Anfang Jänner 1928 endete der Notar Leo
Veit aus Tannwald durch Selbstmord. Wenn auch schon während
der letzten Monate oder Jahre seiner Amfstätigkeit im Amtsorte
Gerüchte im Umlauf waren, welche die Geschäftsgebahrung
des Genannten nicht als einwandfrei und seine Vermögensveraltnisse
nicht in Ordnung wissen wollten, so waren dieselben damals doch
nicht genügend legitimiert, als da sie den Gegenstand peinlicher
Untersuchungen bezw. vorsichtiger Verwendung des Notariates in
Tannwald durch die Parteien zur Folge haben mußten. Die
nach dem Tode des Notars Leo Veit vorgenommene amtliche Revision
aber hat nun tatsächlich in seiner Amtsführung Mängel
ergeben, soda die Gerüchte eine Bestätigung fanden.
Ja es sind alle geäuerten Mutmaungen über den Umfang
der geschehenen Unregelmäigkeiten im Notariate leider um
ein vielfaches übertroffen und die Zustände zum Schaden
der Partei geradezu katastrophal. Veit hat seine amtliche Stellung
in betrügerischer Weise ausgenützt. Einzelne seiner
Parteien deponierten bei ihm gröere und kleinere Summen unter
verschiedenen Titeln, wie Kaufpreis, Verlassenschaften, Erbsgebühren,
Legate usw. und von der weitausgröten Zahl der Geschädigten
forderte er weiter unter Hinweis auf erhaltene behördliche
Weisungen und Instruktionen z. Beispiel beim Verkaufen von Realitäten
Sicherstellung der Wertzuwachsabgabe, ohne alle diese Depots ihrer
Bestimmung zuzuführen. Die Verfehlungen gehen auf Jahre zurück
und es kamen bei ihrer Verheimlichung die langsamen behördlichen
Vorschreibungen insbesondere bei der Wertzuwachsabgabe schwer
zu statten. Von dem Landesinspektorate, an welches sich die durch
die Veruntereuung Betroffenen nach dem Tode des Notars wandten,
erfolgte der Bescheid, da der insbesonders in Sachen der Wertzuwachsabgabe
erfolgte Erlag von Geldern ein Geschäft durchaus privatrechtlicher
Natur ist und eine Ersatzpflicht des Staates hiefür nicht
besteht. Würde von dieser Auffassung nicht abgegangen werden,
würde die Wirkung für die Parteien eine geradezu katastrophale
sein.
Wenn nun auch keine wie immer geartete Ersatzverpflichtung
vorliegt, glauben wir doch, da Manahmen zum Schutze der Geschädigten
getroffen werden müssen. Die Interpellanten, welche die Aufmerksamkeit
des Herrn Ministers auf diesen Fall sich zu lenken gestatten,
fragen ihn an:
1) Was gedenkt der Herr Minister im Falle des
Notars Leo Veit zum Schutze der von diesem Geschädigten zu
tun?
2) Ist er bereit, sich mit den zuständigen
Stellen in Verbindung zu setzen, um die leidigen Vorkommisse in
einer Form beizulegen?
3) Ist er bereit, sich vor Allem mit dem Landesinspektorate
für Landesabgaben, bezw. mit dem Landesverwaltungsausschu
in der Richtung zu verständigen, da bis zur Klärung
in dieser Frage jede neuerliche Hereintrebung der unterschlagenen
Gelder unterlassen wird?
Prag, den
12. Juni 1928.
Die Stadt Trautenau bildet mit den engangegliederten
Stadtteilen Oberaltstadt und Parchnitz ein wirtschaftliches Ganzes,
welches nach der letzten amtlichen Volkszählung 20.998 Einwohner
hat, welche Zahl bis zum heutigen Tage noch wesentlich gestiegen
ist. Es fehlt demzufolge nur eine ganz geringe Einwohnerzahl,
um in die Gruppe B nach dem § 12 des Gehaltsgesetzes Absatz
7 eingereiht werden. Die Stadt Trautenau liegt am Ausgang des
Riesengebirges in der Nähe von Johannisbad und hat dieselben
Teuerungsverhältnisse, durch die das Riesengebirge bekannt
ist. Durch diese herrschende Teuerung ist die Beamtenschaft von
Trautenau und den umgebenden Orten in eine sehr schwere wirtschaftliche
Lage geraten, soda die Umreihung von Trautenau und der umgebenden
Orte in die Gruppe B sowohl gerechtfertigt, als auch dringend
notwendig wäre. Es sei auch erwähnt, da die Stadt
Trautenau von den wirtschaftlich reichen Gebieten von Königgrätz
und Jaromìø entfernt liegt und die Lebensmittel
unter beträchtlicher Teuerung aus diesen Gebieten beziehen
mu. Es liegt im öffentlichen Interesse
und nicht zuletzt im Interesse des Staates und der Erhaltung der
Arbeitskraft und Arbeitsfreude der Beamtenschaft, diesen in ihrer
schweren wirtschaftlichen Lage beizustehen.
