Pùvodní znìní ad 1254/VIII.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich und Genossen

an den Minister des Innern und den Justizminister

betreffend einen Fall unerhörter Boykotthetze in Mähr-Ostrau.

In Mährisch Ostrau wurden dieser Tage Plakate und Zettel zu Tausenden verbreitet und angeklebt, welche zum schärfsten -Boykott der deutschen und jüdische

Geschäftswelt auffordern. Diese Aufforderung hat folgenden Wortlaut: "Kauft nicht Kleider und die laufenden täglichen Bedarfsartikeln bei den deutsch-jüdischen Geschäftsleuten, wie (folgen die Namen).

Kauft nicht Klassenlose bei fremdländischen Juden. Das sind (folgen die Namen).

Besuchet nicht jüdische "putyky".

Kaufet lediglich bei tschechischen Geschäftsleuten und Gewerbetreibenden.

Haltet fest an der Parole Palackýs: Svùj k svému."

Es ist wohl keine Frage, daß in der Verbreitung von Schriften mit obigem Inhalte der Tatbestand des § 14 Abs. 2 und 3 des Gesetzes vom 19. März 1923 Slg. 50 gegeben ist, da öffentlich zu feindseligen Handlungen und zum Hasse gegen einzelne Gruppen der Bevölkerung wegen ihrer Nationalität, Sprache, Rasse und Religion aufgereizt wird. Es kann wohl verlangt werden, daß die staatlichen Organe mit allem Eifer feststellen, wer diese Plakate und Zettel drucken und verbreiten ließ, somit für die ganze Aktion die Verantwortung trägt. Es kann auch nicht schwer fallen, in der kürzesten Zeit den Drucker selbst festzustellen, in dessen Druckerei diese Schriften angefertigt wurden und hier den Auftraggeber zu ermitteln. Da zahlreiche Kolporteure diese Zetteln in der ganzen Stadt verbreiteten, ist auch hier die Möglichkeit leicht gegeben, auf diesem Wege die Urheber festzustellen und dadurch den dunklen Hintermännern dieser verbrecherischen Handlung auf die Spur zu kommen. Es muß auch dem Befremden Ausdruck gegeben werden, daß es den Polizeiorganen nicht gelang, die Verbreitung sofort zu verhindern und die Urgeber dingfest zu machen und der Bestrafung zuzuführen.

Die Gefertigten stellen daher an die beiden verantwortlichen Minister die Fragen:

Sind Sie bereit, unverzüglich der Staatsanwaltschaft und der Polizeidirektion in Mähr.-Ostrau den Auftrag zu geben, die Erhebungen über den vorliegenden Fall mit aller Entschiedenheit und mit der größten Schärfe durchzuführen und die Schuldigen der gerechten Bestrafung ehestens zuzuführen, um die Wiederholung einer derartigen unerhörten Boykotthetze für alle Zukunft zu vermeiden?

Prag, am 14. November 1927.

Dr. Schollich, Dr. Lehnert, Siegel, Weber, Horpynka, DR. Rosche, Füssy, Dr. Holota, Dr. Wollschack, Krebs, Ing. Jung, Dr. Korláth, Koczor, Knirsch, Wenzel, Simm, Nitsch, Szentiványi, Geyer, Dr. Keibl, Matzner, Ing. Kallina, Dr. Koberg.

Pùvodní znìní ad 1254/IX.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich und Genossen

an die Regierung

betreffend eine angebliche, nicht eingehaltene Zusicherung baldigster Besserstellung der Altpensionisten.

In einer Leitmeritzer Ruheständlerversammlung vom 11. Mai 1927 erklärte Herr Abgeordnete Krumpe, der Ministerpräsident habe den deutschen Regierungsparteien die bestimmte Zusicherung gegeben, daß im Juli 1927 jeder Altpensionist die aus einer 20%igen Erhöhung der Grundpension ab 1. Jänner 1927 sich ergebenden Mehrbezüge in der Hand haben werde.

Diese Zusicherung wurde bekanntlich nicht erfüllt. Der Juli 1927 brachte sogar vielen Altpensionisten unerwartete Pensionsabzüge in der Höhe von 100 bis 300 Kronen ohne die gesetzliche vorgeschriebene Aufklärung derselben.

