Pùvodní znìní ad 1580/I.

Interpellation

des Abgeordneten Schmerda und Genossen

an die Regierung

betreffend das brutale Vorgehen der Gendarmerie in Freiwaldau gegen streikende Arbeiter und das parteiische Verhalten der politischen Bezirksverwaltung.

Bei der Firma Regenhart & Reimann in Freiwaldau ist es infolge von Differenzen aus den Lohnverhältnisse zu einem Streike gekommen, an welchem 1600 Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligt sind.

Die streikende Arbeiterschaft hat ohne Rücksicht auf ihre politische und gewerkschaftliche Zugehörigkeit geschlossen den Kampf gegen die Unternehmerwillkür aufgenommen und von dem gesetzlichen Koalitionsrechte Gebrauch gemacht.

Die politische Bezirksverwaltung sowie die Gendarmerie haben durch ihr bisheriges Verhalten und Anordnungen sich parteiisch auf die Seite der Firma Regenhart & Reimann gestellt, was eine unerhörte Provokation der streikenden Arbeiterschaft bedeutet.

Am Samstag den 4. Februar kann es in den Morgenstunden bei Aufstellung der Streikposten zu einem ` Konflikte der Gendarmerie mit der Arbeiterschaft, wobei unter dem Kommando des Oberwachtmeiters: Andìl die Gendarmerie mit gefällten Bajonetten gegen wehrlose Frauen brutal vorgegangen wurde. Bei dieser Attake wurde eine größere Anzahl von Arbeiter, terinnen und Arbeiter verwundet, darunter die Arbeiter terinnen Anna Baum im Rücken, Frau A. Grüner am, rechten Oberarm, der nationalsozialistische Gewerkschaftssekretär Maier am linken Oberarm.

Nur der Besonnenheit und Diszipliniertheit der streikenden Arbeiterschaft und deren Sekretäre ist es zu danken, daß es nicht zu größeren Ausschreitungen gekommen ist.

Die sofort erhobenen Beschwerden über das unerhörte brutale Vorgehen der Gendarmerie, insbesondere des Oberwachtmeisters Andìl, bei der politischen Bezirksverwaltung wurde von dem dortigen Leiter ironisch abgefertigt.

Die Erregung der gesamten Arbeiterschaft über das brutale Vorgehen der Gendarmerie und das parteiische Verhalten des Leiters der politischen Bezirksverwaltung ist eine sehr große.

Der Unterfertigte stellt an die Regierung die Anfrage:

1. Ob sie gewillt ist, sofort eine Untersuchung über das Vorgehen der Gendarmerie am d Februar einzuleiten, die Schuldigen festzustellen und zu bestrafen und die Verletzten zu entschädigen?

2. Den Oberwachtmeister Andìl von seinem Posten zu entheben, und

3. den Leiter der politischen Bezirksverwaltung zu verhalten, daß er bei Lohnkämpfen sich nicht auf die Seite der Unternehmer zu stellen hat und die Arbeiter nicht als Bürger zweiten Grades zu behandeln hat?

Prag, den 7. Februar 1928.

Schmerda,

Juran, Mùòa, Majar, Œliwka, Vobecká; Kopasz, Chlouba, Zoufalý, Hruška, Jílek, Dìdiè, Cibulka, Peter, Burian, Štìtka, Kolláriková, Vrtaník, Bolen, Èermák, Neurath, Haken, Landová-Štychová.


Pùvodní znìní ad 1580/II.

Interpellation

des Abgeordneten Elstner und Genossen

an den Minister des Innern

wegen der unerhörten Konfiskation des Vorwärts in Reichenberg.

Im Vorwärts, Nummer 90, vom 15. April 1928 wurde der Artikel Amt! Ein Groteskfilm von Agis konfisziert. Der konfiszierte Artikel lautet:

(Zimmer fast spitz zulaufend, ohne Fenster und Tür, schmutziggelbe Wände. In der rückwärtigen Schmalwand Schalter, wie bei Fahrkartenausgabe, kleine Öffnung zum Übernehmen von Bittschtriften usw.

Linke Wand: Symetrisch angeordnet vier Kästen. Aktenregale vollgestopft mit verstaubten Aktenbündeln; auf der Erde zerstreute Blätter.

Rechts vorn: Estrade mit Schreibtisch für den Amtmann. Im Raum verteilt Schreiber mit Stehpulten.

