Das Polizeikommissariat in Jägerndorf
hat mit Bescheid vom 28. April 1928 angeblich über Auftrag
der Staatsanwaltschaft in Troppau die Beschlagnahme des anläßlich
der am 6. Mai stattfinden den Gemeindewahl herausgegebenen Flugzettels
Deutsche Wähler von Groß-Jägerndorf,
herausgegeben von der Deutschen Nationalpartei in Jägerndorf
durchgeführt. Dabei fielen folgende Stellen der Zensur
zum Opfer: 1. Nach der Überschrift die Militärgesetze,
die sich gegen Deutschland und Deutschösterreich richten
und einen Jahresaufwand von 1 Milliarde 400 Millionen Kronen,
also mehr als 100 Kè auf den Kopf eines Einwohners der
Èechoslovakei erfordern. Der
Dadurch erzielte Heeresstand ist sogar im Frieden größer
als Deutschland und Deutschösterreich mit einer fünfmal
größeren Einwohnerzahl zusammen aufbringen. Im Kriege
aber verfügt die Èechoslovakei infolge der regelmäßigen
Rekrutenausbildung um wenigstens 20mal
mehr ausgebildete Soldaten als diese beiden Staaten. 2.
Im Absatze über das Finanzgesetz für die Selbstverwaltung
die Worte: namentlich aber unsere deutschen Gemeinwesen
vollständig èechischer Willkür ausliefert.
3. Im Abschnitte die Verwaltungsreform, die
eine polizeistaatliche Beamtenherrschaft (die nächsten beiden
Worte beschlagnahmt) schlimmster Art aufrichtet, ferner
nach den Worten die Ernennung eines Drittels der Mitglieder
von Bezirks- und Landesvertretungen folgendes beschlagnahmt,'
nach Willkür der Regierung mit angekündigter Ausschaltung
der Opposition, also das Ende jeder wahren und unbeeinflußten
Volksvertretung. 4. Im Abschnitt das Ende des Landes Schlesien
folgende Worte: Da deutsche Minister und deutsche Parteien
diesem Unterdrückungssystem die Mauer machen. 5. Im
Abschnitt die Beamtengesetze die Worte: die den Deutschen
die letzte Hoffnung auf eine Besserung raubten. 6. Im Absatze
Deutsche Schulen das Wort gedrosselt. 7. Im Satze
die Enteignung deutschen Bodens das Wort deutschen.
Hiezu erlaube ich mir zu bemerken, daß
alle die beschlagnahmten Stellen wortwörtlich bereits am
5. Oktober 1927 in Nr. 79 der in Brüx herauskommenden Zeitungen
Volksruf, Norden, Brüxer Volkszeitung
und Deutschen Volkszeitung anstandslos erschienen
sind, daß ferner derselbe Auf ruf im Oktober des Vorjahres
in den meisten deutschböhmischen Tages und Wochenblättern,
u. a. auch in der Sudetendeutschen Tageszeitung, Tetschen, sowie
auch in den deutschen Blättern Nordmährens und Schlesiens
unbeschlagnahmt blieb und daß schließlich t sogar
ein Flugblatt, das die beschlagnahmten Stellen im gleichen Wortlaute
enthielt, vor den Gemeindewahlen im Oktober 1927 von der politischen
Zensurbehörde in Jägerndorf in keiner Weise beanständet
wurde. Es ist somit offenkundig, daß es sich im vorliegenden
Falle um eine willkürliche Schikane eines untergeordneten
Organes handelt, die bloß inszeniert wurde, um die Deutsche
Nationalpartei in ihrem Wahlkampfe zu schädigen. Die Behauptung,
daß durch die beschlagnahmten Stellen ein Delikt nach §
14 Abs. 5 des Schutzgesetzes begangen werde, ist allzu offensichtlich
bei den Haaren herbeigezogen, als daß sie ernst genommen
werden könnte. Es erweist sich wiederum, was wir schon so
oft behauptet und bewiesen haben, daß nämlich die Staatsanwaltschaft
in Troppau gegen die Deutsche Nationalpartei in einer geradezu
gehässigen Weise vorgeht, wie dies sonst im Bereiche keiner
anderen Staatsanwaltschaft der Republik der Fall ist.