Am 19. Juli erklärte der Herr Finanzminister dem Redakteur der "Lidové noviny", der schätze, daß es möglich sein wird in der Herbstsession des Parlamentes das Gesetz über die Altpensionisten vorzulegen, wenn es gelingt, den erforderlichen Aufwand durch Ökonomisierung des Saatsbudgets zu decken." Un am 19. Oktober 1927 stellte der Herr Finanzminister einer Abordnung der Ruheständler die Einbringung der Altpensionistenvorlage binnen Monatsfrist in sichere Aussicht.

Aus diesen Äußerungen des maßgebenden Ressortministers ist ersichtlich, daß die eingangs erwähnte Zusicherung des Herrn Ministerpräsidenten zur Zeit ihrer Abgabe keinerlei verläßliche Unterlage hatte und daher den von bitterster: Not bedrückten Altpensionisten nur eine neue schmerzliche Enttäuschung bringen mußte. Es ist nur zu begreiflich, daß ein solches, siet Jahren sich wiederholendes herzloses Spiel mit den halbverzweifelten Altpensionisten unter diesen nur neue und gesteigerte Erbitterung hervorrufen mußte.

Daß durch ein solches Vorgehen auch das Ansehen des Staates und seiner Verwaltung bedenklich geschädigt wird, sie nur nebenbei bemerkt.

Die Unterzeichneten richten daher an den Herrn Ministerpräsidenten folgende Anfragen:

1. Hat der Herr Ministerpräsident tatsächlich anfangs Mai d. J. die eingangs angeführte bestimmte Zusicherung gegeben?

2. Warum hat er es unterlassen, für die Erfüllung dieser Zusicherung, also für die Einlösung seines Wortes Sorge zu tragen?

Prag, am 15. November 1927.

Dr. Schollich, Dr. Keibl, Horpynka, Dr. Rosche, Geyer, Simm, Ing. Jung, Dr. Wollschack, Wenzel, Knirsch, Koczor, Dr. Holota, Dr. Korláth, Füssy, Krebs, Nitsch, Szentiványi, Matzner, Siegel, Dr. Koberg, Dr. Lehnert, Ing. Kallina, Weber.

Pùvodní znìní ad 1254/X.

Interpellation

des Abgeordneten Franz Matzner und Genossen

an den Minister des Innern

in Angelegenheit von Strafandrohungen

wegen Nichteinhaltens des Staatsfeiertages.

Am 28. Oktober d. J. wurden von uniformierten und in Zivil gekleideten Gendarmen, Polizeiagenten und anderen Spitzeln Streifungen vorgenommen, um zu erkunden ob auch die Bürger des tschechoslovakischen Staates den Staatsfeiertag wirklich festlich begehen. Es wurden so viele Anzeigen erstattet, daß die Behörden und gerichte auf lange Zeit hinaus mit Arbeit versort sind und es sind für die arme arbeitende Schichte der ländlichen Bevölkerung, wenn nicht Einsicht waltet, Verurteilungen zu gewärtigen. Und warum? Weil z. B. eine Bauerin in Raase, Bezirk Freudenthal, welche schon seit 11 Jahren Witwe ist, ihre Knechte am Staatsfeiertag den Acker pflügen ließ, da die Herbstackerung, in einem Ausmaße von 25 Joch noch rückständig geblieben ist, noch unbedingt vor dem nahen Eintritte des Winters durchgeführt werden muß. Diese Besitzerin hat mit ihren Leuten seit der Unwetterkatastrophe am 5. Mai d. J. Sonn- und Wochentags immer schwer daran gearbeitet, die furchtbaren Unwetterschäden auf Feldern und Wegen nur halbwegs wieder auszutilgen, denn das Hochwasser hatte eine zu den Feldern führende Brücke samt den Grundmauern weggerissen, die Wege waren durch angerollte Steine in Schutthaufen verwandelt worden und zahlreiche tiefe Wassergräben durchwühlten die Felder. Mühsam und mit einem Übermaß von Auforpferung trachtete die Witwe, nur halbwegs Ordnung zu schaffen und dabei kam ihr niemand zu Hilfe, denn sie erhielt keinen Heller Unterstützung. Zu all dem legte man eine Pfändung auf den Besitz, weil ein Vermögensabgaberückstand in der Höhe von 14,653 Kè noch nicht bezahlt werden konnte. Die diesjährige Ernte mußte schnell ausgedroschen werden, um diese Pfändung zu verhindern und die Vermögensabgabe zu bezahlen. Der einzige Sohn mußte im Herbst zur Dienstleistung einrücken, sodaß die ganze Wirtschaftsaufsicht der Bäuerin oblag. Um das Unglück voll zu machen, erkrankte sie und konnte erst am 27. Oktober das Bett verlassen und schon am 28. Oktober jagte ihr die Gendarmerie die Knechte vom Felde heim.