Spinnwebig graues Licht.)

Amtmann: (Verschrumpftes Männchen, rote wirre Perücke, aktendurchsuchend, krächzende Stimme. Ein Schreiber reicht ihm Akten.)

Mehr! - - -

(Alle Schreiber arbeiten hastiger, reichen einander erledigte Schriftstücke, die der letzte Schreiber auf den Tisch des Amtmannes häuft. Etliche Bündel fallen herab.)

Amtmann (nach einer Weile hungrig): Mehr, mehr und mehr! (Noch mehr Bewegung.) Qualifikation miserabel!

Gestalt: (Junger Arbeiter, offenes Gesicht, zurückgekämmtes Haar, langer Wetermantel, taucht aus der Versenkung auf, in blaßviolettes, unbestimmtes Licht gehüllt. Schreiber stellen ihr Hasten ein, beachten ihn nicht.)

Amtmann: Sind?!

Gestalt (fest): Sagen wir Brennpunkt, Spiegel deiner Tat!

Amtmann. Hier nicht notwendig! Haben unsere vorgeschriebene Bahn, stahlharte Ordnung, die in sich vollkommen ruht, wie Kristallkugel, (emphatisch) wie Buddha!

Gestalt (lächelt ironisch): Leider! Bewegung fehlt ganz, jedes Gefäß ist versteint.

Amtmann: Wir keine Erfinder!

Gestalt: Lakaien, leblose Rädchen, seid ihr! Vollzugsorgane eines Systems, dem die Zeit längst alle Zähne ausgebrochen hat; aber noch immer wollt ihr sein. Ha, ha, es stirbt sich schlecht im Paradies der Ausbeutung, Wie wollt ihr euch retten, he?! Ich weiß, ihr habt die Formel: Gott oder Gas! Mein Herr, das ist ein dünner Zauberspruch.

Amtmann: Haben unsern Kreis...

Gestalt:... Und sonst nichts?

Amtmann: Unsere fest verankerte Plattform auf der standfest wir wirken - - -

Gestalt:... würgen; selbst nach Luft schnappen. Gott oder Gas! (Von draußen Klopfen beim Schalter.) Menschen klopfen! Warum wird der Schalter nicht geöffnet?

Amtmann: Zweien dienen? Hier Akten, dort (auf den Schalter weisend) Aktengebende.

Gestalt: Es sind doch Menschen, tätige Wesen, die warten, wartend erniedrigt werden, als sollten sie dafür büßen, daß sie da sind, daß sie genötigt sind, etwas zu verlangen. Aber ihren Anspruch, ihr Recht degradieren zur demütigen Bitte, das wollt Ihr! Falschmünzer!

Amtmann (kalt): Menschen! Menschen! Wenn festgelegt durch Exhibitonsnummer, dann ist er, nicht früher...

Gestalt:... fürs Amt!

Amtmann: Wenn nicht Matrikel und Totenschein vorhanden, dann ist er nicht gewesen.

Gestalt: Ein ganzes Leben von Ausbeutung, Elend, Plage, Sorge, nichts als ein Stück Papier oder ein paar beschriebene Bogen, die von einem Schreibtisch auf den anderen verschoben werden...

Amtmann:... alles wird erledigt. (Klopfen beim Schalter.)

Gestalt: Ich weiß, alles wird erledigt; ich weiß auch, daß alle gleich sind vor dem Gesetz, nur hat das Gesetzt die Eigentümlichkeit, vor. dem Geldsack sich devot zu verkriechen. Das heißt dann freier Lauf der Gerechtigkeit. Die Themis ist blind, wenigstens trägt sie eine Binde vor den Augen, doch ist sie verdammt feinfühlig und errät, auf welcher Seite die dickere Brieftasche zu finden ist.

Amtmann: Alles wird erledigt.

Gestalt: Der Herr Dickbauch hat nicht zu warten. Es ist sein Amt, für ihn wird alles erledigt. Sein Generalstab arbeitet mit Präzision.

Amtmann: Wir sind gerecht, hier keine Sentimentalität.

Gestalt: Gerecht, wenn es heißt, den Geldsack zu verteidigen. Was aber gilt euch der arbeitende Mensch? Gar nichts! Wann besitzt ein Mensch Gebrauchswert - - -?

Amtmann (aufspringend): Gotteslästerung!

