Darüber
hinaus müßten diese Frauen auch noch weitere 6 Wochen
hindurch gesetzlich berechtigt sein, die ihnen nach dem Arbeitsvertrage
obliegenden Arbeiten zu verweigern, wenn sie durch ärztliches
Zeugnis nachweisen, daß sie wegen einer Krankheit, die eine
Folge ihrer Schwangerschaft oder Niederkunft ist oder die dadurch
eine wesentlichere Verschlimmerung erfahren könnte, an der
Arbeit verhnindert sind. Den stillenden Müttern wäre
auf ihr Verlangen während 6 Monaten nach ihrer Niederkunft
die zum Stillen erforderliche Zeit bis zu zweimal 1/2 Stunde oder
einer ganzen Stunde täglich während der Arbeitszeit
freizugeben. In der Zeit von 6 Wochen vor bis 12 Wochen nach der
Niederkunft müßte die Auflösung des Dienstverhöltnisses
(Kündigung) unwirksam sein. Wenn für einen Zeitpunkt
gekündigt würde, der in die Schutzfrist fällt so
wird der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrages um die
Dauer dieser Schutzfrist verlängert.
Diese Gesichtspunkte enthalten die wichtigsten
Grundsätze, nach denen sich ein modernes Gesetz zum Schutze
der arbeitenden Frauen zu richten hätte.
Wir richten an den Herrn Minister für
soziale Fürsorge die Fragen:
1. Ist er bereit, ein Gesetz zum Schutze der
arbeitenden Frauen vor und nach der Niederkunft dem Abgeordnetenhause
zur Beschlußfassung zu unterbreiten?
2. Ist der Herr Minister ferner bereit, die
Vertreter der Gewerkschaftsverbände zu einer Enquete einzuberufen,
in der die Frage des Schutzes der arbeitenden Frauen vor und nach
der Niederkunft behandelt werden soll und in der inen Gelegenheit
gegenben würde, ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete bei der
Vorbereitung des bezüglichen Gesetzesentwurfes dem Ministerium
für soziale Fürsorge zur Kenntnis zu bringen.
Das in Reichenberg erscheinende Organ des deutschen
Bauarbeiterverbandes ist in letzter Zeit wiederholt der Beschlagnahme
verfallen. Diese Konfiskationen stellen eine ausgesprochene Begünstigung
der Unternehmer gegen die in schweren Lohnkämpfen stehenden
Arbeiter dar.
So wurde in Nr. 12 in einem Aufsatz über
den Arbeitskonflikt der Steinarbeiter in Friedland a. d. Mohra
mit dem deutschen Ritterorden nachfolgende Stelle konfisziert:
"..., existieren einfach für diesen
Richter nicht. Auch alle anderen Bezirks- und Gewerbegerichte,
die bisher allen solchen Arbeitern den Urlaub ausnahmslos zuerkannt
haben, und auch die oberstgerichliche Entscheidung sind für
diesen Richter nur Luft. Ohne das Urlaubsgesetz ausreichend studiert
zu haben, stürtz er sich auf einen Paragraphen, der dem Arbeiter
den Urlaub ja gar nicht ab-, sondern zuerkennt und will mit diesem
Paragraphen den Anspruch abweisen. Die Klage wird selbstverständlich
neuerdings eingebracht werden. Diese Darlegungen sollen den Richter
in seiner Unabhängigkeit durchaus nicht stören, wohl
aber in seiner Gleichgültigkeit. Denn der Richter ist zum
Rechtsprechen da, nicht aber zum unrechtsprechen."
Es handelt sich hier um die Kritik eines Richters,
die zwar scharf ist, aber gewiß keinen strafbaren Tatbestand
begründet.