Darum fragen die Gefertigten an:
Sind Sie, Herr Minister, bereit, an die Staatsanwaltschaft
in Troppau und an das Polizeikommissariat in Jägerndorf entsprechende
Weisungen bezüglich einer gerechten Handhabung der Zensur
herauszugeben oder decken Sie dieses unerhörte Vorgehen und
womit begründen Sie das? Werden Sie dafür sorgen, daß
die staatsgrundgesetzlich gewährleistete freie Meinungsäußerung
auch der Deutschen Nationalpartei in Jägerndorf in Hinkunft
gewährleistet werde? Werden Sie veranlassen, daß für
die beschlagnahmte Auflage der Flugzettel eine Entschädigung
geleistet wird?
In neuester Zeit wendet der Staatsanwalt und
die politische Behörde ihr Augenmerk auf das Organ des Sudetendeutschen
Landbundes, den Sudetendeutschen Bauernführer,
der zweimal nacheinander in recht mutwilliger Weise der Beschlagnahme
verfallen ist. Der eine Artikel, der sich mit der èechischslovakischen
Nationalbank befaßt und der mit Recht deren einseitiges
chauvinistisches Verhalten gegenüber den deutschen Landesbewohnern
kritisiert, wurde an zwei Stellen ein Opfer des Rotstiftes. Die
eine Stelle, die sich mit der Änderung der politischen Verhältnisse
befaßt heißt: Man nennt den Staat ja bereits
mit dem Namen und hält es gar nicht mehr für notwendig,
Ziel und Gegenstand nur in allgemeinen Ausdrücken zu bezeichnen.
Des weiteren aus dem Absatze:
Sollte es aber nicht das einzig richtige
sein, bereits jetzt, aus freien Stücken dem deutschen Volke
das zu geben, was ihm gebührt, als zu warten, bis die Ereignisse
mit rauher Hand die Richtigstellung vornehmen? Die Richtigstellung
kommt ganz offensichtlich mit Riesenschritten!
Die zweite Hälfte dieses Absatzes als
zu warten bis mit Riesenschritten wurde ein Opfer des Rotstiftes.
Hier kann man wohl annehmen, daß mangelndes Wollen und Engherzigkeit
des betreffenden Beamten Ursache der Beschlagnahme waren,
denn die Behauptung, daß hier gegen die Selbständigkeit
und verfassungsmäßige Einheitlichkeit des èechisch-slovakischen
Staates aufgewiegelt wird, kann kein vernünftig denkender
Mensch herauslesen.
Ein weiterer Aufsatz in derselben Nummer,
der unter Eingesendet einige Gedanken über die
Selbstverwaltung behandelt, hatte schwer unter der Sand des Zensors
zu leiden. Es ist geradezu unerhört, wie in den hier beschlagnahmten
Stellen es den Deutschen in der Èechoslovakei verübelt
werden soll, sich als Volk zu fühlen und
für ihre Freiheit zu kämpfen. Die Stellen lauten:
Die Èechen werden nun bald das Fest des zehnjährigen
Bestandes ihrer Republik feiern und da können auch wir eine
kurze Rückschau auf das halten, was wir in den zehn Jahren
erreicht haben. Hinter uns liegt der dornenvolle
Weg eines Knechtvolkes, den wir nun schon fast zehn Jahre gehen.
Welcher Deutsche gedächte nicht
gerne und mit Stolz jener Tage im Herbst 1918 und Frühling
1919, wo edle Freiheitsbegeisterung die Volksseele erfüllte.