Gestalt: Setzen Sie sich, junger Mann, ich werde Ihnen die Frage selbst beantworten. Ein Mensch besitzt Gebrauchswert, wenn er sich fügsam ans Fließband schnallen läßt oder wenn er mit einem Schießprügel versehen, eure Absatzmärkte' gegen die Konkurenz verteidigen soll; sonst kann er verrecken! Fürs Volk Heiligenbilder, für die Herren Aktien!

Amtmann: Hä, hä wir sind gerecht. Ein Wort und - -

Gestalt: - - und Bajonett, Maschinengewehr, Tank, Flugzeug gegen die Aufständischen, gegen die Rebellen, gegen die armen Hunde, die sich anmaßen, noch vor dem Krepieren ihren Lohn zu fordern. Aber ihr glaubt, die Erde stehe fest und euer Sein ist gleichlaufend mit Ewigkeit!

Amtmann: Wir wissen das und das - daher die Präzision.

Gestalt: Ihr wißt das und das wo Tür und Fenster fehlen. Ihr habt Angst, im Luftzug euch einen Schnupfen zu holen.

Amtmann: Schaltfenster! Blick in alles. (Klopfen am Schalter.)

Gestalt: Nasenspitze, weltweite Distanz!

Amtmann: Mein Lebenskreis, bin zufrieden. Schuld fällt nicht auf mich.

Gestalt: Es ist leichter, alles auf die Tradition zu wälzen. Ihr seid hier unfehlbar, unabsetzbar. (Starke Unruhe und Klopfen am Schalter.) Den Schalter auf!

Amtmann: Ich habe Befehl!

Gestalt: Den Schalter auf, ich habe alle Befehle!

Amtmann: Ich - - Schalter! (Der Schalterbeamte öffnet das Fensterchen und nimmt Gesuche entgegen. Man sieht nur Hände, die die Bittschriften überreichen. Hie und da gibt der Schalterbeamte eine Schrift zurück, indem er nicht ausruft. Darauf folgt draußen stets ein Schrei und Unruhe.)

Gestalt: (die bestaubten Regale betrachtend): Da liegen ganze Armeen!

Amtmann (freudig): Ja, ja!

Schalterbeamte: Nicht! (Draußen Schrei.)

Gestalt: Tote, Gefallene.

Amtmann: Tote? Hier kein Friedhof, alles lebt.

Gestalt: Im Staub, wie der Wurm.

Amtmann: Alles wird erledigt. An jedem die Reihe. Zeit.

Gestalt: O, ihr habt sehr viel Zeit, so viel, daß ihr sie totschlagen müßt. Der Werktätige aber hat keine Zeit, nicht seine Zeit. Alles gehört einem andern.

Schalterbeamte: Nicht!

Gestalt (stoßt ein Bündel mit dem Fuß): Und die hier auf der Erde?

Amtmann: Nebensächlich. Kommen nicht in Betracht. Todgeburten.

Gestalt: Vielleicht ein Kopf, eine Hand, Augen, die sein wollten und nicht dürfen. Henker. Schalterbeamte (zerrt an einem Schriftstück, das die Hände nicht lassen wollen, so lange, bis es reißt. Draußen Schreie. Zum Amtmann gewendet): Will selbst!

Amtmann (auffahrend): Will selbst? Nein! Schluß! (Der Schalterbeamte schließt das Fensterchen. Lärm.) Gestalt: Schluß, wo noch so viele warten?

Amtmann: Autorität! Man muß zeigen! Amt! Heiligtum!

Gestalt: Und ihr seid die Priester?

Amtmann: Sage Autorität, Schluß! (Amtmann und Schreiber wackeln automatenhaft. Im Raum wird es dunkler.)

Gestalt (zur Versenkung schreitend): Wartet! (An den Wänden glühen Paragraphenzeichen auf. Aktenstücke werden raschelnd geblättert. Aus der Versenkung stürzt ein Arbeiter herauf; gleichzeitig verlöschen die glühenden Zeichen; es wird heller. Der Mann hält einen Moment atemlos inne, dann läuft er zur Estrade.)

Arbeiter (extatisch): Herr! Herr!

Amtmann: (ungehalten): Sind?

Arbeiter: Arbeiter!

Amtmann: Wo hineingeschlichen, Subjekt! (überschnappend) Revolutionär!