Die Interpellanten fragen daher den Herrn Minister
an:
Ist er bereit, in Anbetracht obgenannter Gründe
die Staats-und öffentlichen Beamten, professoren, Lehrer
und Angestellten aller Ämter und Kategorien, sowie Eisenbahner
und Postler von Trautenau und den umliegenden Orten in die Gruppe
B nach dem § 12 des Gehaltsgesetzes Absatz 7 einzureihen?
Prag, den
12. Juni 1928.
Infolge der schlechten Eisenbahnverbindungen in den gebirgigen
und abseits des Hauptverkehres gelegenen Gebieten der Èechoslovakei
und der damit verbundenen groen Zeitverluste
bei Benützung der Eisenbahnen gehen die einzelnen Firmen
in immer gröerem Umfange dazu über, ihre Handelsvertreter
in Kraftfahrzeugen reisen zu lassen. Die Fälle häufen
sich in erschreckender Zahl, da Reisende im Dienstauto und mit
dem Motorrade oder auch mit den zu Dienstreisen verwendeten Privatautos
in Ausübung ihres Vertreterberufes schwer, ja oft tödlich
verunglücken. Es mute leider in den meisten Fällen festgestellt
werden, da diese Reisenden seitens ihrer Firmen gegen solche vorkommende
Unfälle und deren Folgen in keiner Weise versichert waren.
Das Automobilhaftpflichtgesetz vom 9. August 1908 ist veraltet,
für die gegenwärtigen Verkehrsverhältnisse unzureichlich
und sieht einen gesetzlichen Unfallversicherungszwang der in obgenanntem
Sinne beschäftigten Vertreter durch die Firmen nicht vor.
So wie jeder Arbeitgeber seine Betriebsangestellten und Arbeiter
gegen Unfall versichern mu, erscheint es als soziale Fürsorgepflicht
des Staates, da jene Firmen, welche die Kundschaft durch ihre
Reisenden in Kraftfahrzeugen besuchen lassen, gesetzlich verpflichtet
werden, die Letzteren gegen vorkommende Unfälle und deren
Folgen entsprechend zu versichern.
Die Interpellanten fragen daher den Herrn Minister
an:
Ist er geneigt, dem Parlamente ehestens einen
Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch Berufsreisende, die im Auftrag
ihrer Firma Motorfahrzeuge benützen, für den Fall von
Unfällen durch die Firmen zwangsläufig versichert werden.
Dieser Gesetzentwurf könnte sinngemä in Verbindung mit
einer dringend notwendigen Novellierung des bereits veralteten
Automobilhaftpflichtgesetzes vom Jahre 1908 gebracht werden?
Prag, den
12. Juni 1928.
Aus der Alters- und Inveliditätsversicherung
sind alle jenen Personen ausgeschlossen, die am 1. Juni 1926 das
60. Lebensjahr erreicht hatten. Um auch für diese Personen
Vorsorge zu treffen, hat das Gesetz am 16. Dezember 1921, Nr.
483, für Zwecke der Sozialversicherung, einen Betrag von
130 Millionen Kronen bestimmt. Gemä § 2 diese Gesetzes,
hat dieser Betrag vor allem zur Unterstützung solcher Personen
zu dienen, welche in die Sozialversicherung nicht aufgenommen
werden können, weil sie das gesetzmäige Alter von 60
Jahren bereits überschritten hatten. Demzufolge hat auch
die Regierung im Jahre 1926 den entsprechenden Gesetzesentwurf
für überalterte Personen vorgelegt, der anordnet, da
alle vermögenslossen Personen von über 60 Jahren, die
keine Rente von der Sozialversicherung beziehen, eine staatliche
Rente von Kè 500 jährlich bekommen sollen.