Wo das Volk alles aufbot. nm die drohende Gefahr der Verknechtung
abzuwenden, wo Freiheitshelden ihr Leben für die Sache des
Volkes hingaben! Dies sind Ehrentage in der Geschichte unseres
Volkes.
Unglaublich ist es aber, wenn man folgende
Worte Ernst Moritz Arndt's beschlagnahmt, wenn man nicht einmal
stehen läßt, daß man mit Ernst Moritz Arndt überhaupt
etwas sagen möchte:
Mit Ernst Moritz Arndt möchte ich heute
sagen: Es sind elende und kalte Klügler aufgestanden
in diesen Tagen; die sprechen in der Nichtigkeit ihrer Herzen:
Vaterland und Freiheit, leere Namen ohne Sinn, schöne Klänge,
womit man die Einfältigen betört! Wo es dem Menschen
wohlgeht, da ist sein Vaterland; wo er am wenigsten geplagt wird,
da blüht seine Freiheit! Der Mensch aber soll lieben bis
in den Tod und von dieser Liebe nimmer lassen, noch scheiden.
Darum, o Mensch, hast du ein Vaterland, ein heilges Land, ein
geliebtes Land, eine Erde, wonach deine Sehnsucht ewig dichtet
und trachtet.
Wo dir Gottes Sonne zuerst erschien, wo dir
die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir
zuerst seine Allmacht offenbarten und dir seine Sturmwinde mit
heil'gem Schrecken durch die Seele brausten, da ist deine Liebe,
da ist dein Vaterland und seien es kahle Felsen und öde Inseln
und wohnen Armut und Mühe dort mit dir: du mußt das
Land ewig lieb haben, denn du bist ein Mensch und sollst es nicht
vergessen, sondern behalten in deinem Herzen. Auch ist die Freiheit
kein leerer Wahn und kein wüster Traum, sondern in ihr lebt
dein Mut und dein Stolz und die Gewißheit, daß du
vom Himmel stammst. Da ist die Freiheit, wo du leben darfst; wo
dich beglückt, was schon deine Eltern beglückte, wo
keine fremden Henker über dich gebieten und keine fremden
Treiber dich treiben, wie man das Vieh mit dem Stecken treibt.
Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das Allerheiligste auf
Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in sich
schließt, das edelste Gut, das ein Mensch auf Erden besitzt,
und zu besitzen begehrt!
Diese goldenen Worte schrieb Arndt zur Zeit
der napoleonischen Herrschaft und passen sie nicht auch auf unsere
Zeit? Und gerade diese Worte lassen mich wieder freudvoll hoffen:
Damals kam die Befreiung und sie muß auch uns wiederkommen
und unsere Befreier werden sein: der deutsche Gott, der gerade,
gesunde, deutsche Starksinn, die deutsche Tüchtigkeit und
die deutsche Treue!
Nur in der Freiheit kann der Mensch sich bilden!
Ein Volk - ein Reich!
Der Inhalt der hier wiedergegebenen beschlagnahmten
Stellen ist wohl Beweis genug, daß die Beschlagnahme eine
recht mutwillige war, daß sie sich nicht leiten ließ
von objektiver Beurteilung, sondern daß hier ein Attentat
geplant ist auf die ehrliche nationale Gesinnung einer deutschen
Zeitung, die man lediglich bewußt schädigen will.
Die Gefertigten fragen deshalb an:
1. Sind die Herren Minister geneigt sofort
zu veranlassen, daß die zensorierenden Stellen in Asch beauftragt
werden, die freie Meinungsäußerung im Sudetendeutschen
Bauernführer nicht in so unerhörter Weise zu beschränken?
2. Sind die Herren Minister geneigt sofort
untersuchen zu lassen, wer derartige Beschlagnahmen durchführt
und ob dem Betreffen den überhaupt die Fähigkeit für
die Beurteilung derartiger Fragen zugebilligt werden kann?