Arbeiter: Den Punkt, den Punkt, Herr, den Punkt! Amtmann (schreiend): Wo hineingeschlichen, Frage?!

Arbeiter (mit verhaltener Wut): Den Punkt, den Punkt!

Amtmann: Zurück! Warum nicht angestellt? Ausnahme? Welche Nummer?

Arbeiter: Ich habe keine. Ich will den Punkt, Herr! Mein Weib liegt krank, ich darf keine Zeit verlieren, sie stirbt, wenn ich nicht bei ihr bin, oh, sie stirbt ich muß arbeiten - - Herr, - - den Punkt!

Amtmann: Nein, hier Ordnung, verstanden? Marsch!!!

Arbeiter (verzweifelnd): Tier, ich muß den Punkt haben sonst - -

Amtmann: Marsch!!!

Arbeiter (keuchend): Herr, ich habe mich angestellt, ich stand Minuten, Stunden, Tage und Jahre in den glühweißen verruchten Reihen. Was wollt ihr? Herr, ich habe nur acht Finger, die mich ernähren, zwei ließ ich in der Fabrik. Wer gibt mir die Zeit zurück, die ich stand, wartete, um die ich betrogen wurde, für die ich hungern muß!

Man läßt uns in Reihe stehen, damit wir einander wie wilde Tiere an die Kehle springen, verwirrt, wahnsinnig geworden, den leidenden Bruder als Feind ansehen. Was wollt ihr, unserem Hasse eine andere Richtung geben, damit wir uns selbst zerfleischen? Ihr seid Ungeheuer! Ich sage euch, in der tiefsten Erniedrigung leuchtet auf das hellste Licht der Einsicht! Wir wissen, wo der Feind sein Lager hat. Wir werden die Wälle nehmen - -

Amtmann: Gefängnis! (Schutzmann steigt aus der Versenkung.) Abführen! ist Revolutionär, Rebell, Verbrecher, bricht Ordnung, schlägt Tradition! (Schutzmann schreitet schnell und automatenhaft, nimmt den Arbeiter beim Rockkragen, der sich vor der Versenkung nochmals umdreht und die Fäuste hebt.)

Arbeiter: Wir kommen!

Amtmann: Gefängnis! Beide verschwinden.) So! (Beginnt in den Akten zu blättern.) Mann aus dem Volke drängt sich vor! Arbeiter! Wo Gehorsam?! Ar-bei-ter!

Gestalt (welche wiederum erscheint): Das ist der Vorposten der Tat, der Befreiung.

Amtmann: Hä? Hier nicht notwendig, schon alles getätigt. Mit großartiger Handbewegung.) Geht alles von selbst, eins zwei, drei! (Schreiber wackeln im Takt.) Eins, zwei, drei! - -

Gestalt - nach rückwärts. Tat ist notwendig. sonst bleibt, jedes Wollen nur Theorie, Geste.

Amtmann: Tat stößt ins Leere hier, weil alles festgefügt - -

Gestalt: - - in deinem verpestetem Gehirn!

Amtmann: Jeder Gegengang Verbrechen.

Gestand: Da wirst dich selbst sühnen, das sei deine Strafe!

Amtmann: Hier keine Tat, hier Gehorsam.

Gestalt: Gegen wen? (Weib erscheint keuchend aus der Versenkung.)

Weib: Herr! Herr!

Amtmann: Sind?

Weib: Den Punkt, den Punkt, Herr! Amtmann: Wo hineingezwängt? Nummer.

Weib: Ich weiß nichts. Den Punkt, Herr, den Punkt! Mein Mann ist in der Fabrik -, drei kleine Kinder allein zu Hause -, der Ofen ist glühend -, sie können den Ofentür nahekommen - sie aufmachen - - Kohle fällt heraus - sie können verbrennen - (schreit) sie brennen - sie brennen - meine Kinder! - Hilfe! - Herr, den Punkt! (Schlägt hin.)

Amtmann: Weib zwängt sich überall hin.

Gestalt: Wer zwängt sich überall hin? Wer? Willst du dem Weibe verwehren zu leben?

Amtmann: Weib vor dem Gesetz nicht voll. Gestalt: Das ist eure Moral! Ist sie voll in der Bar oder auf der Straße, oder ist sie voll, wenn ihr das Weib zwingt, neben der Maschine in der Fabrik zu gebären; ihr Tugendhelden mit dem schielenden Blick zum Himmel?