Am 14. Mai 1926 hat die Regierung dem Abgeordnetenhause
mit Druck Nr. 279 einen neuen Entwurf unterbreitet, der die staatliche
Unterstützung auf die Hälfte verringert und überdies
davon abhängig macht, da der Rentenempfänger in einer
Armenunterstützung steht. Dieser Entwurf wurde von allen
Parteien in gleichem Mae abgelehnt, da er dem Zwecke keinesfalls
entspricht. Die Versorgung überalteter Personen ist nicht
nur eine selbstverständliche Pflicht sozialer Gerechtigkeit,
sondern entspricht auch den Intentionen der Gesetzgeber, als die
Sozialversicherung beschlossen worden ist. Im Motivenbericht zur
Sozialversicherung (Regierungsvorlage Druck Nr. 4186) wurde über
die Versicherung der über 60 Jahre alten Personen folgendes
gesagt:
Deshalb hat die Vorlage den Gedanken der staatlichen
Versorgung abgelehnt. Völlig lät sie sich jedoch nicht
ausschlieen. Auch das Versicherungssystem hat nämlich seine
Grenzen. Man kann in dieselbe aus Gründen der Zweckmäigkeit
und aus Ursachen einer überaus groen Belastung, welche dadurch
den Versicherten zugefügt würde, nicht Personen aufnehmen,
welche ein bestimmtes Alter überschritten haben. Bei uns
sind nach der Vorlage aus der Invaliden- und Alters-versicherung
jene Personen ausgenommen, welche erst in die Versicherung nach
vollendetem 60. Lebensjahre eintreten würden. Aber auch für
diese mu gesorgt werden. Dies geschieht gerade in der Form einer
Versorgung, welche in diesem Falle durch den Umstand ermöglicht
ist, da es sich nur um eine Übergangsgeneration handelt und
daher um eine Institution, deren Aufwand nicht wachsen, sondern
nach und nach sich vermindern wird. Die bezügliche Vorlage,
welche die Regierung in kurzer Zeit vorlegen wird, wird zusammen
mit diesem Antrag und mit der Vorlage, betreffend die Versicherung
der selbständig erwerbstätigen Personen, ein einheitliches
Ganzes bilden.
Aus dem Wortlaut des Motivberichtes geht also
klar hervor, da:
1. die Gesetzgeber der Auffassung waren da
für diejenigen Arbeiter, die das 60. Lebensjahr überschritten
hatten, unbedingt gesorgt werden müsse,
2. da die Regierungsparteien eine diesbezügliche
Vorlage in kurzer Zeit dem Abgeordnetenhause vorlegen werden und
da diese Vorlage mit dem Gesetz, betreffend die Versicherung der
Arbeitnehmer für den Fall von Krankheit, Invalidität
und Alter, ein einheitliches Ganzes bilden wird,
3. da die Versicherung der über 60 Jahre
alten Personen, deshalb gesondert von der Sozialversicherung ermöglicht
wird, weil es sich nur um eine Übergangsgeneration handelt
und daher der nötige Aufwand nicht wachsen, sondern nach
und nach sich vermindern wird.
Die Regierung hat zwar, wie oben erwähnt,
dem Abgeordnetenhause eine diesbezügliche Vorlage unterbreitet,
ist aber auf den energischesten Widerstand sämtlicher Parteien
gestoen, soda die Regierung verpflichtet gewesen wäre, eine
neue Vorlage einzubringen, wenn sie nicht eine der von verschiedenen
Parteien eingebrachten Vorlagen als Grundlage für die Verhandlungen
wählen wollte.
Durch das Gesetz, betreffend die Neuregelung
der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungskörper
vom 15. Juni 1927, Nr. 77, wurden den Gemeinden, Bezirken und
Ländern derartige Einschänkungen ihrer finanziellen
Einnahmen auferlegt, da es ein Gebot der Pflicht ist, den Gemeinden
durch die Versicherung der über 60 Jahre alten Personen den
gröten Teil der Lasten abzunehmen, die sie jetzt zur Verpflegung
der Gemeindearmen aufbringen müssen.