3. Sind die Herren Minister geneigt zu veranlassen,
daß die beschlagnahmte Zeitung für den ihr mutwillig
zugefügten Schaden entschädigt wird?
Im Verlage der deutschen national-sozialistischen
Arbeiterpartei in Aussig. Teplitzerstraße 20, erschien aus
Anlaß der Erinnerung des 4. März 1919, Anfang März
1928 die nicht periodische Druckschrift Gedenkrede zum 4.
März vom Abgeordneten Hugo Simm. Diese Druckschrift
enthält die Wiedergabe einer Gedenkrede, die der Abgeordnete
Hugo Simm im Jahre 1927 anläßlich der März-Gefallenen-Feier
in Reichenberg hielt.
Am 5. April 1928 erhielt das Sekretariat der
deutschen national-sozialistischen Arbeiterpartei vom Polizei-Kommissariat
in Aussig die Mitteilung, daß auf Grund des § 487 der
St. P. O. vom 23. Mai 1973 lt. S 14, Punkt 1 des Gesetzes vom
19. März 1925, diese Broschüre an 3 verschiedenen Stellen
konfisziert worden ist und das die Beschlagnahme dieser Broschüre
verfügt wurde. Gleichzeitig bestätigt das Polizei-Kommissariat
die Übernahme von 272 konfiszierten Exemplaren.
Die konfiszierten Stellen haben Folgenden Text:
Die für den Kampf um die Freiheit und Unabhängigkeit
des sudetendeutschen Volkes und Landes am 4. März 1919 gefallen
sind.
Anstatt uns im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes
orientieren und aufbauen zu lassen, besetzten die èechischen
Truppen unter dem Drucke der Entente die sudetendeutsche Heimat.
Mit der geschaffenen Nationalarmee, mit den hereinströmenden
Legionären, langten die Èechen aus, fast in jedem
deutschen Orte eine Dragonade zu legen. Vergebens
wandte sich die deutschböhmische Landesregierung nach Paris
an die ganze zivilisierte Welt, vergebens schickte man Proteste
ab. Am 12. Dezember 1918 mußte die deutschböhmische
Landesregierung, die in Reichenberg amtierte, flüchten. Inzwischen
hatten in Deutschösterreich die Wahlen in die definitive
Nationalversammlung stattgefunden. Am 4. März 1919 konstituierte
sich dieselbe. Das sudetendeutsche Volk, das wegen der Besetzung
seiner Gebiete keine Wahlen vornehmen konnte, wollte diesen Tag
zu einer letzten Protestaktion für das Selbstbestimmungsrecht
verwenden. Nochmals sollte der Wille unseres Volkes der Welt bekanntgegeben
werden. So kam es dazu, daß an diesem Tage Tausende und
aber Tausende unserer Volksgenossen in die Versammlungsräume,
auf die Plätze und Märkte der deutschen Städte
und Orte zogen, um gegen die Vergewaltigung Einspruch zu erheben,
die gegen alle Versicherungen ihnen geschehen sollte. Aber sie
wurden auseinandergejagt und es zeigte sich im sudetendeutschen
Verhältnis im Kleinen, was inzwischen im Großen durch
den Reparationsfrieden in Deutschland erkenntlich geworden war:
daß die Propaganda der 14 Punkte eine gleissnerische war,
nur zu dem Zwecke aufgetan, uns gläubig und damit waffenlos
und machtlos zu machen. Wenn einer noch hoffnungsvoll war, so
belehrten ihn die Schüsse des 4. März 1919 eines anderen.
Über 50 Sudetendeutsche starben an diesem
Tage im Glauben an ihr Volk. In Arnau, Aussig a. E., Eger, Freudenthal,
Kaaden, Mies, Karlsbad und Sternberg hauchten sie ihr Leben aus.