Das werktätige Weib ist die Genossin des Mannes, nicht Zeitvertreib! Sie ist Mitkämpferin in der Schlacht der Befreiung vom Sklavenjoch. Sie ist voll vor jenem Gesetz, vor welchem ihr zittert! Der Schaffende nur hat alleiniges Recht, jeder andere Befehl ist Anmaßung, gestützt auf Bajonette.

Weib (aufstöhnend): Den Punkt, den Punkt!

Amtmann. Mache Popularität, gib her!

Weib (reicht ihm die Bittschrift): Gib!

Amtmann (nimmt das Ansuchen): Zurück! (Weib geht einige Schritte zurück.) Amtmann blättert. (Weib verfolgt ihn gespannt. Gestalt sieht den Amtmann ironisch lächelnd an.) Punkt fehlt, warum? Weib (zuckt die Achseln).

Gestalt: Punkt fehlt. Ja, ja, er fehlt. Dein ganzes Geschick Weib - Mensch hängt von dem winzigen Punkt ab. Jetzt oder nie!

Amtmann (nimmt die Glocke ohne Klöppel und läutet. Aus vier Kasten an der Wand treten heraus: Der Gehilfe des Tintenfasses, riesige Attrappe tragend, der Gehilfe der Kielfeder [Feder schultert], der Streusandbüchsengehife tnit großer Büchse und der Brillengehilfe mit Brille. Die kommen heran im Trab des Amtsschimmels. Der Brillengehilfe reicht dem Amtmann die Brille, jedoch verkehrt. Der Amtmann gibt die Brille zurück.)

Revolutionär, hä? Brille in Vorschrift. (Der Gehilfe gibt sie ihm richtig. Der Kielfedergehilfe reicht die Feder.)

Revolutionär, hä? Welcher Tag?!

Kielfedergehilfe: Der zweite!

Amtmann: Welche Feder?

Kielfedergehilfe: Die blaue.

Amtmann: Also? (Der Gehilfe trabt zurück um die blaue Feder.) Qualifikation miserabel! Ganz miserabel! Zehn Jahre keine Beförderung!

Gestalt: Und wenn er die richtige Feder zur Stelle schafft?

Amtmann: Nein! Evidenz! Dienst! (Taucht die Feder ein und will den Punkt auf das Ansuchen machen.)

Weib aufschreiend: Herr, Herr, du meine Güte! Gott!

Gestalt: Sie beschimpft dich, nennt dich Herr, hörst du? Sie verhöhnt dich Tyrann, Anmaßer, Aussauger, Vampyr - nennt dich Herr! Ha, ha!

Amtmann (sieht verdutzt auf): Wie?

Gestalt (lachend): Herr! Ha, ha!

Amtmann: Halt! (Zerreißt das Bittgesuch.)

Weib (erschrocken): Oh!

Amtmann: Muß sein!

Weib (zur Gestalt): Du hast mich verraten, Fluch dir!

Gestalt: Ich habe dich gerettet, du wirst mir Dank wissen. Ich habe dich wach gerüttelt, als du schlaftrunken einem Abgrund zuschrittest. Siehst du ihn? (Zeigt auf den Amtmann.)

Weib (rasend): Ich vergehe! Die armen Kinder sie brennen - brennen - oh! (Stürzt von Dannen.) Ich komme über dich!

Gestalt: Du bist gerettet.

Amtmann: Strengere Gesetze! Jedes Vergehen zum Galgen. (Schlägt wild auf den Tisch.) Autorität, Autorität! Amt, Heiligtum! Wer befiehlt? Zum Teufel nochmal, Himmel und Hölle! Was? (Wirft wie wahnsinnig alle Akten vom Tisch zur Erde. Die Schreiber flüchten entsezt.)

Feistgesicht (steigt aus der Versenkung.)

Amtmann (steht wie angewurzelt, dann verneigt er sich tief): Ah, großer Besuch! Untertänigster! (Bringt eilfertig einen Sessel!) Belieben, ihr Diener!

Feistgesicht: Hier! (Zieht aus dem Pelz einen Wisch.) Dringend! Ist sofort zu erledigen, sonst zieht ein anderer auf ihren Posten. Die Erledigung schicken Sie mir in die Wohnung, verstanden?