Aus allen angeführten Gründen fragen
die Interpellanten den Herrn Minister für soziale Fürsorge
an, ob er geneigt ist, dem Abgeordnetenhause noch in der Frühjahrs-Session
eine Regelungs-Vorlage, betreffend die Versicherung der überalterten
Personen zu unterbreiten?
Prag, am 14.
Juni 1928.
Der Landesverwaltungsausschu für Böhmen
hat bei Überprüfung der Voranschläge der Bezirksverwaltungskommissionen
die in diesen Voranschlägen für die Förderung des
Feuerwehrwesens und die einheitliche Ausgestaltung der Feuerschutz-
und Feuerlöschmanahmen in den Bezirken eingesetzten Beträge
gestrichen. Der Landesverwaltungsausschu stellt sich dabei auf
den Standpunkt, da nach § 1 der Feuerpolizeiordnung vom 25.
Mai 1876 die Sorge um die Feuersicherheit in den selbständigen
Wirkungskreis der Gemeinden und nicht in jenen der Bezirke fällt,
soda den diesen jahrelang gewährten Unterstützungen
der Rechtstitel abgehen soll. Der Erla des Landesverwaltungsausschusses
Zahl 116.427/III/27 will aus den Bezirksvoranschlägen alle
Zuwendungen streichen, zu denen die Bezirke rechtlich nicht verpflichtet
sind.
Im Gegensatze dazu steht, da der frühere
Landesausschu und jetzige Landesverwaltungsausschu selbst wiederholt
die Anregung gegeben und Richtlinien erlassen hat, nach denen
die Bezirke, bezw. die Bezirksverwaltungskommissionen, das Feuerschutzwesen
im Bezirke einheitlich auszubilden bestrebt sein sollen und dem
Feuerwehrwesen die gröte Aufmerksamkeit und materielle Unterstützung
angedeihen lassen mögen. In demselben Sinne wurden auch die
Bezirke zur Erstattung von statistischen Jahresberichten über
die im Bezine vorhandenen Löschmittel und bestehenden Feuerwehren
verpflichtet, sowie auch von ihnen die Begutachtung der Ansuchen
um Unterstützungen aus dem sachlichen Feuerwehrfonde und
ihre Mithilfe bei Gewährung diesen Beihilfen und beim Nachweis
über die Verwendung derselben gefordert wurde. Der Bescheid
des Landesverwaltungsausschusses vom 27. Feber 1926, Zahl 17.609/V/26,
der auch dem Feuerwehrlandesverbande zur Kenntnisnahme und auch
wohl zur Darnachachtung eingeschickt wurde, sagt weiters Nach
der Feuerpolizeiordnung sind die Gemeinden verpflichtet, den Nachbargemeinden
im Brandfalle Hilfe zu leisten. Die Entschädigung für
Vorspannleistungen zahlen zwecks gerechter Verteilung fast ausschlielich
die autonomen Bezirke. Diese Angelegenheit erfordert eine einheitliche
Regelung und zwar in dem Sinne, da die Bezirke allen Feuerwehren,
die in irgend einer Gemeinde des zuständigen Bezirkes ihren
Sitz haben, die Auslagen für die Vorspannleistung ersetzen
und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Wehr zur Hilfe in
eine Gemeinde des eigenen oder des fremden Bezirkes ausfährt.
Im Interesse der Erhaltung und weiteren Ausbildung
des Feuerlöschwesens ist es dringend geboten, da die Bezirke
ihre finanzielle Unterstützung nicht einstellen.
Die Interpellanten fragen daher an:
Ist der Herr Minister des Innern bereit, den
Landesverwaltungsausschu zu beauftragen, bei der Überprüfung
der Voranschläge der Bezirksverwaltungskommissionen die in
diesen Voranschlägen für die Förderung des Feuerwehrwesens
und für die einheitliche Ausgestaltung der Feuerschutz- und
Feuerlöschmanahmen in den Bezirken eingesetzten Beträge
nicht abzustreichen?
Im Gegenteil wird der Landesverwaltungsausschu
beauftragt werden, mit gröter Gewissenhaftigkeit die Ausbildung
und Entwicklung des Feuerlöschwesens zu verfolgen und möglichst
zu unterstützen?