Mitten in einem neuen Frühling - wem steht der sonnige März
des Jahres 1919 nicht vor seinen Augen - geschah dies alles, inmitten
des neuen tausendfachen Quellens und Lebens der Knospen, des millionenfach
sich sonst aufzeigenden neuen Lebens in der Natur. Inmitten der
Zeit geschah dies, die so recht geeignet war, eine Zeit der Hoffnung
zu sein. Die Überprüfung der Ereignisse zeigte uns,
wie rechtlos wir uns machten, als wir uns machtlos machen ließen.
Ich will keine weitgehende Schlußfolgerung ziehen, aber
eines stand seit dem Tage klar, daß das sudetendeutsche
Volk von nun an einen langen Kampf zu führen haben würde,
einen Kampf, in dem die Selbstbehauptung und nur diese Programm
ist.
Dieses Bild steht vor unserer Seele auch
in der gegenwärtigen Zeit, da es keine einheitliche, staatspolitische
Tatsache ist, dieses Bild von dem Deutschland Von den Bergen
der Alpen, bis zu den Wogen der Meere, vom Hochland des Waskau
bis zur träumenden Tiefebene des östlichen Flachlandes,
das in sich geschlossen hält, die Gaue des Rheins,
die Herrlichkeiten Tirols und der Steiermark, des Salzkammergutes
und des bayerischen Hochgebirges, so gut wie die des deutschen
Mittelgebirges. Jenes Bild steht vor unserem geistigen Auge,
das aufzeigt die Zeugen der Vergangenheit unseres Volkes in Lübek
und Nürnberg, in Danzig und Straßburg, in Hildesheim
und Rothenburg, das aufzeigt die gewaltigen Dome und Münster,
die Marienburg an der Nogat, das Heidelberger Schloß, so
gut wie die geschichtlichen Denkwürdigkeiten der alten Stauffenstadt
Eger, und andere Schönheiten unserer engen Heimat. Und es
kann uns nicht vewehrt werden, daß beim Erschauen dieses
Bildes unser Herz überströmt, daß wir im Schauen
desselben unsere gesamte deutsche Heimat in den gezeichneten Grenzen
und das Volk in ihr lieben. Und es kann nicht verhindert werden,
daß wir uns jeder die Frage vorlegen, ob uns nicht jedem
im Volke ein Amt wird, zu helfen, daß wir vorwärtskommen.
Wer dazu helfen will, weite sein Herz und rüste sich zur
rettenden Tat, indem er sich vorhält, erkennen sei viel,
der Wille sei alles. So siegen wir und so kommen wir zu unserer
Freiheit.
Die unterzeichnetem lnterpellantem fragen den
Herrn Minister des Innern an, ob er mit der Auffassung der Zensurbehörde
in Aussig übereinstimmt, daß der Inhalt dieser Broschüre
ein Vergehen nach § 14 Punkt 1 des Schutzgesetzes darstellt.
Da die Broschüre, wie aus der Einleitung klar und deutlich
hervorgeht, nichts anderes beinhaltet, als ein würdiges Gedächtnis
der Erinnerung an die Märzgefallenen aufrecht zu erhalten,
sind wir der Ansicht, daß die Konfiskation dieser Broschüre
unrecht war und fragen den Herrn Minister des Innern an: Ist der
Herr Minister des Innern bereit, die Aufhebung der Konfiskation
und die Rückerstattung der beschlagnahmten 212 Exemplare,
der obgenannten Druckschrift Gedenkrede zum 4. März
zu veranlassen?
Die Polizeidirektion Aussig hat in Ausübung
der Pressezensur aus der periodischen Druckschrift Der Tag
Folge 45 von Samstag den 3. Lenzmond 1928 folgende Stellen beschlagnahmt:
Neun Jahre modern ihre Leiber schon in
dunkelbrauner Erde
Und frische Blumen werden bald auf ihren Gräbern
blühn
Die Male ihrer Wunden leuchten brennend rot, wie
offne Lippen,
Und Ströme heisser Qual und herben Schmerzes
gehen davon aus.