Auch weitere Fälle zeigen das unsoziale Vorgehen der Behörden: Ein Schrebergärtner, der wochentags in der Arbeit steht, borgte sich bei einem Bauern zum Umackern seines Gartens ein Pferd aus und wurde dafür durch Gendarmerieanzeige angeklagt.

Ein armer Taglöhner, der sich an Sonntagen im Walde Klaubholz zusammengetragen hatte und der am Staatsfeiertag als dem einzigen Tage Zeit gehabt hätte, es nachhause zu führen, borgte sich bei seinem Nachbarn Wagen und Pferde aus, um sein Brennholz für die kalte Winterszeit heimzuholen. Das Auge des Gesetzes , dem so viele Gauner und Verbrecher entgehen, sah die Klaubholzführe und die Folge war ebenfalls eine Anzeige. Ein Fabriksarbeiter hatte im Herrschaftswalde eine Fuhre Brennholz gekauft und wollte dieses Holz noch vor Einbruch des Winters nachhause bringen; dies konnte er nur am 28. Oktober, da an diesem Tage der Fuhrwerksbesitzer gerade auf einige Stunden die Pferde frei hatte. Auch dieser Arbeiter fiel der Anzeige zum Opfer.

Nicht aus Übermut oder Absicht, sondern weil es im praktischen Leben und besonders bei den arbeitenden Ständen nicht anders geht, weil erwiesenen Gefälligkeiten einen gelegentlichen Gegendienst ergeischen, haben diese armen Leute versucht, die Arbeit zu tun, die sie auch an anderen Sonn- und Reiertagen tun müssen, weil ihnen unter der Woche sonst nicht die Zeit bleibt. Wenn der von schweren Unwetterschäden beroffene Landwirt in rauer Gebirgslage sein Feld bestellt und wenn er der wirtschaftlichen Not gehorchend, dies auch am Staatsfeiertage tut, der früher eben nicht eingeführt war, so trachtet er doch seiner Familie und sich zu nützen und er leistet daabei auf jeden Fall nutzbare Arbeit, anstatt sich dem Müsiggange hinzugeben.

Freilich der Regierung scheint es gleichgültig zu sein, ob gute oder schlechte Erträge geerntet werden, wenn sie nur erreicht, daß die Steuern pünktlich eingezahlt werden.

Ich frage den Herrn Minister:

Ist er bereit, alle zur Anzeige gebrachten Fälle wegen Nichtbeachtung des Staatsfeiertages straflos ausgehen zu lassen?

Ist er beriet, des Weiteren auch dafür zu sorgen, daß in Hinkunft friedlich arbeitende Staatsbürger unbehelligt bleiben und für ihre Mühe und Plage nicht auch noch bestraft werden?

Prag, am 15. November 1927.

Matzner, Dr. Schollich, Dr. Rosche, Weber, Wenzel, Krebs, Szentiványi, R. Korláth, Dr. Holota, Koczor, Füssy, Nitsch, Knirsch, Simm, Siegel, Dr. Keibl, Ing. Kallina, Dr. Lehnert, Horpynka, Dr. Koberg, Geyer, Dr. Wollschack, Ing. Jung.

Pùvodní znìní ad 1254/XI.

Interpellation

des Abgeordneten Hans Krebs und Genossen

an den Minister für soziale Fürsorge

betreffend die Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage über die Frauenarbeit vor und nach der Niederkunft.