Amtmann (sich tief verneigend): Befehl! Werde selbst bringen! Hohe Ehre! (Feistgesicht geht ab, ohne ihn zu beachten.)

Gestalt (lächelnd): Nun, Herr Amtmann, wo ist ihre Autorität, wer befiehlt hier?

Amtmann (scheu, ehrerbietig): Das war Herr Feistgesicht! Würdenträger! Bruder Minister, Onkel Präsident, Herr Feistgeaicht selbst Millionär. Welche Ehre! Beförderung!

Gestalt: Verstehe (Nachäffend.) Dort Herr Feistgesicht, hier sein Amt, seine Kreaturen. Sein Wille ist Gesetz für Euch, für die Bajonette, für das Volk. Ein allmächtiger Herr rangiert noch vor Gott!

Auf seinen Befehl wird geschossen, werden Menschenleiber zermalmt, vergast, werden Leichen in Kalkgruben geworfen, unbekannte Soldaten gemacht, er erschafft je nach Belieben Helden, Verräter, Götter, Kirchen. Je nach Stand der eingegangenen Ordres prägt er das Wort vom ewigen Frieden, Arbeitsgemeinschaft oder Verteidigung des Vaterlandes.

Bei seinem Auftauchen ackern die Nasen aller Vorstände im Boden.

Amtmann: Gotteslästerung! Höchste Strafe! Gefängnis! Galgen! Gewehr heraus! (Pickelhaube steigt aus der Versenkung.)

Gestalt: Schickt ihn nach Hause, hier gibt es nichts mehr für ihn zu tun. Er kann das Rad des Geschehens nicht rückgängig machen. (Am Schalter starkes Klopfen und Murren.) Die Wogen branden! Was ist deine Gerechtigkeit?!

Amtmann: Widerspenstig? Kein Amt! Schreiber sagen! Schalterbeamte hebt das Fensterchen und ruft: Widerspenstig, kein Amt! Darauf heftiger Tumult. Die Scheibe wird eingeschlagen. Der Amtmann springt entsetzt von der Estrade und schnappt nach Luft. Helleres Licht. Die Schreiber sitzen verzerrt. Arbeiter und Weib steigen aus der Versenkung und stürzen sich auf den Amtmann. Schalterwand fällt eingedrückt um. Volk strömt herein, Getöse. Schutzmann steht Hab acht. Amtmann brüllt: Mörder! Tod! Revolution! Gewehre!

Gestalt: Hier wird nicht getötet, hier wird gelebt und erschaffen!

Amtmann (schwach): Mörder!

Gestalt: Das Leben steht auf! (Kielfedergehilfe ersticht den Amtmann. Die anderen Gehilfen werfen ihre Mappen weg. Der Arbeiter springt auf die Estrade:

Arbeiter: Wir sprechen Recht! (Steigt hinunter.) Alle: Wir! Wir! (Hände erheben sich, ein mächtiges Arbeiterlied erdrönt, über den Köpfen weht die rote Fahne, das Zeichen bereiter Arbeit.)

Gestalt: Ich kann gehen! Meine Mission ist beendet!

Der konfiszierte Artikel ist also eine literarische Arbeit und jeder, der die soziale Tendenzliteratur der letzten Jahrzehnte auch nur halbwegs kennt, wird feststellen müssen, daß schon im alten Österreich eine ganze Reihe von viel schärferen sozialen und revolutionären literarischen Arbeiten ohne weiters veröffentlicht werden konnten. Wir fragen daher den Herrn Minister des Innern:

1. Entspricht die erwähnte Konfiskation den Intentionen des Herrn Ministers und den von ihm an die Behörden ausgegebenen Instruktionen?

2. Was gedenkt der Herr Minister zu tun, um eine solche engherzige Konfiskationspraxis zu verhindern?

Prag, am 26. April 1928.

Elstner,

Harus, Kolláriková, Dr. Stern, Schmerda, Juran, Sedorjak, Œlíwka, Major, Steiner, Chlouba, Èulen, Èermák, Dìdiè, Burian, Dr. Gátí, Štìtka, Kopasz, Haiblick, Haken, Škola, Hruška, Mondok, Zoufalý, Peter, Landová-Štychová, Vrtaník.


Pùvodní znìní ad 1580/III.