Hört es!
Ihr toten Söhne eines leidgeprüften Volkes,
Ihr Frauen, Mütter, Kinder, Greise,
Ihr blutgen Opfer jenes vierten März;
Wir stehen ein Volk, an Eueren Gräbern,
Ein Volk von Millionen deutschen Brüdern,
An deren Händen Ketten klirren.
Und wir ein Brudervolk in Leid und Schmerz,
Trotz Ketten ringen wir die Faust gen. Himmel
Zum Schwur der Treue und des Glaubens:
Wir wolln das Wort nicht brechen,
Nicht Buben werden gleich,
Wolln predigen und sprechen...
Neun Jahre modern ihre Leiber schon in dunkel
brauner Erde,
Und frische Blumen werden bald auf ihren Gräbern
blühn,
Die Male ihrer Wunden leuchten brennend rot, wie
junge Lippen,
Und Ströme starken Muts und großer Freude gehen
davon aus...
Max Karg. |
Von Deinen Toten bist Du bewacht, teueres Land!
Sie schweben um Dich in jeder Nacht
Und wirken aus ihrer geheimen Macht
Aus Glut und Blut, aus Brand und schlacht
Ein Band von ewigen Bestand.
Karl Bröger. |
Wir weihen Wehr und Waffen
Und Haupt und Herz und Hand!
Laß nicht zu Schanden werden
Dein lichtes Volk der Erden
Und meiner Mutter Land!
Dr. Ernst Leibl. |
Außer dem aus den Artikeln Sudetendeutscher
Trauertag:
Zu den Märzkundgebungen der sudetendeutschen
Bevölkerung gab Prag an seine vereinsamten militärischen
Posten in den deutschen Städten schärfste Befehle
heraus. So kam, was kommen mußte. In sieben Städten
feuerten èechische Gewehre und Maschinengewehre gleichzeitig
in die wehrlose Menge, die sich keinerlei öffentlicher Gewalttätigkeit,
nicht einmal einer Drohung schuldig gemacht
hatte. Im Glauben an Volk und Heimat sanken die sudetendeutschen
Märtyrer dahin. Neun Jahre sind unterdessen vergangen. Wenn
auch eine Gruppe sudetendeutscher Parlamentarier heute mit den
èechischen Machthabern politische Geschäfte abschliessen
möchte, in den Massen der Sudetendeutschen
ohne Unterschied von Partei und Klasse lebt die Erinnerung an
den 4. März 1919 fort.
Der Trauertag, den die Sudetendeutschen im
Inund Auslande am 4. März in Würde begehen, erneuert
in den Herzen das tiefste Gelöbnis, mit Aufgebot aller Abwehrkräfte
die geschichtliche Sendung als deutsches Grenzland zu erfüllen.
Die Beschlagnahme der obangeführten Gedichte
und der Artikelstelle erscheint uns umso ungerechter, da sie in
ruhiger und würdevoller Weise das Andenken an die unschuldigen
Opfer des 4. März 1919 ehren. Gerade der Zensor der Polizeidirektion
Aussig befleißigt sich in dieser Beziehung einer Zensurpraxis,
wie sie in anderen Städten nicht geübt wird und wie
sie die Bevölkerung infolgedessen auch nicht gewohnt ist.
Da schon wiederholte Beschwerden hierüber erfolglos geblieben
sind, richten wir neuerdings an den Herrn Justizminister die Anfrage:
1. Hält der Herr Justizminister eine Zensurpraxis
wie die vorliegend geschilderte wirklich für notwendig oder
gar für ersprieslich und billigt er dieselbe?
2. Ist der Herr Justizminister bereit, bezüglich
der Zensurpraxis Weisungen zu geben, die eine objektivere Art
der Zensur für die Zukunft vorsehen und gewährleisten?