Prag, den
12. Juni 1928.
Zur Beteiligung bei der Gesamtstaatlichen Ausstellung
für zeitgenössische Kultur in Brünn wurde seitens
der tschechische Veranstalter auch die Deutschen der Republik
eingeladen, in der richtigen Erwägung, da dadurch dem fremdländischen
Besucher am besten die Konsolidierung des neuen Staates und die
Zufriedenheit der deutschen Minderheit in diesem Staate vorgetäuscht
werden kann. Die Deutschen sind wie immer auch auf diese Leimrute
gegangen und haben zur höheren Ehre des tschechischen Namens
das Menschenmöglichste für die Ausstellung geleistet.
Der Dank wurde ihnen schon bei der Eröffnung der Ausstellung
dadurch erteilt, da der stellvertretende Ministerpräsident
P. Šrámek es nicht der Mühe wert fand, in seiner
Rede auch der Deutschen Mitarbeit zu erwähnen und der deutschen
Beteiligung mit einigen deutschen Worten Rechnung zu tragen, obwohl
in der jetzigen Regierung auch 2 deutsche Minister sitzen und
in der Regierungserklärung das schöne, täuschende
Wort von den Gleichen unter Gleichen vorkam.
Es ist bei dieser Haltung des derzeitgen Regierungschefs
allerdings nicht zu verwundern, wenn auch die oberste Postverwaltung
in änhlichen Bahnen wandelt. Bei den verschiedenen Ausstellungen
und ähnlichen Veranstaltungen werden auch immer die Poststempel
zu Reklamzwekken benützt. Das geschah auch diesmal und werden
in Prag un Brünn Poststempel verwendet, welche folgende Aufschift
tragen:
Výstava Soudobé Kultury
Brno 26.V. - 30.IX.1928.
Exposition De La Culture
Contemporaine.
Das Vorgehen der Postverwaltung, den Stempel
tschechisch-französisch, nicht aber deutsch zu machen, ist
nicht blo an sich lächerlich, es ist zugleich auch eine schwere
Beleidigung des deutschen Volkes. Obwohl es sich um eine Ausstellung
handelt, bei der die Dutschen werktätigst mitarbeiten, obwohl
die Deutschen ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen
und einen bedeutenden Kulturfaktor in diesem Staate darstellen
und obwohl ihre Vetreter in der Regierung sitzen, findet man es
nicht der Mühe wert, einen Poststempel auch mit deutschem
Texte zu verwenden. Richtigerweise müten die Deutschen, wenn
sie Gleiches mit Gleichem vergelten wollten, diese schwere Brüskierung
mit dem sofortigen Boykott der Ausstellung beantworten. Es könnten
dann ja die Veranstalter an ihrer Stelle die verhätschelten
Franzosen zur Beteiligung auffordern und diese dann die entstandenen
Lücken an Ausstellern und Besucher ausfüllen.
Die Gefertigten fragen daher den Vorsitzenden
der Regierung:
Wie verantworten Sie es, da die Deutschen bei
der Gesamtstaatlichen Ausstellung für zeitgenössische
Kultur in Brünn von der Regierung so brüskiert wurden,
indem der Minsiter Šrámek als Vertreter der Regierung
es nicht für notwendig hielt, in seiner Ansprache auch einige
deutsche Worte zu gebrauchen? Wieso kommt es, da die Postverwaltung
in ihren Reklampoststempeln von Brünn und Prag wohl die französische,
nicht aber die deutsche Sprache mitverwendet? Sind Sie gewillt,
diese Poststempel sofort einzuziehen und durch geeignete, auch
mit deutschem Texte zu ersetzen?
Prag, am 20.
Juni 1928.
Durch das Gesetz vom 24. Juni 1926, Nr. 103
wurden alle bis dahin bestehenden Vorschriften, mit denen der
Anspruch auf Anrechnung einer bestimmten Zeit für die Vorrückung
in höhere Bezüge zuerkannt wurde, aufgehoben.
Weiter in Geltung blieben lediglich die Vorschriften über
die Anrechnung des Dienstes in den èechoslovakischen Legionen.