Interpellation

des Abgeordneten Dr. Koberg und Genossen

an den Minister des Innern und den Justizminister

wegen des Vorgehens der Gendarmerie in Zuckmantel.

Anfangs März waren auf reichsdeutschem Gebiete an der Straße von Zuckmantel nach Ziegenhals Plakate an den Bäumen befestigt, des Inhaltes: Achtung beim Schuheinkauf! Kaufen Sie bei den deutschen Geschäftsleuten! Baa èechische Firma! Baa Bazar!

Wegen dieser Plakatierung hat die Gendarmerie in Zuckmantel sofort eine hochnotpeinliche Untersuchung eingeleitet und den Schuhfabrikanten Spieller in Zuckmantel und den Schriftenmaler Heidenreich unter Androhung der Verhängung der Untersuchungshaft verhört. Ob auf Grund dieser Gendarmerieerhebungen, die so unmittelbar erfolgten, daß nicht angenommen werden kann, daß der Gendarmerie von irgend einer Seite ein Auftrag hiezu erteilt worden sei, ein gerichtliches Verfahren gegen die bei<len eingeleitet werden wird, steht nicht fest.

Fast zur selben Zeit erschien im Brünner Obchodní obzor ein Aufruf nachstehenden Inhaltes:

Jeder zu den Seinen! Soll unser Volk wirtschaftlich stark werden, soll ihm in eigener materieller Kraft eine Stütze bei Erreichung nationaler und politischer Ziele geboten werden, dann müssen wir wirtschaftlich solidarisch sein und so weit als möglich unseren sämtlichen Bedarf ausschließlich bei èechischen Firmen decken, von èechischen Industriellen, Gewerbetreibenden und Kaufleuten kaufen und so unseren eigenen Leuten Verdienst zukommen lassen. Kaufen wir daher nur beim èechischen Kaufmanne und bestellen wir nur bei èechischen Gewerbetreibenden, Fabrikanten usw., und unterstützen wir nicht jene, die dem èechischen Menschen nicht einmal Arbeit geben wollen. Wir werden gar bald sehen. wie wir ganz anders als bisher, unseren Gegnern, die uns weder Gedeihen noch Macht gönnen, werden trotzen können. Trachten wir die wirtschaftliche Basis unseres Volkes durch Unterstützung unserer Arbeit zu stärken und unser Kampf wird dann viel leichter sein, weil wir dadurch wirtschaftlich stärker werden. Befreien wir uns von der Vorherrschaft fremden Kapitales, das uns zu Boden drückt

Dieser Aufruf wurde von den èechischen Behörden in keiner Weise beanstandet, weder von der Gendarmerie noch vorn Gerichte. Ohne vielleicht auf dem Standpunkte zu stehen, daß gegen das èechische Blatt. welches einen derartigen Aufruf veröffentlicht, etwas vorzukehren sei, machen die Gefertigten auf die unterschiedliche Behandlung aufmerksam, wenn es sich um eine deutsche und wenn es sich um eine èechische Aufforderung handelt, daß der Volksgenosse beim Volksgenossen einkaufen und seinen Bedarf decken soll. Die Drohung der Gendarmerie mit einer Untersuchungshaft in dem Falle, als der von ihr Verhörte nicht ein volles Geständnis ablegt ist überdies ein Überschreiten ihrer Machtbefugnisse und kommt der Erpressung eines Geständnisses sehr nahe.

Die Unterfertigten fragen:

Sind dem Herrn Minister die oben geschilderten Übergriffe der Gendarmerie in Zuckmantel bekannt? Bestehen etwa irgendwelche Vorschriften, nach welchen èechische Gewerbetreibende und èechische Zeitungen einer anderen Behandlung unterliegen, als deutsche?

Ist der Herr Minister geneigt, die Gendarmerie dahin zu belehren, daß sie sich eher mit anderen Angelegenheiten zu beschäftigen hat und ist er geneigt, für die Zukunft derartige Übergriffe abzustellen?

Prag, am 16. Mai 1928.

Dr. Koberg,

Dr. Keibl, Weber, Dr. Schollich, Fedor, Greorovits, Krebs, Geyer, lng. Jung, Dr. Lehnert, Siegel, Ing. Kallina, Matzner, Knirsch, Simm, Dr. Wollschack, Horpynka, Wenzel, Dr. Rosche, Dr. Szüllö, Dr. Jabloniczky.

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