Im Jänner 1928 wurde von verschiedenen
Vorständen der Postämter, darunter auch vom Vorstand
des Postamtes I. in Aussig verlautbart, daß alle Postbeamten
und Postangestellten verpflichtet wären, dem èechoslovakischen
Roten Kreuz beizutreten. Wer sich weigert, diesen Beitritt zu
vollziehen, der habe die Gründe hiefür
schriftlich dem Vorstande bekanntzugeben.
Es ist mir nicht unbekannt, daß die Prager
Postdirektion im Amtsblatt Nr. 42 vom 16. Dezember 1927 unter
Zahl 297941/P/1927 einen Präsidial-Erlaß an alle Postämter
herausgegeben hat, der folgenden Inhalt aufweist:
Èechosl. Rotes Kreuz, Anmeldungen der Postangestellten
als Mitglieder.
Im Jahre 1927 wurden im Bereiche der Prager Postdirektion 7279
Postangestellte Mitglieder des Èechosl. R. K.
Die Direktion der èechischen Division (böhmischen)
der Gesellschaft vom Èechosl. R. K. hat wiederum allen
Postangestellten den herzlichsten Dank ausgesprochen, die sich
in den Reihen des Èechosl. R. K. befinden und zwar für
ihre moralische und finanzielle Unterstützung, die sie so
in wirklichen und bedeutendem Verständnisse
für die sozial-sanitäre Arbeit des Èechosl. R.
K. gewähren.
Die Postdirektion verdolmetscht in Ausführung
einer angenehmen Pflicht diesen Dank allen ihren Angestellten
und erwartet, daß im Jubiläumsjahre 1928, in dem die
ersten 10 Jahre des Bestehens des Èechosl. R. K.
enden, sich alle die als beitragende Mitglieder des R. K. melden,
die es bisher noch nicht getan haben.
Es ist direkt ein Befehl der Pflicht, daß jeder Angehörige
der l:. S. R. Mitglied des Èechosl. R. K. wird und ihm
durch den geringen Beitrag von Kè 6.- jährlich, zur
Erfüllung seiner gesteckten Aufgaben hilft.
Wir fordern daher wiederum alle Vorstände der Ämter
und Dienststellen auf, den dortigen Angestellten zu empfehlen,
beitragende Mitglieder des Èechosl. R. K. zu werden soweit
sie dies bisher noch nicht getan haben.
Die Sammelaktion ist sicher im Laufe des Monates
Januar 1928 genau nach den Richtlinien und Anleitungen durchzuführen,
die mit hä. Erlaß vom 5. Jänner 1926, Zl. 268469/P/1924
im Amtsblatt 3/1925 gegeben wurden, jedoch mit der Änderung,
daß die Amtskassa den Betrag der eingehobenen Beiträge
in der Kassarechnung für Jänner 1928 zu Rubrik 67/ Einlagen
verrechnet.
Die neuangemeldeten Mitglieder sind auffalend
im der Anmerkungsspalte des Mitgliederverzeichnisses zu verzeichnen,
damit ihnen die Legitimationen zugestellt werden können.
Prag, den 28. November 1927.
Dieser Erlaß enthält eine solche
Reihe von unklaren Redewendungen, daß er wahrscheinlich
von einigen Amtsvorständen zu obiger Aufforderung an die
Postbeamten und Postangestellten mißbräuchlich verwendet
wurde. Wenn in einem amtlichen Erlaß eine Redewendung erscheint,
wie die: Es ist direkt ein Befehl der Pflicht, dann
ist es ganz klar, daß man beim flüchtigen Lesen dies
als einen Befehl der Postdirektion auffassen muß, demzufolge
einzelne Amtsvorstände gehandelt haben mögen.