In Nr. 14 wurde in einer Notiz über einen
Streik in Hermsdorf bei Braunau folgende Stelle beschlagnahmt:
"... Damit die Arbeiter sich die traurigen
Helden immer wieder in Erinnerung rufen können, wollen wir
die Namen derselben im "Bund" festhalten. Allen voran
sei Bruno Grötzbach, Oelberg, Kolonie 212, genannt. Derselbe
ist Mitglied der Jungmannschaft "Normania" . Die "Normania"
kann stolz auf solche Mitglieder sein, die ihren kämpfenden
Brüdern in den Rücken fallen. Erst meldete sich Grötzbach
freiwillig als Streikpostenkontrollor und ehe der Hahn dreimal
krähte ging er hin und verriet seine Arbeitsbrüder und
übte Streikbruch. Als zweiter im Judasbunde erschien der
Brenner Franz Pohl. Dieser begnügte sich aber nicht bloß
mit dem Streikbruch, sondern versuchte, weitere Verräter
zu werben. Pohls Liebesmühe war umsonst. Die Arbeiter lehnten
den Streikbruch ab. Josef Winter aus Strassenau wirkte als dritter.
Winter war früher ein Wirtschaftsbesitzer und damals schon
ein großer Arbeiterfeind. Daß er mit als Streikbrecher
auftrat, ist deshalb verständlich. "Krüglahunde"
war seinerzeit bei Winter ein sehr geläufiges Wort. Damit
bezeichnete er die Arbeiter. Ein Namensvetter vom Brenner Franz
Pohl wurde die Bewilligung erteilt, bei Schroll während des
Streikes landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Bei diesen
konnte er sich scheinbar nicht genug ausleben, deshalb machte
er auch dann noch Streikbrecherarbeiten. Zum Schluß sei
noch Franz Winter aus Rosenthal erwähnt, der ebenfalls auf
der anderen Seite der Barrikade stand. Dies ist die Galerie der
Ehrenmänner, welche, als ihre Arbeitsbrüder mit dem
Unternehmern um eine Lohnerhöhung rangen, Strikbruch verübten.
Alle denkenden Arbeiter wissen, wie Judasse zu behandeln sind".
Die beschlagnahmte Stelle enthält also
nichts als die Nahmhaftmachung von Streikbrechern.
Es dürfte auch dem Reichenberger Zensor
bekannt sein, daß Streikbruch eine erhlose Handlung ist
und daß es seit Jahrzehnten ständige Übung in
allen Lohnkämpfen ist, daß die Streikbrecher öffentlich
gebrandmarkt werden. Die Worte: "Alle denkenden Arbeiter
wissen, wie Judasse zu behandeln sind" hat der Zensor möglicherweise
als Aufforderung zu ungesetzlichen Handlungen ausgelegt. Aber
die Geschichte aller organisiert geführten Lohnkämpfe
beweist, daß es immer das Bestreben der Kämpfenden
Organisationen gewesen ist, Gewalttätigkeiten während
eines Streikes zu vermeiden. Auch dieser eine Satz ist also zu
unrecht konfisziert worden.
Die politische Bezirksverwaltung hat ferner
in Nr. 17 des "Bund" in einem Bericht über den
Steinarbeiterstreik in Domstandl die folgende Stelle beschlagnahmt:
"... Die Arbeiterschaft weiß, daß
Strekbruch die ehrloseste Handlung ist. Trotzdem aber gibt es
bei solchen Kämpfen immer noch vereinzelte Kriecher, die
dem Unternehmer während der Zeit des Kampfes Verräterdienste
gegen die Streikenden leisten. Es wäre Schade, die Name dieser
Ehrenmänner der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wir führen
daher an: Nowotny Franz in Domstadtl Nr. 151, Hausner Josef in
Domstadtl Nr. 102 und Link Alois in Dittersdorf bei Bärn."
Der Reichenberger Zensor konfisziert also auch
die bloßen Namen von Streikbrechern.
Wir fragen den Herrn Minister:
1. Ist er bereit, die ihm unterstellten und
mit der Zeitungszensur betrauten Behörden dahin zu belehren,
daß sie die verfassungsmäßig gewährleistete
Preßfreiheit zu wahren haben?
2. Ist er insbesonders bereit, sie darüber
zu belehren, daßes unzulässig ist, zugunsten der Unternehmer
in Lohnkonflikten einzugreifen?