Unter Berufung auf obgenanntes Gesetz wurden
seither allen Anwärtern für das Mittelschullehramt,
die zu Professoren nach § 70 des Gesetzes ernannt wurden,
weder die tatsächtlich zugebrachte Kriegsdienstzeit noch
irgendwelche Kriegszuschläge angerechnet. Aber auch die Dienstzeit
als supplierender Professor, als Assistent an einer Hochschule,
als Lehrer an einer Schule niederer Kategorie und die an nichtstaatlichen
den staatlichen Mittelschulen gleichgestellten Anstalten zugebrachte
Dienstzeit wurde nicht angerechnet.
Die Regierung wurde nun durch § 142 Absatz
2 des Gesetzes Nr. 103 verpflichtet, durch eine Verordnung zu
bestimmen, wann und in welchem Umfange für die Gehaltserhöhung
ein bestimmter Dienst in einem anderen Dienstverhältnisse
oder in einer anderen Beschäftigung angerechnet wird. Seit
der Veröffentlichung des Gesetzes sind bereits 2 Jahre verflossen
und die Regierung ist ihrer Verpflichtung zur Erlassung dieser
Verordnung noch nicht nachgekommen. Eine groe Anzahl seither ernannter
Professoren wurden dadurch empfindlich geschädigt.
Die Interpellanten fragen daher den Herrn Minister
an:
1-) Ist er bereit, dafür zu sorgen, da
obgenannte Verordnung ehestens erlassen wird?
2.) Ist er bereit, darauf Einflu zu nehmen,
da in dieser Verordnung genaue Bestimmungen aufgenommen werden,
welche den Anwärtern für das Mittelschullehreramt bei
der Ernennung zu Professoren die Einrechnung der Dienstzeit als
supplierender Professor, als Assistent an einer Hochschule, als
Lehrer an einer Schule niederer Kategorie, sowie an nichtstaatlichen
Mittelschulen, die den staatlichen Mittelschulen gleichgestellt
sind, in einem betimmten Umfange angerechnet wird, unbeschadet
jener anzurechnenden Kriegsdienstjahre, die allen staatlichen
Angestellten angerechnet werden?
Prag, den
8. Juni 1928.
Die Staatsanwaltschaft Troppau hat in Nr. 2
vom Februar 1928 der in Troppau erscheinenden periodischen Druckschrift
Volk und Gemeinde aus dem Aufsatz Der Nationalsozialismus, sein
Werdegang in Mitteleuropa folgenden Absatz beschlagnahmt:
Zum nationalen, aber auch sozialen Staat aller
Deutschen Mitteleuropas haben wir uns seither auf unseren Parteitagen
und Völkischen Tagen, aber auch auf dem Boden des Prager
Parlamentes bekannt. Dieses offene Bekenntnis bildete auch den
Kernpunkt der politischen Entschliessung unserer Gesamtleitungsitzung
vom 21. und 22. Eismond 1928.
Wann wir diese Ziel arreichen, steht dahin!
Zaghafte mögen abseits bleiben, Materialisten erklären,
sie hätten nichts davon. Wir streben und ringen, wir bauen
und säen die Saat. Einst reift die Ernte: der freie, deutsche
Staat mit freien hochgemuten Menschen! Mögen die Einen der
Vergangenheit nachtrauern, die anderen am Schmutz und Tand einer
öden geist- und seelenlosen Gegenwart hängen. Unser
ist die Zukunft! Ob unsere Idee sich früher oder später,
ob ohne oder unter Erschütterungen durchsetzen wird, wissen
wir nicht. Aber da sie sich siegreich durchsetzen wird, da einmal
die Hakenkreuzfahnen die Banner des deutschen Reiches sein werden,
das wissen wir!
Die beschlagnahmte Stelle besagt nichts anderes,
als die auf so vielen Parteitagen und in vielen öffentlichen
und parlamentarischen Reden wiederholten programmatischen Forderungen
der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei. Ihre Beschlagnahme
spez. in diesem Zusammenhange, der eine geschichtliche Darstellung
ihrer Entwicklung bedeutet, erscheint als kleinliche und unnötige
pregesetzliche Schikane.
Die Gefertigten fragen aus diesen Gründen
an:
Billigt der Herr Minister die Beschlagnahme
der zitierten Stelle des Aufsatzes?
Falls er dies nicht tut, ist er bereit, die
Staatsanwaltschaft Troppau anzuweisen, künftighin derartige
ungerechtfertigte Beschlagnahme zu unterlassen?
Prag, den
13. März 1928.