Demgegenüber verweise ich darauf, daß die Zugehörigkeit
zum Èechosl. Roten Kreuz für die Sudetendeutschen
auch heute noch außerordentlich schwierig ist, weil das
Èahosl. R. K. noch immer die Forderungen aller sudetendeutschen
Parteien, in der Leitung des Èechosl: Roten Kreuzes auch
die Sudetendeutschen gehörig zur Vertretung gelangen zu lassen,
nicht erfüllt, ja sogar die Mindestforderungen der
deutschen Unterhändler seinerzeit glatt abgelehnt hat und
somit die deutsche Mitarbeit als zunächst unmöglich
und offensichtlich unerwünscht qualifizierte.
Für den Geist, der leider in den nordböhmischen Ortsgruppen
des Èechosl. Roten Kreuzes herrscht; ist
es bezeichnend, daß in einem Werbeschreiben u. a. folgende
Sätze vorkamen: Kennen Sie unsere Armut und wirtschaftliche
Abhängigkeit?... um wieviel glücklicher sind gegenüber
unsern Kindern ihre Mitschüler deutscher Volkszugehörigkeit,
mit ihren Einrichtungen von reichen Stiftungen und glänzend
ausgestatteten sozialen Fürsorgen.... Verübeln Sie uns
nicht, wenn wir Sie flehentlich bitten, uns zu helfen, das èechische
Kind am Fuße des Erzgebirges in sozialer und gesundheitlicher
Hinsicht zu retten.
Unserer Ansicht nach, ist das Rote Kreuz eine
Organisation, die nicht nur Verständnis für die Zusammenarbeit
der Nationen haben müßte, sondern die vor allem in
einer sachlichen und nationelen Art der Verständigung ihr
Ziel erblicken müßte. Dies ist aber, wie oben
angeführt, durchaus nicht der Fall und deshalb müssen
die Sudetendeutschen es ablehnen, in dieser Organisation mitzuarbeiten,
solange nicht tatsächlich den berechtigten Forderungen auf
gleichwertige Behandlung der Sudetendeutschen durch Èechosl.
Rote Kreuz nachgekommen worden ist.
Bei diesem Anlasse muß ich noch auf die,
im oben angeführten Erlasse vom 16. Dezember 1927 enthaltenen
Weisungen, daß die Amtskassiere den Betrag der eingehobenen
Beiträge in der Kassarechnung für Jänner 1928 zu
Rubrik 67/Einlagen zu verrechnen haben, aufmerksam machen. - Die
Direktionen machen wiederholt auf einen ErIaß des Ministeriums
aufmerksam, der übrigens für alle Staatsämter und
Betriebe gilt, daß das Sammeln von Mitgliedsbeiträgen
usw. von Amtswegen, verboten ist. So z. B. wird es nicht gestattet,
daß die auszahlenden Postkassiere, die den Gehalt liquidieren,
die Gewerkschafts- oder andere Beiträge sofort abziehen.
In dem obzitierten Erlasse aber werden die Postkassiere aufgefordert,
die Beiträge mit der Kassarechnung zur Rubrik 67/Einlagen
zu verrechnen. Es ist also offenkundig, daß jener Erlaß
vom 16. Dezember 1927, entgegen den Bestimmungen des Erlasses
des Ministeriums, betreffend das Verbot des Sammelns von Mitgliedsbeiträgen
im Amtswege, ist.
Aus allen angeführten Gründen frage
ich den Herrn Minister für Post- und Telegraphenwesen an,
ob er geneigt ist:
1. den Erlaß der Prager Postdirektion vom 16. Dezember 1927,
betreffend die Mitgliederwerbung und den Beitragsabzug im Verrechnungswege
für das Èechosl. Rote Kreuz einer
Prüfung zu unterziehen,
2. die Amtsvorstände und insbesondere den Amtsvorstand des
Postamtes I. in Aussig zu belehren, daß sie nicht das Recht
haben, Postbeamten und Postangestellte, welche dem Èechosl.
Roten Kreuz nicht beizutreten wünschen, aufzufordern,
die Gründe hiefür schriftlich oder mündlich dem
Amtsvorstande bekanntzugeben?