Eine von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl von Frauen werden in unserer Industrie beschäftigt. Je Umfangreicher die Mechanisierung des Erzeugungsprozesses wird, desto größere Massen werden zur Frauenarbeit in der Industrie verwendet. Durch die gewaltige Zahl der Frauen, die heute schon durch Lohnarbeit ihren Unterhalt verdienen müssen, wird die Zahl jener Frauen, die ihren Mutterpflichten im häuslichen Kreise nachkommen können immer geringer. Desto größer aber wird die Verpflichtung der Gesellschaft und des Staates den arbeitenden Frauen gegenüber, die außerhalb ihrer Familie nach Broterwerb gehen müssen.

Um die Bedeutung des Frauenschutzes kurz darzutun, sei darauf verwiesen, daß nach der Volkszählung vom Jahre 1921 in der Textilindustrie 252.187 Personen beschäftigt waren, von denen nahezu 150.000 weiblichen Geschlechtes gewesen sind, was also rund 2/3 aller Beschäftigten ausmacht. In der staatlichen Tabakregie sind bis zu 90 % aller Beschäftigten, weiblichen Geschlechtes. Aber auch andere Industriezweige weisen eine immer größer werdende Anzahl von Frauen als Arbeiterinnen auf.

Diese arbeitenden Frauen in der Zeit vor und nach ihrer Niederkunft zu schützen, ist eine der wichtigsten natonalen und sozialen Arbeiten. Zum Schutze dieser Frauen muß alles geschehen, was sie vor den Schäden der Überarbeitung in der Zeit vor und nach der Niederkunft bewahren kann. Nach dem Sozialersicherungsgesetz und zwar nach § 95 haben die Frauen allerdings Anspruch auf Unterstützung in der Zeit von 6 Wochen vor der Entbindung und 6 Wochen nach der Entbindung, doch heißt es in den Arbeitsordnungen und im § 82 der Gewerbeordnung, daß der Unternehmer das Recht hat den Arbeiter ohne Kündigung zu entlassen, wenn die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit über 4 Wochen dauert. Mit dem Gesetze vom 3. September 1917 R. G. B. Nr. 475 wurde der letzte Absatz des § 94 der G. O. dahin abgeändert, daß Wöchnerinnen nach Verlauf von 6 Wochen nach ihrer Niederkunft zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen verwendet werden dürfen, in der alten Fassung hieß es nach Verlauf von 4 Wochen. Von einem Verbote der Arbeitsbeschäftigung vor der Entbindung ist weder im § 94, noch im § 82 der G. O. die Rede. Es bleibt also dem Unternehmer überlassen, schwangere Arbeiterinnen nach Ablauf von 4 Wochen zu entlassen und sie bei der Krankenversicherungsanstalt abzumelden. Dieser Zustand ist auf die Dauer unhaltbar und enthält eine schwere Härte gegenüber den arbeitenden Frauen und muß daher durch eine Neuregelung der Mutterschutzgesetzgebung beseitigt werden.

Da schon das Washingtoner Abkommen die Frage des Mutterschutzes vorsieht, ist eine Regelung desto nötiger. Es wird daher unumgänglich notwendig sein, alle weiblichen Arbeitnehmer, die der Krankenversicherung unterliegen, in dem Gelder Krankenversicherung unterliegen, in dem Geltungsbereiche eines Gesetzes zum Schutze der Frauen vor und nach der Niederkunft einzubeziehen. Diesem Gesetze zufolge, müßten die Schwangeren berechtigt sein, die ihnen aus dem Arbeitsvertrage obliegenden Arbeitsleistungen zu verweigern, wenn sie durch ein ärztliches Zeugnis dartun können, daß sie voraussichtlich binnen 6 Wochen niederkommen können. Aber auch 6 Wochen nach ihrer Niederkunft müßten die Frauen dadurch geschützt sein, daß sie innerhalb dieser Zeit nicht beschäftigtwerden dürfen und ihr Wiedereintritt in die Arbeit müßte gesetzlich an die Bestimmung geknüpft werden, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind. Darüber hinaus müßten diese Frauen auch noch weitere 6 Wochen hindurch gesetzlich berechtigt sein, die ihnen nach dem Arbeitsvertrage obliegenden Arbeiten zu verweigern, wenn sie durch ärztliches Zeugnis nachweisen, daß sie wegen einer Krankheit, die eine Folge ihrer Schwangerschaft oder Niederkunft ist oder die dadurch eine wesentlichere Verschlimmerung erfahren könnte, an der Arbeit verhnindert sind. Den stillenden Müttern wäre auf ihr Verlangen während 6 Monaten nach ihrer Niederkunft die zum Stillen erforderliche Zeit bis zu zweimal 1/2 Stunde oder einer ganzen Stunde täglich während der Arbeitszeit freizugeben. In der Zeit von 6 Wochen vor bis 12 Wochen nach der Niederkunft müßte die Auflösung des Dienstverhöltnisses (Kündigung) unwirksam sein. Wenn für einen Zeitpunkt gekündigt würde, der in die Schutzfrist fällt so wird der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrages um die Dauer dieser Schutzfrist verlängert.

Diese Gesichtspunkte enthalten die wichtigsten Grundsätze, nach denen sich ein modernes Gesetz zum Schutze der arbeitenden Frauen zu richten hätte.

Wir richten an den Herrn Minister für soziale Fürsorge die Fragen:

1. Ist er bereit, ein Gesetz zum Schutze der arbeitenden Frauen vor und nach der Niederkunft dem Abgeordnetenhause zur Beschlußfassung zu unterbreiten?

2. Ist der Herr Minister ferner bereit, die Vertreter der Gewerkschaftsverbände zu einer Enquete einzuberufen, in der die Frage des Schutzes der arbeitenden Frauen vor und nach der Niederkunft behandelt werden soll und in der inen Gelegenheit gegenben würde, ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete bei der Vorbereitung des bezüglichen Gesetzesentwurfes dem Ministerium für soziale Fürsorge zur Kenntnis zu bringen.

Prag, am 14. November 1927.

Krebs, Horpynka, Dr. Rosche, Koczor, Dr. Koberg, Szentiványi, Dr. Korláth, Weber, Siegel, Ing. Kallina, Dr. Lehnert, Dr. Keibl, Matzner, Dr. Wollschack, Simm, Knirsch, Wenzel, Ing. Jung, Dr. Holota, Geyer, Dr. Schollich, Nitsch, Füssy.

Pùvodní znìní ad 1254/XII.

Interpellation

der Abgeordneten Schäfer, Roscher und Genossen

an den Minister des Innern

wegen wiederholter Konfiskation der Zeitschrift "Der Bund".

Das in Reichenberg erscheinende Organ des deutschen Bauarbeiterverbandes ist in letzter Zeit wiederholt der Beschlagnahme verfallen. Diese Konfiskationen stellen eine ausgesprochene Begünstigung der Unternehmer gegen die in schweren Lohnkämpfen stehenden Arbeiter dar.

So wurde in Nr. 12 in einem Aufsatz über den Arbeitskonflikt der Steinarbeiter in Friedland a. d. Mohra mit dem deutschen Ritterorden nachfolgende Stelle konfisziert:

"..., existieren einfach für diesen Richter nicht. Auch alle anderen Bezirks- und Gewerbegerichte, die bisher allen solchen Arbeitern den Urlaub ausnahmslos zuerkannt haben, und auch die oberstgerichliche Entscheidung sind für diesen Richter nur Luft. Ohne das Urlaubsgesetz ausreichend studiert zu haben, stürtz er sich auf einen Paragraphen, der dem Arbeiter den Urlaub ja gar nicht ab-, sondern zuerkennt und will mit diesem Paragraphen den Anspruch abweisen. Die Klage wird selbstverständlich neuerdings eingebracht werden. Diese Darlegungen sollen den Richter in seiner Unabhängigkeit durchaus nicht stören, wohl aber in seiner Gleichgültigkeit. Denn der Richter ist zum Rechtsprechen da, nicht aber zum unrechtsprechen."

Es handelt sich hier um die Kritik eines Richters, die zwar scharf ist, aber gewiß keinen strafbaren Tatbestand begründet.

In Nr. 14 wurde in einer Notiz über einen Streik in Hermsdorf bei Braunau folgende Stelle beschlagnahmt:

"... Damit die Arbeiter sich die traurigen Helden immer wieder in Erinnerung rufen können, wollen wir die Namen derselben im "Bund" festhalten. Allen voran sei Bruno Grötzbach, Oelberg, Kolonie 212, genannt. Derselbe ist Mitglied der Jungmannschaft "Normania" . Die "Normania" kann stolz auf solche Mitglieder sein, die ihren kämpfenden Brüdern in den Rücken fallen. Erst meldete sich Grötzbach freiwillig als Streikpostenkontrollor und ehe der Hahn dreimal krähte ging er hin und verriet seine Arbeitsbrüder und übte Streikbruch. Als zweiter im Judasbunde erschien der Brenner Franz Pohl. Dieser begnügte sich aber nicht bloß mit dem Streikbruch, sondern versuchte, weitere Verräter zu werben. Pohls Liebesmühe war umsonst. Die Arbeiter lehnten den Streikbruch ab. Josef Winter aus Strassenau wirkte als dritter. Winter war früher ein Wirtschaftsbesitzer und damals schon ein großer Arbeiterfeind. Daß er mit als Streikbrecher auftrat, ist deshalb verständlich. "Krüglahunde" war seinerzeit bei Winter ein sehr geläufiges Wort. Damit bezeichnete er die Arbeiter. Ein Namensvetter vom Brenner Franz Pohl wurde die Bewilligung erteilt, bei Schroll während des Streikes landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Bei diesen konnte er sich scheinbar nicht genug ausleben, deshalb machte er auch dann noch Streikbrecherarbeiten. Zum Schluß sei noch Franz Winter aus Rosenthal erwähnt, der ebenfalls auf der anderen Seite der Barrikade stand. Dies ist die Galerie der Ehrenmänner, welche, als ihre Arbeitsbrüder mit dem Unternehmern um eine Lohnerhöhung rangen, Strikbruch verübten. Alle denkenden Arbeiter wissen, wie Judasse zu behandeln sind".

Die beschlagnahmte Stelle enthält also nichts als die Nahmhaftmachung von Streikbrechern.

Es dürfte auch dem Reichenberger Zensor bekannt sein, daß Streikbruch eine erhlose Handlung ist und daß es seit Jahrzehnten ständige Übung in allen Lohnkämpfen ist, daß die Streikbrecher öffentlich gebrandmarkt werden. Die Worte: "Alle denkenden Arbeiter wissen, wie Judasse zu behandeln sind" hat der Zensor möglicherweise als Aufforderung zu ungesetzlichen Handlungen ausgelegt. Aber die Geschichte aller organisiert geführten Lohnkämpfe beweist, daß es immer das Bestreben der Kämpfenden Organisationen gewesen ist, Gewalttätigkeiten während eines Streikes zu vermeiden. Auch dieser eine Satz ist also zu unrecht konfisziert worden.

Die politische Bezirksverwaltung hat ferner in Nr. 17 des "Bund" in einem Bericht über den Steinarbeiterstreik in Domstandl die folgende Stelle beschlagnahmt:

"... Die Arbeiterschaft weiß, daß Strekbruch die ehrloseste Handlung ist. Trotzdem aber gibt es bei solchen Kämpfen immer noch vereinzelte Kriecher, die dem Unternehmer während der Zeit des Kampfes Verräterdienste gegen die Streikenden leisten. Es wäre Schade, die Name dieser Ehrenmänner der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wir führen daher an: Nowotny Franz in Domstadtl Nr. 151, Hausner Josef in Domstadtl Nr. 102 und Link Alois in Dittersdorf bei Bärn."

Der Reichenberger Zensor konfisziert also auch die bloßen Namen von Streikbrechern.

Wir fragen den Herrn Minister:

1. Ist er bereit, die ihm unterstellten und mit der Zeitungszensur betrauten Behörden dahin zu belehren, daß sie die verfassungsmäßig gewährleistete Preßfreiheit zu wahren haben?

2. Ist er insbesonders bereit, sie darüber zu belehren, daßes unzulässig ist, zugunsten der Unternehmer in Lohnkonflikten einzugreifen?

Prag, am 25. Oktober 1927.

Schäfer, Roscher, Hackenberg, Landová-Štychová, Katz, Dr. Czech, Taub, Schuster, Dietl, Heeger, Grünzner, Sliwka, Pohl, Blatny, Kirpal, Leibl, Schweichhart, Kaufmann, Chlouba, de Witte, Haken, Peter.


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